Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

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ERSTER BEITRAG DES THEMAS
Pascal

Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von Pascal »

In Deutschland ist es ja so, dass die Sterbehilfe auf totale Ablehnung stößt. Warum? Wegen unserer Vergangenheit.
Aber was haben die Euthanasie-Verbrechen der Nationalsozialisten mit der Sterbehilfe zu tun, die ihren Namen verdient hat? Gar nichts.
Wie kann man denn richtige Sterbehilfe mit den abartigen Verbrechen der braunen Massenmörder vergleichen? Ich kann das nicht nachvollziehen.
Die Euthanasie-Verbrechen waren willkürliche, vom Nazi-Regime angeordnete Tötungen an allen Behinderten und Kranken.
Aber richtige Sterbehilfe bedeutet für mich freiwillige Tötung auf Wunsch des Betroffenen.
Wenn jemand den Wunsch äußert, dass er nicht mehr an irgendwelchen Maschinen künstlich am Leben erhalten werden möchte, dann soll er das Recht haben, von seinen Qualen befreit zu werden und zu sterben. Es gab schon einige Fälle, in denen Menschen in ihrer Patientenverfügung unterschrieben haben, dass im Falle so einer Situation die lebenserhaltenden Maßnahmen sofort abgeschaltet werden sollen, wenn keine Chancen mehr auf Besserung des Zustands bestehen und sich die Ärzte trotzdem geweigert haben, diese Maschinen abzuschalten. Warum lässt man diese Menschen qualvoll vor sich hin vegetieren, wenn sie vorher den Wunsch geäußert haben, dass sie nicht durch Maschinen künstlich am Leben erhalten werden wollen? Ich kann diesen Vergleich mit den Nazi-Verbrechen von damals nicht nachvollziehen.
Was meint ihr dazu?

ERSTER BEITRAG DES THEMAS
Corp.INC

Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von Corp.INC »

Wie kommst du den darauf, dass die Sterbehilfe in Verbindung mit dem Nationalsozialismus steht. Höre ich jetzt zum ersten Mal diese Verbindung.
Raven

Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von Raven »

Dieser Vergleich ist mir auch völlig neu und habe ich wirklich noch NIE gehört. Es wird zwar immer gerne die Nazikeule geschwungen, aber so ist es mir noch nie zu Ohren gekommen.

Lebenserhaltende Massnahmen werden sowieso nicht ergriffen, wenn der Patient es nicht will (an Maschinen usw. anschließen). Sterbehilfe setzt ja erst ein, wenn jemand weiterleben könnte, er es aber nicht mehr will. Z.B. wenn er ein Medikament erhalten will, welches ihn tötet.

Es geht einfach darum, ob man ein Leben beenden darf, wenn der betroffene es will. Da bin ich ziemlich gespalten...einerseits kann man es als nichtbetroffener nicht nachvollziehen (wenn jemand leidet und sich den tot wünscht), andererseits ist jedes Leben wertvoll. Früher war ich ja auch für die Todesstrafe, die Täter haben es nicht besser verdient. Heute bin ich dagegen, denn niemand hat das Recht, jemandes Leben zu beenden.
Django

Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von Django »

Raven hat geschrieben:Dieser Vergleich ist mir auch völlig neu und habe ich wirklich noch NIE gehört. Es wird zwar immer gerne die Nazikeule geschwungen, aber so ist es mir noch nie zu Ohren gekommen.

Lebenserhaltende Massnahmen werden sowieso nicht ergriffen, wenn der Patient es nicht will (an Maschinen usw. anschließen). Sterbehilfe setzt ja erst ein, wenn jemand weiterleben könnte, er es aber nicht mehr will. Z.B. wenn er ein Medikament erhalten will, welches ihn tötet.

Es geht einfach darum, ob man ein Leben beenden darf, wenn der betroffene es will. Da bin ich ziemlich gespalten...einerseits kann man es als nichtbetroffener nicht nachvollziehen (wenn jemand leidet und sich den tot wünscht), andererseits ist jedes Leben wertvoll. Früher war ich ja auch für die Todesstrafe, die Täter haben es nicht besser verdient. Heute bin ich dagegen, denn niemand hat das Recht, jemandes Leben zu beenden.
Der letzte Satz ist etwas widersprüchlich. Schließlich sind es ja Leute, die sich eben dieses Recht genommen haben, jemandes Leben zu beenden. Und die soll man nicht nach deren eigenen Maßstäben verurteilen dürfen? Man sollt es jedem mit gleicher Münze heimzahlen dürfen. Das ist in meinen Augen fair.
Pascal

Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von Pascal »

Es ist ja so, dass in Deutschland aufgrund der dunklen Vergangenheit mit dem Thema Sterbehilfe sehr sensibel umgegangen wird.
In Ländern wie z.B. der Schweiz oder den Niederlanden hingegen ist die Sterbehilfe kein Problem.
Raven

Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von Raven »

Django hat geschrieben: Der letzte Satz ist etwas widersprüchlich. Schließlich sind es ja Leute, die sich eben dieses Recht genommen haben, jemandes Leben zu beenden. Und die soll man nicht nach deren eigenen Maßstäben verurteilen dürfen? Man sollt es jedem mit gleicher Münze heimzahlen dürfen. Das ist in meinen Augen fair.
So begibt man sich aber auf die gleiche Stufe. Man muss darüber stehen und nicht gleiches mit gleichem vergelten. Ist oft sicherlich sehr schwer, sich an diese Regel zu halten. Bei Kinderschändern denke ich auch meist "diese Drecksau gehört ****. Trotzdem finde ich das Hinrichten von Tätern falsch.

