Leben in einer extravertierten Welt

Alles zu Deiner persönlichen Situation, Deinen Erlebnissen und was Dir auf dem Herzen liegt als Absoluter Beginner.
Tyrion

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Tyrion »

Kief hat geschrieben: 22 Nov 2018 22:54Dazu brauchst Du eben auch jemanden, der sich die Muehe macht, genauer hinzusehen - und die Kompetenzen auch unterscheiden kann
Da ist es sicherlich hilfreich, wenn auch Introvertierte dabei sind, die genauer hinzusehen bereit sind.

Dann allerdings geht es auch um Verantwortung, um Fuehrungsaufgaben ... bei denen Introvertierte nicht so eifrig die Hand heben wie der Egomane, der seine Karriereleiter emporklimmen will.
Das ist eigentlich etwas, was ich vom Personalleiter eines Unternehmens erwarte, dass er in der Lage ist zu wissen, welche Persönlichkeitsmerkmale für welche Stelle in dem Unternehmen wichtig sind und dann gezielt die passenden Charaktere aussucht. Das wäre ja auch im Sinne des Unternehmens sinnvoll, denn so wäre man deutlich produktiver als generell nur nach extravertierten Merkmalen Ausschau zu halten. Zum Beispiel wie es in Assessment Centern der Fall ist. Deswegen hatte ich mir schon öfter mal überlegt, dass eigentlich ein introvertierter Mensch, der sehr feinfühlig ist und sensibel Dinge wahrnehmen kann, eigentlich immer bei Einstellungsgesprächen dabei sein sollte.
Kief hat geschrieben: 22 Nov 2018 22:54Wie viele Intros raffen sich auf, um ggf. in der Runde die Moderation zu uebernehmen - und dann noetigenfalls auch Moderation zu lernen und vertiefen?
Einige tun das. Ich habe ja auch gelernt zu telefonieren obwohl ich das überhaupt nicht mag. Ich habe mich aufgerafft und telefoniere nun. ;)
Solstice hat geschrieben: 23 Nov 2018 07:28Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeit habe (s. Wikipedia) und dem ganzen Trubel und der Aufmerksamkeit entgehen will, weil ich Angst vor möglicher Ablehnung und "negativer" Aufmerksamkeit habe.
Angst vor negativer Aufmerksamkeit habe ich eher nicht. Wenn ich mal zu größeren Feierlichkeiten gehe, denke ich immer, dass ich doch ein toller Typ bin und mich mal wirken lassen sollte. Okay, dann stelle ich fest, dass ich wohl doch nicht so der Burner bin, aber das ist ein anderes Thema. :mrgreen: Wie gesagt bedeutet die Vermeidung von Partys und anderen größeren Veranstaltungen im Sinne der Introversion, dass der eigene Energiehaushalt dort schnell aufgebraucht wird und man sich ziemlich schnell kaputt
fühlt und wieder Zeit für sich haben möchte, um neue Energie zu tanken. Meine Außenwirkung auf andere ist mir dabei nicht so wichtig. Es sei denn, andere sprechen mich dann genau darauf an, im Sinne von "Du wirkst irgendwie... komisch" oder "Alles okay bei dir? Du bist so still". Das Problem ist, dass ich überhaupt nicht das Gefühl habe still zu sein, denn ich folge sehr Aufmerksam den Gesprächen und somit entwickel ich das Gefühl, dass ich mich total gut beteilige - aber nur in meinem Inneren. ;)
Solstice hat geschrieben: 23 Nov 2018 07:28Der eine ist zufrieden mit sich und fühlt sich von der Welt unverstanden. Der andere ist unzufrieden mit sich und will am liebsten zur Welt gehören. Negative Konsequenzen wie fehlende Anerkennung erfahren sie beide.
Ja, ich denke, dass sich das sehr zutreffend anhört. :daumen:
Nonkonformist hat geschrieben: 23 Nov 2018 07:48 Ich bin ein hochsensibler in mittleren introvertierten bereich.
Hochsensibilität ist auch ein schönes Thema! Ich bin auch hochsensibel und nehme alles wahr, was um mich herum geschieht - ob ich will oder nicht. Flüstern im meiner Gegenwart bringt nichts. In unserem Großraumbüro nehme ich auch fast alle Gespräche wahr, die es unter den Kollegen gibt. Mittlerweile wissen meine Kollegen das auch und nennen dann mal meinen Namen und fangen laut an zu lachen, wenn ich zu dem Thema etwas sagen kann, was sie gerade in kleinerer Runde auf der anderen Büroseite besprochen haben.
Nonkonformist hat geschrieben: 23 Nov 2018 07:48Wohl habe ich mich immer vor allem bei anderen introvertierten gefühlt.
Dem stimme ich zu! :daumen:
Nonkonformist hat geschrieben: 23 Nov 2018 07:48Im grunde lebe ich nicht in einen extravertierten welt, aber eher so nur am rande, und halte mich abseits mit menschen die so ticken wie ich.
Man lebt halt schon mehr in seiner eigenen Welt. Mit der extravertierten Welt meinte ich ja die Welt (Gesellschaft) als Ganzes. Man ist halt immer irgendwo auf andere angewiesen. Und wenn es nur darum geht, dass dich ja jemand für einen Job einstellen muss und du dich dann ja in diese Konkurrenzsituation mit anderen (teilweise extravertierten) Menschen begibst.
Nonkonformist hat geschrieben: 23 Nov 2018 07:48Ich brauche ein bisschen um für unbekannten auf zu tauen aber kann durchaus flirten, necken und ziemlich frech sein.
Das trifft auf mich auch zu! Ich benötige erstmal ein bisschen Zeit, um mit neuen Menschen "warm" zu werden. Aber sobald ich die Leute einschätzen kann, bin ich jemand, der als sehr witzig, schlagfertig und frech gilt. Im Büro bin ich derjenige, der die anderen 10 Leute mit Sprüchen unterhält. Manchmal mussten Kollegen schon das Büro verlassen oder das Fenster öffnen, weil sie vor Lachen nicht mehr konnten. Wirklich wahr.
LonesomeCoder hat geschrieben: 23 Nov 2018 14:42 Ich bin sehr introvertiert und sehe mich dadurch benachteiligt. Manche Berufe bleiben einem verschlossen und auch Freundschaften sind nicht mit allen möglich.
Ja, aber man möchte ja auch nicht unbedingt mit allen befreundet sein, oder? Also selbst wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, wäre es mir lieber zu dem einen oder anderen so wenig Kontakt wie möglich zu haben. Und auch bestimmte Berufe würde ich von mir aus schon ausschließen. Aber die Grundvoraussetzungen sind für Introvertierte natürlich schon schwerer, das stimmt. Man hat eher weniger Freunde, aber dafür dann vielleicht bessere!? Mein bester Freund ist mein bester Freund seit 19 Jahren - ich bin jetzt 26. Er wird es auch immer bleiben. Wir sehen uns mittlerweile eher selten, aber das ist okay. Ständiges aufeinanderhocken wäre eh nicht so meins.
moody hat geschrieben: 23 Nov 2018 16:43 Meine Introversion ist wahrscheinlich der Hauptgrund warum ich weder bei Frauen noch im Berufsleben erfolgreich bin.
Naja, unter uns beiden Ordensschwestern: das würde ja bedeuten, dass es bei allen anderen Introvertierten ganz genauso wäre. Ist es aber nicht. Ich rede mir zwar deinen Satz auch gern ein, aber so ganz stimmt er leider nicht. Es ist auf jeden Fall schwieriger auf sich aufmerksam zu machen. Aber es eröffnet einem vielleicht auch die Möglichkeit irgendwann genau die richtige Frau zu finden, während andere viele (für sich) falsche Partner haben und dadurch vielleicht den richtigen verpassen. Who knows..?
BartS hat geschrieben: 23 Nov 2018 19:45Dem ist so. Entsprechend gibt es Tests, um zu sehen, wie stark die Ausprägungen sind. Ich fand den Fragebogen in "Leise Menschen - starke Wirkung" von Sylvia C. Löhken sehr nützlich. Weiß nicht, ob er online steht.
Mir ist die Frau Löhken bekannt, ja. Es gibt auch andere Tests, die man online machen kann, um die eigene Ausprägung der Introversion festzustellen. Ob das dann immer richtig so ist.. ich weiß es nicht. Aber guter Hinweis!
Hoppala hat geschrieben: 24 Nov 2018 01:03 Ich weiß nicht, ob Introvertierte in dieser Welt wirklich gegenüber Extrovertrierten benachteiligt sind. Mir scheint, beides hat Vor- und Nachteile, in manchen Bereichen mal mehr, mal weniger, und Extroversion ist aktuell in manchen Bereichen zunehmend von Nachteil. Ich mein, das stundenlang konzentriert auf Bildschirme gucken ist ja nicht unbedingt besonders Extro-freundlich.
Kommt auch immer darauf an. Man muss ggf. viel telefonieren, was eher extravertierten Menschen entgegenkommt - Intros hassen es zu telefonieren. Auch Smalltalk gehört bei einigen Berufen irgendwie mit dazu. Auch das ein Horror für Introvertierte. Außerdem tratschen extravertierte dann halt gern im Büro mit den Kollegen. Also die können es sich schon schön machen. ;)
Hoppala hat geschrieben: 24 Nov 2018 01:03Dass Extrovertierte eher auffallen und von daher der Eindruck einer "extrovertierten Welt" entsteht, scheint mir eher in der Natur der Sache zu liegen, als tatsächlich eine Bevorteilung abzubilden.
Auf jeden Fall sollte man die These, dass die Welt schwergewichtig extrovertiert sei, daraufhin überprüfen, ob diese Wahrnehmug nicht schon allein deshalb gegeben ist, weil Extro eben auffälliger ist. Ob es deswegen auch mehr/bedeutsamer ist?
Ich würde die These, dass wir in einer extravertierten Welt leben, eher darauf zurückführen, dass Extroversion als das Ideal gilt und einem von frühester Kindheit eingetrichtert wird. Wie schon bereits beschrieben soll man in der Schule immer aktiv mitarbeiten, es werden viele Gruppenarbeiten durchgeführt, man soll aus sich herauskommen usw. Man soll zum Extravertieren gebracht werden. Eher selten geschieht es, dass Kindern angeregt werden mal zu Introvertieren. Mal soll aus sich herauskommen und sich verkaufen. Das wird so gelehrt.
Im übrigen sind Introvertierte durchaus sehr erfolgreich: Bill Gates oder Albert Einstein sind/waren sehr introvertiert. Gerade in der Wissenschaft und Forschung gibt es viele sehr erfolgreiche Intros. ;)
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Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von BartS »

