Reinhard hat geschrieben: ↑09 Sep 2019 20:41
Tut mir jetzt leid, dass ich kein einmaliges Epiphanie-ereignis benennen kann, aus dem eindeutig sich schlussfolgern lässt, dass heute keine Beziehung mehr gewünscht wird (oder das Gegenteil). Die Beispiele waren jetzt nicht dazu gedacht, das zu belegen, sondern meinen Gedankengang nachvollziehen zu lassen.
Schon faszinierend, wie unterschiedlich man dieselben Texte interpretieren kann, wenn man von unterschiedlichen Standpunkten drauf schaut. Für mich sind sie eher Belege dafür, dass die Leute sehr wohl Beziehungen wollen.
Eine Beziehung war jetzt nicht als etwas Erstrebenswertes dargestellt, dass man will, sondern etwas Zufälliges, das sich ergibt. In dem Sinn: Leute stellt die Anstrengungen ein, es macht eh keinen Unterschied.
Sehe ich etwas differenzierter. Einen Menschen zu finden, mit dem man eine Beziehung aufbauen kann, ist weitgehend wirklich zufallsgesteuert. Man kann dem Glück auf die Sprünge helfen, z.B
indem man die Zahl der Menschen, denen man begegnet, vergrößert, aber letztlich braucht man Glück.
Die "Anstrengungen" kommen dann später. Und da muss jeder selbst herausfinden, wie viel vom gewohnten ICH er/sie zugunsten eines WIR verändern will und kann. Der Wert dürfte irgendwo zwischen "ich bin mit meinem Leben dermaßen happy, und eine Beziehung wäre ein nur winziger Mehrwert, ich ändere gar nichts, ein Partner dürfte ab und zu, wenn ich gerade frei habe, mal vorbeikommen" und "mein Leben ist scheisse und ich wünsche mir so sehr einen Partner, ich würde locker alles hinschmeißen und mit ihm/ihr neu anfangen" liegen. Logisch, dass man im letztgenannten Zustand deutlich bessere Chancen hat, jemanden zu finden, der einen als "passend" betrachtet - man kann sich ja nach Belieben anpassen.
Aber wie gesagt - meist liegt der Wert irgendwo zwischen den beiden Extremen. Ein Teil passt von vornherein, zu einem anderen Teil sind Anpassungen erforderlich. Manche gehen da bereitwillig bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, andere sagen "Ich könnte zwar noch mehr auf meinen Partner zu gehen, aber ich will nicht, meine Individualität ist mir wichtiger, ich lasse mich nicht verbiegen." Das heisst nicht, dass die Leute keine Beziehung wollen - sie haben nur den Wunsch, auch in einer Beziehung sie selbst zu bleiben. Aus meiner Sicht ein absolut legitimer Wunsch.
Das zweite, wo es keinen Unterschied zu machen scheint ist die Abfolge zwischen dysfunktionale Beziehung und Rosarotewolkenmitglitzereinhornbeziehung. Es scheint wenig Grund zu geben von der dysfunktionalen in die Einhornbeziehung wechseln zu wollen. Alles derselbe Schrott. Sonst gäbe es zumindest weniger dysfunktionale Beziehungen.
Wenn Du ein Rezept findest, wie man in eine Rosarotewolkenmitglitzereinhornbeziehung wechselt, dann schreib ein Buch. Du wärst in Kürze Milliardär. Bis dahin nehmen die Leute halt, was sie kriegen können. Und für manch einen ist die dysfunktionale Beziehung immer noch besser als nix.
Es war ja auch nicht die Logik sondern die dargestelle "Beziehung ist mir doch wurscht" Haltung. Das "na dann halt nicht ..."
Wer merkt, dass er auf einem toten Pferd sitzt, ist mit einem "na dann halt nicht ..." besser bedient als mit jahrelangen erfolglosen Versuchen, das arme Tier zu reanimieren. Was würdest Du denn alternativ Menschen mit Beziehungswunsch empfehlen, wenn die Traumfrau/-mann einfach nicht auftaucht? Wenn nicht einmal jemand annährend Brauchbares Interesse zeigt?
Aber wer tut denn was dafür? Dass etwas Leute haben wollen würden, ja, gibt's. Als Geschenk, viele. Aber sonst?
Genug Leute tun etwas dafür, dass ihre Beziehung funktioniert. Sie ziehen z.B. in gemeinsame Wohnungen (manche wechseln dafür sogar Job und Stadt), oder sie stellen ihren gesamten Lebensrythmus um und fahren endlose Strecken, um eine Fernbeziehung zu leben. Und noch ewig viele kleine und große Dinge. Ich bin jetzt zu müde, um weitere Beispiele zu schreiben - aber wären wir in einer Beziehung, würde ich wach bleiben und die Diskussion fortsetzen. Denn dann wäre Dein Diskussionswunsch ähnlich wichtig wie mein Schlafwunsch.
Ja, es gibt Männer, die in Anbaggerlokale gehen oder in Onlinebörsen rumspammen. Die tun was.
Siehe oben. Das ist Chancenmaximierung, um einen geeigneten Partner zu finden. Damit tun sie aber noch nichts in Richtung Beziehungsaufbau
Aus der Warte gesehen kann ich vermuten, dass es anderen auch so geht.
Du bist m.E. eher eine Ausnahme als ein allgemeiner Maßstab.
Wo findet man denn genügend tolle Leute, dass es sich lohnt, dort überhaupt auf Kompatibilität zu prüfen?
Ich bin überzeugt, dass Kollege Zufall einen nahezu überall einen potentiell passenden Menschen vor die Füße werfen könnte. Aber solange Du zur Gruppe der "mein Leben ist super, ich brauche keine Beziehung"-Menschen gehörst, wird es schwer. Denn eine Partnerin, die wirklich jeden Aspekt Deines Lebens teilt, wird schwer zu finden sein. Und mit der o.g. Attitüde bist Du vermutlich null motiviert, ihr entgegenzukommen.