Das Karussell des Lebens

Alles zu Deiner persönlichen Situation, Deinen Erlebnissen und was Dir auf dem Herzen liegt als Absoluter Beginner.
ERSTER BEITRAG DES THEMAS
Tyrion

Das Karussell des Lebens

Beitrag von Tyrion »

Häufig bin ich in der Position, dass ich einfach nur da sitze und Dinge auf mich wirken lasse. Ob nun auf der Arbeit während der Mittagspause das Gespräch der Kollegen oder im Fitnessstudio die Unterhaltungen der anderen Männer. Manchmal ist es ein interessanter Einblick in Lebensentwürfe und man malt sich aus, wie diese wohl weiter verlaufen könnten.
Das Leben insgesamt wird immer schnelllebiger - egal in welchen Bereichen. Der Satz „ich habe keine Zeit“ ist bereits ein geflügeltes Wort geworden. Den hat man schneller parat als man vielleicht meint. Mal „schnell“ die Oma besuchen, denn man hat ja ohnehin „keine Zeit“. Natürlich hätte man in vielen Fällen mehr Zeit, aber wir lassen uns in der Hektik der Neuzeit auch gern selber treiben. Da fragt man sich schon, ob es heute noch einen Wert hat, wenn etwas „auf Dauer“ ist. Möchte man das überhaupt? Schließlich tauscht man ja auch Dinge aus, die es ja eigentlich immer noch tun: das Auto, das iPhone 7, den Partner.
Besonders bei letzterem ist die Tauschzirkulation recht groß. Also jetzt nicht bei mir, aber was man so beobachtet lässt einem schon zum Schluss kommen, dass die Wegwerfgesellschaft auch in der Frage zwischenmenschlicher Beziehungen ihren Platz gefunden hat. Alles andere wäre auch inkonsequent. Mittlerweile ist eine Generation herangewachsen, die entsprechend sozialisiert ist immer auf „das Neue“ aus zu sein. Der Mensch braucht neue Reize, sonst hat er Angst „etwas zu verpassen“. Ja, was verpasst man denn? Dass der eine weniger aus dem Mund riecht als der andere? Ab wann der Mensch einen langweilt? Es gibt durchaus Menschen, die darüber gewisse Studien anfertigen könnten.
Ich stelle mir den Partnermarkt wie ein Karussell vor, auf dem die Tauschware Platz genommen hat. Die einen nehmen früher Platz, die anderen später. Ich sitze auf der Parkbank einige Meter entfernt, auf dem die Eltern ihren Kindern zuwinken, wenn das Karussell diese gerade vorbeifährt. Ich winke aber niemandem zu. Ich beobachte. Mit der Zeit wird das Karussell immer schneller. Das liegt an den Wisch-Bewegungen, die die Insassen recht routiniert drauf haben. Zu mir hat man als Kind mal gesagt, dass mir die Daumen kaputt gehen werden, wenn ich weiter Game Boy spiele. Die wussten nicht, was heute mit den Daumen passiert.
