A Letter To Elise

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TheSilence
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A Letter To Elise

Beitrag von TheSilence »

Liebe Elise,

wahrscheinlich heisst du gar nicht so. Möglicherweise magst du diesen Namen nicht einmal. Nimm' es mir bitte nicht übel. Ich kenne deinen echten Namen leider nicht und es gibt da dieses Lied, was mir sehr aus dem Herzen spricht und bei dem ich immer an dich denken muss. In diesem Lied geht es um eine Frau namens Elise.

Ich wollte dir diesen Brief schon lange schreiben - aber wie schreibt man einen Brief an jemanden, von dem man nichts weiß? Keine Adresse, nicht einmal ein Name. Auch wo du wohnst weiß ich leider nicht - du könntest mittlerweile überall sein.
Es müssten mittlerweile 10 Jahre sein. Wir gingen damals auf dieselbe Berufsschule, ich habe dich öfters in den Pausen gesehen. Ich war in dich verliebt und dem Schmerz zu Folge bin ich es wohl immer noch. Ich war damals sehr schüchtern und habe mich nicht getraut, dich anzusprechen - dabei hatte ich doch den Eindruck, dass du auch ein eher zurückhaltender Mensch bist und wir auch deshalb vielleicht sogar ganz gut zusammenpassen würden...

Erinnerst du dich noch an diesen einen Moment? Es war wieder Pause, ich saß im Innenbereich auf einer Bank, du standst glaube ich hinten an einer Wand. Irgendwann kamst du vorbeigelaufen. Ich blickte zu dir auf und wir schauten uns für einen kurzen Moment direkt in die Augen. Danach standst du alleine auf dem langen Flur an der Heizung, während die anderen an dir vorbei ein- und ausgingen. Es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, dich anzusprechen. Ich schaute immer wieder zu dir rüber, hatte manchmal auch den Eindruck, du würdest in meine Richtung schauen. Aber all das reichte offensichtlich nicht, meine Angst zu überwinden.
Ich war verzweifelt. Irgendwie musste ich mich überwinden, selbst meinen Bruder habe ich damals um Rat gefragt, obwohl ich das sonst eigentlich nie machte. Aber es nützte alles scheinbar nichts.

Die Sommerferien rückten näher und ich dachte mir, vielleicht wäre der letzte Schultag vor den Ferien der richtige Moment. Wenn es schiefgehen würde, dann würden wir uns immerhin sechs Wochen lang nicht sehen und es wäre danach vielleicht nicht mehr so unangenehm und peinlich, sich in den Pausen wiederzusehen. Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob ich dich an dem Tag überhaupt gesehen habe. Aber das soll keine Rechtfertigung dafür sein, dass ich dich nicht angesprochen habe - denn selbst wenn ich dich an dem Tag nicht gesehen haben sollte, Gelegenheiten gab es ja vorher auch schon.

Die Sommerferien über habe ich mich sehr darüber geärgert, es immer noch nicht geschafft zu haben, dich anzusprechen. Umso entschlossener war ich, es nach den Sommerferien endlich zu tun. Egal wie. Aber ich habe dich nie wieder gesehen. Ich hatte die beste Gelegenheit verstreichen lassen und dafür die Quittung bekommen.

Es tut mir Leid. Wenn du wirklich auch ein Interesse an mir gehabt haben solltest, wenn dieser Blick damals mehr als nur ein Zufallsblick von dir war - dann tut es mir Leid, dass ich uns keine Chance gegeben habe. Es tut mir Leid für die Umstände, die ich dir damit vielleicht gemacht habe. Dass du dich vielleicht gefragt hast, warum ich nicht mir dir geredet habe, was mit mir nicht stimmt. Die Selbstzweifel, die ich bei dir vielleicht ausgelöst oder verstärkt haben könnte. Was auch immer ich damit angerichtet haben sollte, es tut mir Leid.

Es mag dich dann viellicht ein bisschen trösten (und du hast es sicherlich auch schon an diesem Brief bemerkt), dass ich mir selbst damit auch viel Schmerz und Ärger zugefügt habe. Ich habe mich nach diesen Sommerferien in trauriger Musik regelrecht ertränkt. Monatelang habe ich praktisch nichts als diese eine Band gehört, vor allem bestimmte Lieder. Sehr viel A Letter To Elise, Bloodflowers, The Last Day Of Summer & Co.

Irgendwann fing es an, leichter zu werden. Ich habe dich nicht vergessen, niemals. Aber ich habe mich damit abgefunden und auch die Musik wurde dann wieder abwechslungsreicher. Ich dachte immer, ich hätte mit diesem Kapitel abgeschlossen, aber es scheint mich zu verfolgen und wieder einzuholen. Wir machen viele Fehler in unserem Leben, das gehört zum Leben dazu. Aber manche lassen dich einfach nicht mehr los, weil sie einen zu großen Unterschied machen. Es ist, als würdest du aus deinem tristen Zuhause durchs Fenster in eine blühende Landschaft schauen, dich aber dazu entscheiden, im Haus zu bleiben. Weil du nicht genau weißt, was dich da draussen erwartet, weil du Angst vor dieser Ungewissheit hast. Und dann schließt sich das Fenster für immer. Die Gelegenheit rauszugehen wird für immer verschwinden und Ungewissheit hast du trotzdem.

Vielleicht hattest du aber auch gar kein Interesse an mir - vielleicht war dieser Blick wirklich nur ein Zufall. Ich neige bisweilen dazu, so etwas gerne mal zu überbewerten. Es wäre vermutlich auch besser so - es reicht, wenn einer unter meinem Fehler leidet. So oder so hoffe ich, dass du - wo auch immer - glücklich bist. Dass du jemanden an deiner Seite hast, der sich getraut hat, dich anzusprechen. Der für dich da ist, der dich so großartig behandelt wie du es zweifelsohne verdient hast. Vielleicht wärst du so jemand für mich gewesen, vielleicht hätte ich auch so jemand für dich sein können. Aber vielleicht musste es ja auch so kommen, damit ich diesen Fehler bei einer anderen Person nicht mehr mache.

Ich hoffe, dass ich irgendwann wirklich damit abschließen kann. Und dass ich irgendwann rückblickend sagen kann, dass es plötzlich alles einen Sinn ergibt. Das sich alles zu einem sinnvollen Bild zusammengefügt hat. Dass es den Schmerz und die Mühe wert war.

Maybe someday.
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Re: A Letter To Elise

Beitrag von sonderbärchen »

Was für ein Text...

Wie oft hab ich mir einen ähnlichen Brief im Kopf zurechtgelegt.
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Re: A Letter To Elise

Beitrag von sonderbärchen »

Ach ja,
jetzt muss ich mal wen aufgoogeln...
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