Ich erinnere mich bei sowas immer gerne an diesen Spruch aus "Herr der Ringe": "Viele Menschen verdienen den Tod. Doch viele Menschen die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben?"
DannyDark

Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von DannyDark »

Ich bin voll und ganz für Sterbehilfe!,
ich kann mir nicht vorstellen jahrelang
von Maschinen am Leben erhalten zu
werden und bewegungslos dahin zu
vegetieren..., dann möchte ich lieber
mit Würde abtreten...
:reporter:
kräuterfrau

Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von kräuterfrau »

Pascal hat geschrieben:In Deutschland ist es ja so, dass die Sterbehilfe auf totale Ablehnung stößt. Warum? Wegen unserer Vergangenheit.
Aber was haben die Euthanasie-Verbrechen der Nationalsozialisten mit der Sterbehilfe zu tun, die ihren Namen verdient hat? Gar nichts.
Wie kann man denn richtige Sterbehilfe mit den abartigen Verbrechen der braunen Massenmörder vergleichen? Ich kann das nicht nachvollziehen.


Die Euthanasie-Verbrechen waren willkürliche, vom Nazi-Regime angeordnete Tötungen an allen Behinderten und Kranken.
Ich arbeite in der palliativ Pflege und treffe jeden Tag in meiner beruflichen Praxis solche Menschen.
Du hast Recht, diese Diskussion wird oft in die Richtung geführt. Es hat mehrere Ursachen. Die Lebenserwartung wird durch die Möglichkeiten der modernen Medizin immer länger. Leider die Erkrankungen immer komplexer. Und dann die demografische Entwicklung.

Dieses Thema wurde aufgrund der fehlenden Großzahl der Menschen, die es betroffen hat leider in der Vergangenheit geringere Brisanz und wurde nicht ausreichend ausgearbeitet/verarbeitet.

Jetzt ist es aber so, dass viele Faktoren es viel komlizierter machen.
Aber richtige Sterbehilfe bedeutet für mich freiwillige Tötung auf Wunsch des Betroffenen.
Wenn jemand den Wunsch äußert, dass er nicht mehr an irgendwelchen Maschinen künstlich am Leben erhalten werden möchte, dann soll er das Recht haben, von seinen Qualen befreit zu werden und zu sterben. Es gab schon einige Fälle, in denen Menschen in ihrer Patientenverfügung unterschrieben haben, dass im Falle so einer Situation die lebenserhaltenden Maßnahmen sofort abgeschaltet werden sollen, wenn keine Chancen mehr auf Besserung des Zustands bestehen und sich die Ärzte trotzdem geweigert haben, diese Maschinen abzuschalten. Warum lässt man diese Menschen qualvoll vor sich hin vegetieren, wenn sie vorher den Wunsch geäußert haben, dass sie nicht durch Maschinen künstlich am Leben erhalten werden wollen? Ich kann diesen Vergleich mit den Nazi-Verbrechen von damals nicht nachvollziehen.
Erstmal eine Patientenverfügung ist bindend. Menschen mit einer Patietnenverfügung werden nicht beatmet, werden nicht auf Intensivstation verlegt etc.

Viele Menschen besitzen aber keine! Hast du eine?

Und viele Patientenverfügungen sind schlecht und unpräzise geschrieben. Es scheiden sich die Gester in der Frage was überhaupt eine lebensverlängernde Maßnahme ist. Oft treffen die Beschreibungen in einer Patientenverfügung nicht auf die aktuellen Umstände zu.
Die Ärzte haften. Es ist sehr schwierig so eine Entscheidung zu treffen. In der Praxis gibt es dann eine schwammig geschriebene Patientenverfügung und einen Teil der Angehörigen, die das Weiterleben um jeden Preis ermöglichen wollen und auch aber einen Teil, die um jeden Preis das Weiterleben anderes gestalten wollen. Und ein Behandlungsteam steht dann zwischen zwei Seiten.

Schon oft passiert, dass nach einer Patientenverfügung gehandelt wurde und die Ärzte trotzdem verklagt worden sind. Und hier sprechen wir über sogenannte passive Sterbehilfe.

Wir haben im Krankenhaus ein Klinisches Ethikkomitee(wo ich mitsitze). Wir treffen keine Entscheidungen aber moderieren Diskussion in schweren fällen.


Ich spreche mich aus, als ein Gegner der aktiven Sterbehilfe.