Je schneller sich das Karussell bewegt, desto schwieriger wird es, darauf noch aufzusteigen. Klar kann man es probieren. Das kann aber auch wehtun, wenn man Pech hat. Man sollte aber aufpassen, dass die Mittel, mit denen man noch mitfahren möchte, nicht zu riskant werden. Als ich sah, wer alles auf dem Karussell sitzt und wer davon früher selbst nur resignierter Beobachter war, fühlte ich eine gewisse Getriebenheit auch in mir. Jeder kleine Strohhalm wollte ergriffen sein - egal in welche Richtung. Dinge, für die man eigentlich geohrfeigt gehört, habe ich ausprobiert. Es ist aber auch schwer nicht diesen Drang zu verspüren und sich nicht für Dinge einspannen zu lassen, die entgegen der eigenen Neigung sind. Schließlich sieht man die Leute auf dem Karussell nicht nur fahren, sie machen auch noch Fotos, Videos und erstellen Berichte über ihre wilde Fahrt. Wenn dem Auge eine wilde Fahrt vorgegaukelt wird, aber der Gleichgewichtssinn „Stillstand“ vermeldet, dann kann es im Gehirn zu einer unschönen Verwirrung kommen, die zu einem noch unschöneren Resultat führt: man muss sich übergeben. Und so stehe ich still vor dem Karussell und bekomme das wilde Treiben vor meinen Augen präsentiert. Natürlich kann das auch in eine depressive Phase führen. Man kann sich aber auch die Frage stellen, ob man das überhaupt möchte? Will ich da eigentlich mitfahren?
Ich bin ein sehr introvertierter Mensch. Das darf man nicht mit Schüchternheit verwechseln. Introvertierte brauchen häufig etwas länger, um mit einem Menschen „warm“ zu werden. Es dauert bis man jemandem einigermaßen vertrauen kann, sodass man etwas von sich preisgibt. Das ist natürlich nicht ideal, wenn es um die Partnersuche geht - auch nicht, wenn es um die Jobsuche geht by the way. Bis ich mit jemandem warm werde, sind andere schon dreimal warm geworden - und auch wieder kalt. Ich kann es mir gar nicht vorstellen mich mehreren Menschen zu öffnen. Und das in relativ kurzen Intervallen. Allein der Körperkontakt über das Händeschütteln hinaus kostet eine Menge Überwindung, denn ich mag es nicht besonders, wenn mir jemand zu nahe kommt - physisch wie psychisch. Das lasse ich nur bei ganz ausgewählten Menschen zu. Insofern ist das Karussell schon mal weniger mein Fahrgeschäft.
Ich stelle mir auch vor, wie es den Menschen dort auf dem Karussell wohl weiter ergeht? So lange man jung ist, kann man sich dort noch halten, aber wenn man älter wird, reicht die Kraft vielleicht nicht mehr und man wird hinunter geschleudert. Manch einer landet wohl unsanft. Mit 60 oder 70 Jahren ist es möglicherweise nicht mehr so einfach einen neuen Partner zu finden auch wenn es bis dahin immer geklappt hat. Und dann? Kann man sich dann ein Leben auf meiner Parkbank nochmal vorstellen? So ganz entgegen der eigenen Sozialisation? Oder bleibt der Mensch gefangen im Rausch des Karussells und zerbricht letztendlich daran?
Ich für meinen Teil wünsche mir auf einem der anderen Parkbänke jemanden zu finden, der so fühlt wie ich. Manchmal findet man so jemanden ja auch, wer weiß das schon? Dann möchte ich mit dieser Person an dem Karussell vorbeigehen. Weit weg. An ein ruhiges Gewässer. Das iPhone ins Wasser schmeißen - und stagnieren.

