Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

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Hoppala
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Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Hoppala »

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BartS
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Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von BartS »

Ein sehr lesenswerter Artikel. Er zeigt u.a., dass emotional sein eben nicht dasselbe ist wie emotional intelligent sein. Jemand kann wenig nach außen lassen, aber sich sehr gut in andere Menschen hineindenken und -fühlen. Empathie finde ich eine sehr wichtige persönliche Eigenschaft. Erstaunlich bis erschreckend ist, dass in den letzten 37 Jahren die Empathiefähigkeit um 40 Prozent laut einer Langzeituntersuchung gesunken ist.
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Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Saraj »

Die Spiegelneuronen müssen durch weitere Erfahrungen "codiert" werden, um die Handlungen anderer deuten zu können. "Über dem Fundament der Ur-Anteilnahme können Lernen und Intelligenz immer komplexere Schichten anlegen, sodass die Reaktionen von zunehmender Urteilsfähigkeit geprägt sind, bis hin zu vollständig entwickeltem Mitgefühl",
An dem Punkt möchte ich immer weiterdenken, weil mich das Thema sehr beschäftigt. Aber es ist extrem komplex. Kenne den einen oder anderen empathie-unfähigen Menschen (mit Tendenz gegen Null), bei dem ich mich ständig frage, welche Faktoren in der Vergangenheit dazu geführt haben mögen, dass er so ist. Wie wird man bösartig, wenn alles dagegen spricht? Komme aber keiner richtigen Lösung. Wie wird man nahezu vollständig empathielos, wenn man ein stabiles Umfeld in der Kindheit hatte, angenommen und geliebt wurde, keine traumatischen Erfahrungen hat, überdurchschnittlich intelligent ist und damit eigentlich alle Möglichkeiten, Empathie zu "lernen"? Wie groß ist der Anteil an "Lernen und Intelligenz", wie groß der der genetischen Disposition?
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BartS
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Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von BartS »

Saraj hat geschrieben:Wie wird man nahezu vollständig empathielos, wenn man ein stabiles Umfeld in der Kindheit hatte, angenommen und geliebt wurde, keine traumatischen Erfahrungen hat, überdurchschnittlich intelligent ist und damit eigentlich alle Möglichkeiten, Empathie zu "lernen"?
Das wissen wir als Außenstehende oft gar nicht, welche Kindheit der- oder diejenige hatte. Selbst wenn man die Eltern persönlich kennt.
Saraj hat geschrieben:Wie groß ist der Anteil an "Lernen und Intelligenz", wie groß der der genetischen Disposition?
Ja, ich glaube, dass ist oft nicht leicht trennbar. In den meisten Fällen sind die genetischen Eltern auch die Erziehungsberechtigten. Vielleicht war mit den Genen alles im grünen Bereich, aber beim Lernprozess ist irgendwas schief gegangen.
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Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Saraj »

BartS hat geschrieben: Das wissen wir als Außenstehende oft gar nicht, welche Kindheit der- oder diejenige hatte. Selbst wenn man die Eltern persönlich kennt.
Sicher, solche Feststellungen würde ich bei Leuten, die ich nicht nah genug kenne, nicht anstellen. Das wäre überheblich und respektlos. Besagte person kannte ich aber bereits pränatal und habe die Kindheit in Vollzeit miterleben dürfen (knapp 20 Jahre). Ansonsten frage ich mich eben (gerade deswegen), welche Rolle die Gene spielen mögen bei der Ausbildung von so etwas.
Nonkonformist

Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Nonkonformist »

Man kann natürlich sich auch nur richtig in emotionen von anderen hineinversetzen, die
man selbst mal gespürt hat; am ende ist man ein gefängener seiner eigenen erfahrungen.

Desto unterschiedlicher der person und seine erfahrungen, desto geringer der empathiefaktor.
Zumindestens bei mir....
Tyralis Fiena
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Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Tyralis Fiena »

Das Thema beschäftigt mich auch schon länger (speziell emotionale Empathie). Skeptisch bin ich immer noch bei der Aussage, dass man es trainieren könnte (im späteren Alter). Was ist, wenn kein "Muskel" vorhanden ist oder der stets nur sehr schwach ausgeprägt ist? Ich hab den Eindruck, zwischenmenschliche Begegnungen allein reichen irgendwie nicht aus, um dahingehend noch etwas nachzuholen. Mir liegt da eher der Gedanke einer lebenslangen "Blindheit" nahe.

