Arrow's Theorem

Einem Menschen zu helfen bringt Freude in die Welt. Probier es gerne einmal aus.
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Kief

Arrow's Theorem

Beitrag von Kief »

Hiho,

ich habe gerade zufaellig diesen Begriff gefunden - aber der wikipedia-Eintrag ist mir mit zuvielen Begriffen gespickt, die in diesem Kontext vermutlich fachchinesische Bedeutung haben.
Ich habe das Gefuehl, aber nichtmal die Gewissheit, ob sich das mit meinen Ueberlegungen ueberschneidet, wie und wo unsere Demokratie zu ueberdenken ist.

Kann jemand das Fachchinesisch uebersetzen?
Fuer den Anfang waere es vielleicht schon ausreichend, wie die Vorraussetzungen bzw. der Anwendungsbereich aussehen.
Wenn das zu theoretisch ist, an meinem Praxisbezug vorbeigeht, dann wuesste ich zumindest schon, ob ich den Kram abhaken und vergessen kann.


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Hoppala
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Re: Arrow's Theorem

Beitrag von Hoppala »

Kief hat geschrieben: 16 Feb 2018 23:37 Hiho,

ich habe gerade zufaellig diesen Begriff gefunden - aber der wikipedia-Eintrag ist mir mit zuvielen Begriffen gespickt, die in diesem Kontext vermutlich fachchinesische Bedeutung haben.
Ich habe das Gefuehl, aber nichtmal die Gewissheit, ob sich das mit meinen Ueberlegungen ueberschneidet, wie und wo unsere Demokratie zu ueberdenken ist.

Kann jemand das Fachchinesisch uebersetzen?
Fuer den Anfang waere es vielleicht schon ausreichend, wie die Vorraussetzungen bzw. der Anwendungsbereich aussehen.
Wenn das zu theoretisch ist, an meinem Praxisbezug vorbeigeht, dann wuesste ich zumindest schon, ob ich den Kram abhaken und vergessen kann.


Kief
Ich hab das nur so weit angelesen, bis ich meinte, verstanden zu haben, um was es da überhaupt geht.
Unter der Annahme, dass Individuen die Auswahl zwischen Entscheidungen haben, die sie individuell in eindeutige Prioritäten sortieren können, wird die Gemeinschaft am Ende zu Ergebnissen kommen, die notwendigerweise nicht jeden zufrieden stellen.
Wenn wir also rational genug auswählen - die Prioritätensortierung und die Notwendigkeit, anhand dieser abzustimmen, klammert "is mir doch egal, ich kreuz irgendwas an" und "ach, da hab ich mich vertan, ich wollte eigentlich ..." wohl "sehr realitätsnah" aus - ist am Ende immer jemand unzufrieden.

Ich vermute, die Theorie sollte in einem mathematisch-logischen Modell darstellbar sein. So sieht es dann ja auch bei Wikipedia im Weiteren aus. Passt zur Entstehungszeit. Wenn du genauer wissen willst, wie die Idee funktioniert, solltest du dich vermutlich in die Formelwelt einarbeiten.
Andererseits weist das abstrakt-logische Verfahren auch schon auf den Pferdefuß hin - wenn man das dann mit richtigen Menschen zur Anwendung bringen will ...

Nicht uninteressant, insofern das beschriebene Verhalten in größeren Gruppen immer auch auf eine Teilmenge zutrifft. Bestimmt wurde auch von jemand unterrsucht, wie sich das darstellt, wenn man die per definition ausgeklammerten Eigenschaften als Umfeld hinzuzieht (ein Teil der Gruppe hält sich an die Voraussetzungen, ein Teil nicht) - ob das die Theorie ad acta legt, oder sie auch dann noch für regelhafte Phänomene Erklärungskraft besitzt.