Wusstet ihr eigentlich, dass das Wort „Stagnation“ aus dem lateinischen kommt und übersetzt „der Teich“ bedeutet? Fast 1.000 Wörter geschrieben, um am Ende diese Klugscheißerei loszulassen. Das war es doch wert! ;)

Übrigens fahre ich am Samstag in den Hansa Park, wer noch? Am Karussell wird man mich aber nicht finden!

ERSTER BEITRAG DES THEMAS
Automobilist

Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Automobilist »

Tyrion hat geschrieben: 14 Aug 2018 21:38 Da fragt man sich schon, ob es heute noch einen Wert hat, wenn etwas „auf Dauer“ ist. Möchte man das überhaupt? Schließlich tauscht man ja auch Dinge aus, die es ja eigentlich immer noch tun: das Auto, das iPhone 7, den Partner.


Wusstet ihr eigentlich, dass das Wort „Stagnation“ aus dem lateinischen kommt und übersetzt „der Teich“ bedeutet? Fast 1.000 Wörter geschrieben, um am Ende diese Klugscheißerei loszulassen. Das war es doch wert! ;)
1. Absatz : Ich gewiß nicht; ich bin bekannt dafür, alles zu nutzen, so lange irgend möglich....

2. Absatz : Wäre es denkbar, daß Du " stagnum " mit " stagnatio " verwechselst ?
Tyrion

Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Tyrion »

Automobilist hat geschrieben: 14 Aug 2018 21:592. Absatz : Wäre es denkbar, daß Du " stagnum " mit " stagnatio " verwechselst ?
Ein Lateinlehrer aus Bayern hat es mal so erklärt. Er sollte sagen, was "stagnieren" bedeutet und meinte, dass das von "stagnum" (der Teich) kommt; "etwas, dass still steht". Der muss es doch wissen...
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Tania
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Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Tania »

Tyrion hat geschrieben: 14 Aug 2018 21:38 Übrigens fahre ich am Samstag in den Hansa Park, wer noch? Am Karussell wird man mich aber nicht finden!
Das ist schade. Denn sonst würdest Du vielleicht erleben, dass das Ganze nur von Außen so bunt und verwirrend aussieht. Auf dem Karussell selbst sitzt man still - und immer neben dem selben Menschen. Mancher schnallt sich sogar an.

Nebenbei bemerkt: wirklich Neues entdeckt man oft am besten an und mit einer vertrauten Person. Was ist schon die neue Erkenntnis, dass die hübsche Nachbarin ihren Kaffee mit Milch und Zucker trinkt und beim Höhepunkt ihre Bankleitzahl stöhnt, gegen das Gefühl, gemeinsam ein neues Haus gebaut, neues Leben geschaffen oder ein neues Stück der Welt entdeckt zu haben?
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Milkman

Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Milkman »

Tania hat geschrieben: 15 Aug 2018 06:38 beim Höhepunkt ihre Bankleitzahl stöhnt
Ist für mich der Abtörner schlechthin. Wir haben doch jetzt IBAN und BIC.
Tania hat geschrieben: 15 Aug 2018 06:38 das Gefühl, gemeinsam ein neues Haus gebaut, neues Leben geschaffen oder ein neues Stück der Welt entdeckt zu haben?
...oder generell an der eigentlich schon vertraut(geglaubt)en Person eine neue, schöne, liebenswerte Seite zu entdecken... :shylove:
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Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Tania »

Dead Milkman hat geschrieben: 15 Aug 2018 08:44
Tania hat geschrieben: 15 Aug 2018 06:38 beim Höhepunkt ihre Bankleitzahl stöhnt
Ist für mich der Abtörner schlechthin. Wir haben doch jetzt IBAN und BIC.
So lange Höhepunkte hab ich nicht ;)
Tania hat geschrieben: 15 Aug 2018 06:38 das Gefühl, gemeinsam ein neues Haus gebaut, neues Leben geschaffen oder ein neues Stück der Welt entdeckt zu haben?
...oder generell an der eigentlich schon vertraut(geglaubt)en Person eine neue, schöne, liebenswerte Seite zu entdecken... :shylove:
:daumen:
Zukünftig hauptsächlich im https://www.ab-forum.de zu finden.
Automobilist

Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Automobilist »

Tyrion hat geschrieben: 15 Aug 2018 04:25
Automobilist hat geschrieben: 14 Aug 2018 21:592. Absatz : Wäre es denkbar, daß Du " stagnum " mit " stagnatio " verwechselst ?
Ein Lateinlehrer aus Bayern hat es mal so erklärt. Er sollte sagen, was "stagnieren" bedeutet und meinte, dass das von "stagnum" (der Teich) kommt; "etwas, dass still steht". Der muss es doch wissen...
Er sollte. Zwischen " Stagnum " (- i, Neutrum ) und " Stagnatio " ( - is, Femininum ) = Stauung gibt es durchaus einen Bedeutungsunterschied.
Jakob220357

Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Jakob220357 »

