Sensibilität, Fluch oder Segen?

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ERSTER BEITRAG DES THEMAS
zumsel

Sensibilität, Fluch oder Segen?

Beitrag von zumsel »

Hallo,

seitdem ich Nähe, Geborgenheit und Intimität vermisst habe, habe ich eine starke Sensibilität entwickelt diese bei anderen aufzuspüren.
Ganz besonders fallen mir Pärchen auf. Ich verfolge von ihnen Küsse, Streicheln und andere Berührungen und merke dann, dass ich das auch will. Und bei Leuten, die ich einzeln sehe, male ich mir gerne aus, was die alles in Sachen Beziehungen erleben. Gewissenhaft lasse ich in meine Gedanken dabei Mimik, Gestik und das äußere Erscheinungsbild in meine Gedanken einfließen. Als Single war ich auf diese Weise fast immer am Nachdenken, wenn ich in der Öffentlichkeit unterwegs war. Manches Mal war es Recht positiv, weil ich heiße oder romantisches Kopfkino hatte, aber schnell sah ich mich vor meinem inneren Spiegel: zu verkorkst, um jemals dahin zu kommen, wo ich hin will. Solche Gedanken taten mir unheimlich weh. Und das wollte ich nicht. Dieser blöde Schmerz, er ging mir an die Substanz und ich verabscheute meine Sensibilität, die mich gerne zielgerichtet auf den Schmerz hinsteuerte, wenn ich gerade nicht darauf vorbereitet war.

Andererseits bin ich total dankbar dafür, dass meine empfindlichen Antennen scheinbar auch die kleinsten Zeichen zwischenmenschlicher Botschaften empfangen, auch wenn mein intuitives Denken viel mit hinein interpretieren mag. Zu sehen, wie wunderbar vielfältig es sein kann was man sendet regte meine Fantasie und meine Ideen an, wie es Mal sein würde, wenn ich vergeben bin. Die vielfältigen Eindrücke machten mich dankbar Dinge sehr sensibel Wahrnehmen zu können im Vergleich zu manch anderen, die kalt und ohne Antenne über vieles hinweg sahen, was mir auffiel.

Diese starren Sichtweisen habe ich mittlerweile abgelegt und sie kommen mir heute auch seltsam wertend vor, aber noch heute sauge ich in der Öffentlichkeit viele zwischenmenschlichen Botschaften auf. Dadurch bin ich geistig schnell erschöpft und brauche zu Hause Ruhe.

Wie geht ihr mit eurer Wahrnehmung um ? Belastet euch eure Sensibilität oder nicht?

ERSTER BEITRAG DES THEMAS
Dandy

Re: Sensibilität, Fluch oder Segen?

Beitrag von Dandy »

Du beziehst dich da sehr auf Zwischenmenschliches und Beziehungen. Ich hätte erwartet, dass das Thema etwas weitläufiger wird und auch andere Komponenten einschließt.
Ganz allgemein betrachtet nehme ich manchmal auch Dinge wahr, die andere nicht wahrnehmen, auch in Situationen, in denen es unnötig oder sogar kontraproduktiv ist. Ich bin z.B. auch unfassbar geruchs-, schmerz- und berührungsempfindlich. Kleidung, die einen unpassenden Stoff hat, kann also regelrecht unangenehme haptische Wahrnehmungen und entsprechende Reaktionen bis hin zur Gänsehaut bei mir auslösen. :mrgreen:

Aber das ist ja dann etwas anderes. Was Zwischenmenschliches angeht, war es bei mir lange Zeit eher nicht so. Die "zwischenmenschlichen Antennen", so habe ich das Gefühl, habe ich mir im Verlauf des Lebens erst dranmontieren müssen.
Natürlich nehme ich heute auch knutschende oder turtelnde Paare wahr, besonders im Sommer, und denke mir: Ich will sowas auch. Manchmal blende ich es aber quasi automatisch aus - vermutlich aus Selbstschutz.

Ich denke, man kann weder sagen, dass hohe Sensibilität ein absoluter Fluch ist, noch, dass es ein absoluter Segen ist. Sie hat 2 Seiten, wie vieles im Leben. Vorteile und Nachteile. Kopf und Zahl. Wer in der goldenen Mitte liegt, hat gewonnen - wie fast immer.
Nonkonformist

Re: Sensibilität, Fluch oder Segen?