Ein paar Anmerkungen...

@Kief
Kief hat geschrieben:Dann allerdings geht es auch um Verantwortung, um Fuehrungsaufgaben ... bei denen Introvertierte nicht so eifrig die Hand heben wie der Egomane, der seine Karriereleiter emporklimmen will.
Nicht das hier unbeabsichtigt ein falscher Eindruck entsteht, das Gegenstück zum Intro ist nicht der Egomane. ^^
Kief hat geschrieben:Wie viele Intros raffen sich auf, um ggf. in der Runde die Moderation zu uebernehmen - und dann noetigenfalls auch Moderation zu lernen und vertiefen?
Ich kann das nicht einschätzen, kann aber von mir sagen, dass ich als Intro sowohl beruflich wie auch privat moderierende Tätigkeiten mache.

@Solstice:
Solstice hat geschrieben:Daher frage ich mich: Wo fängt Introversion an und wo hört selbstunsicheres, vermeidendes Verhalten auf?
Ich finde, man sollte beide Eigenschaften getrennt voneinander sehen. Es gibt den Selbstsicheren, der aber eine Menge Energie benötigt, um nicht nur physisch sondern auch psychisch in größeren Menschengruppen aktiv zu sein. Genauso gibt es aber auch den Unsicheren, der das besonders durch viel Kommunikation und Teilnahme an Gruppenaktivitäten versucht auszugleichen. Und natürlich alle weiteren denkbaren Kombinationen.
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Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Solstice »

“Barts“ hat geschrieben:
Solstice hat geschrieben:Daher frage ich mich: Wo fängt Introversion an und wo hört selbstunsicheres, vermeidendes Verhalten auf?
Ich finde, man sollte beide Eigenschaften getrennt voneinander sehen. Es gibt den Selbstsicheren, der aber eine Menge Energie benötigt, um nicht nur physisch sondern auch psychisch in größeren Menschengruppen aktiv zu sein. Genauso gibt es aber auch den Unsicheren, der das besonders durch viel Kommunikation und Teilnahme an Gruppenaktivitäten versucht auszugleichen. Und natürlich alle weiteren denkbaren Kombinationen.
Hi BartS!

Also bezogen auf den selbstunsicher-vermeidenden: Der beteiligt sich nicht (gern) an Kommunikation und Gruppenaktivitäten. Denn er hat ja Angst vor Ablehnung etc.. Wenn er es doch tut, dann kostet ihn das Überwindung und viel
Energie. Also... irgendwie schon auffallend ähnlich zum Introvertierten.