Tyrion hat geschrieben: 14 Aug 2018 21:38 Je schneller sich das Karussell bewegt, desto schwieriger wird es, darauf noch aufzusteigen. Klar kann man es probieren. Das kann aber auch wehtun, wenn man Pech hat. Man sollte aber aufpassen, dass die Mittel, mit denen man noch mitfahren möchte, nicht zu riskant werden.
Die einzige Frage die Du Dir stellen musst: Ist es wert das Risiko einzugehen? Wir alle leben ja nicht für immer und vermutlich haben wir nur dieses eine Leben. Stelle Dir deshalb die Frage: Wenn Du nur noch ein Jahr zu leben hättest, was würdest Du anders machen und welche Risiken würdest Du eingehen? Denk da mal in Ruhe drüber nach!
Denn wer etwas will findet Wege und wer etwas nicht will findet Gründe. Es ist leichter im Leben, unangenehme Dinge auf später zu verschieben als sie direkt anzupacken. Doch unser aller Zeit läuft ab und irgendwann ist es wirklich zu spät, um noch etwas zu verändern. Dieser Moment, wenn Du dann auf dein Leben zurückblickst und feststellst, dass Du bei einigen Situationen doch mal über deinen Schatten hättest springen sollen, wird sonst nicht schön.

Du verwendest deine Introvertiertheit als „Ausrede“ warum Du Dich nicht wohl fühlst, auf das Karussel aufzuspringen. Doch es gibt ja nicht nur die schnellen Fahrgeschäfte im Leben sondern auch gemütlichere Attraktionen. Wenn Du tief in Dir zufrieden damit bist, am Rand zu sitzen und dem Treiben zuzusehen, dann ist alles in Ordnung, dann brauchst Du nichts ändern. Doch wenn Du eigentlich mitmachen möchtest und Du Dich ärgerst, nicht Teil dieses Lebens zu sein, dann musst Du Dich aufraffen und das besser heute als morgen.
Tyrion

Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Tyrion »

Tania hat geschrieben: 15 Aug 2018 06:38
Tyrion hat geschrieben: 14 Aug 2018 21:38 Übrigens fahre ich am Samstag in den Hansa Park, wer noch? Am Karussell wird man mich aber nicht finden!
Das ist schade. Denn sonst würdest Du vielleicht erleben, dass das Ganze nur von Außen so bunt und verwirrend aussieht. Auf dem Karussell selbst sitzt man still - und immer neben dem selben Menschen. Mancher schnallt sich sogar an.
Keine Ahnung. Ich bin nur ein Beobachter und sehe die Wirklichkeit, wie sie mir Leute in meiner Umgebung zeigen. Ich würde zu gern immer neben demselben Menschen sitzen und mich anschnallen. Das wäre wirklich ein Traum. Und genau das hier...
Tania hat geschrieben: 15 Aug 2018 06:38das Gefühl, gemeinsam ein neues Haus gebaut, neues Leben geschaffen oder ein neues Stück der Welt entdeckt zu haben?
...ist ein das schönste Gefühl, das ich mir vorstellen könnte. Aber das muss ja auch jemand anderes wollen. Also mit mir zusammen.
Jakob220357 hat geschrieben: 15 Aug 2018 11:04 Die einzige Frage die Du Dir stellen musst: Ist es wert das Risiko einzugehen? Wir alle leben ja nicht für immer und vermutlich haben wir nur dieses eine Leben. Stelle Dir deshalb die Frage: Wenn Du nur noch ein Jahr zu leben hättest, was würdest Du anders machen und welche Risiken würdest Du eingehen? Denk da mal in Ruhe drüber nach!
Denn wer etwas will findet Wege und wer etwas nicht will findet Gründe. Es ist leichter im Leben, unangenehme Dinge auf später zu verschieben als sie direkt anzupacken. Doch unser aller Zeit läuft ab und irgendwann ist es wirklich zu spät, um noch etwas zu verändern. Dieser Moment, wenn Du dann auf dein Leben zurückblickst und feststellst, dass Du bei einigen Situationen doch mal über deinen Schatten hättest springen sollen, wird sonst nicht schön.