Beitrag von Nonkonformist »

Ich bin mit großer wahrscheinlichkeit hochsensibel, was mich einigermassen empfindlich für stimmungen macht.
Ich spüre schnell wann es z.b. reibungen zwisschen menschen gibt, und merke es auch wann jemanden gute laune nur vortäuscht.
Sowohl positive als negative stimmungen zwisschen anderen können meine eigene laune ziemlich beeinflüssen.
Bin auch sehr empfindlich für lärm, grelles licht, gerüche, unkomfortabele kleidung, usw.
Musik und filmszenen können mich zum tränen bringen.
Liebeskummer kann mich über monate lang völlig aus den ruder bringen.

Es ist segen und fluch.
Die frauen die mich deren verliebtheit gestanden haben, haben mich damit nicht überrascht; meist spüre ich schon ob ein interesse an mich da ist.
Auch wann es zwisschen anderen knistert, merke ich das in der regel. Bei eine gute freundin wüsste ich früher das sie in einen kollegen verliebt war, als sie es selber gerafft hat.
Oder das gegenteil, ob menschen mit mir nicht klar kommen und deren freundlichkeit nur gespielte höfflichkeit ist. Bei bistimmte menschen geht bei mir schon früh ein alarm ab. Bei bestimmte menschen habe ich ein ungutes gefühl, ohne genau zu wissen, woran es liegt. Sensibilität ist eher instinktiv, basiert sich selten auf fakten.

Meist merke ich es auch wann menschen temporär ein problem mit mir haben, nur weiß ich selten woran das genau liegt, was dann wieder zu zuviel kopfkino und grübeln führen kann.

Ich vermute mal, das das alles mir als trickfilmzeichner ziemlich genutzt hat - da ist das übermitteln von gefühle eine wichtige komponente. Da müß man einen guten draht zu den eigenen gefühlswelt haben, und sich mit subtilitäten der körpersprache auskennen.
Aber es hat auch zu ein kluft mit normalsensibelen geführt - davon empfinde ich viele als ziemlich unempatisch und hart.
Ich kann mich auch schwer eine beziehung mit einen normalsensibelen vorstellen.
(Aber ich sehe mein HSP-tum als wichtiges teil meiner persönlichkeit, im grunde als etwas positives, und möchte auch kein normalsensibler werden.)
Krausig
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Re: Sensibilität, Fluch oder Segen?

Beitrag von Krausig »

zumsel hat geschrieben: 04 Mär 2018 14:56 Belastet euch eure Sensibilität oder nicht?
Glücklicherweise bin ich sehr dickfellig und unsensibel. Ich möchte nicht anders sein. Das führt in der Partnerschaft allerdings auch manchmal zu Problemen! :crybaby:
Tyrion

Re: Sensibilität, Fluch oder Segen?

Beitrag von Tyrion »

Ich bin hochsensibel und das empfinde ich sowohl als Fluch als auch als Segen. Es bedeutet, dass ich alles, aber auch wirklich alles um mich herum wahr nehme (ob ich will oder nicht) und das auch noch sehr viel intensiver als "normale" Menschen. Ich habe schon das Gefühl, dass ich viel intensiver oder bewusster lebe als andere möglicherweise. Ich bekomme so viele Eindrücke mit und empfinde viele Dinge als unglaublich spannend, wo andere sich zu Tode langweilen würden.
Einer meiner Lieblingsorte sind Wartezimmer in Arztpraxen. Viele ziehen wahrscheinlich schon beim Betreten des Wartezimmers das Handy. Ich kann das nicht. Es gibt so viele Dinge zu beobachten und Eindrücke zu erhalten. Menschen zu beobachten ist spannend. Wie interagieren sie, was flüstern die Leute am anderen Ende des Wartezimmers (Ja, das höre ich. Mein Gehör ist extrem gut.), welche Zeitschrift liest welche Oma, welches Kind kann welchem Vorgang länger als 3 Sekunden seine Aufmerksamkeit schenken. Es ist ganz witzig wie einige Kinder ihre Eltern entblößen und dann in der Öffentlichkeit präsentieren, wie es offensichtlich zu Hause zugeht.
Aber die Hochsensibilität hat auch schwere Nachteile. Ich war mal zusammen mit meiner Schwester und der Familie in einem Restaurant. Es war brechend voll. Bedeutet für mich, dass es extrem viele Eindrücke zu verarbeiten gab. Das kostet unglaublich viel Energie. Nach einer halben Stunde war ich fix und alle. Ich hatte kaum etwas gegessen, weil ich dazu mental gar nicht mehr in der Lage war. Meine Batterien waren derart leer, dass ich nur noch raus wollte. Ich wollte allein sein und meine Batterien wieder auffüllen. Meine Schwester saß mir gegenüber und ich konnte nicht verstehen, was sie mir sagte. Mein Gehör war mit anderen akustischen Reizen beschäftigt. Ich musste 3 Mal nachfragen und habe sie trotzdem nicht verstanden. In Bars ist das ganz genauso. Wenn dort (in meinen Ohren) so laute Musik läuft und viele Menschen sich unterhalten, kann ich mich kaum bis gar nicht auf mein Gegenüber konzentrieren. Und dann bin ich nach einer Stunde so kaputt, dass ich nur noch weg möchte.
Auf Partys früher war das auch schon so. Dann bin ich einfach nach einer gewissen Zeit für eine Stunde spazieren gegangen. Ich konnte einfach nicht mehr. Das ist natürlich suboptimal, wenn man Frauen kennenlernen möchte und sich an diese Orte begeben muss. Es gibt deshalb schon Momente, in denen ich diese "Gabe" nicht gern hätte. Aber sie ist da und es ist keine Krankheit.
Clochard