Was ich an der Introversion, wie sie hier im Thread beschrieben ist, so interessant finde - und das könnte jetzt ketzerisch klingen:
:oops:
Könnte es nicht auch eine Vermeidungsstrategie des Menschen sein, die man sich mit “so bin ich halt“ schönredet?
Weil fast alles hier beschriebene sehr passiv ist und sogar schon negative Konsequenzen nach sich zieht (im Job nicht auffallen, Aussagen für sich behalten, sich sozialer Interaktion entziehen,...) aber als unveränderbar gilt.

Ist wirklich nicht böse gemeint, nur so eine Idee. Ich selbst könnte mir nämlich nach Lektüre dieses Threads denken: “Ach, ich bin also einfach so? Na dann muss/kann ich ja auch nichts ändern, obwohl ich ständig mit negativen Auswirkungen meiner Passivität leben muss. Die ganze Welt sollte meine Wesensart besser anerkennen“ :gruebel:
Inzwischen auch im ab-forum.de zu finden :winken:
Doggo

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Doggo »

Solstice hat geschrieben: 24 Nov 2018 23:15
“Barts“ hat geschrieben:
Solstice hat geschrieben:Daher frage ich mich: Wo fängt Introversion an und wo hört selbstunsicheres, vermeidendes Verhalten auf?
Ich finde, man sollte beide Eigenschaften getrennt voneinander sehen. Es gibt den Selbstsicheren, der aber eine Menge Energie benötigt, um nicht nur physisch sondern auch psychisch in größeren Menschengruppen aktiv zu sein. Genauso gibt es aber auch den Unsicheren, der das besonders durch viel Kommunikation und Teilnahme an Gruppenaktivitäten versucht auszugleichen. Und natürlich alle weiteren denkbaren Kombinationen.
Hi BartS!

Also bezogen auf den selbstunsicher-vermeidenden: Der beteiligt sich nicht (gern) an Kommunikation und Gruppenaktivitäten. Denn er hat ja Angst vor Ablehnung etc.. Wenn er es doch tut, dann kostet ihn das Überwindung und viel
Energie. Also... irgendwie schon auffallend ähnlich zum Introvertierten.

Was ich an der Introversion, wie sie hier im Thread beschrieben ist, so interessant finde - und das könnte jetzt ketzerisch klingen:
:oops:
Könnte es nicht auch eine Vermeidungsstrategie des Menschen sein, die man sich mit “so bin ich halt“ schönredet?
Weil fast alles hier beschriebene sehr passiv ist und sogar schon negative Konsequenzen nach sich zieht (im Job nicht auffallen, Aussagen für sich behalten, sich sozialer Interaktion entziehen,...) aber als unveränderbar gilt.

Ist wirklich nicht böse gemeint, nur so eine Idee. Ich selbst könnte mir nämlich nach Lektüre dieses Threads denken: “Ach, ich bin also einfach so? Na dann muss/kann ich ja auch nichts ändern, obwohl ich ständig mit negativen Auswirkungen meiner Passivität leben muss. Die ganze Welt sollte meine Wesensart besser anerkennen“ :gruebel:
Introversion und Schüchternsein sind zwei getrennte Dinge. Weder sind Introvertierte unbedingt schüchtern, noch sind Extrovertierte unbedingt von Schüchternsein verschont.
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Momo
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Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Momo »

Ich bin auch eher introvertiert und finde es furchtbar schade, dass das so oft als Makel dargestellt wird. Als Grund dafür, keine Freundin zu finden, oder sogar als unheilbaren (=krankhaften) Gendefekt.

Introversion ist ein Persönlichkeitesmerkmal. Sogar ein ziemlich verbreitetes, oder zumindest meine ich, mal gelesen zu haben, dass 40% der Menschen introvertiert sind. Das ist fast die Hälfte.
Und ich bin der Überzeugung, dass man damit sehr gut leben kann. Auch in einer Welt, die Extraversion idealisiert und stärker belohnt als Introversion.
Man muss sich sein Leben eben etwas bewusster und sorgfältiger gestalten, um glücklich zu sein.
Dazu ist es leider oft nötig, sich von diesem Gefühl, falsch zu sein, zu ruhig zu sein, sich mehr den anderen angleichen zu müssen, zu befreien (das scheint unter Introvertierten ziemlich verbreitet zu sein). Sich überhaupt darüber klar zu werden, dass man introvertiert ist. Aber dann kann man auch genug Gleichgesinnte finden.

Introvertierte Menschen sind keine außerirdischen, kaputten Sonderlinge, sie sind genauso individuell verschieden wie extravertierte Menschen, mit ihren ganz eigenen Stärken und Schwächen.

Ich wollte früher gerne so wie Momo sein, die so intensiv zuhören kann. Dass habe ich angestrebt und ich kann Zuhören, dass habe ich schon oft gesagt bekommen.
Ich wollte auch mal weniger sensibel sein, extravertiert, geselliger, gesprächiger. Bis ich verstanden habe, dass ich das alles nicht sein muss, um akzeptiert zu werden und irgendwo dazuzugehören. Ich will doch überhaupt nicht "Irgendwo" dazugehören...
I want to be a mystery, yet be known
I want to be together, yet alone
Is it too much to ask, to be famous yet unkown?
To be a wanderer, yet have a home?
- Kara Douglas

Ich bin queer.
Nonkonformist

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Nonkonformist »

Solstice hat geschrieben:Daher frage ich mich: Wo fängt Introversion an und wo hört selbstunsicheres, vermeidendes Verhalten auf?
Die haben nichts mit einander zu tun.
Ich gehöre zu den introvertierten, war aber gleichzeitig animationssupervisor und regisseur, und stand bei meetings mit dutzende mitarbeiter im mittelpunkt, auch in ein exotisches land wie China. Ich kann flirten und necken, wann ich auf partys bin auch gut mitfeiern, und würde in diskos auch mal angetanzt. Bin nach solche events aber geistig komplett erschöpft und brauche reichlich auszeit zum regenerieren. Ein introvertierter ist jemanden der regelmäßig rückzugzeit braucht, und das läßt sich auch nicht ändern.
Introversion bedeutet ausschließlich das man energie bekommt wan man alleine ist, und das gesellschaft, lärm, etc, energie kostet, während es bei extravertierten umgekehrt ist.
Schüternheit, selbstunsicherheit und vermeidendes verhalten sind nicht automatisch mit introversion verbunden, auch wann sie kombiniert auftreten können. Ein extrovertierter wird nie ein draufgängerischer hallodri werden, aber müß nicht unbedingt schüchtern sein. Und wieso extravertierten es für nötig halten sich für die bessere menschenart zu halten ist für mich unverständlich und auch ziemlich arrogant.
Ohne introvertiierten, HSPs und Aspies hätte es eine ganze menge weniger wissenschaftler und künstler gegeben.
Wir haben alle so unsere stärken und schwächen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Introvers ... traversion
Tyrion

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Tyrion »

Solstice hat geschrieben: 24 Nov 2018 23:15Denn er hat ja Angst vor Ablehnung etc.. Wenn er es doch tut, dann kostet ihn das Überwindung und viel
Energie. Also... irgendwie schon auffallend ähnlich zum Introvertierten.
Ein Introvertierter hat keine Angst vor Ablehnung. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied.
Solstice hat geschrieben: 24 Nov 2018 23:15Könnte es nicht auch eine Vermeidungsstrategie des Menschen sein, die man sich mit “so bin ich halt“ schönredet?
Weil fast alles hier beschriebene sehr passiv ist und sogar schon negative Konsequenzen nach sich zieht (im Job nicht auffallen, Aussagen für sich behalten, sich sozialer Interaktion entziehen,...) aber als unveränderbar gilt.

Ist wirklich nicht böse gemeint, nur so eine Idee. Ich selbst könnte mir nämlich nach Lektüre dieses Threads denken: “Ach, ich bin also einfach so? Na dann muss/kann ich ja auch nichts ändern, obwohl ich ständig mit negativen Auswirkungen meiner Passivität leben muss. Die ganze Welt sollte meine Wesensart besser anerkennen“ :gruebel:
Ich selbst habe oft und lange probiert z. B. auf Partys zu gehen und Spaß zu haben. Hat auch am Anfang geklappt - also die ersten 1-2 Stunden. Dann wurde ich immer müder und erschöpfter und merkte plötzlich, dass ich ja nur noch am Rand sitze und nichts tue - und eben den Wunsch verspürte nun wieder allein zu sein. Da habe ich mir so oft gewünscht, dass ich doch lieber genauso weiterfeiern möchte wie alle anderen. Wenn ich etwas hätte vermeiden wollen, dann die Absagen zu Partys. Denn das war wirklich oft sehr unangenehm. Viel angenehmer wäre es nämlich gewesen zuzusagen und dort hinzugehen. Stattdessen habe ich mir immer wieder eine neue Ausrede einfallen lassen. DAS ist erstmal peinlich. Das wollte ich nicht. Bequem bin ich also nicht.
Tintenmalerin hat geschrieben: 25 Nov 2018 00:49 Ich bin auch eher introvertiert und finde es furchtbar schade, dass das so oft als Makel dargestellt wird. Als Grund dafür, keine Freundin zu finden, oder sogar als unheilbaren (=krankhaften) Gendefekt.

Introversion ist ein Persönlichkeitesmerkmal. Sogar ein ziemlich verbreitetes, oder zumindest meine ich, mal gelesen zu haben, dass 40% der Menschen introvertiert sind. Das ist fast die Hälfte.
Und ich bin der Überzeugung, dass man damit sehr gut leben kann. Auch in einer Welt, die Extraversion idealisiert und stärker belohnt als Introversion.
Man muss sich sein Leben eben etwas bewusster und sorgfältiger gestalten, um glücklich zu sein.
Dazu ist es leider oft nötig, sich von diesem Gefühl, falsch zu sein, zu ruhig zu sein, sich mehr den anderen angleichen zu müssen, zu befreien (das scheint unter Introvertierten ziemlich verbreitet zu sein). Sich überhaupt darüber klar zu werden, dass man introvertiert ist. Aber dann kann man auch genug Gleichgesinnte finden.

Introvertierte Menschen sind keine außerirdischen, kaputten Sonderlinge, sie sind genauso individuell verschieden wie extravertierte Menschen, mit ihren ganz eigenen Stärken und Schwächen.

Ich wollte früher gerne so wie Momo sein, die so intensiv zuhören kann. Dass habe ich angestrebt und ich kann Zuhören, dass habe ich schon oft gesagt bekommen.
Ich wollte auch mal weniger sensibel sein, extravertiert, geselliger, gesprächiger. Bis ich verstanden habe, dass ich das alles nicht sein muss, um akzeptiert zu werden und irgendwo dazuzugehören. Ich will doch überhaupt nicht "Irgendwo" dazugehören...
Vielen Dank für deinen Beitrag! Man möchte nicht "irgendwo" dazugehören - das ist sooo richtig!!! Und ganz besonders wichtig ist diese Passage:
Sich überhaupt darüber klar zu werden, dass man introvertiert ist.
Ich wusste jahrelang nicht, dass ich introvertiert bin. Oder zumindest wusste ich nicht, was das bedeutet. Ich dachte nur immer, dass mit mir etwas nicht stimmt, dass an mir etwas falsch ist, weil ich so anders bin als die anderen. Warum macht es mir keinen Spaß jedes Wochenende das ganze Wochenende durchzufeiern? Das macht doch allen Spaß also MUSS es mir auch Spaß machen. Daran bin ich fast verzweifelt. Wer genießt es schon den Samstagabend allein zu Hause zu verbringen? Das hätte ich auch niemanden erzählen können. Das hätte einfach keiner verstanden, dass ich so fühle.
Das schlimmste daran ist aber, dass ich wegen meiner nicht bewussten Introversion wohl auch mein Studium geschmissen habe. Das fiel aber auch erst Jahre später auf. Es war vielleicht nicht der einzige Grund, aber doch ein gewichtiger, denn ich hatte deswegen eine gewisse "Identitätskrise", die sich auch auf meine Leistungen ausgelegt hat und in mir den Wunsch, nur noch weg zu wollen, verstärkt hat. Wenn ich früher von meiner Introversion gewusst hätte - wer weiß? Aber das ist theoretischer Natur und außerdem Vergangenheit. Es bringt nichts sich deswegen den Kopf zu zerbrechen. Ich muss das Beste aus der derzeitigen Lage machen. :D
Kief

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Kief »

BartS hat geschrieben: 24 Nov 2018 10:58
Kief hat geschrieben:Dann allerdings geht es auch um Verantwortung, um Fuehrungsaufgaben ... bei denen Introvertierte nicht so eifrig die Hand heben wie der Egomane, der seine Karriereleiter emporklimmen will.
Nicht das hier unbeabsichtigt ein falscher Eindruck entsteht, das Gegenstück zum Intro ist nicht der Egomane. ^^
Waere ja katastrophal, wenn es noch mehr Egomanen gaebe ...
aber Egomanen sind es eben, die sich gerne Posten verdienen, noetigenfalls mit Ellenbogeneinsatz - und mit diesen muss also jeder in Konkurrenz treten, der Qualitaet hervorheben will.
Und sich gegenenfalls auch einen Machtkampf mit den Egomanen liefern, wenn es um einen bestimmten Posten geht.

Kief hat geschrieben:Wie viele Intros raffen sich auf, um ggf. in der Runde die Moderation zu uebernehmen - und dann noetigenfalls auch Moderation zu lernen und vertiefen?
Ich kann das nicht einschätzen, kann aber von mir sagen, dass ich als Intro sowohl beruflich wie auch privat moderierende Tätigkeiten mache.
Und ich habe gerade erlebt, dass in einer Belegschaft von 15 Leuten sich um einen Konflikt zwei Lager gebildet hatten, weil derlei nicht passiert.

Inhaltlich ging es um eine streitbare Kollegin - und die einzige Person, die von sich das Ruder in die Hand nahm, war dazu voellig unfaehig weil parteiisch, unempathisch und polarisierend/eskalierend.
Das war der regelmaessige Moderator, von dem auch bekannt war, dass der oefters mal in Fettnaepfchen tritt durch sein ungeschicktes Verhalten, aber er treibt die Sitzungen voran, darum lassen es ihn alle machen - weil niemand ihm die Verantwortung/Arbeit abnehmen will.

Als ich diesen Konflikt aufgreifen wollte (um die Hintergruende zu klaeren), und deshalb erstmal die strukturellen Vorraussetzungen der zweifelhaften Moderation abklopfte ... da fragte ich selbstverstaendlich auch, weshalb niemand sonst die Moderation uebernaehme.
Denn es gab ja eine handvoll protestierender Leute.
Aber niemand von denen hat die Buerde der Moderation uebernehmen wollen.
Sie wollten den Konflikt zwar loesen, und wussten auch, dass der Moderator dafuer haette ausgewechselt werden muessen, aber die Belegschaft haette sich lieber entzweit, als dass einer der Protestler sich auch zur Moderation bereitwillig erklaert haette.

Sogar der Moderator selbst hat seine Aufgabe bereitwillig abgetreten, als ich fragte, ob es jemand anderes gaebe.
Es gab nur niemanden - ausser mir halt.
Ich habe dann improvisierend diesen Konflikt weiterbehandelt, und zumindest Anfeindungen und emotionalen Ballast abgebaut - was halt in einer einzelnen Sitzung moeglich ist.
War aber dennoch voellig verbluefft, dass unter mehreren durchaus deeskalierenden Leuten niemand bereit war, den Moderator abzuloesen.
Da war keine Bereitschaft auf diesen Posten - es fehlte einfach jemand, der es vernuenftig machte.
Deshalb macht es der energische, aber teils auch eskalierende Moderator.

Weil all die protestierenden und teils sicherlich introvertierten Leute sich dieser Buerde nicht annehmen.
Schlimme Dinge passieren nicht dadurch, dass boese Menschen etwas machen,
sondern weil die Guten ihren Protest nicht unbedingt in die wirksamen Bahnen lenken.
Tyrion hat geschrieben: 24 Nov 2018 10:14
Kief hat geschrieben: 22 Nov 2018 22:54Dazu brauchst Du eben auch jemanden, der sich die Muehe macht, genauer hinzusehen - und die Kompetenzen auch unterscheiden kann [ ... ]
Dann allerdings geht es auch um Verantwortung, um Fuehrungsaufgaben ... bei denen Introvertierte nicht so eifrig die Hand heben wie der Egomane, der seine Karriereleiter emporklimmen will.
Das ist eigentlich etwas, was ich vom Personalleiter eines Unternehmens erwarte, dass er in der Lage ist zu wissen, welche Persönlichkeitsmerkmale für welche Stelle in dem Unternehmen wichtig sind und dann gezielt die passenden Charaktere aussucht. Das wäre ja auch im Sinne des Unternehmens sinnvoll, denn so wäre man deutlich produktiver als generell nur nach extravertierten Merkmalen Ausschau zu halten. Zum Beispiel wie es in Assessment Centern der Fall ist. Deswegen hatte ich mir schon öfter mal überlegt, dass eigentlich ein introvertierter Mensch, der sehr feinfühlig ist und sensibel Dinge wahrnehmen kann, eigentlich immer bei Einstellungsgesprächen dabei sein sollte.
Dazu musst der Betrieb aber auch den Luxus haben, bei den Bewerbern entsprechende Auswahl an know-how, Bereitschaft und so zu haben.

Bei den meisten Betrieben/Abteilungen unterstelle ich eher, dass die Vorgesetzten froh sind, wenn ihnen jemand eine Aufgabe abnimmt - das wird mir in der Anfangszeit meiner Existenzgruendung nicht anders gehen. Da will ich Aufgaben deligiert und grob erledigt haben, damit das nicht voellig schleift/kollabiert, und ich mich dann doch selbst drum kuemmern muss.
Um Qualitaet und Perfektion kuemmere ich mich gerne, wenn ich keine groesseren Katastrophen befuerchte (oder die Katastrophen mit Qualitaet zusammenhaengen).
Stoerungen haben Vorrang.

In anderen Betrieben gibt es noch weitere Kriterien, die Vorrang haben vor Personalqualitaet:
sei es Dividende und Raubbau, weil andere Kultur noch keinen Anklang gefunden hat, oder sei es die Vetternwirtschaft, Charakterschwaechen oder sonstwelche Glaubenssaetze.
Personaler sind genauso fehlerbehaftete Menschen wie andere Vorgesetzte.

An wirklich sorgsame Auswahl glaube ich erst, wenn es da gezielt etwas gibt.
Zum Beispiel mache ich mir auch Gedanken, wie diese Qualitaet etablieren, wenn die grundlegende Funktionsfaehigkeit erstmal steht.
Das ist absolut kein trivialer Selbstlaeufer.

Hoppala hat geschrieben: 24 Nov 2018 01:03Dass Extrovertierte eher auffallen und von daher der Eindruck einer "extrovertierten Welt" entsteht, scheint mir eher in der Natur der Sache zu liegen, als tatsächlich eine Bevorteilung abzubilden.
Auf jeden Fall sollte man die These, dass die Welt schwergewichtig extrovertiert sei, daraufhin überprüfen, ob diese Wahrnehmug nicht schon allein deshalb gegeben ist, weil Extro eben auffälliger ist. Ob es deswegen auch mehr/bedeutsamer ist?
Ich würde die These, dass wir in einer extravertierten Welt leben, eher darauf zurückführen, dass Extroversion als das Ideal gilt und einem von frühester Kindheit eingetrichtert wird. [ ... ]
[/quote]Sehe ich nicht so ...
ich sehe, dass uns ein Haufen Ideale eingetrichtert werden - darunter auch ein Haufen extrovertierter Ideale.
Und dann aber auch introvertierter Ideale wie Ruecksicht oder Vernunft ... nur werden die nicht so verpackt, dass sie gleich als Intro-Qualitaeten gelabelt sind.
Und dann sicherlich noch weitere Qualitaeten, die abseits von intro/extro sind.