Du verwendest deine Introvertiertheit als „Ausrede“ warum Du Dich nicht wohl fühlst, auf das Karussel aufzuspringen. Doch es gibt ja nicht nur die schnellen Fahrgeschäfte im Leben sondern auch gemütlichere Attraktionen. Wenn Du tief in Dir zufrieden damit bist, am Rand zu sitzen und dem Treiben zuzusehen, dann ist alles in Ordnung, dann brauchst Du nichts ändern. Doch wenn Du eigentlich mitmachen möchtest und Du Dich ärgerst, nicht Teil dieses Lebens zu sein, dann musst Du Dich aufraffen und das besser heute als morgen.
Ich glaube, du hast das falsch verstanden. Introversion ist kein Makel. Introversion ist sogar ziemlich cool. Es macht mein Leben sehr viel bunter und lauter, weil ich so viele Dinge mehr wahrnehme als andere. Das ist wiederum ein Nachteil, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt, weil man wirklich alles wahrnimmt. Aber darum geht es nicht. Über die Introversion kann ich später mal einen Text schreiben. Beschäftige dich mal damit. Ist ziemlich interessant!
Zum Thema: Man kann ja nicht allein auf das Karussell aufspringen. Dazu muss es mindestens noch einen zweiten geben. Und es ist auch nicht so, dass ich in meinem Leben nicht schon viel verändert hätte. Ich habe den Kampf gegen meine Akne angenommen und gewonnen. Ich mache viel Sport, was deutlich sichtbar ist. Ich war auf allen möglichen Datingseiten (mit Ratschlägen von Frauen bezüglich Fotoauswahl usw.), ich habe Frauen angesprochen und entsetzte Gesichter (war tatsächlich so) geerntet. Andere Frauen sagen mir dann, dass ich gut aussehe und einfach Pech hatte. Aber immer Pech ist kein Pech, um in der Sportlersprache zu sprechen. Es gab auch noch weitere Sachen, die ich probiert habe, aber hier nicht öffentlich benennen werde. Natürlich kann ich auch einfach eine packen und anbrüllen "JETZT STELL DICH NICHT SO AN", weil ich über meinen Schatten springen möchte und wenn ich es will, dann muss sie es auch wollen. Aber dann lande ich wohl eher vor dem Haftrichter. Auch insgesamt eher ungut.
Für meinen Humor werde ich oft gelobt. Es lachen immer viele über meine Scherze - selbst wenn sie unter einer Mandelentzündung leiden (also die Frauen, nicht die Scherze). Aber das reicht dann nicht. Da hatte ich mir auch immer viel ausgerechnet. Aber die Tatsache, dass ich lustig, humorvoll und nicht auf den Kopf gefallen bin, reicht wohl dann doch nicht.
Dann muss man es irgendwann akzeptieren. Wenn nur dieses verdammte Karussell nicht so groß und allgegenwärtig wäre, würde ich es auch viel besser aushalten können...
Stabil

Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Stabil »

Hallo Tyrion,

einiges aus deiner Geschichte kommt mir bekannt vor. Selbst bin ich auch eher introvertiert. Und was das betrifft, passe ich gut mit meiner Partnerin zusammen. Im Nachhinein verstehe ich jetzt, wie wir zusammen gefunden haben und was wir richtig gemacht haben.

Bei dir lese ich eine grosse Begeisterung und Faszination an der extrovertierten Umgebung heraus.Auch das kenne ich von mir. Vergiss nicht, die vielen introvertierten Mädels und Frauen zu beachten, die so herumlaufen. Die können ganz wunderbare Partnerinnen sein und es ist beglückend, mit ihnen gemeinsam, dir Welt zu betrachten - die bunten Attraktionen und auch die ruhigen Teiche.

Bei Frauen ist die Introversion etwas schwieriger zu erkennen und kann auch mit anderen ruhigen Verhaltensweisen wie Desinteresse oder Ängstlichkeit verwechselt werden. Egal - der versierte Introvertierte findet sie schon. Dass sie eher im Alltag anzutreffen sind, als in der Disko erlebe ich nicht gerade als Nachteil.
Tyrion

Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Tyrion »

Stabil hat geschrieben: 25 Aug 2018 06:30Bei dir lese ich eine grosse Begeisterung und Faszination an der extrovertierten Umgebung heraus.
Eigentlich ist eher das Gegenteil der Fall. Aber Extrovertierte sind sehr mitteilungsbedürftig und erzählen einem viele Dinge, die man gar nicht wissen möchte. Man kommt also gar nicht drum herum auf das Karussell zu blicken.
Stabil hat geschrieben: 25 Aug 2018 06:30Vergiss nicht, die vielen introvertierten Mädels und Frauen zu beachten
Auf die achte ich permanent, weil sie viel interessanter sind. Da ist viel mehr Tiefgang.
Undomiel

Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von Undomiel »

Tyrion hat geschrieben: 14 Aug 2018 21:38 Häufig bin ich in der Position, dass ich einfach nur da sitze und Dinge auf mich wirken lasse. Ob nun auf der Arbeit während der Mittagspause das Gespräch der Kollegen oder im Fitnessstudio die Unterhaltungen der anderen Männer. Manchmal ist es ein interessanter Einblick in Lebensentwürfe und man malt sich aus, wie diese wohl weiter verlaufen könnten.
Das Leben insgesamt wird immer schnelllebiger - egal in welchen Bereichen. Der Satz „ich habe keine Zeit“ ist bereits ein geflügeltes Wort geworden. Den hat man schneller parat als man vielleicht meint. Mal „schnell“ die Oma besuchen, denn man hat ja ohnehin „keine Zeit“. Natürlich hätte man in vielen Fällen mehr Zeit, aber wir lassen uns in der Hektik der Neuzeit auch gern selber treiben. Da fragt man sich schon, ob es heute noch einen Wert hat, wenn etwas „auf Dauer“ ist. Möchte man das überhaupt? Schließlich tauscht man ja auch Dinge aus, die es ja eigentlich immer noch tun: das Auto, das iPhone 7, den Partner.
Besonders bei letzterem ist die Tauschzirkulation recht groß. Also jetzt nicht bei mir, aber was man so beobachtet lässt einem schon zum Schluss kommen, dass die Wegwerfgesellschaft auch in der Frage zwischenmenschlicher Beziehungen ihren Platz gefunden hat. Alles andere wäre auch inkonsequent. Mittlerweile ist eine Generation herangewachsen, die entsprechend sozialisiert ist immer auf „das Neue“ aus zu sein. Der Mensch braucht neue Reize, sonst hat er Angst „etwas zu verpassen“. Ja, was verpasst man denn? Dass der eine weniger aus dem Mund riecht als der andere? Ab wann der Mensch einen langweilt? Es gibt durchaus Menschen, die darüber gewisse Studien anfertigen könnten.
Ich stelle mir den Partnermarkt wie ein Karussell vor, auf dem die Tauschware Platz genommen hat. Die einen nehmen früher Platz, die anderen später. Ich sitze auf der Parkbank einige Meter entfernt, auf dem die Eltern ihren Kindern zuwinken, wenn das Karussell diese gerade vorbeifährt. Ich winke aber niemandem zu. Ich beobachte. Mit der Zeit wird das Karussell immer schneller. Das liegt an den Wisch-Bewegungen, die die Insassen recht routiniert drauf haben. Zu mir hat man als Kind mal gesagt, dass mir die Daumen kaputt gehen werden, wenn ich weiter Game Boy spiele. Die wussten nicht, was heute mit den Daumen passiert.
Je schneller sich das Karussell bewegt, desto schwieriger wird es, darauf noch aufzusteigen. Klar kann man es probieren. Das kann aber auch wehtun, wenn man Pech hat. Man sollte aber aufpassen, dass die Mittel, mit denen man noch mitfahren möchte, nicht zu riskant werden. Als ich sah, wer alles auf dem Karussell sitzt und wer davon früher selbst nur resignierter Beobachter war, fühlte ich eine gewisse Getriebenheit auch in mir. Jeder kleine Strohhalm wollte ergriffen sein - egal in welche Richtung. Dinge, für die man eigentlich geohrfeigt gehört, habe ich ausprobiert. Es ist aber auch schwer nicht diesen Drang zu verspüren und sich nicht für Dinge einspannen zu lassen, die entgegen der eigenen Neigung sind. Schließlich sieht man die Leute auf dem Karussell nicht nur fahren, sie machen auch noch Fotos, Videos und erstellen Berichte über ihre wilde Fahrt. Wenn dem Auge eine wilde Fahrt vorgegaukelt wird, aber der Gleichgewichtssinn „Stillstand“ vermeldet, dann kann es im Gehirn zu einer unschönen Verwirrung kommen, die zu einem noch unschöneren Resultat führt: man muss sich übergeben. Und so stehe ich still vor dem Karussell und bekomme das wilde Treiben vor meinen Augen präsentiert. Natürlich kann das auch in eine depressive Phase führen. Man kann sich aber auch die Frage stellen, ob man das überhaupt möchte? Will ich da eigentlich mitfahren?
Ich bin ein sehr introvertierter Mensch. Das darf man nicht mit Schüchternheit verwechseln. Introvertierte brauchen häufig etwas länger, um mit einem Menschen „warm“ zu werden. Es dauert bis man jemandem einigermaßen vertrauen kann, sodass man etwas von sich preisgibt. Das ist natürlich nicht ideal, wenn es um die Partnersuche geht - auch nicht, wenn es um die Jobsuche geht by the way. Bis ich mit jemandem warm werde, sind andere schon dreimal warm geworden - und auch wieder kalt. Ich kann es mir gar nicht vorstellen mich mehreren Menschen zu öffnen. Und das in relativ kurzen Intervallen. Allein der Körperkontakt über das Händeschütteln hinaus kostet eine Menge Überwindung, denn ich mag es nicht besonders, wenn mir jemand zu nahe kommt - physisch wie psychisch. Das lasse ich nur bei ganz ausgewählten Menschen zu. Insofern ist das Karussell schon mal weniger mein Fahrgeschäft.
Ich stelle mir auch vor, wie es den Menschen dort auf dem Karussell wohl weiter ergeht? So lange man jung ist, kann man sich dort noch halten, aber wenn man älter wird, reicht die Kraft vielleicht nicht mehr und man wird hinunter geschleudert. Manch einer landet wohl unsanft. Mit 60 oder 70 Jahren ist es möglicherweise nicht mehr so einfach einen neuen Partner zu finden auch wenn es bis dahin immer geklappt hat. Und dann? Kann man sich dann ein Leben auf meiner Parkbank nochmal vorstellen? So ganz entgegen der eigenen Sozialisation? Oder bleibt der Mensch gefangen im Rausch des Karussells und zerbricht letztendlich daran?
Ich für meinen Teil wünsche mir auf einem der anderen Parkbänke jemanden zu finden, der so fühlt wie ich. Manchmal findet man so jemanden ja auch, wer weiß das schon? Dann möchte ich mit dieser Person an dem Karussell vorbeigehen. Weit weg. An ein ruhiges Gewässer. Das iPhone ins Wasser schmeißen - und stagnieren.

