Melancholia u. Soziales

Alles zu Deiner persönlichen Situation, Deinen Erlebnissen und was Dir auf dem Herzen liegt als Absoluter Beginner.
Melli

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von Melli »

kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08
Melli hat geschrieben: 01 Jul 2020 22:14Leider ist das so, was einer kaputt macht, muß ein anderer wieder gut machen :(
In jüngeren Jahren habe ich mich auch ein paarmal geärgert, warum irgendetwas an mir hängenbleibt, ich das quasi "ausbaden" mußte. Diese Denkungsart löste sich dann aber in Rauch auf. Ich habe doch ganz gute Erfahrungen gemacht, gerade weil ich diese Last trug.
Das ist doch eine gute Perspektive mit dem Erfahrung sammeln.
Ich würde halt so Bedingungen sehen wie: Wenn es einsichtig ist, dass es zu tun ist, und es eine gute Verbindung gibt, und wenn man nicht selbst überfordert ist.
Die Ressourcen müssen halt da sein.
Das war damals der Fall. Insofern alles gut :daumen:
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Die Leerstelle im Diskurs wäre bei Lacan das Subjekt.
Achso.
Hmm, wäre denn das Subjekt auch ein Teil des Realen, also irgendwie auch unfassbar? Und deswegen leer? Und deswegen eher unaussprechlich?
Ein Bekannter von mir meint, man könnte gar nicht "Ich" sagen, das wäre eigentlich schon gelogen.
Der ist aber kein Philosoph oder Anhänger von irgendwas, der macht sich halt auch nur Gedanken.
Nein, das Subjekt gehört nicht dem Register des Realen an.

Lacan unterscheidet zwischen einem je (∈ S) und einem moi (∈ I). Ersteres konstituiert sich im Diskurs, indem es spricht und der Andere (mit großen A, also A ∈ S) zuhört.

Subjekt ist hier nicht wie in der Schulgrammatik als "logisches Subjekt", also Agens zu verstehen, sondern wörtlich zu nehmen als subiectum, Unterworfenes. Nämlich dem Diskurs unterworfen.

Natürlich steht es dem Ich ∈ I (moi) frei, sich selbst eine ganz andere Konstituiertheit zuzuschreiben (oder von Lacanianischer PsA keine Meinung zu haben :mrgreen:).

(Insofern darf Dein Bekannter auch mit Fug und Recht "ich" sagen.)
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47
kreisel hat geschrieben: 12 Jul 2020 06:57Gleichzeitig gilt diese Art von Realem als so gewaltig und zerschmetternd.
Ja, es entzieht sich und ist bedrohlich.
Hier dachte ich gerade, ob es deswegen nötig ist, dass man ein "Urvertrauen" generiert. Und ich dachte, dass Urvertrauen, wie es in der Psychologie gemeint ist (also sonst, Freud usw), etwas hoch soziales ist, es ist eine soziale Einrichtung.
Den basic trust hat sich Erikson ausgedacht. Warum das Konzept so erfolgreich geworden ist, weiß ich nicht. Das gehört zu den Ideen, auf die so viele Leute spontan anspringen 🤷🏾‍♀️
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08 Ich stelle mir das vor, dass ich so mit der Geburt in eine Art chaotisches verschlingendes Meer geworfen werde und nicht weiß, was vorne und hinten ist, und dann die Eltern mit der Zuwendung und dem Spiegeln eine Art Orientierung geben.
Ich bekomme einen Halt, eine Zugehörigkeit. (wenn es glatt läuft).
Ich bilde eine Identität (wenn es glatt läuft), aber irgendwas geht ja immer und ganz ohne sozialen Kontakt würde man wohl lt. dieses seltsamen Versuchs, wo Säugline depriviert wurden, eingehen.
Diese Art der Ordnung würde in Lacans Spiegelstadium hergestellt.

Aber für mich selbst kann ich das nicht so sehen. Ich hatte von Anfang an geordnete Verhältnisse. (Für manche gehässige Kommentatoren vielleicht etwas zu rigide geordnete Verhältnisse :schwarzekatze:)

Aber auch das Spiegelstadium gehört zu den Ideen, auf die so viele Leute spontan anspringen 🤷🏾‍♀️
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08Würde man denn zwischen Subjekt und Identität unterscheiden lt Lacan?
Identität gehörte zum Ich ∈ I (moi).
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08 Könnte das Subjekt als "Rohmaterial" gemeint sein, und die Identität aus Erfahrungen und sozialen Spiegelungen sich bilden? Dann wäre die Identität mehr aus der Symbolwelt heraus entstanden?
Wenn man "Subjekt" im alltäglichen Sinne nimmt, dann wäre dessen "biologisches Rohmaterial" im Realen anzusiedeln.

Das Ich ∈ I (moi) kann sich nur im Imaginären herausbilden, das Ich ∈ S (je) nur im Symbolischen.
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08Hmm, mein eigener Ansatz von Urvertrauen war eher, ich hätte gerne IN diesem Chaos ein Urvertrauen, auf das Chaos selbst, quasi.
Ich möchte das reale beruhigt wissen und darin verwurzelt sein.
Das Soziale als Struktur und Orientierung und Beruhigungsmittel wirkt auf mich allzuoft auch sehr eskapistisch und oft auch unzureichend, denn dieses chaotische Meer sprießt sofort dann wieder hoch und überschwemmt, sobald irgendwas in dem eigenen Konstrukt bröckelt.
Andererseits, warum sollte man sich zu lange in Angst quälen und in etwas sehr niederschmetternden, wenn man sich auch etwas aufbauen kann, wie z B ein Haus, was auch vor Naturgewalten schützt?!
Ich würde auch eher darauf vertrauen, daß die Welt an sich in Ordnung ist, als daß Menschen es schon im Griff haben, so vieles können, im Regelfalle wohlmeinend sind, etc. etc. Bei den meisten Menschen ist es umgekehrt, die fühlen sich unter ihresgleichen sicher, aber im Wald kommt das sprichwörtliche Pfeifen :pfeif: :(

Das wäre ein Beispiel für soziale Konstruktion psychologischer Normen. Das ist ganz banal dem gesellschaftlichen Alltag entnommen. Mißtrauensäußerungen gegenüber Menschen mag man nicht hören, aber in anderen Lebensbereichen gilt genau das als völlig ok.

Man muß natürlich auch beachten, wo das Haus steht. Bei mir wären die Wahrscheinlichkeiten nicht allzu hoch, zum einen eine größere Naturkatastrophe erleben zu müssen, zum anderen gewaltsamen Ausschreitungen zum Opfer zu fallen.
Historia universal de las cosas de Nueva España, sub "Der Wald", dt. nach Enzensberger 1966: 5f hat geschrieben:Es ist ein grünbewachsener Ort, frisch und grün; ein Ort für den Wind — dort sind windige Stellen, im Wind, winddurchweht; ein Ort für die Kälte: dort wird es kalt; dort ist viel Frost; es ist ein Ort, der gefriert. Es ist ein Ort, von dem Elend kommt, wo es Elend gibt; ein Ort, wo Jammer herrscht — ein Ort für den Jammer, ein Ort zum Klagen, zum Jammern, zum Weinen; ein Ort, wo Traurigkeit herrscht, ein Ort zum Erbarmen, zum Seufzen; ein Ort, der Kummer macht, der Elend sä[h]t.
[…]
Es ist ein Ort für wilde Tiere; ein Ort, wo es wilde Tiere gibt — den Ozelot, den Cuitlachtli, den Luchs; die Schlange, die Spinne, den Hasen, das Reh; wo es Stengel gibt, Gräser, stachelige Sträucher; wo es den Mesquite, wo es die Kiefer gibt. […]
Anm.: kʷeƛa:č- (abs. -ƛi, pl.red. kʷe:kʷeƛa:čtin) "wolf".
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Eine Symbolwelt würde man ohnehin bewohnen. Aber das Reale ist nicht mit der Realität gleichzusetzen. Das ist eine Versuchung, der man immer wieder erliegen möchte :shy:
Der Begriff bewohnen hier ist interessant.
Das ist wie im übertragenen Sinne ein Hausbau, weil ich Dinge strukturieren und in Worte fassen kann.
Es gilt ja auch als Therapiemethode, bei starken Beunruhigungen viel zu schreiben und in Worte zu fassen.
Ja, das fände ich auch sehr empfehlenswert :daumen:
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Gerade etliches an Literatur, Film etc., was andere viel beschäftigen kann und dann ja wohl etwas ausdrückt was die bewegt, läßt mich völlig kalt.
Da muss man vielleicht sein eigenes Bezugssystem finden.
Ich kann mit vielem- leider- nichts anfangen. Ich hätte gerne den selben Spaß in Dingen gefunden, wie ich ihn auch bei meiner Umgebung sehe (Party, Fußball, Mode, ect).
Man würde sich mit einfach verfügbaren Mitteln sicher und gut fühlen.
Das Gefühl des nicht verbinden könnens war ja auch schon als Kind da und keine Teenager Attitüde und es war auch nicht später eine Philosophie "ach ich bin ja so anders und die anderen mit ihrem komischen Volkssport".
Es ist einfach ein Gefühl- "es hilft nicht und macht nichts gutes mit mir". Sehr unschön, wenn diese Verlorenheit und Aufruhr bleibt :? wenn man sucht und nicht findet, aber viele andere scheinen zu suchen und zu finden, andere wirken "angekommen".
Hilft ja alles leider nicht viel, kommt immer noch auf ein paar Inhalte an, also was die suchen und wo sie ankommen, etc. Ich habe auch schonmal als Kind im Wohnzimmer gesessen, wenn ich nicht die Bohne mochte, was da im Fernseher vor sich hin plätscherte, einfach nur weil ich da sitzen (und Cola trinken Bild) wollte.

Von Fußball verstehe ich nicht mehr als "Das Runde muß ins Eckige!" :mrgreen: Vielleicht war da mein "Bonus"-Großvater sogar ein abschreckendes Beispiel. Ein absenter Vater im Wortsinne, denn er ließ seine Familie mit steter Regelmäßigkeit alleine, um sich auf dem Fußballplatz herumzutreiben.

Mode fand ich absolut nichtig. Erst sind rote Röcke mit grünen Punkten in Mode, dann grüne Röcke mit roten Punkten. So zieht man Leuten in jeder Saison die Kohle aus den Taschen. Tragen könnte man die Sachen ja wohl länger, bis sie zerschlissen sind. Über die Klamotten, die mir gefallen, sagt das alles wenig 🥻 Und selbst wenn, wenn ich irgendwo herumsitze, ist das bestimmt nicht der entscheidende Faktor, wie es mir geht.
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Der Begriff der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit paßte besser in die Ethnopsychoanalyse. Das überlappt sich nur teilweise mit Lacans Realem. Was aber eine interessante Frage wäre, wie die Zusammenhänge zwischen beidem aussähen.
Die beiden Dinge würde ich auch auch nicht als gleich sehen.
In der sozialen Wirklichkeit können sich z B "zwei Flöhe darüber streiten, wem der Hund gehört". Das ist leider der große Schwachsinnigkeitsfaktor, wenn Mensch sich sozial zusammenfindet. Welche Werte und Vorstellungen treiben an?
Wie das ganze (Streit um Besitz oder Streit um Macht) auf der realen Ebene aussieht, hm, das kann ich mir kaum ausdenken. Bestenfalls wäre es nichtig.
Das spielt sich im Imaginären ab.

Aber Macht ist was für Adlerianer. Wenn man es schon nicht zum Flohzirkusdirektor gebracht hat :o
kreisel hat geschrieben: 13 Jul 2020 08:08
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Internet ist schon eigenartig, auch in seinen Wandlungen. Das fing für mich mal mit Email als bequemerer Alternative zu Briefen auf Papier an. Die mußte man dann nicht mehr ausdrucken, eintüten, Marke drauf pappen und einwerfen (lassen).
Ja, das wurde schon sehr bequem mit Email.
Aber das handschriftliche war irgendwie auch interessant, so mit Muße und mehr mit Körper und Sinnen beteiligt. Man musste genau überlegen, was man schreibt und schon, wo man hinwill, weil der Brief musste in einem Wurf sitzen.
Man war über das mit Hand geschriebene auch mehr involviert. Oder wenn man nochmal einen Spaziergang machte, um den Brief einzuschmeißen. War schon cool. :shylove:
Ja, das hatte was :) Ich habe auch Papiere früher mit der Hand geschrieben, einschließlich allerdings Änderungen und Zusätzen, erst das fertige Produkt abgetippt :oops:
Benutzeravatar
kreisel
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 3407
Registriert: 30 Nov 2011 14:48
Geschlecht: weiblich

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von kreisel »

Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Nein, das Subjekt gehört nicht dem Register des Realen an.

Lacan unterscheidet zwischen einem je (∈ S) und einem moi (∈ I). Ersteres konstituiert sich im Diskurs, indem es spricht und der Andere (mit großen A, also A ∈ S) zuhört.

Subjekt ist hier nicht wie in der Schulgrammatik als "logisches Subjekt", also Agens zu verstehen, sondern wörtlich zu nehmen als subiectum, Unterworfenes. Nämlich dem Diskurs unterworfen.
Also gehört das Subjekt dem Imaginären an. Das definiere ich als eher irreal / substanzlos,
"luftiges Gespinst".
Gibt es keinen Selbstrepräsentant, der dem Realen angehört? Da bleibt vielleicht nur noch der Körper?
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Natürlich steht es dem Ich ∈ I (moi) frei, sich selbst eine ganz andere Konstituiertheit zuzuschreiben (oder von Lacanianischer PsA keine Meinung zu haben :mrgreen:).
Aber auf welcher Basis? Phantasterei und Beliebigkeit? Ich mache mich und die Welt,
wie sie mir gefällt?
Solche Ansätze habe ich wirklich schonmal gelesen. "Be the creator of your world" usw.
Da ich eher so pragmatisch-materiell denke, dachte ich so "hä"?
Aber ja, in der Imagination und Selbstdefinition kann ich alles frei entwerfen.
Die Frage ist, hat es in meinem pragmatischem Umfeld irgendeinen Bestand und Wert und
eine Kraft dort? Ist das völlig egal?
Wenn natürlich alle Menschen ja im Grunde so ticken, dass sie mit ihren Selbstbildern um sich
werfen und damit irgendwelche Blumentöpfe gewinnen, dann hat es ja eine gewisse Wirkung.
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Den basic trust hat sich Erikson ausgedacht. Warum das Konzept so erfolgreich geworden ist, weiß ich nicht. Das gehört zu den Ideen, auf die so viele Leute spontan anspringen 🤷🏾‍♀️
Ah, das hab ich fast so wenig hinterfragt wie die Idee, dass Milch und Weizen und auch Kartoffeln
zur grundlegenden Ernährung gehören.

Die Idee generiert für mich zumindest ein Bild von einem Kreis von Menschen, die gut im Leben
stehen, sich freuen und glücklich sind und das auch ein Ziel ist. Und mit Glück oder viel Mühe
kann man das irgendwann auch erreichen oder hat Pech gehabt, das Feature nicht zu haben,
um diesem Kreis anzugehören. Na gut, so akzeptabel ist das Bild dann auch nicht, wenn es nicht
für alle wahr ist und es soviele Verlierer gibt dabei.
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Diese Art der Ordnung würde in Lacans Spiegelstadium hergestellt.
Ist das eigentlich die selbe Idee, die auch vor paar Jahren aufgetaucht ist, dass
man Menschen „empathisch spiegelt“ und dass es neuronale Spiegelrezeptoren dafür gäbe?
Das klang dann schon eher so nach Dichtung.
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Aber für mich selbst kann ich das nicht so sehen. Ich hatte von Anfang an geordnete Verhältnisse. (Für manche gehässige Kommentatoren vielleicht etwas zu rigide geordnete Verhältnisse :schwarzekatze:)
Echt? :shock: (also zu Punkt 1). Das hätte ich bei mir nicht mit Bestimmtheit sagen
können.

Aber ich war auch von Anfang an in gewaltsamen und chaotischen Verhältnissen.
Keine Ahnung ob ich irgendwann mal eine Zeit einer eigenen Ordnung hatte.
Es gab eine Zeit, da war ich selbstbezogener und es gab eine Zeit, da wurde ich von
anderen kritisiert und hörte auf ihren Einfluss.
Vielleicht waren meine eigenen Ventile für den Leidensdruck aber auch nicht mehr so gut und ich hab
darauf gehört, was andere so für Ventile benutzen. Das hat Abhängigkeiten geschaffen,
zu den Personen und zu den Ventilen.
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Ich würde auch eher darauf vertrauen, daß die Welt an sich in Ordnung ist, als daß Menschen es schon im Griff haben, so vieles können, im Regelfalle wohlmeinend sind, etc. etc. Bei den meisten Menschen ist es umgekehrt, die fühlen sich unter ihresgleichen sicher, aber im Wald kommt das sprichwörtliche Pfeifen :pfeif: :(
Da meinst du wohl nicht Pfeifen vor Sorglosigkeit und ein Lied pfeifen?
Achso, nee, lt. Wiki gibts da ein richtiges Sprichwort, dass da Angst ist und Reviermarkierung.

Hm, wie ist das eigentlich wenn man ein Mensch ist, der viel abgründiges mit sich trägt und Dinge
hat, die andere lieber verdrängen. Produziert das bei denen vielleicht auch ein Pfeifen?
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Historia universal de las cosas de Nueva España, sub "Der Wald", dt. nach Enzensberger 1966: 5f hat geschrieben:Es ist ein grünbewachsener Ort, frisch und grün; ein Ort für den Wind — dort sind windige Stellen, im Wind, winddurchweht; ein Ort für die Kälte: dort wird es kalt; dort ist viel Frost; es ist ein Ort, der gefriert. Es ist ein Ort, von dem Elend kommt, wo es Elend gibt; ein Ort, wo Jammer herrscht — ein Ort für den Jammer, ein Ort zum Klagen, zum Jammern, zum Weinen; ein Ort, wo Traurigkeit herrscht, ein Ort zum Erbarmen, zum Seufzen; ein Ort, der Kummer macht, der Elend sä[h]t.
[…]i
Es ist ein Ort für wilde Tiere; ein Ort, wo es wilde Tiere gibt — den Ozelot, den Cuitlachtli, den Luchs; die Schlange, die Spinne, den Hasen, das Reh; wo es Stengel gibt, Gräser, stachelige Sträucher; wo es den Mesquite, wo es die Kiefer gibt. […]


Anm.: kʷeƛa:č- (abs. -ƛi, pl.red. kʷe:kʷeƛa:čtin) "wolf".
Klingt so ein bisschen wie die damalige Romantik. Die gar nicht romantisch war, sondern heimatlos, sinnlos, anstrengend.
Aber schon auch SEHR düster, der Enzenberger. Soviel Angst hab ich gar nicht im Wald oder nur unter bestimmten
Bedingungen. (extremes Wetter, verletzt dort sein und nicht weiterkönnen, Tiere die auf Angriff aus sind, eher ja nicht). Wenn ich mich durch die eigene Dusseligkeit im Januar im hügeligen pfadlosen Dickicht verlaufe
kurz vor der Dämmerung, da kann der Wald ja nichts für, da war ich einfach nur unbedacht.
Aber wohnen und Nächte verbringen (ohne Haus oder Hütte) würde ich da auch nicht wollen.
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Ich habe auch schonmal als Kind im Wohnzimmer gesessen, wenn ich nicht die Bohne mochte, was da im Fernseher vor sich hin plätscherte, einfach nur weil ich da sitzen (und Cola trinken Bild) wollte.
Jedem Tierchen sein Pläsierchen sagt man :)
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Über die Klamotten, die mir gefallen, sagt das alles wenig 🥻 Und selbst wenn, wenn ich irgendwo herumsitze, ist das bestimmt nicht der entscheidende Faktor, wie es mir geht.
Vielleicht ist Mode ja auch sowas wie eine Voodoopuppe (kleiner symbolischer händelbarer Bereich) des Glücks für manche.
Das hab ich echt selten.
Eine Zeitlang in der Jugendphase hab ich es mal mit Botschaften probiert und z. B. innere Organe
(gewerkelt, in Pastellfarben)auf ein Oberteil platziert,weil ich dachte, DAS macht den Menschen aus,
und ist zu sehr im Hintergrund sonst.
Ich hatte aber auch mal eine Türkisphase (in geschmackvoll modisch), das war ganz schön.
Ansonsten sehe ich es rein funktional pragmatisch. Und falle lieber nicht auf. Tu ich aber, durch
das zu pragmatische. Drei Tage dieselbe Hose an gibt im Büro schon einen kleinen Eklat, so als Frau.
Melli

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von Melli »

kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Nein, das Subjekt gehört nicht dem Register des Realen an.
Lacan unterscheidet zwischen einem je (∈ S) und einem moi (∈ I). Ersteres konstituiert sich im Diskurs, indem es spricht und der Andere (mit großen A, also A ∈ S) zuhört.
Subjekt ist hier nicht wie in der Schulgrammatik als "logisches Subjekt", also Agens zu verstehen, sondern wörtlich zu nehmen als subiectum, Unterworfenes. Nämlich dem Diskurs unterworfen.
Also gehört das Subjekt dem Imaginären an. Das definiere ich als eher irreal / substanzlos, "luftiges Gespinst".
Gibt es keinen Selbstrepräsentant, der dem Realen angehört? Da bleibt vielleicht nur noch der Körper?
Nein, das Subjekt gehört ins Register des Symbolischen. Das moi gehört ins Imaginäre.