Kernaussage:
"Praktisch stellt das Theorem die Möglichkeit einer eindeutigen Bestimmung eines „Gemeinwohls“ mit Hilfe abstrakter Regeln, zum Beispiel in Form von Abstimmungsregeln o. ä. in Frage."

Pferdefuß:
"Das Arrow-Theorem basiert auf einem ordinalen Nutzenkonzept, wie dies in der neueren Ökonomik üblicherweise zugrunde gelegt wird." So wie die Ökonomik das aus Gründen der theoretischen Handhabbarkeit vereinfacht, funktioniert Mensch nicht - jedenfalls noch nicht ganz (die Theorie entfaltet dank zahlreicher einflußreicher Jünger die Kraft des Faktischen).

Auch abstrakte gesellschaftliche Regeln werden in der Praxis halt nicht nach strenger Aussagenlogik angewandt.

Das heißt aber auch - und insofern ist das Therorem relevant: es gibt keine Eindeutigkeiten, es muss ein Verhandlungsprozedere geben, und für Konfliktfälle ein Entscheidungsverfahren mit genug Macht/Anerkennung, um sich per Diktum durchsetzen zu können. Und: unvermeidbar immer ist jemand unzufrieden und fühlt sich benachteiligt. Es sei denn, die Entscheidungsoptionen sind von ihrer Komplexität extrem reduziert (weniger als 3 Dimensionen, wenn ich as richtig verstanden habe: also Pizza oder Currywurst - dann kann es auch mal zu Fällen allgemeiner Zufriedenheit kommen. Stehen aber auch Schnitzel und Eintopf zur Wahl, wird sich garantiert jemand von der Gruppenentscheidung benachteiligt fühlen.)

Praktisch gesehen zum Beispiel: die undiskutierbaren Entscheidungen der lieben Foren-Moderation.

Nette Nebenerkenntnis: Größere Auswahl macht es nicht einfacher, sondern schwieriger, Zufriedenheit in sozialen Zusammenhängen zu erzielen. Weshalb wohl auch ein prinzipieller Minderheitenschutz so relevant ist.

Danke für den Hinweis. Nette Gedankenspielerei.
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Re: Arrow's Theorem

Beitrag von Teetrinker »

Es passt vielleicht nur ein wenig zur Frage und ist etwas simpler, aber mir fiel dazu folgendes ein: Man weiß wohl, daß menschliche Präferenzen bei mehreren Auswahlmöglichkeiten sehr oft nicht transitiv bzw widerspruchsfrei/klar sind, gerade bei Politik.

Die Methode Wählen und vor allem Abstimmen besitzt daher für das Ergebnis keinen Wert, weil das Ergebnis davon abhängt, welche Alternativen angeboten wurden. In anderen Worten: Nur weil abgestimmt wurde, wird dadurch nicht sichergestellt, daß dabei etwas gutes bei herauskommt, noch nicht einmal das gewollte - allerhöchstens unter sehr eingeschränkten Bedingungen.

Aber ich glaube, sowas betrifft uns auch nicht, weil in Deutschland selten und kaum über große und entscheidende Fragen Abstimmungen stattfinden - und wenn dann ohnehin nur als "Ja/nein"-Alternativen zu nur einem Vorschlag.

Das war hoffentlich nicht zu weit off topic. Ich kenne die Überlegungen von Kief auch gar nicht, was hattest Du Dir denn überlegt? Das von Arrow habe ich wahrscheinlich auch nicht weiter verstanden, halt daß diese fünf Bedingungen unter den genannten Umständen nicht eingehalten werden können, sondern maximal vier. Man müsste das mal plastisch machen bzw anschaulich, mit einem Mini Kollektiv und wenig Optionen, die Tabelle da ist sogar nachvollziehbar. Aber ich denke, daß die dort gemachten Grundannahmen sowieso schon zu weit weg von der Wirklichkeit sind.
Kief

Re: Arrow's Theorem

Beitrag von Kief »

