Andersartig05 hat geschrieben: ↑20 Jul 2020 04:57
Hey Leute,
nachdem am Wochenende einiges bei mir passiert ist, habe ich wieder Redebedarf.
Wie so oft geht es darum, wie man mit der Situation des AB-seins umgehen soll.
Es ist noch gar nicht so lange her, da war ich recht gut drauf, habe den Entschluss gefasst mir nicht mehr all zu viele Gedanken zu machen und das Leben einfach so zu nehmen, wie es kommt.
Nun stecke ich wieder in einem Tief.
Es gibt diese zwei Seiten, die allen hier bekannt sein dürften. Da ist der Grundsatz, dass man sich selbst lieben soll. Dass man alleine glücklich sein kann und sein Glück nicht von anderen Menschen abhängig machen soll.
Nach diesem Grundsatz versuche ich zu leben. Man könnte es auch Scheuklappen nennen. Ich habe Pläne für meine Zukunft gemacht, die nur mich allein betreffen. Ich möchte noch viel von der Welt sehen und arbeite auch daran dies wirklich umzusetzen. Ich bin den Großteil meines Lebens alleine klar gekommen, hatte ja gar keine andere Wahl, also warum sollte ich darauf hoffen, dass ich einen Partner finde, der mich ergänzt und mich mal stärkt?
Dann ist da aber noch die andere Seite. Nämlich das „Wissen“ und die „Überzeugung“ (aller anderen „normalen“ Menschen), dass auf jeden Topf ein Deckel passt. Ich könnte kotzen, wenn ich sowas höre.
Erst gestern kam von meiner Freundin der Spruch „Du findest schon einen Partner“. Jo, vielen Dank, das baut mich jetzt echt auf, dachte ich mir. Das schlimme ist, dass sie nicht die einzige ist, die so denkt. Als meine Mutter dann raushaute: „Dann suchst du halt weiter“, war es endgültig vorbei.
Genau um diesen Knackpunkt geht es. Weitersuchen? Oder sämtliche Gedanken an eine Partnerschaft verbannen und sich einreden, dass das Leben alleine auch wunderschön ist? Ich will nicht bezweifeln, dass das Single-Leben auch gewisse Vorteile bringt. Man muss auf niemanden Rücksicht nehmen, kann tun und lassen was man will und hat unzählige Möglichkeiten, neues auszuprobieren. Aber seien wir ehrlich, fast jeder von uns möchte endlich „ankommen“, bei einem Menschen, der alles versteht und mit einem gemeinsam wachsen kann.
Wie viele haben den Wunsch, eine Familie zu gründen? (Ich gehöre jetzt nicht dazu, aber das ist irrelevant)
Dabei ist es so, dass ich nicht einmal aktiv suche. Ich gehe zwar mit offenen Augen durchs Leben und ergreife Chancen, wenn ich es wirklich will und für sinnvoll halte, aber ich versuche nicht zwanghaft und auf Teufel komm raus etwas zu erzeugen.
Nahezu wöchentlich verändert sich meine Einstellung zu diesem Thema, Auslöser sind dabei meistens nur Kleinigkeiten. Ich kann zeitweise nicht einmal einen romantischen Roman lesen, ohne in Selbstmitleid zu versinken und mir zu wünschen, dass mir mal so etwas schönes passiert.
Wenn ich aber schon keinen Partner habe, will ich wenigstens trotzdem mal in den Genuss von so etwas kommen (indem ich es dann halt lese). Ich komme mir so lächerlich dabei vor, aber was will man machen?
Welche Einstellung verfolgt ihr denn? Werdet ihr weiterhin versuchen euren „Deckel“ zu finden oder habt ihr längst aufgegeben und lasst euch überraschen, was euch das Leben noch vor die Füße setzt?
Hallo Andersartige,
dein Beitrag gefällt mir sehr gut, da er sehr reflektiert und die verschiedensten Blickwinkel anreißt.
Bei mir ist es auch so, dass ich "aufgegeben" habe, wobei aufgegeben der falsche Begriff ist. Ich suche halt nur nicht aktiv. Das liegt daran, dass ich einerseits aus Zeitgründen kein Online-Dating betreibe und auf der anderen Seite demi-romantisch bin. Die klassischen Date- und Flirt-Situationen sind daher für mich gar nichts, da ich zum Zeitpunkt der erstmöglichen Kontaktaufnahme noch gar kein romantisches Gefühl für die Personen dergestalt habe, dass ich einschätzen kann, ob ich sie attraktiv finde. Das kann ich auf den ersten Blick bzw. bei den ersten paar Treffen einfach nicht einschätzen und auch keine (romantischen) Gefühle entwickeln.
Aufgegeben habe ich aber noch nicht. Irgendwo ist die Hoffnung, dass ich irgendwann mal analog eine Frau kennenlerne, die Geduld für mich aufbringt und sich halt zwanzig bis dreißig Mal mit mir trifft, ohne dass ich in der Friendzone lande. Die Wahrscheinlichkeit tangiert zwar gegen null, aufgeben werde ich aber nicht.
