Stabil hat geschrieben: ↑09 Dez 2018 19:54
Reinhard hat geschrieben: ↑09 Dez 2018 19:36
Aus meiner Sicht hat Stabil die Diskussion stark eskaliert, indem er der Aussage "lasst euch nicht einreden, selber schuld zu sein" ein "umgekehrt --- dann erst recht" entgegengesetzt hat.
"umgekehrt --- dann erst recht" wurde nie gesagt.
Von Schuld und von "selber schuld" habe ich in diesem Thread nie gesprochen - weder explizit, noch habe ich das mit anderen Worten implizit zum Ausdruck gebracht.
Sie haben hoffentlich nicht wortwörtlich danach gesucht?
Meine Aussage bezog sich auf den Beitrag von RomeoKnight und Ihre Antwort darauf:
Stabil hat geschrieben: ↑03 Dez 2018 14:13
RomeoKnight hat geschrieben: ↑03 Dez 2018 11:44
Manchmal liegt es ganz einfach nicht an einem selber. Das Märchen von "jeder ist seines Glückes Schmied" hat uns nur jahrzehntelang darauf konditioniert. Spätestens wenn verschiedene Interessen aufeinanderprallen, ist Schluss mit der Schmiederei.
Nein, genau hier fängt die Schmiedekunst an. - Oder der Einsatz von Ausreden. Kommt halt drauf an, ob man Verantwortung für sich selbst übernimmt.
Ich zerlege die Aussagen mal -- so wie ich sie verstehe. Das kann, und wie ich vermute: wird, von Ihrer Interpretation abweichen, aber den Unterschied herauszufinden bedarf es eben nunmal, dass jemand den Anfang macht.
RomeoKnight hat geschrieben: ↑
Manchmal liegt es ganz einfach nicht an einem selber.
Das habe ich verstanden als Bezugnahme auf die Threadüberschrift: "es" ist also das, was die Frage nach einem Defizit aufwirft, die beobachtbaren Schwierigkeiten bei sozialer Interaktion; und RomeoKnight weist die Verursachung ("es liegt an") und damit auch die Schuld daran ab, zumindest "manchmal". Oder andersherum, erlaubt somit nicht
generell die Ursachen- und Schuldzuweisung.
RomeoKnight hat geschrieben: ↑
Das Märchen von "jeder ist seines Glückes Schmied" hat uns nur jahrzehntelang darauf konditioniert.
Worauf wurde konditioniert? Die Zuweisung, dass an fehlendem Lebensglück der Schmied des Glückes, also eben jeder selbst schuld sei. Es ist dabei durchaus eine härtere Sprache gewählt, mit "jahrzehntelang" und "konditioniert" wird diese Ansicht auch als etwas dargestellt, worauf halt viele Leute gleichzeitig so gekommen sind, vielleicht weil es nun mal die angemessenste Ansicht ist. Stattdessen wird diese Ansicht abgewertet.
RomeoKnight hat geschrieben: ↑
Spätestens wenn verschiedene Interessen aufeinanderprallen, ist Schluss mit der Schmiederei.
Gemeint ist die Schmiederei des Glücks, und eigentlich ist ja auch unstrittig, dass die Grenzen des Glücks des einen dort aufhören, wo die Grenzen des Glücks (oder Unglücks) eines anderen anfangen ...
Es wird hier auch ein Falsifizierungskriterium mitgeliefert, woran man erkennen kann, dass die Ansicht nicht zutrifft. Was dann die Abwertung im Satz vorher erklärt.
Kurzes Zwischenfazit:
Es ist bis hierhin klargemacht, dass mit Konditionierung eingeredet werden soll, dass man doch selber schuld sei, und die Fortsetzung der Konditionierung davon wäre, die Schuld und die sozialen Defizite bei "Wir" zu suchen. Davon rät RomeoKnight ab, zumindest in manchen Fällen.
Jetzt die Gegenrede:
Stabil hat geschrieben: ↑
Nein, genau hier fängt die Schmiedekunst an.
Das Wort "hier" bezieht sich grammatikalisch gesehen auf das Interessen-zusammenprallen, den Grenzbereich des eigenen Glücks, wo es durch die Interessen anderer schwieriger wird.