Andererseits frage ich mich, ob das Zeitfenster zur Entwicklung wirklich unbeschränkt ist? Bei wichtigen Bereichen wie der Frontalkortex scheinen die Entwicklungen zumindest grundlegend ab einem gewissen Alter "abgeschlossen" zu sein (wenn man den Aussagen mancher Forscher glauben kann). Mich wundert es ein wenig, dass emotionale Empathie davon ausgenommen zu sein scheint, wo sie doch fundamental verankert ist. :gruebel:
Nonkonformist

Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Nonkonformist »

Für manche menschen ist es wahrscheinlich schwieriger:

http://www.kennethrobersonphd.com/asper ... m-empathy/
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BartS
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Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von BartS »

Tyralis Fiena hat geschrieben:Was ist, wenn kein "Muskel" vorhanden ist oder der stets nur sehr schwach ausgeprägt ist? Ich hab den Eindruck, zwischenmenschliche Begegnungen allein reichen irgendwie nicht aus, um dahingehend noch etwas nachzuholen. Mir liegt da eher der Gedanke einer lebenslangen "Blindheit" nahe.
Es gibt Autismusformen, wo es den Betroffenen sehr schwer fällt, soziale Interaktionen richtig zu verstehen oder ganz einfach Gesichtsausdrücke zu deuten. Aber das alles kann man trainieren. Es gibt spezielle Programme für Menschen mit Autismus. Entsprechend denke ich auch, dass auch andere Menschen diesen Muskel trainieren können. Früher glaubte man, dass man nicht allen Menschen Lesen und Schreiben beibringen kann, weil ein großer Prozentsatz einfach zu dumm dafür ist. Jetzt weiß man, man kann praktisch jeden Menschen das beibringen, selbst solchen mit Down-Syndrom. Es dauert einfach nur bedeutend länger und braucht Unterstützung.
Tyralis Fiena hat geschrieben:Andererseits frage ich mich, ob das Zeitfenster zur Entwicklung wirklich unbeschränkt ist?
Ich halte die Lernfähigkeit im Alter insbesondere bei sozialen Aspekten für reichlich unterschätzt. Viele werden mit 30, 40 erst richtig "erwachsen".
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Kief

Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Kief »

BartS hat geschrieben:
Tyralis Fiena hat geschrieben:Was ist, wenn kein "Muskel" vorhanden ist oder der stets nur sehr schwach ausgeprägt ist? Ich hab den Eindruck, zwischenmenschliche Begegnungen allein reichen irgendwie nicht aus, um dahingehend noch etwas nachzuholen. Mir liegt da eher der Gedanke einer lebenslangen "Blindheit" nahe.
Es gibt Autismusformen, wo es den Betroffenen sehr schwer fällt, soziale Interaktionen richtig zu verstehen oder ganz einfach Gesichtsausdrücke zu deuten. Aber das alles kann man trainieren. Es gibt spezielle Programme für Menschen mit Autismus. Entsprechend denke ich auch, dass auch andere Menschen diesen Muskel trainieren können. Früher glaubte man, dass man nicht allen Menschen Lesen und Schreiben beibringen kann, weil ein großer Prozentsatz einfach zu dumm dafür ist. Jetzt weiß man, man kann praktisch jeden Menschen das beibringen, selbst solchen mit Down-Syndrom. Es dauert einfach nur bedeutend länger und braucht Unterstützung.
Das klingt ziemlich banal.
Und weil sich viele nicht-Autisten unter solchen Formulierungen dann sehr schnell vorstellen:
"Ach, dann kann er ja alles lernen." will ich das mal bissel relativieren.
Denn vieles an diesem Training ist von den individuellen Vorraussetzungen abhaengig, und kann nicht jedem alles beibringen.



Manchmal verstehe ich (wie viele Autisten) Ironie nicht, oder erst mit Verzoegerung.
Mittlerweile verstehe ich es haeufiger, schneller, und gerade bei Freunden ist meine Einschaetzung auch immer zutreffender.
Dennoch merke ich, dass ich nie an NTs herankomme, sondern nur meinen "Level" verbessern kann, bzw. im Freundeskreis guenstige Umstaende habe.

Manchmal merke ich nicht (wie viele Autisten), wenn ich jemanden verletze, oder erst mit Verzoegerung.
Mittlerweile verstehe ich es haeufiger, schneller, und gerade bei Freunden ist meine Einschaetzung auch immer zutreffender, da kann ich leichter vorbeugen.
Dennoch merke ich, dass ich nie an NTs herankomme, sondern nur meinen "Level" verbessern kann, bzw. mich in meiner Offenheit verkrampfen kann, um weniger spontane Patzer zu machen.