Körper werden segmentiert, und damit erst repräsentier- und erfahrbar gemacht. Dies würde alle drei Register involvieren. Aber ganz so einfach kann man es sich nicht machen, denn diese Praktiken sind historisch und ethnographisch zu relativieren.
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Natürlich steht es dem Ich ∈ I (moi) frei, sich selbst eine ganz andere Konstituiertheit zuzuschreiben (oder von Lacanianischer PsA keine Meinung zu haben :mrgreen:).
Aber auf welcher Basis? Phantasterei und Beliebigkeit? Ich mache mich und die Welt, wie sie mir gefällt?
Solche Ansätze habe ich wirklich schonmal gelesen. "Be the creator of your world" usw. Da ich eher so pragmatisch-materiell denke, dachte ich so "hä"?
Aber ja, in der Imagination und Selbstdefinition kann ich alles frei entwerfen. Die Frage ist, hat es in meinem pragmatischem Umfeld irgendeinen Bestand und Wert und eine Kraft dort? Ist das völlig egal?
Wenn natürlich alle Menschen ja im Grunde so ticken, dass sie mit ihren Selbstbildern um sich werfen und damit irgendwelche Blumentöpfe gewinnen, dann hat es ja eine gewisse Wirkung.
Ganz so beliebig ist das nicht. Es kommt aber tatsächlich zu Extremfällen wie in den Psychosen, wo das Symbolische und das Reale mit dem Imaginären zusammenfallen: I (S, R); ein Neosymbolisches S’ erscheint in der Schizophrenie als Delirium, eine Neoreales R’ erscheint in der Paranoia als Halluzination.

Das Imaginäre bleibt dabei aber, ein I’ gibt es nicht.

Anders gesagt, wer sich einbildet, der "creator of his own world" zu sein, ist dies in I, und dort bleibt das Unterfangen.
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Den basic trust hat sich Erikson ausgedacht. Warum das Konzept so erfolgreich geworden ist, weiß ich nicht. Das gehört zu den Ideen, auf die so viele Leute spontan anspringen 🤷🏾‍♀️
Ah, das hab ich fast so wenig hinterfragt wie die Idee, dass Milch und Weizen und auch Kartoffeln zur grundlegenden Ernährung gehören.
Die Idee generiert für mich zumindest ein Bild von einem Kreis von Menschen, die gut im Leben stehen, sich freuen und glücklich sind und das auch ein Ziel ist. Und mit Glück oder viel Mühe kann man das irgendwann auch erreichen oder hat Pech gehabt, das Feature nicht zu haben, um diesem Kreis anzugehören. Na gut, so akzeptabel ist das Bild dann auch nicht, wenn es nicht für alle wahr ist und es soviele Verlierer gibt dabei.
Eben, irgendwas kann da nicht stimmen :gruebel:
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Diese Art der Ordnung würde in Lacans Spiegelstadium hergestellt.
Ist das eigentlich die selbe Idee, die auch vor paar Jahren aufgetaucht ist, dass man Menschen „empathisch spiegelt“ und dass es neuronale Spiegelrezeptoren dafür gäbe? Das klang dann schon eher so nach Dichtung.
Nein. Die Spiegelneuronen kamen über ½ Jahrhundert nach dem Spiegelstadium.

Leider ist das Verhältnis vieler Menschen zum Spiegelbild narzißtisch, das zu Spiegeln fetischistisch: als ob der Spiegel wüßte was man nicht wissen kann 🙀

Man darf auch nicht allzu wörtlich nehmen, ein als zerstückelt erlebtes Körperbild würde mithilfe des Spiegelbildes zusammengesetzt:
Lacan, 3e Séminaire (1981: 50) hat geschrieben:[…] C’est que le moi humain, c’est l’autre, et qu’au départ le sujet est plus proche de la forme de l’autre que du surgissement de sa propre tendance. Il est à l’origine collection incohérente de désirs — c’est là le vrai sens de l’expression corps morcelé — et la première synthèse de l’ego est essentiellement alter ego, elle est aliénée. Le sujet humain désirant se constitue autour d’un centre qui est l’autre en tant qu’il lui donne son unité, et le premier abord qu’il a de l’objet, c’est l’objet en tant qu’objet du désir de l’autre.
Cela définit, à l’intérieur du rapport de la parole, quelque chose qui provient d’une autre origine — c’est exactement la distinction de l’imaginaire et du réel. Une altérité primitive est incluse dans l’objet, en tant qu’il est primitivement objet de rivalité et de concurrence. Il n’intéresse qu’en tant qu’objet du désir de l’autre.
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Aber für mich selbst kann ich das nicht so sehen. Ich hatte von Anfang an geordnete Verhältnisse. (Für manche gehässige Kommentatoren vielleicht etwas zu rigide geordnete Verhältnisse :schwarzekatze:)
Echt? :shock: (also zu Punkt 1).
Yup. That's what Ethnopsychoanalysis really is like :shy:
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26 Das hätte ich bei mir nicht mit Bestimmtheit sagen können.
Aber ich war auch von Anfang an in gewaltsamen und chaotischen Verhältnissen.
Keine Ahnung ob ich irgendwann mal eine Zeit einer eigenen Ordnung hatte.
Es gab eine Zeit, da war ich selbstbezogener und es gab eine Zeit, da wurde ich von anderen kritisiert und hörte auf ihren Einfluss.
Vielleicht waren meine eigenen Ventile für den Leidensdruck aber auch nicht mehr so gut und ich hab darauf gehört, was andere so für Ventile benutzen. Das hat Abhängigkeiten geschaffen, zu den Personen und zu den Ventilen.
Sowas kann sich tatsächlich im Laufe der Zeit verschlimmern :(

Ich denke auch manchmal: "Man soll halt nicht auf andere hören!" :hammer: Oder: "Wenn man sich auf NN verläßt, dann ist man verlassen." Aber solange sich das in zu verschmerzenden Grenzen hält, geht es ja meist noch. Wenn aber daraus ein chaotischer Un-Diskurs gebildet wird, ist es bedenklich :(
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Ich würde auch eher darauf vertrauen, daß die Welt an sich in Ordnung ist, als daß Menschen es schon im Griff haben, so vieles können, im Regelfalle wohlmeinend sind, etc. etc. Bei den meisten Menschen ist es umgekehrt, die fühlen sich unter ihresgleichen sicher, aber im Wald kommt das sprichwörtliche Pfeifen :pfeif: :(
Da meinst du wohl nicht Pfeifen vor Sorglosigkeit und ein Lied pfeifen?
Achso, nee, lt. Wiki gibts da ein richtiges Sprichwort, dass da Angst ist und Reviermarkierung.
Ja, das Pfeifen im Walde.
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26Hm, wie ist das eigentlich wenn man ein Mensch ist, der viel abgründiges mit sich trägt und Dinge hat, die andere lieber verdrängen. Produziert das bei denen vielleicht auch ein Pfeifen?
Schätzungsweise werden auch weiterhin verdrängen, solange es nur geht. Darüberhinaus werden sie vielleicht behaupten, der sei nicht ganz ernstzunehmen.
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Historia universal de las cosas de Nueva España, sub "Der Wald", dt. nach Enzensberger 1966: 5f hat geschrieben:Es ist ein grünbewachsener Ort, frisch und grün; ein Ort für den Wind — dort sind windige Stellen, im Wind, winddurchweht; ein Ort für die Kälte: dort wird es kalt; dort ist viel Frost; es ist ein Ort, der gefriert. Es ist ein Ort, von dem Elend kommt, wo es Elend gibt; ein Ort, wo Jammer herrscht — ein Ort für den Jammer, ein Ort zum Klagen, zum Jammern, zum Weinen; ein Ort, wo Traurigkeit herrscht, ein Ort zum Erbarmen, zum Seufzen; ein Ort, der Kummer macht, der Elend sä[h]t.
[…]
Es ist ein Ort für wilde Tiere; ein Ort, wo es wilde Tiere gibt — den Ozelot, den Cuitlachtli, den Luchs; die Schlange, die Spinne, den Hasen, das Reh; wo es Stengel gibt, Gräser, stachelige Sträucher; wo es den Mesquite, wo es die Kiefer gibt. […]

Anm.: kʷeƛa:č- (abs. -ƛi, pl.red. kʷe:kʷeƛa:čtin) "wolf".
Klingt so ein bisschen wie die damalige Romantik. Die gar nicht romantisch war, sondern heimatlos, sinnlos, anstrengend.
Aber schon auch SEHR düster, der Enzenberger.
Die Historia Universal wurde im 16. Jh. von Azteken verfaßt. Zum einen unter bereits erheblicher kolonialer Belastung, zum anderen war Mesoamerika schon seit Jahrtausenden "zivilisiert".

