BartS hat geschrieben: ↑29 Dez 2018 01:06
Bummi hat geschrieben: ↑28 Dez 2018 17:39
BartS hat geschrieben: ↑27 Dez 2018 23:37
Nochmal auf den Menschen zurückzukommen, wenn das Bedürfnis nach Rückzug nicht von der Introversion abhängt, von was dann?
Ach, da gibt es doch viel, ich nenne mal ein paar Sachen:
1. Hochsensibilität
2. Bedingungen, unter denen das menschliche Gehirn Reize nicht so gut filtern und verarbeiten kann, zb sehr schnell denkende Gehirne. Da ist man permanent Reizen ausgesetzt, die gar nicht so schnell verarbeitet werden können
3. soziale Phobie
4. Eine Person hat gelernt, in Gesellschaft eine Rolle zu spielen, weil sie denkt, nur dann akzeptiert zu werden.
Das sind alles Bedingungen, die bei gesellschaftlichen Aktivitäten Stress verursachen, so dass ein höheres Bedürfnis nach Rückzug entstehen kann. Und das nicht nur temporär.
Okay. Du gehst von der Annahme aus, wenn ein Mensch unter Stress leidet, dann zieht er sich automatisch irgendwann zurück, egal welcher Typ er ist. Ich habe da in der Beobachtung eine andere Erfahrung bei Menschen gesammelt. Sie haben sehr unterschiedliche Methoden um Stress abzubauen. In der Schule und im Studium habe ich oft erlebt, wie sie nach Prüfungs- oder Beziehungsstress sogar die Nähe zu Menschen suchen, mit ihnen abhängen und u.a. trinken gehen. Wenn man so will, konnte man auf den Weihnachtsmärkten wunderbar beobachten, wie (manche) Menschen Stress abbauen.
Natürlich kann man versuchen, alternativ zur Introversion andere Gründe für bestimmte Verhaltensweisen heranzuziehen. Letztlich ist Intro- und Extroversion ein Erklärungsmodell in der Psychologie, um die Wirklichkeit abzubilden. Dabei ziehe ich ein einfaches Modell einem komplizierten Modell vor, wenn ich damit bestimmte Verhaltensweisen genauso gut erklären kann. Statt von vielen verschiedenen Ursachen auszugehen, warum sich ein Mensch zurückzieht, um Energie aufzutanken, kann man hier von einer wesentlichen Ursache ausgehen. Unter den schätzungsweisen 30 bis 50% Menschen, die stärkere Introausprägungen haben, gibt es natürlich noch jede Menge unterschiedliche Klassen und Varianten.
Ich stimme dir im Grossen und Ganzen zu, hab aber trotzdem noch drei Argumente dagegen:
1. Ja, vielleicht suchen Menschen trotz ihres von mir erwähnten "Handicaps" auch häufig das Zusammensein mit anderen Menschen. Sei es, aus der Angst, nicht verpassen zu wollen, oder mal auf andere Gedanken zu kommen oder weil sie diese Menschen einfach mögen, mit denen sie sich dann treffen.
Dann merken sie aber irgendwann wahrscheinlich trotzdem, dass sie das besser nicht zweimal in der Woche machen, sondern eher nur jede zweite Woche.
Weil sie das Zusammensein mit anderen Menschen wahrscheinlich nichtsdestotrotz nicht so wirklich entspannt und eher Kraft nimmt als Kraft gibt.
Letzteres ist da der entscheidende Unterschied zu den "wirklich" Extrovertierten. Das entscheidende Kriterium für Extroversion/ Introversion ist ja, das die einen Energie aus dem Miteinander ziehen, während die anderen ihre Energie besser aus dem Alleinsein ziehen können.
2. Ja, Weihnachtsmärkte, Weihmachtsfeiern und das Miteinander im Familien- und im Verwandtenkreis über mehrere Tage zu Weihnachten. Ein schönes Beispiel übrigens.
Machen sicher viele, um Stress abzubauen und dem grauen Alltag etwas zu entkommen.
Daneben erlebe ich jedoch viele Menschen in der Weihnachtszeit als ziemlich gereizt. Oder erlebe ich das nur so, weil ich von mir zu sehr auf andere schliesse und es einfach nicht wahr haben möchte?
Aber dann gibt es da noch diverse Geschichten, wo Familienfeiern oder Feiern über Weihnachten fast schon in einer Massenschlägerei ausarten. Da wäre es vielleicht doch besser, wenn der eine oder sich frühzeitig besinnt und sich etwas zurück zieht.
Oder dienen solche Eskalierungen manchen Menschen sogar als Stressabbau?
3. Ich war gestern auf einer sehr grossen und anonymen Silvesterparty. Dabei habe ich sicher auch neue Energie gewinnen können.
Was mir aber leider Energie raubt, sind immer Events, bei denen es zu mehr menschlicher Nähe kommt. Also das längere und weniger anonyme Aufhalten in kleineren Gruppen.
Da achte ich automatisch auf alle Details, merke mir Gespräche, deren Verlauf ich später noch xmal durch gehe und analysiere. Ich befürchte oft, dass ich jemand verärgern oder traurig machen könnte. Solche Sachen beschäftigen mich noch Tage danach, auch wenn sie schön waren. (Auch bei dem Zusammensein mit nur einer weiteren Person verhält es sich da nicht anders.)
Und dieses ständige Nachdenken/Reflektieren darüber verlangt enorme Kraft.
Letzteres liesse sich gut mit Introversion erklären. Aber wieso klappt das mit der Energie dann in anonymen Menschenmassen?