Teetrinker hat geschrieben: 18 Feb 2018 21:17 Die Methode Wählen und vor allem Abstimmen besitzt daher für das Ergebnis keinen Wert, weil das Ergebnis davon abhängt, welche Alternativen angeboten wurden. In anderen Worten: Nur weil abgestimmt wurde, wird dadurch nicht sichergestellt, daß dabei etwas gutes bei herauskommt, noch nicht einmal das gewollte - allerhöchstens unter sehr eingeschränkten Bedingungen.
Ich weiss, wie leichte Formulierungsaenderungen das Ergebnis beeinflussen koennen, und dass allein dadurch die angeblich gefundene Meinung beliebig verzerrt dargestellt werden kann.

Habe ich am interessantesten bemerkt, als bei einer Kreativitaetstechnik alle Beteiligten ausser mir sich in bestimmter Richtung verrannt hatten, eine Richtung, die ich aus frueherer Betrachtung bereits als wenig hilfreich und sogar blockierend kannte.
Damit weiterzuarbeiten war mir so ein Graus, dass ich statt der Gruppenaufgabe lieber die Fragestellung variierte, die in meine Wunschrichtung fuehrte. Habe etwas gebraucht, die Frage in knackiger Formulierung zu finden, aber durch die gewechselte Richtung haben die anderen mein Ziel endlich verstanden, und waren mit dem Richtungswechsel einverstanden.
Das war hoffentlich nicht zu weit off topic. Ich kenne die Überlegungen von Kief auch gar nicht, was hattest Du Dir denn überlegt? Das von Arrow habe ich wahrscheinlich auch nicht weiter verstanden, halt daß diese fünf Bedingungen unter den genannten Umständen nicht eingehalten werden können, sondern maximal vier. Man müsste das mal plastisch machen bzw anschaulich, mit einem Mini Kollektiv und wenig Optionen, die Tabelle da ist sogar nachvollziehbar. Aber ich denke, daß die dort gemachten Grundannahmen sowieso schon zu weit weg von der Wirklichkeit sind.
Deine Zusammenfassung, dass von den 5 Bedingungen maximal 4 einhaltbar sind, das ist mir erst durch Deine Formulierung verstaendlich - im Gegensatz zu dem geschwurbelten Wikipedia-Sermon.

Ich kann nichtmal die 5 Bedingungen uebersetzen ... - die Haelfte der Begriffe kenne ich aus nem anderem Kontext, und komm damit einfach nicht klar.
Kommt mir vor, als lese ich nen englischen Fachartikel. Da kann ich alle Vokabeln nachschlagen, und weiss trotzdem nicht, welche Nuance gerade bei diesem Kontext zustaendig ist.

Ich moechte wissen, ob mir das voranhilft mit den Staerken und Grenzen verschiedener Wahlsysteme. Derlei grundlegende Sachen koennen mich noch zu Tricks und Ideen bringen, oder zu zu beachtenden Huerden.
Allerdings weiss ich hier nichtmal, wie Vorraussetzungen und Anwendung aussehen, ob das fuer mich ueberhaupt zutrifft.


Kief
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Re: Arrow's Theorem

Beitrag von Teetrinker »

Kief hat geschrieben: 18 Feb 2018 22:18 Ich moechte wissen, ob mir das voranhilft mit den Staerken und Grenzen verschiedener Wahlsysteme. Derlei grundlegende Sachen koennen mich noch zu Tricks und Ideen bringen, oder zu zu beachtenden Huerden.
Allerdings weiss ich hier nichtmal, wie Vorraussetzungen und Anwendung aussehen, ob das fuer mich ueberhaupt zutrifft.
Ich glaube, das von Arrows lässt sich nicht auf (grobe Fragen bezüglich) Wahlsysteme anwenden. Zu den größeren Fragen, die sich da stellen, zählen Mehrheits oder Verhältniswahl, Sperrklauseln, Listenregeln und das (auf kommunaler Ebene verbreitete) verteilen von Stimmen (kumulieren/panaschieren).