Natürlich wären Kitschbilder vom "Röhrenden Hirschen auf einer Lichtung vor einem unergründlichen Wald" auch nicht gerade der Weisheit letzter Schluß 🦌🏞️
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26Soviel Angst hab ich gar nicht im Wald oder nur unter bestimmten Bedingungen. (extremes Wetter, verletzt dort sein und nicht weiterkönnen, Tiere die auf Angriff aus sind, eher ja nicht). Wenn ich mich durch die eigene Dusseligkeit im Januar im hügeligen pfadlosen Dickicht verlaufe kurz vor der Dämmerung, da kann der Wald ja nichts für, da war ich einfach nur unbedacht.
Aber wohnen und Nächte verbringen (ohne Haus oder Hütte) würde ich da auch nicht wollen.
Wenn ich wüßte, daß keine Menschen da aufkreuzen können, die mir etwas böses wollten, wäre mir schonmal die Hauptsorge genommen. Daneben sollte es nicht zu naß und kalt sein. Selbst wenn ich wüßte, da laufen Jaguare herum, hätte ich kein Problem. Geschweige mit Mesquite.
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Über die Klamotten, die mir gefallen, sagt das alles wenig 🥻 Und selbst wenn, wenn ich irgendwo herumsitze, ist das bestimmt nicht der entscheidende Faktor, wie es mir geht.
Vielleicht ist Mode ja auch sowas wie eine Voodoopuppe (kleiner symbolischer händelbarer Bereich) des Glücks für manche.
Das könnte tatsächlich sein, daß Mode bei manchen ein Fetisch ist.

Natürlich kann ich mich in bestimmten Klamotten wohl fühlen. Aber das dürfte auf andere einen ähnlicherweise allenfalls nur sehr indirekten Einfluß haben, als würde ich in eine Holzfigur einen Nagel schlagen :(
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26Das hab ich echt selten. Eine Zeitlang in der Jugendphase hab ich es mal mit Botschaften probiert und z. B. innere Organe (gewerkelt, in Pastellfarben) auf ein Oberteil platziert, weil ich dachte, DAS macht den Menschen aus, und ist zu sehr im Hintergrund sonst.
Sehr gut :) Röntgenstil ist ein echter Klassiker :daumen:
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26Ich hatte aber auch mal eine Türkisphase (in geschmackvoll modisch), das war ganz schön.
Türkis finde ich auch eine schöne Farbe.

Und die Steine sind auch sehr schön 💎
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26Ansonsten sehe ich es rein funktional pragmatisch. Und falle lieber nicht auf. Tu ich aber, durch das zu pragmatische. Drei Tage dieselbe Hose an gibt im Büro schon einen kleinen Eklat, so als Frau.
Ich mag auch nicht auffallen. Aber irgendwie scheine ich das auch geschafft zu haben :oops: Vielleicht interessierte sich ohnehin niemand dafür, ob ich jeden Tag oder jede Woche eine andere Hose anzog. Außer dem Personal in der Reinigung :hammer:
Benutzeravatar
kreisel
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 3407
Registriert: 30 Nov 2011 14:48
Geschlecht: weiblich

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von kreisel »

Melli hat geschrieben: 17 Jul 2020 10:54 Körper werden segmentiert, und damit erst repräsentier- und erfahrbar gemacht. Dies würde alle drei Register involvieren.
Hm, das ist wirklich sehr verschachtelt. :gruebel:
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Leider ist das Verhältnis vieler Menschen zum Spiegelbild narzißtisch, das zu Spiegeln fetischistisch: als ob der Spiegel wüßte was man nicht wissen kann 🙀
Wenn sich alles auf das Spiegelbild konzentriert zur Orientierung, Einschätzung, Erkenntnisfindung,
kann das nicht ganz ausgewogen sein.
Die anderen werden dann auch eher einsortiert in "nützt mir" oder "nützt mir nicht".
Diese Konkurrenz und Abwertung, wenn es nicht nützt, ist bei ausgeprägtem Narzissmus sehr zu spüren.

Denkenswert wäre, dass auch Therapie fetischistisch aufgefasst werden kann, da in dieser ja auch
gespiegelt wird :shock:
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Aber für mich selbst kann ich das nicht so sehen. Ich hatte von Anfang an geordnete Verhältnisse. (Für manche gehässige Kommentatoren vielleicht etwas zu rigide geordnete Verhältnisse :schwarzekatze:)
Echt? :shock: (also zu Punkt 1).
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Yup. That's what Ethnopsychoanalysis really is like :shy:
Bin mir gerade nicht sicher, ob wir das selbe meinen mit "von Anfang an" und "geordnet".
Mit "von Anfang an geordnete Verhältnisse" hab ich gedacht, damit ist gemeint, dass man schon als
(Kleinst) kind (Mensch im Anfang) so eine Ordnung in sich drin hat. Die Frage wäre auch, worin die
Ordnung besteht? Wertesystem? Persönlichkeitsstruktur? Ethik?
Das wäre ja zeitlich sogar schon, bevor das rationale Strukturieren der Welt dann mehr greifen könnte.

Wäre Ethnopsychoanalyse dann sowas wie, die schon vorhandene Grundstruktur in der Einbettung
von Kultur und Umfeld freizulegen? Dann würde man diese Ordnung später finden, aber merkt
dann, dass sie eigentlich von Anfang an da war? :gruebel:
Melli hat geschrieben: 17 Jul 2020 10:54Ich denke auch manchmal: "Man soll halt nicht auf andere hören!" :hammer: Oder: "Wenn man sich auf NN verläßt, dann ist man verlassen." Aber solange sich das in zu verschmerzenden Grenzen hält, geht es ja meist noch. Wenn aber daraus ein chaotischer Un-Diskurs gebildet wird, ist es bedenklich :(
Un-Diskurs ist, wenn man sich so verstrickt und abwertet usw, nicht mehr so respektvoll konstruktiv sachlich redet?
Das hätte sicher nicht soviel Wert
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Die Historia Universal wurde im 16. Jh. von Azteken verfaßt. Zum einen unter bereits erheblicher kolonialer Belastung, zum anderen war Mesoamerika schon seit Jahrtausenden "zivilisiert".

Natürlich wären Kitschbilder vom "Röhrenden Hirschen auf einer Lichtung vor einem unergründlichen Wald" auch nicht gerade der Weisheit letzter Schluß
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das in einen völlig anderen Kontext gesetzt habe :oops:
Ich dachte, da hätte mal wieder ein deutscher Dichter, wohlhabend und melancholisch, im 19., Anfang 20.Jh
auf seinem Waldspaziergang vor sich hinphilosophiert, und ging dann nach einer Stunde
improvisierter Wehmut wieder in seinen gemütlichen Sessel.

Das liest sich sich dann im Kontext 16 Jh. , Regenwald in Mittelamerika, doch anders. Grund zum Klagen gab es wohl,
wenn die ehemaligen Herrscher zu dieser Zeit wie im Exil gelebt haben. Kolonialismus fordert einige Opfer.
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Sehr gut :) Röntgenstil ist ein echter Klassiker :daumen:
Oh interessant, dass das damals vorkam. :)
Mir ist das in einer ziemlich langweiligen Biostunde eingefallen, dass ich dachte, welchen Bezug hat das
eigentlich zum Leben, und dann fiel mir auf, dass man sich eigentlich doch sehr wundern kann, wie
alles läuft und dass es so da ist, und dass es aber doch so versteckt läuft (und dann doch so viel belangloses
sehr viel häufiger in der Aufmerksamkeit ist).
Ich dachte, das Vorhandensein der Organe ist so offensichtlich, aber wird ja geradezu verdrängt.
Kurz dachte ich auch an Skelette, aber das schien mir schon so abgegriffen zu sein von der Idee her.
Melli

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von Melli »

kreisel hat geschrieben: 19 Jul 2020 04:31
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Leider ist das Verhältnis vieler Menschen zum Spiegelbild narzißtisch, das zu Spiegeln fetischistisch: als ob der Spiegel wüßte was man nicht wissen kann 🙀
Wenn sich alles auf das Spiegelbild konzentriert zur Orientierung, Einschätzung, Erkenntnisfindung, kann das nicht ganz ausgewogen sein.
Ja, das ist es bestimmt nicht. Der Spiegel ist kein Ort der Wahrheit.

Aber manche Ideen kriegt man zum verrecken nicht vom Sockel geholt :wuetend:
kreisel hat geschrieben: 19 Jul 2020 04:31Die anderen werden dann auch eher einsortiert in "nützt mir" oder "nützt mir nicht".
Diese Konkurrenz und Abwertung, wenn es nicht nützt, ist bei ausgeprägtem Narzissmus sehr zu spüren.
Ja, ist es.

Dazu hat LCZ gerade auch sehr interessantes in Hinblick auf Forentrolle geschrieben.

Überhaupt ist Narziß das bösartige Gegenstück zu Ödipus (den ein paranoider Vater als Rivalen betrachtet und ihn ausschalten will, und seine Mutter kann ihn nicht schützen) :shock: Narziß ist das Kind einer von einem Flußgott mißbrauchten Nymphe. Sie fragt den Seher Tiresias, ob dem so gezeugten Kinde eine lange Lebenszeit beschieden sein würde, worauf dieser antwortete: si se non noverit ("wenn er sich nicht kennt") – was sich aber nicht erfüllen wird (Ovid, Metamorphosen III 339-512).

Der Schicksalsspruch bleibt dunkel, bis, inzwischen 16 Jahre alt, seine zarte jungenhafte Schönheit bei Jungen wie Mädchen Interesse hervorruft, das er jedoch in sprödester Härte nicht im geringsten erwidert. Auf der Jagd erblickt ihn schließlich die Bergnymphe Echo, heftet sich in Leidenschaft entbrannt an seine Fersen. Doch diese selbst ist Opfer des Fluches der eifersüchtigen Iuno, die sich nicht mehr in lange Plaudereien verwickeln lassen will, während sich ihr Gatte in den Bergen mit anderen Nymphen vergnügt, so daß sie ihr nur noch die kürzeste Rede gewährt. Sie kann sich nur teilweise dagegen zur Wehr setzen, insofern sie die jeweils letzten Worte verdoppelt. Es ist also nicht nur, daß ihre Gefühle keine Erwiderung fänden, ihr Dialog mit dem Objekt ihrer Begierde ist verzerrt. Sie verbirgt sich vor Scham im Wald, schwindet dahin, ihr Gebein versteinert (à la lettre), nur die Stimme bleibt als Trug.