Wusstet ihr eigentlich, dass das Wort „Stagnation“ aus dem lateinischen kommt und übersetzt „der Teich“ bedeutet? Fast 1.000 Wörter geschrieben, um am Ende diese Klugscheißerei loszulassen. Das war es doch wert! ;)

Übrigens fahre ich am Samstag in den Hansa Park, wer noch? Am Karussell wird man mich aber nicht finden!
In den Text kann ich mich sehr gut hineinversetzen. Manchmal fühle ich mich auch wie jemand, der neben dem Karussell des Lebens steht, aber selber nicht mitfahren darf.
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Re: Das Karussell des Lebens

Beitrag von bettaweib »

Undomiel hat geschrieben: 05 Sep 2018 19:31

In den Text kann ich mich sehr gut hineinversetzen. Manchmal fühle ich mich auch wie jemand, der neben dem Karussell des Lebens steht, aber selber nicht mitfahren darf.
Mensch, wieviel hast du denn zitiert?! Ich habe mir einen Wolf abgelöscht ....... :lol:

Jedenfalls habe ich mich heute morgen auch so gefühlt. Ich schaute aus dem Fenster und sehe diverse Menschen kommen und gehen. Zu Fuß, mit Auto, mit dem Fahrrad. Und alle haben einen Partner mit Sexualleben. Wie selbstverständlich.
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Un jour sans chocolat, c'est comme un jour sans soleil.