Abgrenzung

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Momo
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Abgrenzung

Beitrag von Momo »

Über den Begriff bin ich letztens hier im Forum gestolpert. Ich hab mich mit dem Thema schon mal beschäftigt und jetzt wieder drüber nachgedacht. Probleme damit hängen denke ich häufig mit Hypersensibilität zusammen.

Ich hab das noch nicht so ganz raus. Eine Zeitlang dachte ich das. Zum einen, weil ich mir nicht mehr so viele Gedanken darüber mache, was andere von mir denken und von mir halten, zum anderen, weil es in meiner Ausbildung erstaunlich gut funktioniert hat, da habe ich größere Probleme erwartet.
Aber im Sommer ist mir dann bewusst geworden, dass ich es immer noch nicht unbedingt bemerke, wenn ich es nicht schaffe, mich abzugrenzen.
Mein Praktikumsleiter hatte nach einem Hausbesuch gerade sein Auto eingeparkt. Die Zentralverriegelung daran funktioniert nicht mehr, also musste jede Autotür einzeln abgeschlossen werden. Ich bin ausgestiegen, hab aber vergessen, den Schalter auf der Beifahrertür runterzudrücken, woraufhin er meinte; "Du hättest schon noch abschließen können."
Ja, richtig, hätte ich, wäre auch keine große Sache gewesen, tut mir Leid, ich hols sofort nach... Ich hab mich umgedreht und bin zur Autotür zurückgegangen. Und er meinte; "Hey, hör doch auf, Asche auf dein Haupt zu streuen, deine Haare sind schon ganz weiß. Lass den Ärger bei mir."

Ich arbeite gerade daran, indem ich meine Wahrnehmung stärker hinterfrage. Denn abstellen kann ich sie nicht, bzw. das würde mir nicht helfen. Also übe ich mich darin, sie einzuordnen. Denn dann kann ich meine eigene Bewertung und Sichtweise dem gegenüber stellen. In gewissem Sinne mein Selbstbild.
Wie letztens nach dem Einkauf, wo zwei Männer standen, die um Spenden gebeten haben. Nachdem ich erklärt habe, dass ich nicht spenden werde, weil ich im Augenblick kein eigenes Geld verdiene, hat einer davon genickt und mir noch einen schönen Tag gewünscht. Mich dabei aber so enttäuscht angeguckt, dass ich mich mies gefühlt habe. Ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen, obwohl ich ihn überhaupt nicht kannte.
Aber das war seine Enttäuschung, nicht meine. Ich hab die Wahrheit gesagt, ich bin nicht ausgewichen. Ich war freundlich. Und manchmal kann ich nicht mehr machen.

Fällt euch diese emotionale Abgrenzung auch manchmal schwer?
In was für Situationen geht es euch so?
Wie geht ihr damit um?
Was versteht ihr unter dem Begriff eigentlich?
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To be a wanderer, yet have a home?
- Kara Douglas

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Brax
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Re: Abgrenzung

Beitrag von Brax »

Tintenmalerin hat geschrieben: 15 Okt 2017 18:36 Fällt euch diese emotionale Abgrenzung auch manchmal schwer? Ja. Und es ist wohl auch einer meiner AB-Gründe.

In was für Situationen geht es euch so? Eigentlich immer, wenn jemand was von mir will oder sich schlecht fühlt. Ich fühle mich dann immer verantwortlich dafür, dass es der anderen Person wieder gut geht bzw. dass sie nicht enttäuscht wird.

Wie geht ihr damit um? Mittlerweile ist mir bewusst, dass ich mich schwer abgrenzen kann und dass ich auch nicht für alles verantwortlich bin und auch nicht immer schuld, wenn ich beschuldigt werde. Das Bewusstsein hilft schon, viel weniger ein schlechtes Gewissen zu haben. Außerdem halte ich mittlerweile möglichst Distanz zu Personen, von denen ich weiß, dass ich mich bei ihnen oft abgrenzen muss und es nur schlecht hinkriege.