Ein so verächtlich Verschmähter wünscht dem Narcissus nun eine Retourkutsche: "Möge er selbst so lieben und nie das Geliebte besitzen!", die Rachegöttin Nemesis höchstpersönlich übernimmt den Auftrag, sie schafft eine Quelle an einem abgelegenen Ort im Walde, dessen Anmut er sich nicht entziehen kann. Er beugt sich zum Trinken über das Wasser und gerät in Entzücken über eine Schönheit, die seine eigene ist, die er aber nicht als sein Spiegelbild erkennen kann. Das körperlose Schema im Wasser hält er für einen Körper, zudem dieser sein Lächeln, seine Küsse, das Ausstrecken seiner Arme und sein Weinen zu erwidern scheint. In seiner Verzweiflung zerschlägt er sich die Brust, aber selbst auf dem Weg in die Unterwelt spiegelt er sich im Wasser des Styx. Indeß hat man seine Leichenverbrennung schon vorbereitet, findet aber anstelle des Körpers nur eine weiße Blume, die fortan nach ihm benannt wurde.

Die Geschichte ist schlimmer als was man in der Psychoanalyse daraus macht. Er gerät an eine Echo, die selbst in ihrer Interaktionsfähigkeit noch viel offensichtlicher verkrüppelt ist. Aber auch sie leidet doppelt, weil Narcissus sich daher schon "diskursiv" nicht auf sie einläßt, sie "ausgrenzt", nicht nur spezifisch ihre Avancen nicht erwidert, woran sie schließlich zugrundegeht.

Es wäre aber eine alltäglich-banale Erfahrung, daß Gefühle nicht mit Zwangsläufigkeit erwidert werden müssen. Daß ein Adoleszenter eine derartige Szene ablieferte wie Narcissus an der Quelle wäre allerdings eine maßlose Verzeichnung wie man sie selbst von den schlimmsten Schizophrenien kaum kennt, wäre da nicht der Schicksalsspruch des Tiresias gewesen: er hat sich auf diese bizarre Weise eben doch kennengelernt und ging daran elend zugrunde.
kreisel hat geschrieben: 19 Jul 2020 04:31Denkenswert wäre, dass auch Therapie fetischistisch aufgefasst werden kann, da in dieser ja auch gespiegelt wird :shock:
Ohne dieses "Pingpong" von Übertragung und Gegenübertragung keine Analyse :shock:

Aber es kann tatsächlich zum Ballverlust (oder wie man das nennt) kommen. Und das auch noch unbemerkt. Die fuchteln dann mit ihrem Schläger in der Luft herum. Da ist eher Spiegelfechten :(
kreisel hat geschrieben: 19 Jul 2020 04:31
kreisel hat geschrieben: 16 Jul 2020 05:26
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Aber für mich selbst kann ich das nicht so sehen. Ich hatte von Anfang an geordnete Verhältnisse. (Für manche gehässige Kommentatoren vielleicht etwas zu rigide geordnete Verhältnisse :schwarzekatze:)
Echt? :shock: (also zu Punkt 1).
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47Yup. That's what Ethnopsychoanalysis really is like :shy:
Bin mir gerade nicht sicher, ob wir das selbe meinen mit "von Anfang an" und "geordnet".
Mit "von Anfang an geordnete Verhältnisse" hab ich gedacht, damit ist gemeint, dass man schon als
(Kleinst) kind (Mensch im Anfang) so eine Ordnung in sich drin hat. Die Frage wäre auch, worin die
Ordnung besteht? Wertesystem? Persönlichkeitsstruktur? Ethik?
Das wäre ja zeitlich sogar schon, bevor das rationale Strukturieren der Welt dann mehr greifen könnte.
Dazu hätte ich ein Wunderkind sein müssen. Aber manchmal könnte man denken, das sei ich tatsächlich gewesen :( Wenn ich denn Durchblick hatte, dann aber auch viel Angst vor was mir bevorstehen sollte. Ich habe viel geweint. Da ist noch nicht mitgerechnet, wie viel mehr ich nur still in mich hineingeweint habe.

Don't try this at home, kids :hammer:

Ja, ich denke durchaus, man kommt nicht als unbeschriebenes Blatt zur Welt. (Bei meiner Religion nicht weiter verwunderlich.) Das wäre mindestens so etwas wie eine Anlage zu "Persönlichkeit".

Ethik und Werte werden einem explizit natürlich etwas später vermittelt. Eigentlich können tamilische Kinder lange Jahre machen wie sie denken. Was aber nicht heißt, daß man unbedingt Unsinn im Sinn haben muß. Man bekommt schon mit wie's so ist.

Ich fand es ziemlich schockierend, wie mich meine "Bonus"-Mutter wegen Nichtigkeiten angeschnauzt hat. Mit Ethik hat es die sowieso nicht, sie darf lügen und betrügen, solange es ihr nützt. Aber nicht als narzißtisches "Regelwerk", sondern die ist schizophren. Die lebt in einer ganz anderen Welt, auch wenn es ihr scheiße geht.

Dennoch war das für mich als Kind Bestandteil des Kulturschocks. Und es ist einiges davon geblieben, weil die in ihrer Umwelt in D es schafft zu leben wie die Made im Aas. Ich verstehe nicht, wie Leute sich so von der manipulieren und auch mit Drohungen unter Druck setzen lassen.
kreisel hat geschrieben: 19 Jul 2020 04:31Wäre Ethnopsychoanalyse dann sowas wie, die schon vorhandene Grundstruktur in der Einbettung von Kultur und Umfeld freizulegen? Dann würde man diese Ordnung später finden, aber merkt dann, dass sie eigentlich von Anfang an da war? :gruebel:
Ja, ich denke sogar das spielt eine sehr gewichtige Rolle.

Man kommt eben nicht unmoralisch auf die Welt und haut anderen Kindern im Sandkasten die Plastikschippe auf den Kopf, bis irgendwann das Über-Ich einschreitet und darauf besteht, daß man sowas doch nicht tut.
kreisel hat geschrieben: 19 Jul 2020 04:31
Melli hat geschrieben: 17 Jul 2020 10:54Ich denke auch manchmal: "Man soll halt nicht auf andere hören!" :hammer: Oder: "Wenn man sich auf NN verläßt, dann ist man verlassen." Aber solange sich das in zu verschmerzenden Grenzen hält, geht es ja meist noch. Wenn aber daraus ein chaotischer Un-Diskurs gebildet wird, ist es bedenklich :(
Un-Diskurs ist, wenn man sich so verstrickt und abwertet usw, nicht mehr so respektvoll konstruktiv sachlich redet?
Das hätte sicher nicht soviel Wert
Das kann noch viel schlimmer kommen. Da wird nur noch so getan, als fände Kommunikation statt. Also alles nur imaginiert. Wenn jemand davon frustriert ist und nicht mehr will, ist er ja noch gut dran.
kreisel hat geschrieben: 19 Jul 2020 04:31
Melli hat geschrieben: 12 Jul 2020 11:47 Die Historia Universal wurde im 16. Jh. von Azteken verfaßt. Zum einen unter bereits erheblicher kolonialer Belastung, zum anderen war Mesoamerika schon seit Jahrtausenden "zivilisiert".
Natürlich wären Kitschbilder vom "Röhrenden Hirschen auf einer Lichtung vor einem unergründlichen Wald" auch nicht gerade der Weisheit letzter Schluß
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das in einen völlig anderen Kontext gesetzt habe :oops:
Ich dachte, da hätte mal wieder ein deutscher Dichter, wohlhabend und melancholisch, im 19., Anfang 20. Jh
auf seinem Waldspaziergang vor sich hinphilosophiert, und ging dann nach einer Stunde improvisierter Wehmut wieder in seinen gemütlichen Sessel.
Das liest sich sich dann im Kontext 16 Jh., Regenwald in Mittelamerika, doch anders. Grund zum Klagen gab es wohl, wenn die ehemaligen Herrscher zu dieser Zeit wie im Exil gelebt haben. Kolonialismus fordert einige Opfer.
Der Text gilt als gut, weil die Informanten noch traditionell gebildete Leute waren. Es sind viele historische Ereignisse, Rituale etc., auch Dinge, Pflanzen und Tiere beschrieben. Aber ich fand's stellenweise enttäuschend. Man bekommt sogar Fabelwesen wie den kʷiƛamisƛi aufgetischt. Der muß dann auch noch bei der Beschreibung des ƛaʔkomisƛi "Katzenfrett" als ähnlich herhalten.

Vielleicht ist ja auch ein Hase so eine Art Wolpertinger 🤦🏾‍♀️
Benutzeravatar
kreisel
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 3407
Registriert: 30 Nov 2011 14:48
Geschlecht: weiblich

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von kreisel »

Melli hat geschrieben: 19 Jul 2020 21:59 Dazu hat LCZ gerade auch sehr interessantes in Hinblick auf Forentrolle geschrieben.

Überhaupt ist Narziß das bösartige Gegenstück zu Ödipus (den ein paranoider Vater als Rivalen betrachtet und ihn ausschalten will, und seine Mutter kann ihn nicht schützen) :shock: Narziß ist das Kind einer von einem Flußgott mißbrauchten Nymphe. Sie fragt den Seher Tiresias, ob dem so gezeugten Kinde eine lange Lebenszeit beschieden sein würde, worauf dieser antwortete: si se non noverit ("wenn er sich nicht kennt") – was sich aber nicht erfüllen wird (Ovid, Metamorphosen III 339-512).
(...)
Die Ausführungen von LCZ fand ich in vielen Punkten anschaulich und nachvollziehbar.

Die Protagonisten der griechischen Mythologie haben es derweil NOCH dramatischer und richtig tragisch getroffen.
Vor allem Echo tut mir leid in dieser mehfach üblen Konstellation.
Melli hat geschrieben:
kreisel hat geschrieben: 19 Jul 2020 04:31Denkenswert wäre, dass auch Therapie fetischistisch aufgefasst werden kann, da in dieser ja auch gespiegelt wird :shock:
Ohne dieses "Pingpong" von Übertragung und Gegenübertragung keine Analyse :shock:
Ich dachte hier an eine Gesprächstherapie, die wie ein Kaffeekränzchen durchgeführt wird und zur wöchentlichen
Routine gehört, ohne das sie ernsthaft in einem etwas berührt;
oder vielleicht auch an VT, wenn man dem Therapeuten Bälle apportiert und man den Therapeuten springen lässt, damit
er einen springen lässt;
wenn die Einrichtung der Therapie einfach schon zum Lebenskonzept im Sinne einer Beschäftigungs- und Bestätigungseinheit
verkommt, es aber auch keine wesentlichen Änderungen gibt.

