Settembrini hat geschrieben: ↑21.11.2023, 09:55
Für unsichere, wenig selbstbewusste Menschen ist die Wok-Liste des „Wie du heutzutage sein sollst“ eine absolute Hemmnis zum Kennenlernen anderer Menschen.
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Die Frauen, die Inserate (damals in Zeitungen) aufgaben, schienen zumeist unglaublich selbstbewusst zu sein. Sie wussten auch alle genau, was oder wen sie da gerne haben wollten. Ihre Anzeigen beinhalteten zumeist: „Du solltest sportlich, selbstbewusst, humorvoll, verständlich, tolerant, einfühlsam, elegant, aber auch salopp sein. Du solltest wissen, was du möchtest und mit beiden Beinen im Leben stehen.“ Mit leichten Änderungen. Irgendwo im Forum gab es einen Thread, der auf diese gewünschten Eigenschaften Stellung bezog. Einige der Eigenschaften konnte ich unterschreiben. Und doch befiel mich stets ein Hauch einer Ahnung, dass die Frauen einen Supermann suchten und offenbar dabei Superfrau waren.
Ich brauchte übrigens Monate, um herauszufinden, was sich hinter den Kürzeln „HSA“ oder „OSA“ in den Inseraten verbarg.
Wenn ich mit Frauen telefonierte oder mich mit Frauen traf, waren sie nach ihren Aussagen allesamt anscheinend nur gerade mal eben Single, würden dieses Dasein auch sehr genießen und hätten im Falle dessen, dass sie von diesem Dasein genug hätten, sogleich den nächsten Partner an der Hand. Ich weiß selber, dass sie logen. Ich wusste es auch damals schon. Und ich glaube zu ahnen, dass sie merkten, dass ich es wusste. Es wird ihre Art gewesen sein, mit der ganzen Sache umzugehen und sich möglichst gut darzustellen.
Es ist eventuell ratsam, selbst deutlich zu unterscheiden, welche wahrgenommenen Forderungen und Ansprüche denn von konkreten Menschen an einen persönlich direkt gestellt werden.
Natürlich ist die (asoziale) Medienwelt voll mit dahergeplappertem "Du musst, du sollst". Früher - und in manchen Kreisen auch heut noch - war man verschrien, wenn nicht monatlich die Gardinen gewaschen wurden. Und natürlich wöchentlich, bei Bedarf öfter, den Bordstein links und rechts des Eingangs fegen, exakt bis zur Mitte des Wegs des Nachbarn, es sein denn, der ist unpässlich, dann macht man's für den mit. Und haste gesehen? Der hat sonntags kein gebügeltes Hemd an!
Heut kann man Vergleichbares tausendfach auf allen Kanälen lesen. Um so mehr, wen man danach sucht. Und wer seine Benachtigungen nicht abgestellt hat, bekommt es auch noch aufgedrängt.
Aber: alle "allgemeinen" Wünsche und Forderungen, die nciht explitzit an dich gerichtet sind, kannst du getrost ignorireren.
Was anderes ist, wenn du dich entschieden hats, zu einer bestimmten Gruppe dazuzugehören. Im Kegelverein herrschen andere Umgangs"wünsche" als beim Streetball und unter Pizzalieferfahrern andere als unter Finanzbeamten. Beruflich kam ich in Situationen festlicher Empfänge mit entsprechenden Essensgedecken. 3 Teller, 4 Gabeln und Messer, 3 Sorten Gläser, der ganz Aufwasch. Dann - erst dann - hab ich mal geschaut was Knigge dafür so empfiehlt. Der wichtigste Ratschlag: die Umgangsformen sollen helfen, das Miteinander angenehmer zu gestalten. Viele informelle Regeln sind sinnvoll, weil sie dafür sinvoll sind - und wenn nicht, dann nicht.Wer sich dann daran stört, dass jemand anderer die "falsche" Gabel in der Hand hält, ist der mit den schlechten Umgangsformen!
Was dich nicht direkt betrifft: kann dir egal sein.
Denn sonst, wie du selbst fetststellst, wird man etwas irre von den Irremachern.
Deine Erlebnisse mit Kontakanzeigen und Dates: ist dir in den Sinn gekommen, dass die Damenwelt genau demselben Scheinforderungen aufsitzt wie du? Die schreiben und erzähen das, was sie meinen, was von ihnen gewünscht wird..Und dass du das merkst, aber dann nicht in gewünschter Form reagierst (oh toll! Sie macht alles so wie sie soll) , hat vermutlich einige in Krisen gestörzt.
Aus deiner Reakiton ersiehst du aber auch, was im persönichen Kontakt eigentlich zählt: individuelle, offene, soial angemessen dosierte Ehrlichkeit. Außer bei Menschen, die tatsächlich glauben, dass man sich unbedingt an das von ihnen von außen aufgesaugte und verinnerlichte Regelset anpassen sollte.
Persönlich sehe ich die tatsächlich gestiegenen Anfporderugen eher an anderer Stelle. Da wo alles stetig schneller, knapper, komplizierter, unüberlegter wird, und mensch persönlcih aufgefordert ist, Schritt zu halten - obwohl jeder aus Erfahrug weiß, dass vieles mit einem Viertel des Tempos, 20% mehr Nachdenken und auch gut funktioneren würde.
Der gemeinsame Nenner ist die Potenzierung der auf uns eingeschüttteten Informationsmengen. Die Technik kann es, und was möglch is, wird auch gemacht. Also, mensch: renn hinterher. Warum eigentlich?
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