Oftmals weiss ich nicht intuitiv (wie viele andere Autisten), was ein anderer Mensch von mir erwartet, wie ich darauf reagieren sollte.
Mittlerweile habe ich mir viele Strategien ueberlegt, wie ich unauffaellig (als aktives-Zuhoeren getarnt) nach Informationen fragen kann, ohne staendig saudumme Fragen stellen zu muessen, weil der andere unklar spricht, oder gar mit mehreren Interpretationsvarianten, von denen er offensichtlich nur eine fuer offensichtlich haelt.
(Weil die Menschen ihre eigene unklare Ausdrucksweise ungern einraeumen wollen, wird das dann ganz fix als Beleidigung oder Konflikt zurueckgegeben.)



All die sozialen Faehigkeiten, die ich habe, die kann ich nur dann abrufen, wenn ich absolut fit bin ("kompensieren").
Gleichzeitig ist das auch anstrengend, so dass ich dies nur einen begrenzten Zeitraum leisten kann.
Ja, ich kann vieles. In Kombination mit meinen Staerken kann ein gutes Trainingsprogramm nen krassen Unterschied machen, punktuell.

Wenn ich jedoch meine sozialen Hoechstleistungen abrufe, dann brauche ich auch mal 12h Ruhe oder mehr, und kann dann vielleicht diese Woche den Haushalt nicht mehr fertigbekommen.
Bei einer Woche auf Hoechstleistung brauch in nen halben oder ganzer Monat, bis ich wieder in der Spur bin.

Mit nem Trainingsangebot ist es nicht getan.
Die Faehigkeiten anzuwenden ist nur eine begrenzte Hilfe.
Viel hilfreicher ist
- das Wissen und Verstaendniss um die emotionalen Mechanismen,
- meine eigenen Faehigkeiten genauer zu erkennen,
- und fuers eigene Leben Strategien zu finden, wie ich meine Defizite umschiffe und meine Staerken zur Geltung bringe.


CU, Kief
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Hoppala
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Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Hoppala »

@ Kief, BartS
Das ist alles fraglos richtig: weil es relative Unterschiede beschreibt.

Und das ist meines Erachtens der wesentliche Aspekt:
Es gibt hier - in der Gesamtbetrachtung - keine absoluten Ausschlussgrenzen. Alle genannten Grenzen treffen auf jeden noch so emphatisch Hochbegabten ebenso zu,. Nur eben im geringeren Maße. Der braucht nicht 2 Wochen zur Erholung, sondern 5 Minuten Spazierrgang.
Autisten sind nicht "grundlegend" andere Menschen, nur relativ.
Und damit wie wir alle.

Und an der "relativen Situation" lbzw. den "relativen Fähigkeiten" lässt sich individuell - mit individuell hohem Aufwand - immer was drehen. Wie Kief feststellt: hilfreich ist zum Beispiel auch, die individuelle Situation so zu gestalten, dass sie einem entgegenkommt. Wenn es mir zu aufwändig ist, mein Gemüse selbst zu ernten, ziehe ich aus dem Urwald in die Nähe eines Supermarkt. Oder verändere meine Essgewohnheiten und geh nur noch jagen. Alles hat Vor- und Nachteile. Erst wenn ich aufhöre, Veränderung anzustreben, tritt relativer Stillstand ein. (Relativ deshalb, weil die Situation sich auch ohne mein Zutun verändert; im Zweifel verrinnt mindestens die Zeit und alles altert).

Die Entscheidung ist, ob einem die vermutete (letztlich nur erhoffte, geratene) Veränderung den Aufwand wert ist. Das muss jeder für sich entscheiden.

Das gilt ebenso fürs AB-Thema.


Nebenbemerkug zum Thema Alter: Klar weiß ich, dass nach derzeitigen Erkenntnissen die Erneuerungsfähigkeit und damit die Formbarkeit von Zellen, und damit auch Gehirnzellen/Synapsen nachlässt.