Wir werden mit nem Haufen Ideale bombardiert, aber alles nur isoliert ... ohne mal zu schauen, wie man verschiedene Ideale umsetzt, wenn da manches nicht so trivial klappt, sondern zum nice-guy-syndrom fuehrt.
Unter diesem Bombardement von "Du musst ..." fallen einem natuerlich eher jene auf, die einem am wenigsten liegen.
Von daher betrachte ich unsere Welt nicht so extrovertiert.
Es wird nur staendig mit massiver Extrovertiertheit geworben.
Die meisten Menschen duerften eine ausgewogene Mischung in sich tragen.


K
Tyrion

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Tyrion »

Kief hat geschrieben: 25 Nov 2018 12:18
Tyrion hat geschrieben: 24 Nov 2018 10:14
Kief hat geschrieben: 22 Nov 2018 22:54Dazu brauchst Du eben auch jemanden, der sich die Muehe macht, genauer hinzusehen - und die Kompetenzen auch unterscheiden kann [ ... ]
Dann allerdings geht es auch um Verantwortung, um Fuehrungsaufgaben ... bei denen Introvertierte nicht so eifrig die Hand heben wie der Egomane, der seine Karriereleiter emporklimmen will.
Das ist eigentlich etwas, was ich vom Personalleiter eines Unternehmens erwarte, dass er in der Lage ist zu wissen, welche Persönlichkeitsmerkmale für welche Stelle in dem Unternehmen wichtig sind und dann gezielt die passenden Charaktere aussucht. Das wäre ja auch im Sinne des Unternehmens sinnvoll, denn so wäre man deutlich produktiver als generell nur nach extravertierten Merkmalen Ausschau zu halten. Zum Beispiel wie es in Assessment Centern der Fall ist. Deswegen hatte ich mir schon öfter mal überlegt, dass eigentlich ein introvertierter Mensch, der sehr feinfühlig ist und sensibel Dinge wahrnehmen kann, eigentlich immer bei Einstellungsgesprächen dabei sein sollte.
Dazu musst der Betrieb aber auch den Luxus haben, bei den Bewerbern entsprechende Auswahl an know-how, Bereitschaft und so zu haben.

Bei den meisten Betrieben/Abteilungen unterstelle ich eher, dass die Vorgesetzten froh sind, wenn ihnen jemand eine Aufgabe abnimmt - das wird mir in der Anfangszeit meiner Existenzgruendung nicht anders gehen. Da will ich Aufgaben deligiert und grob erledigt haben, damit das nicht voellig schleift/kollabiert, und ich mich dann doch selbst drum kuemmern muss.
Um Qualitaet und Perfektion kuemmere ich mich gerne, wenn ich keine groesseren Katastrophen befuerchte (oder die Katastrophen mit Qualitaet zusammenhaengen).
Stoerungen haben Vorrang.

In anderen Betrieben gibt es noch weitere Kriterien, die Vorrang haben vor Personalqualitaet:
sei es Dividende und Raubbau, weil andere Kultur noch keinen Anklang gefunden hat, oder sei es die Vetternwirtschaft, Charakterschwaechen oder sonstwelche Glaubenssaetze.
Personaler sind genauso fehlerbehaftete Menschen wie andere Vorgesetzte.

An wirklich sorgsame Auswahl glaube ich erst, wenn es da gezielt etwas gibt.
Zum Beispiel mache ich mir auch Gedanken, wie diese Qualitaet etablieren, wenn die grundlegende Funktionsfaehigkeit erstmal steht.
Das ist absolut kein trivialer Selbstlaeufer.
Okay, bei Existenzgründern ist das erstmal was anderes. Aber die haben wahrscheinlich auch noch nicht so viele Stellen, die man mit unterschiedlichen Persönlichkeiten (Charakteren) besetzen könnte. Da macht ja wahrscheinlich eher eine Person alles (oder vielleicht nimmt der Ehepartner oder sonst wer noch etwas ab). Aber größere, etablierte Unternehmen hätten theoretisch schon die Möglichkeit gezielter die Posten zu besetzen.
Rosenrot

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Rosenrot »

Ich würde mich auch eher, als introvertiert bezeichnen. Bevor ich mit amtlichen Stellen telefonieren muss, überlege ich mir immer, was ich genau sagen möchte und um was es geht. In Mikrofone oder so möchte ich nicht sprechen. Dabei meine Stimme zu hören, finde ich nicht so toll. Menschenmassen auf Bahnhöfen oder Flughäfen mag ich nicht. Das würde mich allein total überfordern. Da ich überall zuhöre, ob ich möchte oder nicht. Wenn ich mal auf einem Flughafen bin laufe ich auch durch die Gegend. Nur irgendwo zu sitzen ist mir zu langweilig und macht mich auch nervös.

Im Berufsleben mache ich immer 100 % ig meine Arbeit. Aber die Karriereleiter wollte ich nie hochklettern. Hätte mir zwar mehr Geld eingebracht, aber soviel Verantwortung wäre nichts für mich gewesen. Trotzdem hatte ich Chefs, die aufgrund meiner Arbeit, mehr in mir gesehen hatten.
Kief

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Kief »

Tyrion hat geschrieben: 25 Nov 2018 14:28Okay, bei Existenzgründern ist das erstmal was anderes. Aber die haben wahrscheinlich auch noch nicht so viele Stellen, die man mit unterschiedlichen Persönlichkeiten (Charakteren) besetzen könnte. Da macht ja wahrscheinlich eher eine Person alles (oder vielleicht nimmt der Ehepartner oder sonst wer noch etwas ab). Aber größere, etablierte Unternehmen hätten theoretisch schon die Möglichkeit gezielter die Posten zu besetzen.
Auch bei einer Personalabteilung mit drei oder fuenf Personalern erwarte ich noch nicht gleich das gute Feingefuehl.
Erst wenn es ne Personalabteilung ist, in der ein Genie (oder jemand Gruendliches mit Feingefuehl) plus ein paar Assitenten sind, erst da wuerde ich eine wirklich bessere Personal-Zuordnung erwarten.

