Reborn hat geschrieben: ↑14 Jan 2018 01:49
Ich sollte mich wahrscheinlich nicht beschweren. Inzwischen habe ich ein Vermögen das zumindest nahe am 6 stelligen Bereich ist. Damit bin ich für meine Altersklasse durchaus oberhalb des Schnitts. Ebenso beim Einkommen. Ich bin gesund, hab ein Dach über dem Kopf, Leute die mich unterstützen. Ich habe sicher mehr als 90% der Menschheit...
Und doch...wenn ich meinen Kumpel besucht habe dann fühle ich mich klein. Er besitzt mit Mitte-Ende 20 ein Vermögen von über 3 Millionen Euro. Die hat er zu ich würde mal schätzen 80% geerbt und zu 15% geschenkt bekommen. Natürlich hat er eine langjährige Beziehung, 2 dicke Autos, ein Motorrad, einen Palast wie im Märchenbuch. Es ist ja ok...er soll es gut haben. Er ist ein guter Kerl. Ich weiß auch nicht... Eigentlich sollte ich rational gesehen ja denken: "Ok, das ist nicht die Norm. 90% der Menschheit haben es schlechter als ich" und doch...man vergleicht sich und denkt sich: "Scheiße bin ich ein Loser". Ich würde nicht von Neid sprechen, denn eine Komponente der Mißgunst empfinde ich nicht. Aber es erzeugt in mir einfach Komplexe wenn ich mein Leben neben seines stelle.
Ich weiß nicht...kann jemand das nachempfinden? Ich meine das Dumme ist auch egal was ich tue...ich erreiche das nicht mehr. Ich kann studieren und Hirnchirurg werden aber auch dann erreiche ich bis zum Lebensende einen solchen Lebensstandard nicht mehr. Ich könnte es evtl. mit Selbständigkeit versuchen aber das ist ja auch nicht garantiert.
Außerdem stelle ich immer wieder fest, wenn du in einer reichen Umgebung lebst wo Industrie ohne Ende ist und alle Leute halt mal locker ihre 3000 netto haben und dann wenn sie zu zweit arbeiten halt mal eben 6000 Euro im Monat raus knallen können...da kommst du dir irgendwie immer wie ein Loser vor. Du kannst ja als Single mit dem nicht mit halten. Ich meine 6000 im Monat netto mal 12 sind 72.000 mal 10 Jahre ist schon ein nettes Haus.
Kennt ihr das nicht, dann ihr andere seht und euch wie Loser vorkommt. Vielleicht sollte ich mal in den Osten ziehen oder so. Da hätte ich zwar weniger, aber alle anderen sind dafür auch scheiße arm
Wobei ich ja eigentlich nicht scheiße arm bin...aber ich fühl mich so weil alle um mich rum irgendwie Millionäre sind.
Zunächst einmal sei beruhigt, mit diesen Gedankengängen bist du nicht allein. Diverse Studien haben schon mehrfach nachgewiesen, dass wir nur dann finanziell zufrieden sind, wenn wir im Vergleich zu unserer Peer-Group wenigstens gleichauf liegen – und das unabhängig von der tatsächlichen Vermögenssumme / dem Gehalt.
Sprich: mit 3000 Brutto würdest du dich sehr wohl in einem Umfeld fühlen, wo jeder andere nur 2000-3000 verdient. Mit 5000 Brutto wärst du jedoch unzufrieden, wenn die meisten anderen 5000-8000 verdienen.
Es gibt auch spannende Experimente, wo die Leute die Wahl hatten 50€ geschenkt zu bekommen, aber kein anderer Teilnehmer erhält etwas versus 100€ geschenkt bekommen, aber jeder andere erhält 150€. Rate mal wofür sich die Mehrzahl entschieden hat…
Das scheint also etwas ganz natürliches/verbreitetes zu sein, die Frage ist nur: was machst du mit dieser Erkenntnis, dass sich all das nur in deinem Kopf abspielt?
Wie jemand schon geschrieben hat wirst du dich bei solchen Vergleichen immer wieder schlecht fühlen, weil es immer Leute gibt die mehr haben.
Du hast dir dein jetziges Gehalt und dein Vermögen selbst erarbeitet, du solltest dich also stolz fühlen, denn dein Millionärs-Kumpel hat dafür rein garnichts getan.
Das Dilemma mit den Immobilien kenne ich auch, ich gehöre mit meinem knapp 6-stelligen Gehalt sicher nicht zu den Ärmsten, kann mir aber heutzutage in Köln dennoch niemals eine schöne Immobilie leisten (das geht da ab 500-700k – ohne Zinskosten, Kaufnebenkosten,etc. - erst los), wie es vor 20 Jahren mit einem durchschnittlichen Facharbeitergehalt (siehe mein Vater) möglich gewesen ist. Ich würde schon eine Partnerin mit ähnlichem Gehalt benötigen um sowas zu stemmen, aber dann stellt sich auch die Frage nach dem Sinn. Für solche Summen kann man auch entspannt sein Leben lang Miete zahlen bis es ins Altersheim geht, hat aber dafür keinerlei Verpflichtungen/Folgekosten und bleibt flexibel.
Also ja, generell sind deine Gedanken nachvollziehbar, aber für dich selbst eher schädlich. Wenn du schon vergleichen willst, dann vergleich dich mit dir selbst: wo warst du vor 10 Jahren? Aus welcher „Schicht“ kommst du? Hast du nicht tolles geleistet verglichen mit damals?
Hinterfrage dein Streben nach mehr Geld: wofür würdest du es einsetzen? Würde das deine Lebensqualität spürbar verbessern? Was wäre denn großartig anders wenn du jetzt 1000 netto im Monat mehr zur Verfügung hättest? Eigentlich würde sich kaum was ändern, allerdings würdest du dann irgendwann wieder auf den nächsten Tausender schielen.
Ich kenne das von mir selbst. „Wenn ich endlich mal 3000 netto verdiene, werde ich alles haben was ich will und brauche nicht mehr“. Als ich die 3000 hatte habe ich nach einem Jahr trotzdem wieder auf die nächsten Entgeldgruppen geschielt, als ich die dann hatte ging das nochmal so weiter, bis ich endlich davon loslassen konnte.
Hört sich bei dem guten Gehalt lächerlich an, ist aber Tatsache dass es nicht so einfach ist davon loszulassen, wenn man viele Kollegen hat die nochmal 10-30k im Jahr mehr verdienen.
Heute gehe ich oft lecker auswärts essen, meine Urlaube sind was teurer, ich wohne in einer schönen Gegend (aber zur Miete…). Aber objektiv betrachtet ist mein Leben nicht erfüllter/schöner als vor Jahren, wo ich die Hälfte verdient habe. Nur etwas sorgenloser. Dafür lohnt es sich aber echt nicht, sich dauernd durch Vergleiche mit anderen ein schlechtes Gefühl zu machen.
Denk lieber darüber nach, was für schöne Erlebnisse du dir mit deinem Vermögen gönnen kannst und konzentriere dich nur noch darauf.