Jetzt möchte ich aber deine Hauptfrage beantworten. Ich wollte mit diesen Ausführungen nur einführen, damit du die Antwort einordnen kannst:
Die Ratschläge bzw. Tipps meiner Bekannten kann ich nicht für vollnehmen. Sie hauen die Parolen raus, ohne einschätzen zu können, wie sich Demi-Romantik anfühlt. Allerdings habe ich darüber, außer mit einer guten Freundin, noch nie gesprochen. Von ihr kommen gleichwohl auch die selben Aussagen wie "Alles wird gut, du hast noch viele Jahre vor dir und du wirst noch auf eine Frau treffen, die Geduld mitbringt". Ich schneide das Thema aber nie von selbst im Bekanntenkreis an. Es ist eher so, dass dann mal nachgefragt wird und unaufgefordert die Plattitüden rausgehauen werden. Die gute Freundin ist aber die einzige, die von meinem AB-Status weiß. Alle anderen Bekannten und Freunde wissen davon nichts. Ob sie es sich denken können, weiß ich aber nicht.
Die ungefragten Hinweise und Fragen nerven mich aber zumeist. Ich empfehle meinen Bekannten ja auch nicht, sich von ihren Partner*innen zu trennen und gebe auch keine Tipps, wie häufig sie in der Woche Sex haben sollten. Ich glaube darüber wären die sehr verärgert. Vor diesem Hintergrund finde ich es immer heuchlerisch und insbesondere anmaßend, mir ungewollt Ratschläge geben zu wollen, zumal sie ja kaum etwas von meiner Situation wissen, weil ich es ihnen nicht gesagt habe. Ich würde denen das am liebsten sehr deutlich und direkt sagen. Allerdings würde ich damit wohl auch riskieren, Teile des Bekanntenkreises zu verlieren.
Fakt ist daher aber auch, dass ich die Ratschläge meiner Bekannten nicht annehmen kann, da sie einfach nicht zielgerichtet sind. Die sind halt ungefähr so, als würde man einem Araber die Relativitätstheorie auf Japanisch oder umgekehrt erklären wollen.
Ich habe mich aber auch sehr gut in meinem Single-Leben eingerichtet und treffe auch langfristige Entscheidungen aus Single-Sicht. Das mag einerseits so erscheinen, als hätte ich aufgegeben. Andererseits muss ich halt meine Zukunft solide planen.
Dein Gefühl der Hin- und Herzerissenheit beschreibt meine Empfindungen sehr gut. Meistens (zu schätzungsweise 95 Prozent) komme ich sehr gut als Single zurecht und bin auch sehr zufrieden mit meinen Hobbys und meiner Lebensweise. Trotzdem würde ich mein Leben grundsätzlich gerne mit jemandem teilen, mit dem ich meine Werte und meine Lebenseinstellung teilen kann. Da ich hiervon (aufgrund meiner Demo-Romantik) aber nicht ausgehen kann, habe ich mir mein Leben halt für mich bestmöglich eingerichtet.
Das einzige was mich ein bisschen frustriert ist der fehlende Lebenssinn. Ich finde die Vorstellung ein bisschen traurig, dass möglicherweise meine Hobbys das einzig sinnstiftende in meinem Leben bleiben und ich eigentlich nichts im Leben habe, für das es sich zu kämpfen lohnt. Diese Vorstellung kommt mir momentan während Corona sehr häufig, da alle meine Gruppenaktivitäten-Hobbys noch ruhen und ich derzeit bis auf Essensverabredungen mit losen Bekannten nur meinen Hobbys nachgehe, mit denen ich mich alleine beschäftige. Da bleibt viel Raum, um über solche Fragen zu grübeln.
Wenn ich dann mal tot bin, erbt schlimmstenfalls noch der Staat oder irgendeine Wohlfahrtsorganisation mein ganzes Geld, wenn ich keine Angehörigen mehr habe. Diese Erkenntnis und die Tatsache, dass meine Hobbys und das Verreisen das einzig Sinnstiftende in meinem Leben sein und bleiben könnten (Stichwort Dekadenz) und dass das vielleicht noch 50 Jahre so ist macht mich ziemlich traurig. Manchmal stelle ich mir da auch die Frage: "Wenn ich Selbstmord beginge: Wer würde mich vermissen".
Ich habe keine Selbstmordgedanken, die Frage ist philosophischer Natur.
Außerdem fühle ich mich häufig nicht der Gesellschaft zugehörig bzw. gesellschaftlich ausgegrenzt, da fast die gesamte Politik- und Gesellschaftsordnung auf (Ehe-)Paare und Familien ausgerichtet ist. Seien es Urlaubsangebote, die man nur zu zweit buchen kann, die viel zu großen Packungen im Supermarkt oder politische Initiativen und Sozialleistungen. Das soll hier aber nicht das Thema sein und ich möchte hier keine politische Diskussion anstoßen. Ich möchte nur meine persönliche Empfindung beschreiben.
Zusammengefasst: Ich komme in meinem Leben sehr gut alleine zurecht und bin mit meiner Lebensführung meist zufrieden. Trotzdem würde ich mir eine Partnerschaft sehr wünschen, einfach um meinem Leben außer den Hobbys und dem Beruf einen Sinn zu geben.
LG
Maverick
Bitte entschuldige, sollte mein Beitrag zu lang und teilweise Offtopic sein. Ich fand deine Fragestellung und deinen Eröffnungsbeitrag aber sehr inspirierend.