Was versteht ihr unter dem Begriff eigentlich? Nicht die Verantwortung für etwas zu übernehmen, wofür man nicht verantwortlich ist (wie z. B. das Wohlergehen von Familienmitgliedern, etc.).
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Elli
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Re: Abgrenzung

Beitrag von Elli »

Mir geht es da sehr ähnlich.
Von Leuten, die ein sehr manipulatives Gesprächsverhalten haben (also zB: die mir ein schlechtes Gewissen machen, oder die mich dazu bringen, Zusagen für Sachen zu geben, die ich eigentlich nicht machen will, und die mich irrsinnig viel Zeit kosten etc.), halte ich mich inzwischen idR fern - ich kenne meine Schwächen und weiß, dass ich gegen hochmanipulative Menschen nicht ankomme. Deswegen hilft es nur, solche Leute zu meiden.
Im Alltag übe ich mich stetig darin, mich sinnvoll abzugrenzen. Es geht oft auch gar nicht darum, gleich kategorisch nein zu sagen: "Gib mir noch Bedenkzeit" ist oft die bessere Antwort und dann kann ich in Ruhe abwägen und entscheiden ...
Und was den emotionalen Part angeht: Das muss man einfach aushalten lernen, dass man auch mal die Arschlochrolle spielt. Darin verzeichne ich Fortschritte.
LazyEyeOzzy

Re: Abgrenzung

Beitrag von LazyEyeOzzy »

Mir geht es teilweise auch so.
Zb. auf der Arbeit.
Einer meiner vorgesetzten hat durch ein Missverständnis mal etwas falsches über mich in der Firma(ein kleiner teil der firma) verbreitet.
Eigentlich hätte mir das egal sein sollen aber das hat mich unglaublich gestört.
Es war zwar nichts so schlimmes sondern eher lustig aber dadurch dass ich von der 1. bis zur 10. Klasse ständig gemobbt wurde und das erst in der Ausbildung aufgehört hat ist es mir eigentlich wichtig das ich einen guten Eindruck mache.

Aber meistens hilft es mir sowas mit Humor zu nehmen.
Wie eben schon erwähnt sind diese Manipulativen Menschen manchmal auch bei mir ein Problem, aber das kann man glaube ich tatsächlich üben. Zumindest bilde ich mir das ein. Ich versuche inzwischen selbst lästige Kollegen zu manipulieren (mit erfolg). Man sollte es nur nicht übertreiben ;)
Aletheia

Re: Abgrenzung

Beitrag von Aletheia »

Kann ich mich in den Schilderungen auch sehr gut wiederfinden, mir fällt es auch sehr schwer, mich emotional abzugrenzen. Wenn Menschen die mir nahe stehen Probleme haben, lasse ich das auch sehr stark an mich heran und das belastet mich dann auch. Ganz furchtbar ist es auch, wenn es irgendwelchen Leuten wirklich schlecht geht / sie in der Öffentlichkeit weinen, da geht es mir dann auch direkt schlecht. Und ich fühle mich auch sehr schnell für Dinge verantwortlich, die eigentlich nicht mein Problem sind. Mir helfen dabei eigentlich nur Freunde / Familie, die mich dann darauf hinweisen, dass ich mir mal wieder viel zu viele Gedanken mache. Das darüber reden hilft mir dann irgendwie ein wenig Abstand zu gewinnen. Und ich brauche auch manchmal einfach Zeit für mich, in der ich mich dann sehr zurückziehe. (Wohl der Hauptgrund warum ich schlecht in Beziehungen bin...) Aber die ultimative Lösung hierfür habe ich auch nicht, bin mal sehr neugierig, was andere noch dazu sagen oder auch an Vorschlägen, damit umzugehen, haben :)
Saraj
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Re: Abgrenzung

Beitrag von Saraj »

Es gibt ja auch noch die positive Komponente dabei. Wenn man sich emotional vom Leid anderer nicht abgrenzen kann, ist man vielleicht auch ein besonders mitfühlender Mensch.
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Momo
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Re: Abgrenzung

Beitrag von Momo »

Tendenziell gehen Menschen, die sich emotional schwer abgrenzen können, wahrscheinlich stärker auf die Bedürfnisse anderer ein. Das hat dann auch mit Mitgefühl zu tun, aber ich seh da deutliche Unterschiede.
Mitgefühl bedeutet für mich, Gefühle nachzuempfinden, mitzuschwingen. Die Gefühle des anderen wertzuschätzen, anzunehmen, zu spiegeln und auf gewisse Weise auch zu validieren.
Sich nicht abgrenzen zu können bedeutet dagegen, das Leid des anderen unmittelbar selbst zu fühlen, selbst darunter zu leiden. Damit ist niemandem geholfen, oder zumindest habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mich zu sehr auf mein eigenes Leid fokussiere, wenn es mir schlecht geht. Dann bin ich nur noch sehr bedingt zur Resonanz fähig.

Als positive Komponente würde ich eher nennen, dass man auch Freude anderer Menschen unmittelbarer miterfahren kann. Ich würde diese Wahrnehmung auch niemals aufgeben wollen.
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