Ich hege allerdings die durch nichts belegte These, dass es sich dabei vor allem um die Verfestigung von Gewohnheiten handelt :-) Wer also bis ins hohe Alter neugierig, veränderungsbereit und albern ist wie ein Teenager (ohne PC und Schmartfohn), bei dem läuft es auch mit 100 noch runder als bei jedem jugendlichen Stubenhocker .... ;-)
Zumindest hat mich so manches Erlebnis mit sehr alten und sehr jungen Menschen auf diesen albernen, aber auch erfreulich motivierenden Gedanken gebracht - wenn ich sehe, wii quicklebendig manche mit über 80 sind, auch wenn die Gelenke schon knirschen; und wie tot andere mit 25 durch ihre scheinbar unverrückbar triste Lebensbahn schlurfen ...
Wenn im Universum stetig neue phyysikalische Gegebenheiten entdeckt und belegt werden, warum sollte man sowas dann nicht auch in den Untiefen des Hirn finden (dessen bisher bekannte "Schaltelemente" und Prinzipien ja angeblich die Komplexität des sichtbaren Universums übertreffen) ... ? ;-)
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Tyralis Fiena
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Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Tyralis Fiena »

BartS hat geschrieben:
Es gibt Autismusformen, wo es den Betroffenen sehr schwer fällt, soziale Interaktionen richtig zu verstehen oder ganz einfach Gesichtsausdrücke zu deuten. Aber das alles kann man trainieren. Es gibt spezielle Programme für Menschen mit Autismus. Entsprechend denke ich auch, dass auch andere Menschen diesen Muskel trainieren können. Früher glaubte man, dass man nicht allen Menschen Lesen und Schreiben beibringen kann, weil ein großer Prozentsatz einfach zu dumm dafür ist. Jetzt weiß man, man kann praktisch jeden Menschen das beibringen, selbst solchen mit Down-Syndrom. Es dauert einfach nur bedeutend länger und braucht Unterstützung.


Ich halte die Lernfähigkeit im Alter insbesondere bei sozialen Aspekten für reichlich unterschätzt. Viele werden mit 30, 40 erst richtig "erwachsen".
Im Bezug auf kompensatorisches Verhalten lässt sich sicher einiges lernen. Lebenslanges Lernen zeichnet unter anderen den Menschen aus. Auch wenn Empathie "nur" unterdrückt wird, könnte man sich wohl ein Alternativverhalten aneignen. Nur wenn diese Spiegelneuronen nie ausreichend vorhanden waren oder zerstört wurden, weiss ich nicht, ob quasi übers Lernen eine Neubildung angeregt werden kann. Ich frag mich auch, ob sich die Gefühlsansteckung steigern liesse ( oder ob sich im Gegenzug die eigene sperrige Emotionalität dauerhaft runterdrehen liesse) ?

So nebenbei: Das die Neuroplastizität vielleicht mit dem Alter ein wenig an Flexibilität verliert, halte ich für vernachlässigbar. Sich weitere Sprachen anzueignen oder sich mit technischen Belangen auseinanderzusetzen uvm. gelingt wohl zumeist noch im hohen Alter. Aber all das ist wohl nicht so basal, sondern baut er auf anderen wichtigen Grundlagen auf. (Zum Sprachenlernen muss der Spracherwerb gelungen sein, fürs Sehen müssen schon früh die entsprechenden Neuronen zur Verarbeitung genügend gereizt worden sein usw.)
Rosta

Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Rosta »

Kurzer Kommentar zum Zeit-Artikel:
Empathie/Einfühlungsvermögen und Toleranz/Hilfsbereitschaft/Rücksicht usw. gehören NICHT zwingend zusammen.
Hoppala hat geschrieben:Die Entscheidung ist, ob einem die vermutete (letztlich nur erhoffte, geratene) Veränderung den Aufwand wert ist. Das muss jeder für sich entscheiden.

Das gilt ebenso fürs AB-Thema.
Kann ich nur unterstreichen. Zumindest ist es ein wesentlicher Punkt, der zu alldem dazu gehört.
Hoppala hat geschrieben: Nebenbemerkug zum Thema Alter: Klar weiß ich, dass nach derzeitigen Erkenntnissen die Erneuerungsfähigkeit und damit die Formbarkeit von Zellen, und damit auch Gehirnzellen/Synapsen nachlässt.

Ich hege allerdings die durch nichts belegte These, dass es sich dabei vor allem um die Verfestigung von Gewohnheiten handelt :-)
Ist es eigentlich nicht dasselbe ? ;)

Hirnforscher Manfred Spitzer hat in einem Interview letztens über dieses Thema gesprochen.
Gerade dein Beispiel mit den "quicklebendigen über 80-Leuten" passt da perfekt mit rein. Denn: Man braucht eine gewisse Vorarbeit, eine gewisse bereits gelebte Lebenserfahrung , spätestens bis zu einem gewissen Alter, um überhaupt die nötige Voraussetzung später dafür schaffen zu können.