Das könnte aber durchaus auch etwas mit Ballverlust zu tun haben; oder auch gut möglich: bestimmte Themen sind durch
Sprechen / Erkennen dann doch nicht so einfach zu ändern.
Melli hat geschrieben:Wenn ich denn Durchblick hatte, dann aber auch viel Angst vor was mir bevorstehen sollte. Ich habe viel geweint. Da ist noch nicht mitgerechnet, wie viel mehr ich nur still in mich hineingeweint habe.

Don't try this at home, kids :hammer:
Verstehen / erkennen / Optionen sehen muss wohl tatsächlich nicht immer Glück pur bedeuten :sadman:

Ich dachte manchmal, dass ein kleiner positiver Denktunnel etwas glücklicher machen kann und auch die Übungen
"sei nur gegenwärtig und lege dein Hirn zur Seite" einen gewissen Gewinn haben.

Die Probleme sind nicht gelöst- das können sie ja ggf. auch gar nicht werden - aber tun nicht mehr so weh.
In manchen Therapieprozessen scheint auch mit Identifizieren / Des-identifizieren geabeitet zu werden.
Melli hat geschrieben:Ja, ich denke durchaus, man kommt nicht als unbeschriebenes Blatt zur Welt. (Bei meiner Religion nicht weiter verwunderlich.) Das wäre mindestens so etwas wie eine Anlage zu "Persönlichkeit".

Ethik und Werte werden einem explizit natürlich etwas später vermittelt.
Wäre schon interessant zu wissen, ob man mit der Persönlichkeit auch schon ein Stück Anlage zu
einer inneren Ordnung (Verständnis/Gewissen) hat; oder eine Anlage dazu, wie man Ethik und Moral aufstellt.
Melli hat geschrieben:Man kommt eben nicht unmoralisch auf die Welt und haut anderen Kindern im Sandkasten die Plastikschippe auf den Kopf, bis irgendwann das Über-Ich einschreitet und darauf besteht, daß man sowas doch nicht tut.
Sollte man meinen.
Da wo man es erklären muss, helfen Erklärungen wohl auch selten.
Melli hat geschrieben:Ich fand es ziemlich schockierend, wie mich meine "Bonus"-Mutter wegen Nichtigkeiten angeschnauzt hat. Mit Ethik hat es die sowieso nicht, sie darf lügen und betrügen, solange es ihr nützt. Aber nicht als narzißtisches "Regelwerk", sondern die ist schizophren. Die lebt in einer ganz anderen Welt, auch wenn es ihr scheiße geht.
klingt nicht gut :cry: Worauf soll man sich da beziehen, was für diese Person falsch ist und warum sie aggressiv wird?
Melli hat geschrieben:Das kann noch viel schlimmer kommen. Da wird nur noch so getan, als fände Kommunikation statt. Also alles nur imaginiert. Wenn jemand davon frustriert ist und nicht mehr will, ist er ja noch gut dran.
Bin mir nicht sicher, ob ich einer Art von unechter Kommunikation schon erlebt bzw. erkannt / eingeordnet hab.
Vielleicht so unechte Umarmungen, wo sich jemand zu zwingt aus der Familie, weil es dran ist, dabei wird komisch
verlegen gelacht, alles ist steif und kalt. Oder einmal hat mir jemand aus der Familie Geburtstagswünsche auf
eine Art überbracht, dass ich das würgen (in echt) bekommen hab, der Magen rebellierte. Weil ich schon eher das Gefühl
hatte, die freuen sich nicht, sondern die stört es nicht, wenn ich tot bin, und dementsprechend war auch die reguläre
Kommunikation.
Melli hat geschrieben:Der Text gilt als gut, weil die Informanten noch traditionell gebildete Leute waren. Es sind viele historische Ereignisse, Rituale etc., auch Dinge, Pflanzen und Tiere beschrieben. Aber ich fand's stellenweise enttäuschend. Man bekommt sogar Fabelwesen wie den kʷiƛamisƛi aufgetischt.
(...)
Klingt ja interessant, so einen Eindruck in eine ältere Zeit zu bekommen, von Leuten die gebildet waren und sich
ausdrücken können. Wurde ja auch selten wohl schriftlich was übermittelt.

Die Vermischung aus Fabeln und Realität ist schon seltsam, das würde man von heutigen Gelehrten
nicht erwarten. Vielleicht war damals der Wissenschaftsbegriff anders definiert und innere Erlebnisse
und Imaginäres galten mehr auch als real?

Wenn die Zeit heute und die diversen mehr oder weniger qualitativen Informationen in 400 oder 500 Jahren mal ethnologisch
aufgearbeitet werden sollte, da wird man sich bei vielem wohl auch wundern.
Melli

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von Melli »

kreisel hat geschrieben: 27 Jul 2020 08:45
Melli hat geschrieben:
kreisel hat geschrieben: 19 Jul 2020 04:31Denkenswert wäre, dass auch Therapie fetischistisch aufgefasst werden kann, da in dieser ja auch gespiegelt wird :shock:
Ohne dieses "Pingpong" von Übertragung und Gegenübertragung keine Analyse :shock:
Ich dachte hier an eine Gesprächstherapie, die wie ein Kaffeekränzchen durchgeführt wird und zur wöchentlichen Routine gehört, ohne das sie ernsthaft in einem etwas berührt; oder vielleicht auch an VT, wenn man dem Therapeuten Bälle apportiert und man den Therapeuten springen lässt, damit er einen springen lässt; wenn die Einrichtung der Therapie einfach schon zum Lebenskonzept im Sinne einer Beschäftigungs- und Bestätigungseinheit verkommt, es aber auch keine wesentlichen Änderungen gibt.
Das könnte aber durchaus auch etwas mit Ballverlust zu tun haben; oder auch gut möglich: bestimmte Themen sind durch Sprechen / Erkennen dann doch nicht so einfach zu ändern.
Springen und springen lassen :mrgreen: Und: Therapie statt Leben :(

Da sieht Kaffee und Kuchen auf den 1. Blick schon besser aus ☕🍰 Obschon es keine Therapie ist, wenn man sich auf eine "smalltalking cure" zurückzieht. Wahrscheinlich um eine konfliktfreie Sphäre zu schaffen. Die "talking cure" findet dann im Imaginären statt. So würde man aber an jedem Thema nur scheitern können.
kreisel hat geschrieben: 27 Jul 2020 08:45
Melli hat geschrieben:Wenn ich denn Durchblick hatte, dann aber auch viel Angst vor was mir bevorstehen sollte. Ich habe viel geweint. Da ist noch nicht mitgerechnet, wie viel mehr ich nur still in mich hineingeweint habe.
Don't try this at home, kids :hammer:
Verstehen / erkennen / Optionen sehen muss wohl tatsächlich nicht immer Glück pur bedeuten :sadman:
Ich dachte manchmal, dass ein kleiner positiver Denktunnel etwas glücklicher machen kann und auch die Übungen "sei nur gegenwärtig und lege dein Hirn zur Seite" einen gewissen Gewinn haben.
Das dürfte nur einen (zeitlich wie inhaltlich) beschränkten Anwendungsbereich haben. Aber warum sollte man sich keine kleine Pause gönnen?
kreisel hat geschrieben: 27 Jul 2020 08:45Die Probleme sind nicht gelöst- das können sie ja ggf. auch gar nicht werden - aber tun nicht mehr so weh. In manchen Therapieprozessen scheint auch mit Identifizieren / Des-identifizieren gearbeitet zu werden.
Das ist auch noch so eine Sache. Manche Therapieziele sind utopisch. Ich weiß nicht, was damit gewonnen sein soll. Irgendwann wird unweigerlich die Konfrontation mit der bitteren Wahrheit kommen.
kreisel hat geschrieben: 27 Jul 2020 08:45
Melli hat geschrieben:Ja, ich denke durchaus, man kommt nicht als unbeschriebenes Blatt zur Welt. (Bei meiner Religion nicht weiter verwunderlich.) Das wäre mindestens so etwas wie eine Anlage zu "Persönlichkeit".
Ethik und Werte werden einem explizit natürlich etwas später vermittelt.
Wäre schon interessant zu wissen, ob man mit der Persönlichkeit auch schon ein Stück Anlage zu einer inneren Ordnung (Verständnis/Gewissen) hat; oder eine Anlage dazu, wie man Ethik und Moral aufstellt.
Wäre möglich. Aber das kann ich nicht näher beschreiben, dazu fehlt mir ein theoretischer Rahmen.
kreisel hat geschrieben: 27 Jul 2020 08:45
Melli hat geschrieben:Ich fand es ziemlich schockierend, wie mich meine "Bonus"-Mutter wegen Nichtigkeiten angeschnauzt hat. Mit Ethik hat es die sowieso nicht, sie darf lügen und betrügen, solange es ihr nützt. Aber nicht als narzißtisches "Regelwerk", sondern die ist schizophren. Die lebt in einer ganz anderen Welt, auch wenn es ihr scheiße geht.
klingt nicht gut :cry: Worauf soll man sich da beziehen, was für diese Person falsch ist und warum sie aggressiv wird?
Gar nicht. Es geht nicht.
kreisel hat geschrieben: 27 Jul 2020 08:45
Melli hat geschrieben:Das kann noch viel schlimmer kommen. Da wird nur noch so getan, als fände Kommunikation statt. Also alles nur imaginiert. Wenn jemand davon frustriert ist und nicht mehr will, ist er ja noch gut dran.
Bin mir nicht sicher, ob ich einer Art von unechter Kommunikation schon erlebt bzw. erkannt / eingeordnet hab.
Vielleicht so unechte Umarmungen, wo sich jemand zu zwingt aus der Familie, weil es dran ist, dabei wird komisch verlegen gelacht, alles ist steif und kalt. Oder einmal hat mir jemand aus der Familie Geburtstagswünsche auf eine Art überbracht, dass ich das würgen (in echt) bekommen hab, der Magen rebellierte. Weil ich schon eher das Gefühl hatte, die freuen sich nicht, sondern die stört es nicht, wenn ich tot bin, und dementsprechend war auch die reguläre Kommunikation.
Ja, hohle Gesten, leere Worte. Da habe ich mich auch nicht gefreut. Es ist völlig sinnentleert, aber das würden solche Leute vehement bestreiten. Klar, sie kennen nichts anderes.
kreisel hat geschrieben: 27 Jul 2020 08:45
Melli hat geschrieben:Der Text gilt als gut, weil die Informanten noch traditionell gebildete Leute waren. Es sind viele historische Ereignisse, Rituale etc., auch Dinge, Pflanzen und Tiere beschrieben. Aber ich fand's stellenweise enttäuschend. Man bekommt sogar Fabelwesen wie den kʷiƛamisƛi aufgetischt. (...)
Klingt ja interessant, so einen Eindruck in eine ältere Zeit zu bekommen, von Leuten die gebildet waren und sich ausdrücken können. Wurde ja auch selten wohl schriftlich was übermittelt.
Die Vermischung aus Fabeln und Realität ist schon seltsam, das würde man von heutigen Gelehrten nicht erwarten. Vielleicht war damals der Wissenschaftsbegriff anders definiert und innere Erlebnisse und Imaginäres galten mehr auch als real?
Wenn die Zeit heute und die diversen mehr oder weniger qualitativen Informationen in 400 oder 500 Jahren mal ethnologisch aufgearbeitet werden sollte, da wird man sich bei vielem wohl auch wundern.
Man merkt hie wie da schnell, daß sog. Allgemeinbildung so allgemein gar nicht sein kann.