Re: Sensibilität, Fluch oder Segen?

Beitrag von Clochard »

Tyrion hat geschrieben: 05 Mär 2018 21:50 Aber die Hochsensibilität hat auch schwere Nachteile. Ich war mal zusammen mit meiner Schwester und der Familie in einem Restaurant. Es war brechend voll. Bedeutet für mich, dass es extrem viele Eindrücke zu verarbeiten gab. Das kostet unglaublich viel Energie. Nach einer halben Stunde war ich fix und alle. Ich hatte kaum etwas gegessen, weil ich dazu mental gar nicht mehr in der Lage war. Meine Batterien waren derart leer, dass ich nur noch raus wollte. Ich wollte allein sein und meine Batterien wieder auffüllen. Meine Schwester saß mir gegenüber und ich konnte nicht verstehen, was sie mir sagte. Mein Gehör war mit anderen akustischen Reizen beschäftigt. Ich musste 3 Mal nachfragen und habe sie trotzdem nicht verstanden. In Bars ist das ganz genauso. Wenn dort (in meinen Ohren) so laute Musik läuft und viele Menschen sich unterhalten, kann ich mich kaum bis gar nicht auf mein Gegenüber konzentrieren. Und dann bin ich nach einer Stunde so kaputt, dass ich nur noch weg möchte.
Auf Partys früher war das auch schon so.
Das hat m. E. nichts mit Hochsensibilität zu tun, sondern ist eigentlich "normal", denn der Lautstärkepegel ist heutzutage in der Gastronomie wirklich extrem - in einer überfüllten Bar wo gleichzeitig noch laute Musik gespielt wird, ist der Lautstärkepegel objektiv einfach irrsinnig hoch. Der Unterschied ist, ob Leute das als normal empfinden und die Situation "genießen", weil in eine Bar gehen für sie positiv besetzt ist (nach Feierabend ausspannen, lecker Cocktails trinken, Freunde treffen), dann belastet es sie nicht und ganz unbewusst reden sie dann lauter und rücken mit den Ohren näher zum Gesprächspartner. Oder ob sie es nicht gewohnt sind, weil sie z. B. selten ausgehen und das Ausgehen eigentlich auch nicht mögen und es nur machen, um irgendwie "sozial" zu sein, und dann von vornherein die Situation als unangenehm empfinden.
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Re: Sensibilität, Fluch oder Segen?

Beitrag von Karlsson »

Das kommt mir sehr bekannt vor...
In einem vollbesetzten Restaurant, wo es zusätzlich noch laut ist, mit mehreren Leuten an einem Tisch zu sitzen ist für mich eine totale Reizüberflutung. Irgendwann kann ich mich kaum noch auf Gespräche konzentrieren und meine Batterien sind dann ganz schnell leer... Von Bars und Discos mal ganz zu schweigen...
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Endura

Re: Sensibilität, Fluch oder Segen?

Beitrag von Endura »

Karlsson hat geschrieben: 11 Mär 2018 12:08 Das kommt mir sehr bekannt vor...
In einem vollbesetzten Restaurant, wo es zusätzlich noch laut ist, mit mehreren Leuten an einem Tisch zu sitzen ist für mich eine totale Reizüberflutung. Irgendwann kann ich mich kaum noch auf Gespräche konzentrieren und meine Batterien sind dann ganz schnell leer... Von Bars und Discos mal ganz zu schweigen...
Geht mir auch so. Schlimm finde ich, dass man selbst im Beruf nur selten ein wirklich rühriges Plätzchen findet.
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Re: Sensibilität, Fluch oder Segen?

Beitrag von Karlsson »

Xanopos hat geschrieben: 12 Mär 2018 09:01 Geht mir auch so. Schlimm finde ich, dass man selbst im Beruf nur selten ein wirklich rühriges Plätzchen findet.
Das ist natürlich besonders schlimm, wenn man dann noch unliebsame Kollegen hat... Been there!...
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