Qualitaet kommt nicht durch Masse.
Sondern wenn jemand mit Qualitaets-know-how an Bord ist - und dann von Alltags-Kram den Ruecken freigehalten bekommt.

In groesseren Betrieben erwarte ich gar nicht, dass die sich darum bemuehen, derlei zu etablieren.
Solche Qualitaet erwarte ich eher in einem Betrieb einer Groessenordnung von zweistellig, maximal dreistelligen Mitarbeitern - darueber erwarte ich dann einfach andere Prioritaeten.
Und zu starre Strukturen, um derlei Qualitaetsziele umzusetzen.


K
Tyrion

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Tyrion »

Kief hat geschrieben: 25 Nov 2018 15:49Auch bei einer Personalabteilung mit drei oder fuenf Personalern erwarte ich noch nicht gleich das gute Feingefuehl.
Erst wenn es ne Personalabteilung ist, in der ein Genie (oder jemand Gruendliches mit Feingefuehl) plus ein paar Assitenten sind, erst da wuerde ich eine wirklich bessere Personal-Zuordnung erwarten.
Also Intros werden ja gute Menschenkenntnisse und Empathie nachgesagt... :pfeif: ;)

Unser Betrieb umfasst 400 Mitarbeiter. Darauf habe ich mich natürlich auch in erster Linie bezogen.
Kief

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Kief »

Tyrion hat geschrieben: 24 Nov 2018 10:14
Kief hat geschrieben: 22 Nov 2018 22:54Dazu brauchst Du eben auch jemanden, der sich die Muehe macht, genauer hinzusehen - und die Kompetenzen auch unterscheiden kann [ ... ]
Dann allerdings geht es auch um Verantwortung, um Fuehrungsaufgaben ... bei denen Introvertierte nicht so eifrig die Hand heben wie der Egomane, der seine Karriereleiter emporklimmen will.
Das ist eigentlich etwas, was ich vom Personalleiter eines Unternehmens erwarte, dass er in der Lage ist zu wissen, welche Persönlichkeitsmerkmale für welche Stelle in dem Unternehmen wichtig sind und dann gezielt die passenden Charaktere aussucht. Das wäre ja auch im Sinne des Unternehmens sinnvoll, [ ... ]
Passiert das auch bei Euch?

Gemaess dem hier:
Tyrion hat geschrieben: 25 Nov 2018 20:35 Also Intros werden ja gute Menschenkenntnisse und Empathie nachgesagt... :pfeif: ;)

Unser Betrieb umfasst 400 Mitarbeiter. Darauf habe ich mich natürlich auch in erster Linie bezogen.
duerften bei Eurer Groessenordnung ja bestimmt auch Leute mit der Personalentwicklung beschaeftigt sein - oder?
Wie detailliert arbeiten die mit den Staerken/Schwaechen von Euch, oder gar mit den Wuenschen von Euch?

Mir hat meine Zeitarbeitsfirma gesagt, sie haetten da nen Auftraggeber, fuer den sie jemanden mit Staplerschein braeuchten.
Ich konnte also ueberlegen, ob ich den Einsatz machen will, und dafuer den Staplerschein von der Firma gesponsort kriege.
Ist sicherlich angenehm und klingt soweit nett.
Aber das ist halt ganz was anderes, als den Mitarbeiter zu fragen, in welchen Taetigkeiten man seine eigenen Traeume verwirklichen kann.


K
Stabil

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Stabil »

Tyrion hat geschrieben: 25 Nov 2018 20:35 Also Intros werden ja gute Menschenkenntnisse und Empathie nachgesagt... :pfeif: ;)
Tja, damit haben wir gute Voraussetzungen für Kennenlernen und Beziehung.

Man muss Menschenkenntnis und Empathie auch kommunizieren und das kann man lernen.
AviferAureus

Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von AviferAureus »

Kief hat geschrieben: 25 Nov 2018 22:52 [....] Mir hat meine Zeitarbeitsfirma gesagt, sie haetten da nen Auftraggeber, fuer den sie jemanden mit Staplerschein braeuchten.
Ich konnte also ueberlegen, ob ich den Einsatz machen will, und dafuer den Staplerschein von der Firma gesponsort kriege.
Ist sicherlich angenehm und klingt soweit nett.
Aber das ist halt ganz was anderes, als den Mitarbeiter zu fragen, in welchen Taetigkeiten man seine eigenen Traeume verwirklichen kann.
Ich weiß, was du meinst, Kief. Der Versuch, eigene berufliche Wünsche mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen, erfolgt für das Personal aber zu einem Großteil schon eine Stufe vorher, mit der - nennen wir es mal etwas euphemistisch - Wahl des Ausbildungs- und später Arbeitsplatzes, d. h. der Bewerbung des potentiellen Auszubildenden oder Arbeitnehmers auf einen von ihm ausgewählten Ausbildung- oder Arbeitsplatz und bei Erfolg der Bewerbung der Annahme des angebotenen Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes. Danach gilt im Berufsleben halt das Direktionsrecht des Arbeitgebers.
PS Meine Grundschullehrerin legte großen Wert darauf, dass wir statt "(gesponsert) kriegen" besser "(gesponsert) bekommen" sagen und schreiben.
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Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Ringelnatz »

Kief hat geschrieben: 25 Nov 2018 22:52 Mir hat meine Zeitarbeitsfirma gesagt, sie haetten da nen Auftraggeber, fuer den sie jemanden mit Staplerschein braeuchten.
Ich konnte also ueberlegen, ob ich den Einsatz machen will, und dafuer den Staplerschein von der Firma gesponsort kriege.
Ist sicherlich angenehm und klingt soweit nett.
Aber das ist halt ganz was anderes, als den Mitarbeiter zu fragen, in welchen Taetigkeiten man seine eigenen Traeume verwirklichen kann.
Naja, Kief, wenn sie jemanden mit Staplerschein brauchen und deine Träume woanders liegen - wofür sollen sie dich dann einstellen und bezahlen? In diesem Fall müsstest du sie ja erstmal davon überzeugen, dass die Verwirklichung deiner Träume auch ihren Zielen zugute kommt. Wenn du das kannst, steht einer Zusammenarbeit wohl nichts im Wege...
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Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Tania »

Kief hat geschrieben: 25 Nov 2018 22:52 Aber das ist halt ganz was anderes, als den Mitarbeiter zu fragen, in welchen Taetigkeiten man seine eigenen Traeume verwirklichen kann.
In jedem Unternehmen gibt es nun mal nur eine begrenzte Anzahl von Tätigkeiten, die erledigt werden müssen. Ich fände es unrealistisch, regelmäßig jeden Mitarbeiter zu befragen, welche dieser Tätigkeiten ihm denn am liebsten wäre. Insbesondere weil zu erwarten ist, dass sich 80% der Leute für die 20% der besseren Jobs interessieren. Wessen Träume soll man dann erfüllen?