Es gibt diesen schönen Satz: "it may be that no one speaks the truth on earth (ach ayac nelli in tiquitohua nican)", den Léon-Portilla (Aztec Thought and Culture, 1990: 76) so liest, daß er sich nicht auf verallgemeinerten Skeptizismus bezieht, sondern auf die Differenz zwischen dem, was man auszudrücken wünscht, und dem, was man auszudrücken vermag. Insofern könne der Ausdruck tatsächlich authentisch sein.

Das kann man also genau als die Differenz zwischen dem Imaginären und dem Realen rekonstruieren.

Allgemeinhin ist aztekische Erkenntnistheorie repräsentationalistisch vor einem transzendenten Hintergrund:
Clendinnen, Aztecs: An Interpretation, 1991: 214 hat geschrieben:The experienced world is a representation composed out of representations, the original models in the mind of the divine artificer deriving from the world of the sacred.
Benutzeravatar
kreisel
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 3407
Registriert: 30 Nov 2011 14:48
Geschlecht: weiblich

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von kreisel »

Melli hat geschrieben: 30 Jul 2020 06:53 Springen und springen lassen Und: Therapie statt Leben

Da sieht Kaffee und Kuchen auf den 1. Blick schon besser aus Obschon es keine Therapie ist, wenn man sich auf eine "smalltalking cure" zurückzieht. Wahrscheinlich um eine konfliktfreie Sphäre zu schaffen. Die "talking cure" findet dann im Imaginären statt. So würde man aber an jedem Thema nur scheitern können.
Therapie statt Leben kann wohl wirklich passieren –Als müsste man erst in einer Glasglocke etwas sezieren,
um sich dann dem „richtigen Leben“ zuzuwenden.
Oder man hat schon gar keine "normalen Kontakte" oder Ziele mehr.

„Talking Cure“finde ich reichlich uneffektiv, oder höchstens mal momentan entlastend.
Aber ob was anderes effektiv ist, weiß ich ja letzten Endes auch nicht.
So hat man dann wenigstens mal mit jemandem drüber gesprochen.

Viele Therapeuten bieten auch gleich das DU an. (weniger als Friendzone, sondern es wäre ein therapeutisches Du
gemeint und darauf würde das Unbewusste wohl eher anspringen).

In meinen Augen macht das mit dem Du keinen Sinn und ist eher befremdlich, denn ich weiß ja dass wir uns für
50 min eine Beziehung vorgaukeln, die nicht wirklich auf Peer Ebene ist und selten auf der Ebene von gleichwertigen
Erwachsenen.
Ich kann es als Arbeitsverhältnis sehen, was sehr befristet ist, und da finde ich ein Sie angemessener.
Melli hat geschrieben: 30 Jul 2020 06:53Ja, hohle Gesten, leere Worte. Da habe ich mich auch nicht gefreut. Es ist völlig sinnentleert, aber das würden solche Leute vehement bestreiten. Klar, sie kennen nichts anderes.
Ja, da fehlt wohl der Sinn für den Unterschied oder überhaupt eine Option. Das was (für sie) geht, ist dann Gesetz.

Ich frag mich nur, wie man sich z B mit Eltern oder anderen Personen auseinandersetzen soll, wenn überhaupt keine Reflektionsmöglichkeit da ist, keinerlei Zugeständnisvermögen und es immer bei „Ist so, mit DIR stimmt wohl was nicht,
denn ich mache das einzig richtige“bleibt.
Aber ich glaube, da sind wir wieder bei diesen resignierten Leuten, die überhaupt keine Wahl haben und alles so hinnehmen,
und ich glaube wir waren da auch schonmal bei dem Begriff Fetisch.
In meinen Worten würde ich es beschreiben, dass es kaum Subjektivität gibt.
Da braucht man gar nicht mit einem Ansinnen auf Veränderung oder mit Empfindung oder mit individuellen Rechten zu kommen.
Es ist ein komplett unterschiedliches Menschenbild und in der Welt sein.
Melli hat geschrieben: 30 Jul 2020 06:53Es gibt diesen schönen Satz: "it may be that no one speaks the truth on earth (ach ayac nelli in tiquitohua nican)", den Léon-Portilla (Aztec Thought and Culture, 1990: 76) so liest, daß er sich nicht auf verallgemeinerten Skeptizismus bezieht, sondern auf die Differenz zwischen dem, was man auszudrücken wünscht, und dem, was man auszudrücken vermag. Insofern könne der Ausdruck tatsächlich authentisch sein.

Das kann man also genau als die Differenz zwischen dem Imaginären und dem Realen rekonstruieren.
Das würde ich auch so lesen als Kluft zwischen Erfassen-Bildwelt / Sprache / Realität, als ein verbleibendes
Unvermögen.

Wahrscheinlich gibt es schon eine Differenz vom Imaginären zum Symbolischen.
Und eine Differenz vom Realen zum Imaginären (sodass man eh schon mit viel Verlust etwas erfasst).

Das Ablassen von der eigenen Vorstellung und Sprache / Begrifflichkeit und die Konzentration auf das Lückenhafte /"Leere"
soll ja im Rahmen der Meditation eher entspannend sein.
Melli

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von Melli »

kreisel hat geschrieben: 08 Aug 2020 08:01
Melli hat geschrieben: 30 Jul 2020 06:53 Springen und springen lassen Und: Therapie statt Leben
Da sieht Kaffee und Kuchen auf den 1. Blick schon besser aus Obschon es keine Therapie ist, wenn man sich auf eine "smalltalking cure" zurückzieht. Wahrscheinlich um eine konfliktfreie Sphäre zu schaffen. Die "talking cure" findet dann im Imaginären statt. So würde man aber an jedem Thema nur scheitern können.
Therapie statt Leben kann wohl wirklich passieren –Als müsste man erst in einer Glasglocke etwas sezieren,
um sich dann dem „richtigen Leben“ zuzuwenden.
Oder man hat schon gar keine "normalen Kontakte" oder Ziele mehr.
„Talking Cure“ finde ich reichlich uneffektiv, oder höchstens mal momentan entlastend.
Aber ob was anderes effektiv ist, weiß ich ja letzten Endes auch nicht.
So hat man dann wenigstens mal mit jemandem drüber gesprochen.
Wie in dem '70er-Jahre-Lästerspruch: "Schön, daß wir mal darüber gesprochen haben." :(
kreisel hat geschrieben: 08 Aug 2020 08:01Viele Therapeuten bieten auch gleich das DU an. (weniger als Friendzone, sondern es wäre ein therapeutisches Du gemeint und darauf würde das Unbewusste wohl eher anspringen).
In meinen Augen macht das mit dem Du keinen Sinn und ist eher befremdlich, denn ich weiß ja dass wir uns für 50 min eine Beziehung vorgaukeln, die nicht wirklich auf Peer Ebene ist und selten auf der Ebene von gleichwertigen Erwachsenen.
Ich kann es als Arbeitsverhältnis sehen, was sehr befristet ist, und da finde ich ein Sie angemessener.
"Du kannst ruhig Sie zu mir sagen." :mrgreen:

Ich mag das auch in anderen Kontexten nicht, das täuscht über die tatsächlichen Distanzen und Asymmetrien hinweg.
kreisel hat geschrieben: 08 Aug 2020 08:01
Melli hat geschrieben: 30 Jul 2020 06:53Ja, hohle Gesten, leere Worte. Da habe ich mich auch nicht gefreut. Es ist völlig sinnentleert, aber das würden solche Leute vehement bestreiten. Klar, sie kennen nichts anderes.
Ja, da fehlt wohl der Sinn für den Unterschied oder überhaupt eine Option. Das was (für sie) geht, ist dann Gesetz.
Ich frag mich nur, wie man sich z B mit Eltern oder anderen Personen auseinandersetzen soll, wenn überhaupt keine Reflektionsmöglichkeit da ist, keinerlei Zugeständnisvermögen und es immer bei „Ist so, mit DIR stimmt wohl was nicht, denn ich mache das einzig richtige“ bleibt.
Aber ich glaube, da sind wir wieder bei diesen resignierten Leuten, die überhaupt keine Wahl haben und alles so hinnehmen, und ich glaube wir waren da auch schonmal bei dem Begriff Fetisch.
In meinen Worten würde ich es beschreiben, dass es kaum Subjektivität gibt.
Da braucht man gar nicht mit einem Ansinnen auf Veränderung oder mit Empfindung oder mit individuellen Rechten zu kommen.
Es ist ein komplett unterschiedliches Menschenbild und in der Welt sein.
Das kann man tatsächlich so sagen :(
kreisel hat geschrieben: 08 Aug 2020 08:01
Melli hat geschrieben: 30 Jul 2020 06:53Es gibt diesen schönen Satz: "it may be that no one speaks the truth on earth (ach ayac nelli in tiquitohua nican)", den Léon-Portilla (Aztec Thought and Culture, 1990: 76) so liest, daß er sich nicht auf verallgemeinerten Skeptizismus bezieht, sondern auf die Differenz zwischen dem, was man auszudrücken wünscht, und dem, was man auszudrücken vermag. Insofern könne der Ausdruck tatsächlich authentisch sein.
Das kann man also genau als die Differenz zwischen dem Imaginären und dem Realen rekonstruieren.
Das würde ich auch so lesen als Kluft zwischen Erfassen-Bildwelt / Sprache / Realität, als ein verbleibendes
Unvermögen.
Wahrscheinlich gibt es schon eine Differenz vom Imaginären zum Symbolischen.
Und eine Differenz vom Realen zum Imaginären (sodass man eh schon mit viel Verlust etwas erfasst).
Die Differenzen sind tatsächlich vorhanden. Das Reale entzieht sich, es ist schwer vorzustellen und auch schwer zu symbolisieren.
kreisel hat geschrieben: 08 Aug 2020 08:01Das Ablassen von der eigenen Vorstellung und Sprache / Begrifflichkeit und die Konzentration auf das Lückenhafte /"Leere" soll ja im Rahmen der Meditation eher entspannend sein.
Ja, weil man von der Mühe abläßt :mrgreen: Naja, gut, einer meiner Lehrer sagte mal, es gebe nur wenig an mystischer Erfahrung was wirklich schwer auszudrücken sei. Meistens sei es eher ein Problem nicht gut ausgeprägter Sprachgewandtheit (und Bemühung darum) :(