Vorerst stellt sich für mich immer die Frage, was genau macht gerade das Leben so schwer, dass es beendet werden muss? Haben wir wirklich alles Menschenmögliche gemacht um diese Umstände abzuwenden?

Und habe die letzte Frage nie in meiner beruflichen Praxis mit ja beantworten können. Niemals. Es hat niemand über Sinnhaftigkeit des Weiterlebens nachgedacht. Es waren die Schmerzen, die körperliche Qual. Und ohne hätten ausnahmslos alle weiterleben wollen. Um noch einen Tag mit den Angehörigen zu verbringen. Um noch ein bisschen zu.... Sie sind alle unfreiwillig krank.

Vor allem plagte die Menschen Angst. Das ist ein Paradox. Es ist zu qualvoll zu leben, aber die Menschen hatten Angst zu sterben. Und die Menschen die bereit waren sind auch gegangen. Das ist für mich ein großes Rätsel. Ich bin Naturwissenschaftlerin und ich suche immer Zusammenhänge und Logik. Wie es jedoch passiert, dass jemand der eine Entscheidung getroffen hat zu sterben, trotz objektiv unauffälligen Werten, dann in 2 Tagen an einem multiplen Organenversagen stirbt ist für mich noch nicht begreiflich.

Und deswegen sehe ich es nicht als sinvoll jemandem das Leben um unbekannte Anzahl an Tagen(möglicherweise wären die Menschen, in Stunden gegangen) zu verkürzen.

Ich erlebe es täglich auf der Arbeit, dass die Menschen darum bitten. Es gibt Exithaus in der Schweiz. Ich bin auch bereit Menschen einen Flyer von der Institution zu geben. Ich sage aber immer dazu, dass ich bereit bin noch einmal zu reden. Und noch einmal mich dafür einzusetzen zB Schmerzen zu bekämpfen. Ich leiste für die Hausärzte Konsilliardienste im Bereich Symptomkontrolle. Oft herrsch bei den Medizinern von der alten Schule Angst, jemanden mit Morphin ins Jenseits zu spritzen, neue Schmerz/Übelkeit-bekämpfungsmethoden sind oft unbekannt.

Meiner Meinung nach ist die Lösung eine bessere Versorgung und nicht die aktive Sterbehilfe. Ebenfalls brauchen Menschen bessere Unterstützung bei der Formulierung der Patientenverfügungen. Und sie sollten beretis in der Schule thematisiert werden, denn Menschen im "gesunden" Alter denken darüber nicht nach.
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kicky
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Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von kicky »

Die derzeitige Regelung mit der passiven Sterbehilfe in Deutschland ist schon mal besser als nichts. Allerdings finde ich, dass der Staat in vielen Lebenslagen zu sehr reglementiert. Wenn ein Mensch aus gesundheitlichen Gründen, z.B. durch eine infauste Krebsdiagnose nicht dieses Siechtum durchleiden möchte, warum muss er dazu in die Schweiz fahren. Ich habe viel Siechtum gesehen, im Medizinstudium bleibt das ja nun mal nicht aus. Ich bin für die aktive Sterbehilfe und das hat nun mal überhaupt nichts mit brauner Vergangenheit oder Gedankengut zu tun, sondern mit dem Recht des Menschen auf Selbstbestimmung, auch im Hinblick auf sein Ableben.
Pascal

Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von Pascal »

Ich hatte zwar noch nie so eine Patientenverfügung vor Augen gehabt und besitze auch keine, aber ich kann mir gut vorstellen, dass so eine Patientenverfügung sehr kompliziert formuliert ist, es leicht zu Missverständnissen kommen kann und man Hilfe von Angehörigen zum Ausfüllen benötigt.

Ich glaube, ich sollte mich mal besser mit so einer Patientenverfügung mal beschäftigen. Schicksalsschläge können jeden jederzeit treffen, nicht nur im hohen Alter, sondern auch durch Unfälle oder Krankheiten. Ich möchte auf keinen Fall ein Pflegefall werden, jahrelang nur im Bett rumliegen und ständig künstlich beatmet werden. Das wäre für mich der absolute Horror. Dann möchte ich lieber vom Elend erlöst werden und sterben.
ComtesseDeLaFére

Re: Wie steht ihr zur Sterbehilfe?

Beitrag von ComtesseDeLaFére »

Ich hatte eine Großmutter, die ihre letzten Lebensjahre dement in einem Altersheim verbracht hat, und jeder Tag war eine Tortur für sie...sie erkannte uns alle nicht mehr, weinte oft und sagte Sachen wie:
"Wieso hat der Herrgott mich vergessen, warum holt er mich nicht zu sich?"
Ja, ich bin für Sterbehilfe, wenn das Leben eines Menschen nur noch als Dahinvegetieren bezeichnet werden kann und er keinerlei Lebensfreude und Lebensqualität mehr hat.
Wenn ich später mal Demenz kriege, würde ich auch wollen, dass jemand bei mir Sterbehilfe leistet, denn so würde ich nicht leben wollen.