Weil mittlerweile streng ausgeglichen wird haben wir trotz der 2-Stimmen im Grunde ein reines Verhältniswahlrecht. "Ergänzt um Elemente einer Personenwahl", wie es so schön heißt. Weil zuvor außerhalb der Wahl entschiedene Listen zur Wahl gestellt werden, die fest sind, hat der Wähler einen sehr geringen Einfluss darauf, welche Personen konkret in den Bundestag einziehen; er beeinflusst letztlich aber das, worauf es eigentlich ankommt, nämlich die unteren Ränder und vor allem die Verteilung.
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Re: Arrow's Theorem

Beitrag von Hoppala »

Sofern du irgendwas machst, bei dem eine Anzahl Menschen über ein Set Auswahlmöglichkeiten entscheiden, und jeder dieser Menschen dafür mehrere Kriterien hat, anhand derer die Auswahlmöglichkeiten nicht einfach "eins so gut wie's andere" sind, dürfte das Theorem seine Wirkung entfalten: irgendjemand meint am Ende, eine andere Entscheidung wäre für alle besser gewesen; und/oder fühlt sich durch die Entscheidung unfair benachteiligt.

Das gilt selbstverständlich auch für Wahlsysteme.

Dieser Satz
"Praktisch stellt das Theorem die Möglichkeit einer eindeutigen Bestimmung eines „Gemeinwohls“ mit Hilfe abstrakter Regeln, zum Beispiel in Form von Abstimmungsregeln o. ä. in Frage."
ist deutlich genug.

Da das Ganze dann auch noch mathematisch dargestellt ist und anscheinend als bewiesen gilt, lässt es sich schwer wegdiskutieren.

Anders gesagt: ich vermute mal, es geht darum, deine Theorien der gewaltlosen Kommunikation und friedlichen Verständigung umzusetzen. Arrow's Theorem sagt nun, dass das nicht widerspruchsfrei machbar ist. Es sei denn, am Ende kann (nicht: muss!) einer (eine Instanz) über alle Abstimmung hinweg bestimmen, was Sache ist. (Dann gibt es zumindest eine kleine Chance auf einmütige Zufriedenheit).
Oder: die abzustimmenden Sachverhalte sind sehr überschaubar gehalten und sprechen nur sehr wenige Entscheidungsmotivationen an.

Mag sein, eine Analyse des Formelbeweises kommt zu einem anderen Ergebnis. Viel Spaß dabei ...!


Die Beschreibung bei Wikipedia ist übrigens so fachwortgespickt, weil es sich um eine Abstraktion handelt, die den Anspruch hat, eine Eigenschaft von sehr vielen konkret unterschiedliche Abstimmstuationen zu benennen. Ist wie eine chemische Reaktionsgleichung. Sobald man die Elemente aus dem Reagenzglas in konkrete Materialien steckt, kommen viele Faktoren hinzu, die den beschriebenen Prozess eventuell überdecken, verändern oder auch negieren.
Dennoch ist er als Faktor für die Materialeigenschaften relevant - vielleicht. Kann man erst beurteilen, wenn man es durchschaut hat.
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Re: Arrow's Theorem

Beitrag von Hoppala »

Arrow erklärt und diskutiert:

In aller Kürze

In HInsicht auf praktische Ethik


Aus philosophischer Sicht hinsichtlich Verfahren zur Wahrheits- und Gerechtigkeitsfindung


Spannend. Weil mit konkreten Auswirkungen darauf, wie Gesellschaft und gesellschaftliche Funktionen konstruiert sind. Werd mich da in einer stillen Stunde wohl mal genauer einlesen.
Wieso hab ich davon nie zuvor gehört? Immerhin hat der Mann dafür den Fake-"Nobel"-Preis in Wirtschaftswissenschaft bekommen.
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