Man kann "Kunst" hier als lediglich erhöhten Schwierigkeitsgrad auffassen. Aber ich sehe hier Kunst als Gegensatz zum bloßen Handwerk des Schmiedens, und damit als eine andere Kategorie.
Während bei Handwerk noch ausreicht Fleiß zu haben, womit ich der Aussage "Jeder ist seines Glückes Schmied" wenigstens noch das Positive abgewinnen kann, dass man mit Fleiß (bei Lernen und Tun) noch zu einem Ergebnis kommen kann; ist im Gegensatz dazu bei Kunst noch dabei, dass man beispielsweise ein gewisses Geschick haben muss, oder einen Sinn für künstlerischen Ausdruck. Hat man das nicht, wird man künstlerisch scheitern, so gut man handwerklich auch gewesen sein mag.
Bis hierhin könnte das sogar noch eine Zustimmung zu RomeoKnights Aussage sein. Wem die ausreichende Kunstfertigkeit fehlt, der hat sich nicht unbedingt etwas vorzuwerfen.
Stabil hat geschrieben: ↑
- Oder der Einsatz von Ausreden.
Eigentlich der Schlüsselsatz.
Erstmal, durch Ihre Verwendung des Wortes "Ausreden" wird schon eine Position eingenommen, denn Ausrede unterstellt eigentlich schon die Anerkenntnis einer Schuld desjenigen, für den die Ausrede gesucht wird (meistens ist das die eigene), sie soll nur noch abgemildert werden durch den Sprechakt des Sich-Heraus-Redens. Da sind wir jetzt wieder mitten drin in der Schulddiskussion. Wenn man von einem Verdächtigen sagt, er hat ein Alibi vorgebracht ist das etwas ganz anderes als wenn man sagt, er habe eine Ausrede benutzt. Es unterstellt auch besseres Wissen des Ausredenbenutzers.
-- "Oder" --
Dieses kleine Wort macht den positiven Ansatz des vorhergehenden Satzes komplett kaputt. Außerordentlich kaputt. Hätte man bis hierhin noch sagen können "mir fehlt halt das Händchen" für die Kunst des Glückes trotz widriger Umstände, oder dass man es gar nicht will, gegen die Interessen anderer Glück anzustreben, so ist all das hiermit dazu abgestempelt worden, eine "Ausrede" zu sein. Damit haben Sie keine Anerkenntnis der Position des anderen erbracht, sondern eigentlich nur noch die zwei Alternativen offengelassen:
- Sich am "Schmieden" zu beteiligen, "Eigenverantwortung" zu übernehmen, was auch bedeutet im Scheiternsfall die Schuld dafür auf sich zu nehmen
- Sich herausreden, und durch die Verwendung einer
Ausrede implizit einräumen, dass die andere Position richtig gewesen wäre
In beiden Fällen ist es mit einer Schuldanerkennung verbunden.
Stabil hat geschrieben: ↑
Kommt halt drauf an, ob man Verantwortung für sich selbst übernimmt.
Das ist jetzt etwas versöhnlicher als der Vorgängersatz (aber schlimmer geht ja kaum). Verantwortung wenn man als zukunftsgerichtet wahrnimmt, im Sinne von "wir haben es in der Hand, es besser werden zu lassen" ist sehr positiv. In dem Zusammenhang ist es aber nur eine Verstärkung der vorhergenden Scheinalternative, dass eine davon mit Selbstverantwortung verknüpft wäre und die andere nicht. Der Leser soll auf ein Einnehmen einer bestimmten Position gedrängt werden, weil Verantwortung übernehmen positiv konnotiert ist.
Fazit der Gegenrede:
Die "Schmiedekunst" wird so als großartiger dargestellt, auch verbunden damit, dass ja niemand Ausreden benötigen will, besser wenn man ohne auskommt. Die Abwertung von "Glücksschmieden" aus RomeoKnights Beitrag wird als Vorbereitungsteil einer Ausrede diskrediert, ohne aber eigene Belege anzubringen, ob es denn tatsächlich eine Ausredenstrategie darstellt. Eine eigene Aufwertung als "Kunst" wird dagegengesetzt.
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Verstehen Sie jetzt, wie ich drauf komme, Ihre Aussage als ein "jetzt erst recht" einzustufen?