Vielleicht wäre ich ein böser Chef. Aber wenn sich einer meiner hypothetischen Mitarbeiter für eine bestimmte Position im Unternehmen interessiert, dann erwarte ich, dass er zumindest in der Lage ist, auf mich zuzukommen und dieses Interesse auszudrücken. Gern im Rahmen des alljährlichen Mitarbeitergesprächs. Dann überprüfe ich gern, ob so eine Position aktuell zu besetzen ist und wie die notwendigen Qualifikationen zu erlangen sind.
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Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von BartS »

Tyrion hat geschrieben: 25 Nov 2018 08:58 Ich wusste jahrelang nicht, dass ich introvertiert bin. Oder zumindest wusste ich nicht, was das bedeutet. Ich dachte nur immer, dass mit mir etwas nicht stimmt, dass an mir etwas falsch ist, weil ich so anders bin als die anderen. Warum macht es mir keinen Spaß jedes Wochenende das ganze Wochenende durchzufeiern? Das macht doch allen Spaß also MUSS es mir auch Spaß machen. Daran bin ich fast verzweifelt.
Ich bin zwar nicht daran verzweifelt, hielt mich aber in der Hinsicht nicht für normal. Bei größeren Feiern war ich immer froh, wenn es vorbei war. Bei Fahrgemeinschaften ärgerte es mich immer, dass ich auf diejenigen warten musste, die noch unbedingt auf der Party bleiben wollten. Wenn es viele Leute waren und man nicht wirklich abseits stehen konnte, machte es mir keinen Spaß.

Erst als in den letzten Jahren auf dem Buchmarkt lesbares über Introversion aufkam, wurde ich auf das Thema aufmerksam. Ich habe einige Artikel und ein Buch darüber intensiv gelesen und dann vieles verstanden, was da bisher bei mir und meiner Umgebung passierte. Ein echter Augenöffner. :shock: :D
Tyrion hat geschrieben: 25 Nov 2018 08:58Wer genießt es schon den Samstagabend allein zu Hause zu verbringen? Das hätte ich auch niemanden erzählen können. Das hätte einfach keiner verstanden, dass ich so fühle.
Das es relativ viele introvertierte Menschen gibt, die aber kaum auffallen, hat mehrere Gründe. Zum einen sehen wir sie kaum auf Partys, weil sie schon instinktiv solche Veranstaltungen meiden. Zum anderen in Gruppen fallen die zuerst auf, die extrovertiert agieren und nicht diejenigen, die ruhig und freundlich zuhören.
Tyrion hat geschrieben: 25 Nov 2018 08:58 Das schlimmste daran ist aber, dass ich wegen meiner nicht bewussten Introversion wohl auch mein Studium geschmissen habe. Das fiel aber auch erst Jahre später auf. Es war vielleicht nicht der einzige Grund, aber doch ein gewichtiger, denn ich hatte deswegen eine gewisse "Identitätskrise", die sich auch auf meine Leistungen ausgelegt hat und in mir den Wunsch, nur noch weg zu wollen, verstärkt hat. Wenn ich früher von meiner Introversion gewusst hätte - wer weiß? Aber das ist theoretischer Natur und außerdem Vergangenheit. Es bringt nichts sich deswegen den Kopf zu zerbrechen. Ich muss das Beste aus der derzeitigen Lage machen. :D
Das ist ja dramatisch. :sadman: Vor allem hilfreich wäre es zu erfahren, dass Intro sein was normales ist und die auch ihre Stärken haben. Aber nach außen wurde immer so getan, als wenn man Extro werden müsste, um erfolgreich zu sein. So ein Unsinn. Aber wir haben es doch geglaubt.
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Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von BartS »

Kief hat geschrieben: 25 Nov 2018 12:18Da war keine Bereitschaft auf diesen Posten - es fehlte einfach jemand, der es vernuenftig machte.
Deshalb macht es der energische, aber teils auch eskalierende Moderator.

Weil all die protestierenden und teils sicherlich introvertierten Leute sich dieser Buerde nicht annehmen.
Naja, okay, sowas kenne ich auch bei verantwortungsvollen Ehrenämtern. Bei unserem Sportverein haben wir jahrelang einen neuen Vorsitzenden gesucht. Der alte wurde immer wiedergewählt, sagte aber jedes Mal, er mache das nur ein Jahr. Nachdem er wirklich ernst machte und tatsächlich nicht mehr antrat, fand sich wirklich kein neuer Kandidat. Bis einer wirklich in langen Gesprächen bekniet wurde. Der Punkt ist einfach, als Vorsitzender musst Du bei allen Sportveranstaltungen am WE vorbeischauen, bist der Kritik aller ausgesetzt und musst Entscheidungen treffen, die nicht jeden gefallen werden. Und man macht es kostenlos. Ich vermute mal, der "Job" als Moderator ist auch nicht mit einer Gehaltserhöhung verbunden gewesen, hat zusätzliche Aufwände, und kann sich dabei Feinde machen.

Klar das solche Posten kaum jemand gerne macht. Selbst die Extros wollen solche Jobs nicht.
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Re: Leben in einer extravertierten Welt

Beitrag von Krausig »

BartS hat geschrieben: 23 Nov 2018 19:45
Tyrion hat geschrieben: 20 Nov 2018 19:31
Ninja Turtle hat geschrieben: 20 Nov 2018 18:44 Also im Grunde hab ich keine Ahnung und es gibt dafür ja auch keinen Test oder so was, wo dann am Ende In oder Ex steht.
Niemand ist zu 100 % in- oder extravertiert. Jeder Mensch hat sowohl in- als auch extravertierte Merkmale. Aber es gibt halt Menschen, die deutlich mehr in- oder extravertiert sind.
Dem ist so. Entsprechend gibt es Tests, um zu sehen, wie stark die Ausprägungen sind. Ich fand den Fragebogen in "Leise Menschen - starke Wirkung" von Sylvia C. Löhken sehr nützlich. Weiß nicht, ob er online steht.
Der da? https://www.intros-extros.com/online-test/

Mein Ergebnis:
Anzahl der Intro-Aussagen: 7
Anzahl der Extro-Aussagen: 11
Anzahl neutraler Aussagen: 2
Sie sind ein Extro und haben mindestens drei mehr Extro-Aussagen als Intro-Aussagen.
Je mehr Extro-Aussagen Sie bejaht haben, umso stärker ausgeprägt ist Ihre Extroversion.