"Ich kann nicht. Wir haben das doch schon so oft besprochen ", sagte er mit einem kleinen Anflug von Bedauern in der Stimme. Während dessen stand er auf dem Balkon, die Arme auf der Brüstung gestützt und schaute auf das Häusermeer der Stadt, welches langsam in der Abenddämmerung versank. "Ist das dein letztes Wort?", fragte sie und bemühte sich gar nicht mehr ihre Traurigkeit zu verbergen. Sie stand in der Tür und wartete auf eine Reaktion in der Hoffnung ihn umstimmen zu können. Langsam drehte er sich um und kam auf sie zu. Er legte seine Arme um sie und sagte: "Liebes, wir beide wussten doch, dass dieser Moment irgendwann kommt." Eine Träne lief ihre Wange herunter, denn sie wusste dass sie seine Entscheidung nicht mehr rückgängig machen konnte. Behutsam nahm er ihr Gesicht in seine Hände, wischte vorsichtig ihre Träne weg und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Ich werde dich auch vermissen, Süße. Die Zeit mit dir war wirklich wunderschön Und hör mal, wir bleiben in Kontakt. Ich bin ja nicht aus der Welt und ich komme doch auch wieder zurück."
"Ich weiß, aber ich wünschte du würdest hier bei mir bleiben", sagte sie.
Sie küssten sich noch mal lang und intensiv. Sie lösten sich voneinander und er sprach: "Ich muss jetzt los. Bleib tapfer, mein Schatz. Ich bin bald wieder da."
"Bis dann und beeile dich", erwiderte sie. Dann schulterte er seinen Rucksack und ging zur Tür hinaus. Sie wusste, dass die Trennung von ihm schwer war und sie vermisste ihn schon jetzt. Nun stand sie auf dem Balkon und sah, wie er ins Auto stieg. "Pass auf dich auf, Großer", rief sie und winkte ihm zu. Er sah noch mal zu ihr auf und hob lächelnd seine Hand zum Gruß. Sie hörte wie der Motor startete und dachte "Nimm mich mit". Dann fuhr das Auto in die Nacht.
BEITRAG#2
"Nimm mich mit!", bat ich nie.
"Nimm mich mit!",
bat ich nie,
wenn ein Freund
in exotische Länder reiste.
"Nimm mich mit!",
bat ich nie,
wenn eine Freundin
auf Rucksack-Reisen ging.
"Nimm mich mit!",
bat ich nie,
wenn Bekannte
mit dem Kanu die Wildnis durchrudern wollten.
"Nimm mich mit!",
bat ich nie,
mit erhobenem Daumen
und kaufte stattdessen Bahntickets oder fuhr selbst.
"Nimm mich mit!",
bitte ich,
wenn ein Freund
Strand- und Sightseeing-Urlaub machen will.
"Nimm mich mit!",
bitte ich,
wenn eine Freundin
mit dem Hund spazieren geht.
"Nimm mich mit!",
bitte ich,
wenn Bekannte
etwas essen gehen wollen.
Mitgenommen
bitte ich,
mein Fehlen zu entschuldigen,
wenn ich nach einer anstrengenden Woche
müde bin.
Mitgenommen
bitte ich,
dass die Müdigkeit
schnell vergeht, damit ich noch etwas
vom Wochenende habe.
Mitgenommen
bitte ich am Montagmorgen
um Schlaf, wenn ich nach
einem ereignislosen Wochenende
frisch in die neue Woche
starten soll.
Mitgenommen
bitte ich Körper & Geist,
mein Auto & meine Mitmenschen
und mein Leben:
"Nimm mich mit!"
BEITRAG#3
Nimm mich mit – an einen Ort, an dem es keine TOP 5 für Fehlverhalten gibt
Nimm mich mit – dorthin, wo es am Freitagabend Alternativen zu Günther Jauch gibt
Nimm mich mit - an einen Ort, an dem der emotionale Raum wichtiger ist als der virtuelle
Nimm mich mit – dorthin, wo es den Menschen nicht zu bunt ist, grünen Tee zu trinken
Nimm mich mit – an einen Ort, an dem die Eisbären frieren
Nimm mich mit – dorthin, wo sich Menschen trauen, das Wort „Hochherzigkeit“ zu verwenden
Nimm mich mit – an einen Ort, an dem die Menschen erstmals zu Penny gehen
Nimm mich mit – dorthin, wo trotz aller globalen Vernetzung die Hälfte der Menschen noch nie telefoniert hat
Nimm mich mit – an einen Ort, an dem wir gemeinsam eine Schutzmauer bauen
Nimm mich mit – dorthin, wo wir zwischen den Wolken schaukeln können
Nimm mich mit – an einen Ort, an dem auch Tiernahrung 20% billiger ist
Nimm mich mit – dorthin, wo niemand von ‚neuen News‘ spricht
Nimm mich mit – an einen Ort, wo Du mir Gänseblümchenhaut bescherst, wenn ich an Dich denke
Nimm mich mit – dorthin, wo ein Tiefgaragenstellenplatz nicht nur zu Vermeidung von Autoankaufkärtchen dient
Nimm mich mit – wenn Du hier bleibst
BEITRAG#4
In Gedanken
Hier im Leben, meinem realen Leben
wird es wohl niemals etwas schönes geben.
Ob mit Wolken verhangenem Himmel
oder im schönsten Sonnenschein,
in diesem menschlichen Gewimmel
bleibe ich trotzdem immer allein.
Darum wechsle ich dieses Leben
und tauche tief hinein,
in die Welt meiner Gedanken,
denn die sind auf ewig mein.
Sie nehmen mich mit zu den fernsten Orten,
ganz unberührt vom Menschenhand
und zeigen mir mit Bildern und Worten
das Glück, das ich im realen Leben nie fand.
Sie entführen mich sanft und in Vogelgestalt,
in die höchsten Höhen und in luftige Freiheit.
Als Fuchs gar durch den prächtigsten Wald,
fernab von Kriegen, Hass und Ungastlichkeit.
Sie reisen mit mir zu den unzähligen Sternen,
vorbei an Jupiter, sowie Pluto und Charon
zum Dreiecksnebel oder den Magellanschen Wolken
und nicht einfach nur kurz mal nach London.
Sie zeigen mir auch die kleinsten Dinge,
Atome, Neutronen, Quarks und noch mehr.
Doch die Realität ist wie eine scharfe Klinge,
die mich zwingt zur unsanften Rückkehr.
Hier im Leben, meinem realen Leben
wird es wohl nichts derart schönes geben.
Oder doch???