Für mich ist das Ganze insbesondere in Bezug aufs Flirten sehr interessant.

Hier der passende Ausschnitt. Thema Sozialverhalten:

https://www.youtube.com/v/QXZeKelECUA?s ... autoplay=1
Kief

Re: Empathie: Ich weiß, wie du dich fühlst

Beitrag von Kief »

Tyralis Fiena hat geschrieben:Im Bezug auf kompensatorisches Verhalten lässt sich sicher einiges lernen. [ ... ] Nur wenn diese Spiegelneuronen nie ausreichend vorhanden waren oder zerstört wurden, weiss ich nicht, ob quasi übers Lernen eine Neubildung angeregt werden kann.
Auch meinen Erfahrungen nach kann ich dem nur zustimmen.

Alles was ich lerne, kann mir helfen, Zusammenhaenge zu verstehen, und meine Lebensstrategie anzupassen.
Ein Stueck weit verbessern sich auch meine kommunikativen Faehigkeiten, andere Menschen zu beobachten, Details zu erkennen, verstehen, und darauf einzugehen.
Gleichzeitig erkenne ich aber auch genauer, wie andere Menschen diese Faehigkeiten einsetzen, offensichtlich um Groessenordnungen besser, die weit ausserhalb meiner Anwendbarkeit liegen.
Ich verstehe, was ich zu lernen probieren kann, und wo ich keine Sonne sehe, an meine Grenzen stosse.

Diese Grenzen scheinen so voellig anders zu liegen, dass ich diesen Unterschied beim Autismus verorte.
Bei vielen Beschreibungen kriege ich zur Antwort:
"Ja, das kenn ich auch."
Und glauben dann, dass ich die dieselben Grenzen habe wie diverse andere Bekannte, bei denen sie nen Unterschied sehen.
Und unterschaetzen die Groessenordnung, weil kommunikative Nuancen nicht so plakativ sind wie koeperliche Beschreibungen.

Wenn ich (als Analogie) bei Regen oder im Dschungelatmosphaere ersticke, kann ich entweder einen halbstuendigen Vortrag halten, wie genau die Bedingungen genau aussehen muessen, damit ich kollabiere.
Im Smalltalk fasse ich das dann zusammen, als: bei zu viel Wasser in der Luft kann ich nicht atmen.
"Oh, das kenn ich, unter Wasser kann ich auch nicht atmen."



Trainieren kann ich alles, verbessern kann ich alles.
Nur meine Grenzen sind andere.
Um bestimmte Sachen hinzubekommen, bei denen mir meine Grenzen im Weg sind, muss ich andere Wege finden, das hinzubekommen.

Manche Alltags-Lernziele, die andere Menschen mit links hinbekommen, koennte ich nur lernen, wenn ich dafuer mein restliches Leben aufgebe.
Demzufolge gibt es Lernziele, die des Aufwandes wegen einfach nicht sinnvoll sind.



Dann kosten mich manche Faehigkeiten Konzentration, die ich nicht stets aufbringen kann.
Ich kann nicht in jedem Gespraech saemtliche Leute im Raum nach saemtlichen Gesten, Blicken und Bewegungen abscannen.
Selbst noch so viel Trainieren kann mir das nicht ermoeglichen, alle relevanten Signale mitzubekommen - auch meine Konzentration hat Grenzen.

Ich kann jemandes Stimme verstehen, Wut, ausser Atem, Sorge und so ...
was jemand mittels Stimme ausdrueckt, das kann ich so leicht verstehen, dass ich das nebenher mache.
Aber Koerpersprache, Mimik, Blickkontakt mit anderen, Dramaturgie, Sarkasmus/Ironie/Humor und Lehrstoff zum Beispiel sind Sachen, auf die ich mich konzentrieren muss.
Auf Blickkontakt und Koerpersprache kann ich mich nicht gleichzeitig konzentrieren, dazu noch Sarkasmus oder so verstehen ist voellig ausgeschlossen.
Nur Schwingungen in der Stimme kann ich nebenher aufnehmen.



Lernmoeglichkeiten und wie einsetzbar die sind sind zwei unterschiedliche Sachen.
Mit nem Lernangebot ist es nicht getan.
Der subjektive Unterschied ist da, dass ich diverse Sachen leichter hinbekomme.
Ich werde jedoch niemals hinbekommen, was andere alles alltaeglich hinbekommen.
(Dafuer bekomme ich andere Sachen hin, die andere niemals hinbekommen.)


CU, Kief

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