Man kann es aus freundlicher Nachsicht ja auch umdrehen: wenn man sehr gute Mystiker liest, dann kann man eine Ahnung davon erhalten, was man alles machen und ausdrücken kann :daumen:
Benutzeravatar
Dérkesthai
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 2714
Registriert: 18 Aug 2018 08:02
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB Vergangenheit
Wohnort: Los Strangeles / ÄNÄRWÄ

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von Dérkesthai »

Wg. dem therap. Du: Ist mir lieber als Sie. Ich möchte keine Distanz, denn es sind faktisch sehr persönliche Dinge, die ich dort erzähle. Das passt nicht mit einem Sie. Und die meisten Therapeut*innen stellen sich, wenn die es schon durchziehen wollen / müssen, nicht unbedingt geschickt darin an, ein lockeres Gefühl zu vermitteln, dass ich trotz siezen noch gerne reden mag. Ich weiß, dass die Sitzung 45-50 Min. läuft und beschränkt ist, irgendwann wieder aufhört. Aber das hören Freundschaften u.U. auch: da siezt man sich ob des Risikos es könnte ja irgendwann enden auch nicht präventiv.
⛧ Ad signandum domum contra diabolum. ⛤
"Black is such a happy colour." (Adam's Family)
Benutzeravatar
kreisel
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 3407
Registriert: 30 Nov 2011 14:48
Geschlecht: weiblich

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von kreisel »

Dérkesthai hat geschrieben: 16 Aug 2020 20:34 Wg. dem therap. Du: Ist mir lieber als Sie. Ich möchte keine Distanz, denn es sind faktisch sehr persönliche Dinge, die ich dort erzähle. Das passt nicht mit einem Sie. Und die meisten Therapeut*innen stellen sich, wenn die es schon durchziehen wollen / müssen, nicht unbedingt geschickt darin an, ein lockeres Gefühl zu vermitteln, dass ich trotz siezen noch gerne reden mag. Ich weiß, dass die Sitzung 45-50 Min. läuft und beschränkt ist, irgendwann wieder aufhört. Aber das hören Freundschaften u.U. auch: da siezt man sich ob des Risikos es könnte ja irgendwann enden auch nicht präventiv.
Ist vielleicht Geschmackssache.
Bei mir ist es so, dass ich mir bei einem Sie erhoffe, dass da vielleicht doch mehr Kompetenz da ist, als ein
Buddy Gefühl zu geben. Ich habe nicht so das Bedürfnis nach einem therapeutischen Du, um zu erzählen
oder um neue Perspektiven oder Erkenntnisse zu finden.
Melli hat geschrieben:Naja, gut, einer meiner Lehrer sagte mal, es gebe nur wenig an mystischer Erfahrung was wirklich schwer auszudrücken sei. Meistens sei es eher ein Problem nicht gut ausgeprägter Sprachgewandtheit (und Bemühung darum) :(

Man kann es aus freundlicher Nachsicht ja auch umdrehen: wenn man sehr gute Mystiker liest, dann kann man eine Ahnung davon erhalten, was man alles machen und ausdrücken kann :daumen:
Das ist schon toll, wenn man viele fast unsagbare Dinge gut ausdrücken
kann. Und stimmt, auch schon darüber zu lesen, lässt einen manches ahnen oder lässt etwas anklingen.

Mir ist aufgefallen, dass einige Musiker / Lyriker in den letzten zwei Jahren von Liebe als "weißem Licht" schreiben.
Entweder schreiben sie es erst in den letzten zwei Jahren oder mir ist es erst in den letzten zwei Jahren aufgefallen.
Fand ich interessant, dass der Begriff und das Bild so wiederholt auftraten, um etwas zu beschreiben.
Benutzeravatar
Dérkesthai
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 2714
Registriert: 18 Aug 2018 08:02
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB Vergangenheit
Wohnort: Los Strangeles / ÄNÄRWÄ

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von Dérkesthai »

kreisel hat geschrieben: 17 Aug 2020 08:51
Dérkesthai hat geschrieben: 16 Aug 2020 20:34 Wg. dem therap. Du: Ist mir lieber als Sie. Ich möchte keine Distanz, denn es sind faktisch sehr persönliche Dinge, die ich dort erzähle. Das passt nicht mit einem Sie. Und die meisten Therapeut*innen stellen sich, wenn die es schon durchziehen wollen / müssen, nicht unbedingt geschickt darin an, ein lockeres Gefühl zu vermitteln, dass ich trotz siezen noch gerne reden mag. Ich weiß, dass die Sitzung 45-50 Min. läuft und beschränkt ist, irgendwann wieder aufhört. Aber das hören Freundschaften u.U. auch: da siezt man sich ob des Risikos es könnte ja irgendwann enden auch nicht präventiv.
Ist vielleicht Geschmackssache.
Bei mir ist es so, dass ich mir bei einem Sie erhoffe, dass da vielleicht doch mehr Kompetenz da ist, als ein
Buddy Gefühl zu geben. Ich habe nicht so das Bedürfnis nach einem therapeutischen Du, um zu erzählen
oder um neue Perspektiven oder Erkenntnisse zu finden.
Ja, natürlich. Das ist Geschmackssache.
Sie ist für mich halt eher Distanz, geschäftsmäßig. Für mich ist Therapie halt sehr persönlich. Kann man ja auch nicht erzwingen so etwas. Und tauschen sowieso nicht, weil man dann wie Blöde wieder auf der Warteliste wartet.
Andererseits hält man die Therapeuten dann bewusst vielleicht auf Abstand, um ja nichts erzählen zu müssen, was über Belanglosigkeit hinausgeht Ist mir so in den Sinn gekommen, weil ich kürzlich gewechselt habe. Vielleicht ist das siezen mein Hindernis. Who knows.
⛧ Ad signandum domum contra diabolum. ⛤
"Black is such a happy colour." (Adam's Family)
Benutzeravatar
kreisel
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 3407
Registriert: 30 Nov 2011 14:48
Geschlecht: weiblich

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von kreisel »

Dérkesthai hat geschrieben: 17 Aug 2020 13:50 Sie ist für mich halt eher Distanz, geschäftsmäßig. Für mich ist Therapie halt sehr persönlich. Kann man ja auch nicht erzwingen so etwas. Und tauschen sowieso nicht, weil man dann wie Blöde wieder auf der Warteliste wartet.
Andererseits hält man die Therapeuten dann bewusst vielleicht auf Abstand, um ja nichts erzählen zu müssen, was über Belanglosigkeit hinausgeht Ist mir so in den Sinn gekommen, weil ich kürzlich gewechselt habe. Vielleicht ist das siezen mein Hindernis. Who knows.
Wie gesagt, bei mir ist das Sie nicht mit Belanglosigkeiten gekoppelt und das Du schafft nichts persönlicheres.
Ich weiß ja, warum ich in Therapie bin und was ich da so erzählen mag.

Die letzte Aussage verstehe ich nicht mit Siezen = Hindernis bei dir. Dein letzter Beitrag implizierte doch, dass für dich das
Du gut ist und du es auch so hast, oder?
Benutzeravatar
Dérkesthai
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 2714
Registriert: 18 Aug 2018 08:02
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB Vergangenheit
Wohnort: Los Strangeles / ÄNÄRWÄ

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von Dérkesthai »

kreisel hat geschrieben: 17 Aug 2020 16:02 Wie gesagt, bei mir ist das Sie nicht mit Belanglosigkeiten gekoppelt und das Du schafft nichts persönlicheres.
Ich weiß ja, warum ich in Therapie bin und was ich da so erzählen mag.

Die letzte Aussage verstehe ich nicht mit Siezen = Hindernis bei dir. Dein letzter Beitrag implizierte doch, dass für dich das
Du gut ist und du es auch so hast, oder?
Ja, ich weiß. Für mich ist es aber trotzdem leichter. Auch wenn ich weiß, weshalb dort bin und weiß, dass ich erzählen sollte. Aber schriebst ja: Geschmackssache.

Ja, deswegen schrieb ich ja, dass das Siezen ein Hindernis bei mir ist. Weiß nicht, welche Lesart es dabei noch gibt.
⛧ Ad signandum domum contra diabolum. ⛤
"Black is such a happy colour." (Adam's Family)
Benutzeravatar
kreisel
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 3407
Registriert: 30 Nov 2011 14:48
Geschlecht: weiblich

Re: Melancholia u. Soziales

Beitrag von kreisel »

Dérkesthai hat geschrieben: 17 Aug 2020 20:04 Ja, ich weiß. Für mich ist es aber trotzdem leichter. Auch wenn ich weiß, weshalb dort bin und weiß, dass ich erzählen sollte. Aber schriebst ja: Geschmackssache.

Ja, deswegen schrieb ich ja, dass das Siezen ein Hindernis bei mir ist. Weiß nicht, welche Lesart es dabei noch gibt.
ok, lassen wir es dann so stehen.