NBUC hat geschrieben: ↑25 Aug 2019 10:43
Ich habe den Eindruck viel zu viel wird mit "Angst" pathologisiert, was in vielen Fällen einfach das Verhalten ist, wenn man sich eine anstehende Entscheidung anschaut und dann feststellt, dass der Deal zu viele Haken hat.
Ich habe keine "Objektivangst", wenn ich noch kein Fischauge gekauft habe, ich sehe nur nicht, dass ich so eins oft genug für den anstehenden Preis einsetzen würde.
Bliebe die Frage, wo da tatsächlich Angst vorliegt. Ich denke ein möglicher Verdachtsfall wäre da, wo die negative Entscheidung auf Grund von eigentlich aus anderen Ecken stammenden negativen Vorprägungen erfolgt, ohne dass es dafür selbst Informationen oder wenigstens Präzedenzfälle gäbe.
Ich schätze Angst kann man dann da als gesichert annehmen, wo man im Einzelfall trotz spezifischer Garantien, welche dieses oben benannte Risiko praktisch ausschließen, nicht mehr von diesem Bauchgefühl weg kommt.
Da "viel zu viel" von dir nicht quantifiziert wird, ist deine Aussage erst mal kaum angreifbar.
Ich habe aber den Eindruck, dass du Emotionales viel zu oft rationalisieren willst.
Natürlich ist richtig und wichtig: auch die Realität zu betrachten und Fakten und Gefühle zu sortieren.
Nicht richtig ist, die Gefühle für unbillig zuhalten, weil man ihnen aus faktischen Gründen aus dem Weg geht.
Es nämlich auch richtig, die eigene Gefühls- und Gedankenwelt zu betrachten, und da Gefühle und Fakten zu sortieren.
Dein Beispiel hinkt mächtig. Wennn du nach deiner "rationalen Entscheiodung" dennoch dauernd von dem Fischauge träumst, jeden zweiten Tag sehnsuchtsvoll am Schaufenster des Fotoladens vorbegehst, und dir das auch irgendwie leisten kannst (eventuell sogar: risikofrei und ohne moralische Skrupel klauen!?), und du dir das aus rationalen Erwägungen dennoch verkneifst, dann versuchst du mit untauglichen Argumenten über deine Gefühle hinwegzugehen.
Bei Beziehung geht es doch nicht um eine rationalisierbare Entscheidung. Es geht um Gefühle: erst, dass man gern eine Beziehung hätte. Dann, dass man gern eine Beziehung mit dieser oder jener Person hätte. Deine Argumente stehen dann bestenfalls als lästige Hindernisse im Wege, neutralisieren aber nicht das Anliegen - wenn es "wahr" ist.
Man kann auch eine pathologische Angst vor den eigenen Gefühlen oder ihren Konsequenzen haben. Tatsächlich ist das die knappe, allgemeine Ursache für sehr viele pathologische psychische Störungen. Und Rationalisierung ist dann eines der Mittel, dieser Angst auszuweichen - und Symptom für die Störung.
------------------------
Zum Thema: ich denke Beziehungsangst ist ein Begriff, der nicht das aussagt, was er wortwörtlich auszusagen scheint. Im Einzelfall geht es eher nicht um "Angst vor Beziehung". Es geht um Angst vor Ablehnung, Angst vor Trennung, Angst vor Anpassung, Angst jemand tief genug ins eigene Leben mit all seinen Skurrilitäten, Fehlern und Abgründen blicken zu lassen, Angst vor Berührung (körperlich und/oder seelisch), Angst vor der Veränderung, Angst vor Kontrollverlust, usw usf.
Mancheiner hat auch gar keine Angst, sondern will in Wirklichkeit lieber beziehungslos bleiben, und hat eher Angst vor einer vermuteten sozialen Ächtung, wenn er sich nicht "normal = will Beziehung" verhält.
Diese Ängste kann man auch ohne konkrete Beziehung oder Beziehungswunsch haben. Sobald sie aber damit verbunden sind, wird "Beziehungsangst" draus. Und dann muss näher hingeguckt werden.
Es ist ein Etikett, dass zwei Bezugspunkte anbietet: Beziehung und Angst. Nicht mehr, nicht weniger.
Nutzungsregeln: Mediale Äußerungen von Menschen ersetzen keine Begegungen. Was du hier schreibst, bist nicht du. Was ich hier schreibe, bezieht sich nicht auf dich. Nur auf deinen Beitrag. Ich schreibe meine Meinung, deren Bedeutung in deinem eigenen Ermessen liegt. Vergiss, was dir nichts nützt.