Frühlingserwachen

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AB Positiv

Frühlingserwachen

Beitrag von AB Positiv »

Nein, keine Sorge, der Titel hat nix mit dem schrecklichen Buch zu tun, das der eine oder andere früher in der Schule zu lesen bekam. Eigentlich kommt jetzt auch nichts kreatives, sondern einfach nur ein paar Gedanken, die sich heute beim Frühlingsspaziergang bei mir eingeschlichen haben.
Ja, ich war mal wieder nach längerer Zeit spazieren. Mal nicht so zum Shoppen in der Innenstadt, sondern weitestgehend ziellos in schöner Umgebung, nur zum Vergnügen. Gestern abend hatte ich mir nämlich den Film "Breakfast Club" angeschaut, der seit meinem letzten Geburtstag sauber eingeschweißt in meinem DVD-Regal stand. Der Film war nicht so besonders, obwohl ich 80er-Highschool-Komödien eigentlich mag. Ich wurde müder und müder, am Ende war ich schon fast eingeschlafen. Anschließend noch ein flüchtiger Blick ins Forum und ab in's Bett. Und das um kurz nach zehn. Dabei nehme ich mir ständig vor, am Wochenende mal auszugehen, um Leute kennenzulernen, vielleicht sogar weibliche Leute... aber das wird dann meist erfolgreich prokrastiniert. Hmm, das Fremdwort läßt das Phänomen noch furchteinflößender erscheinen.

Zurück zum Thema: Durch das frühe Zubettgehen war ich heute natürlich auch relativ zeitig wieder wach. Die Sonne lachte, also gab ich mir einen Schubs in Richtung Haustür. Nicht, ohne vorher die Wagenschlüssel und die Kameratasche gegriffen zu haben. So früh am Morgen gibt es oftmals Gelegenheiten für kitschige Naturfotos. Sonnenaufgang oder so. Aber dafür war es dann doch schon zu spät. Egal. Und los geht die Fahrt.
In der näheren Umgebung von Hamburg gibt es manch schönes Naherholungsgebiet. Eines davon suche ich seit Jahren gern auf, allerdings nur ein paarmal pro Jahr, kann mich so schlecht aufraffen. Dabei ist es nur 20 Minuten entfernt.

Heute bin ich also wieder dorthin unterwegs. Dort angekommen, stelle ich das Auto irgendwo ab. Damit fängt das Spiel an. Das Spiel heißt Autofinden. Man muß dazu wissen, daß ich keinen besonders guten Orientierungssinn habe, für einen Mann. Ich gehe also los, in eine Richtung, in der ich vorher noch nie unterwegs war, oder mich zumindest nicht mehr dran erinnern kann. Irgendwann muß ich dann versuchen, den Weg zum Auto zurückzufinden. Zugegeben, ein dämliches Spiel, aber es macht mir ausreichend Spaß. Das Abenteuer des kleinen Mannes. Naja, eigentlich geht es ja auch nur um die Bewegung an frischer Luft. Und die Luft ist heute frisch, die Sonne lacht (wahrscheinlich über mich, aber ich gönn es ihr heute), ein erfrischender Wind zieht über's Land. Fein. Dazu die Geräusche der Vögel. Bin kein Ornithologe, kenn mich nicht mit Vögeln aus (schenkelklopfender Smiley wäre jetzt nicht schlecht).
Der einzige Vogel, den ich am Geräusch erkenne, ist der Specht. Und selbst den gibt es ja in zig Ausführungen. Naja, ich muß die Vögelein nicht beim Namen nennen können, um mich an der von ihnen zur Verfügung gestellten Geräuschkulisse zu erfreuen. So geht es also lustig über Berg und Tal, hin und wieder läuft mir ein Jogger oder ein Mensch mit Hund über den Weg. Das ist das Angenehme am Spazierengehen in Naherholungsgebieten: Menschliche Siedlungen sind nicht allzu weit. Falls mir etwas passiert, und ich mit gebrochenem Bein und ohne Bewußtsein am Boden liege, werde ich in spätestens 20 Minuten von einem Jogger gefunden. Oder von einem Menschen mit Hund. Diese Gewißheit gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Von Zeit zu Zeit komme ich auch an schönen Häuschen im Grünen vorbei. Hübsch, aber dafür vierzig Jahre Raten zahlen? Na gut, danach gehört's einem auch, aber wofür? In vierzig Jahren bin ich reif für den Altenstift, da brauche ich kein Häuschen im Grünen mehr. Und solange muß man das mit den Ratenzahlungen erstmal durchhalten, bei der heutigen Beschäftigungslage. Naja, aber der Anblick ist schon schön. Und die Vögel singen dazu unbeirrbar ihren Vogelsingsang daher. Ich empfinde das als angenehm. Die Vögel, das Wetter, das hübsche Haus, für das ich nicht ratenzahlungspflichtig bin. Schön.

Irgendwann ist es geschafft, da vorn steht mein Auto. Ich war zwei Stunden weg. Fotos habe ich keine gemacht. Ich nehme Platz hinterm Lenkrad, 'Home sweet Home'-Gefühle ergreifen Besitz von mir. Auf dem Heimweg bleibt das Radio aus, das leise Brummen des Kleinwagenmotors ist mir Musik genug. Ich erfreue mich am Funktionieren der Technik. Sitze in meinem Auto, das nicht auf Pump gekauft ist, sondern mir ganz allein gehört. Freude am Fahren. Diese "Schwarzwaldklinik"-Szene kommt mir in den Sinn, in der Prof.Brinkmann in seinem Audi100 zu seiner Frau nach Konstanz fährt. Er ist guter Dinge, raucht eine, pfeift ein lustiges Liedchen und sieht sehr glücklich aus. So ähnlich geht's mir jetzt auch. Na gut, die Zigarette muß man sich wegdenken, ich hab's nie geschafft, mir das Rauchen anzugewöhnen. Und ich fahre auch nicht zu meiner Frau, selbstverständlich. Aber vor mir liegt ein ganzer unverplanter Sonntag. Ich könnte jetzt einfach irgendwohin weiterfahren, vielleicht nach Buchholtz, oder in die Kleinstadt da oben in Schleswig-Holstein, wo ich damals meinen Wehrdienst abgesessen hab. Zehn Jahre her, kommt mir mehr vor. War aber ein hübsches Städchen, eigentlich mal gut für einen Tagesausflug. Warum nicht heute. Alle Straßen stehen mir offen, ich bin niemandem Rechenschaft schuldig. Hab alles dabei, was ich brauche, in Form meines Portemonnaies. Das reicht heutzutage. Schönes Gefühl von Freiheit, sowas.
Naja, ich bin nicht nach Buchholtz gefahren und auch nicht in das kleine verträumte Städtchen da oben im Norden, wo es die Eisdiele mit dem besten gemischten Becher gab. Für vierneunzig. Mark, damals noch.
Ich bin stattdessen schön wieder nach Hause gefahren. Es ist Sonntag, der Tag zum wäschewaschen und faul sein.
Aber dieses Gefühl von Freiheit dauert immer noch an. Solche Anwandlungen kommen mir im Winter nie, dafür muß die Sonne scheinen und die Vögel müssen singen. Die Blumen sind vielerorts auch schon rausgekommen, ebenso die ersten Biker. Und Fahrradfahrerinnen mit knappem Outfit habe ich heute auch schon gesehen. Alles Frühlingsboten.

Ich bin verliebt in den Frühling. Jedes Jahr von neuem.

Ende der Durchsage. Ja, der Text ist jetzt zuende :yes: