Tania hat geschrieben:
Meiner Erfahrung nach macht man sich zuweilen sehr unbeliebt, wenn man jemandem, der ein bestimmtes Gefühl hat, mit rationalen Argumenten kommt.
Ich weiß. Aber mittlerweile ist es mir ziemlich egal, ob ich mich unbeliebt mache.
Entweder die Leute sind offen für rationale Argumente oder sie sind es nicht.
Tania hat geschrieben:Will ich in ständiger Angst leben, weil meinen Kind mit der Wahrscheinlichkeit von 1:10000 was echt schlimmes passieren kann?
Und da haben wir sie wieder - die allseits beliebte Reduzierung des Problems auf die Extrempositionen. Nein, man lebt nicht in
ständiger Angst. Aber die Angst existiert.
Das ist richtig, es ist eine Extremposition. Es soll die Gegenpole demonstrieren. Ständige Angst und absolute Unbesorgtheit. Auf der Skale spielt sich das ab. Beides in der Extremform ist nicht empfehlenswert. Eine Mischung aus beiden aber schon eher. Oder anderes Beispiel, sich nie die Hände waschen, führt zur Übertragung von Krankheitskeimen. Sich 30 mal am Tag die Hände, ist eine Manie und stört erheblich das eigene soziale Leben. 3 mal am Tag ist dagegen ein guter Kompromiss, gesundheitlich und sozial verträglich. Ähnlich finde ich, sollte man auch mit berechtigten Ängsten umgehen. Sie ernst nehmen, aber sie auch nicht ständig noch verstärken. Und schon gar nicht jeden Einzelfall zum generellen Problem zu verallgemeinern. Wir haben hierzulande so wenige schwere Straftaten wie lange nicht mehr. Das ist positiv. Aber wird zu wenig beachtet.
Tania hat geschrieben:
Kaum eine Mutter legt abends ihre Kinder ins Bett, schließt die Wohnung ab und geht fröhlich feiern - auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Feuer ausbricht, minimal ist.
Das hat vor 30 Jahren auch keiner gemacht und wurde als unverantwortlich angesehen. Es sollte nachts über immer jemand im Haus sein. Da besteht jahrzehntelanger Konsens und ist wohl auch gesetzlich verankert. Aber was anderes ist es, wenn Kinder von ihren Eltern bis zur 4.Klasse bis in den Klassenraum gebracht werden. Da läuft echt was verquer. Die gesunde Mischung aus Fürsorge und Gelassenheit ist da überhaupt nicht mehr vorhanden.
Tania hat geschrieben:
Und diese immer irgendwie präsente, für gewöhnlich aber im Hintergrund hinter anderen, positiveren Gefühlen herumrödelnde Angst wird mit jedem Triggererlebnis mal wieder nach vorn geholt. Zeitungsberichte, Gespräche über Erlebnisse Anderer, Jahrestage, oder einfach ein deutlich verspätetes Heimkommen des Kindes. Wobei letzteres natürlich auch dazu beiträgt, die Zahl der "alles ist gut" - Errlebnisse zu steigern.
Menschen mit einer Traumatisierung werden durch Triggererlebnisse wieder in schreckliche Situationen zurückgeholt. Sie haben das Vergangene nicht verarbeitet. Das ist grausam für diese Menschen. Wenn schon normale Menschen durch Einzelberichte von verletzten Kinder getriggert werden, dann kann das irgendwann pathologisch werden. Wir leben mittlerweile in den sichersten Zeiten in unseren Breiten und die Leute haben die größten Ängste. Da läuft echt was verquer.
Tania hat geschrieben:
Strapazier vielleicht mal Deine Phantasie und stell Dir vor, es gäbe eine beschauliche Kleinstadt mit 10.000 Einwohnern. Diesen wird garantiert, dass sie alle ein hohes Alter erreichen
Es gibt definitiv keine Garantie für ein langes Leben. Das muss einem bewusst sein. Um es deutlich zu sagen, ich bin nicht für eine Aufstellung von Mythen oder Glaubenssätzen, sondern bin für deren Bekämpfung. Wenn ich sage, es stirbt nur ein Kind von 10.000 dann heißt das eben nicht, es stirbt kein Kind, sondern es heißt, die Chancen sind sehr, sehr hoch, als Kind das 18.Lebensjahr zu erreichen. Aber dafür kann man auch selbst etwas tun. Aber nicht durch 24/7-Überwachung sondern dem Heranziehen von eigenständig denkenden Kindern.
Tania hat geschrieben:
Würdest Du da hinziehen? Und wenn ja, würde es Dein Wohlbefinden beeinflussen, wenn Du täglich in der Zeitung Berichte über die letzten Opferzeremonien und den Countdown bis zur nächsten Selektion lesen würdest?
Gerade weil ich mir bewusst mache, dass Zeitungsmeldungen kein Abbild der Wirklichkeit und erst recht kein repräsentativer Abdruck sind, macht mich das relativ immun. Ich lerne aus Statistiken mehr über die tatsächlichen Lebensrisiken, als durch Zeitungsmeldungen.
Tania hat geschrieben:
Atmen und Essen würde ich nicht in denselben Topf werfen wie verlieben oder Kinder kriegen.
Du nicht. Ich schon. Ist für mich alles instinktiv gesteuert und fällt unter "denk ich nicht drüber nach, mach ich einfach."
Deinen Atemreflex kannst Du wissentlich nicht unterdrücken. Auf Kinder, Sex oder Beziehung kannst Du wissentlich sehr wohl verzichten. Ich würde das wirklich nicht in einen Topf werfen.
Tania hat geschrieben:
Aber da tickt bekanntlich jeder anders - und das ist auch völlig okay so.
Das hat nix mit anders ticken, sondern eher mit "Dinge anders interpretieren" zu tun.