Menelaos hat geschrieben: ↑26 Apr 2022 13:05Aber meiner Meinung nach würde ich damit nur ihre Neigung unterstützen sich bei ihren Entscheidungen vor allem am Wohl anderer zu orientieren... und gerade das finde ich ja nicht so wirklich gut.
Es wäre aber ein Schritt in die richtige Richtung, wenn sie zumindest lernen könnte, realistisch zu beurteilen, was wirklich zum Wohl anderer ist. Das hatte ich erst letztes oder vorletztes Jahr mit meiner Verwandten: Ich war gerade bei ihr, als ihr Telefon klingelte. Sie schaute auf die Rufnummernanzeige und nahm nicht ab. Ich fragte, warum sie nicht rangeht. Im folgenden Gespräch erläuterte sie mir, dass es ein Mann ist (den auch ich kenne), der Interesse an ihr hat, aber an dem sie wirklich kein Interesse hat. Ihr Problem war nun, dass sie dachte, sie würde ihn verletzen, wenn sie ihm das sagt. Ich hab ihr dann erläutert, dass es für den Mann aber doch noch verletzender und schlimmer ist, wenn er sich vielleicht noch Jahre lang um sie bemüht und versucht, sie zu umwerben, und dadurch dann andere Frauen, die für ihn erreichbar wären, entweder gar nicht erst wahrnimmt oder aber ablehnt. Eine oder zwei Wochen später bekam ich dann einen Anruf von ihr, in dem sie sich bei mir bedankte und erzählte, dass sie ihm nun die Wahrheit gesagt hat und er es gut aufgenommen hat.
Oder beim Annehmen von Hilfe hab ich auch ein Beispiel:
Menelaos hat geschrieben: ↑20 Apr 2022 20:45Wann immer ich ihr meine Hilfe anbiete, scheint sie sich instinktiv zu fragen was sie tun muss, damit dieses "ihr helfen" zu etwas wird das mir gut tut...und wenn ihr kein Weg einfällt, schmettert sie es ab, weil es für mich ja sonst zur Belastung wird ihr zu helfen.
Das erinnert mich an meinen männlichen Bekannten, der gerne anderen hilft, aber selbst keine Hilfe annehmen will. Er erwähnte vor Jahren mal mir gegenüber, wie sehr er genervt ist von seinem besten Freund, der ihm ab & zu helfen will. Ich stimmte meinem Bekannten dann erst mal zu, denn ich nehme auch nur ungern Hilfe an (nur wenn ich mir wirklich nicht allein helfen kann - und selbst dann fühlt es sich noch unangenehm für mich an, weil ich so gern unabhängig und kompetent bin), bin also ähnlich wie mein Bekannter, bloß dass er es mit dem Ablehnen von Hilfe schon in Richtung unvernünftig-sturköpfig treibt. (So schlimm bin ich nicht.) Aber das "unvernünftig" erwähnte ich ihm gegenüber nicht, sondern ich erwähnte eine wissenschaftliche Studie, die ich irgendwann mal gelesen hatte - in der stand, dass es menschlich ist, sich beim Geben besser zu fühlen als beim Nehmen. Ich meinte dann zu ihm: Wenn du deinem Freund also mal eine besondere Freude bereiten willst, dann musst du ihm halt ab & zu auch mal erlauben, dir zu helfen, damit er sich auch mal so gut fühlen kann. Andernfalls wärst du ja ein Egoist, wenn du weiterhin darauf bestehst, immer nur allen anderen zu helfen.
Interessanterweise lässt er sich seither wirklich öfters mal helfen, ohne sich dagegen zu sträuben und ohne eine Gegenleistung erbringen zu wollen.
Und genau wegen sowas mache ich mir Sorgen um sie...
Wobei sowas aber auch nicht so schlimm ist. Beispielsweise für meine Verwandte ist die Mischung aus mittelprächtigem echtem Leben und noch schönerer Traumwelt befriedigend genug. Sie schaut viele Liebesfilme und in ihren Tagträumen ist sie eine noch schönere und noch intelligentere Frau in einer perfekten Beziehung. Hin & wieder wird sie zwar auch mal melancholisch und sagt, dass sie ihr ganzes Leben mit Träumen verbracht hat. Aber wenn ich dann sage "Du lebst noch, du kannst zumindest jetzt noch versuchen, etwas von deinen Träumen in die Realität umzusetzen", hat sich zumindest bisher noch nichts verändert. Also so schlimm kann ihr Leidensdruck nicht sein, denn sonst würde sie sicherlich versuchen, ihre Angst zu besiegen.
aber wann immer sie darüber redet, klingt es wie die Vorbereitung auf ihre Beerdigung, oder ein sehr aufgesetztes "Das wird so toll, und ich bin so glücklich glücklich glücklich damit."
Da bin ich jetzt überfragt. Also den ersten Teil kenne ich in gewisser Weise von mir, weil ich allgemein von der skeptischen Sorte bin, und entsprechend zwar "bin neugierig, will es ausprobieren" sagen/fühlen kann, aber ob mir etwas wirklich gefallen wird, kann ich im Voraus nicht beurteilen, und entsprechend verspüre ich keine Vorfreude im eigentlichen Sinn. Leute, die ich mich noch nicht lange kannten, haben mich dadurch fälschlicherweise schon für depressiv gehalten, obwohl ich gar nicht depressiv bin. (Wobei ich als Kind vor meinem ersten Urlaub auch anders war und Vorfreude empfand, aber als sich der Urlaub dann als nicht so toll herausstellte, wurde ich dann im Hinblick auf den nächsten Urlaub skeptisch.)
Ich kenne aber auch Leute, denen von ihren Eltern die Vorfreude oder Freude überhaupt aberzogen wurde. Vielleicht hat deine Freundin sowas erlebt? Und vielleicht wirkt es auf dich deswegen aufgesetzt, weil sie verlernt hat, echte Freude zu zeigen? Ist jetzt aber nur Spekulation meinerseits, denn vielleicht ist das, was du bei ihr als aufgesetzt wahrnimmst, sogar echte Freude? Menschen unterscheiden sich ja im Ausdruck von Gefühlen. Ich als Introvertierter staune auch immer, wenn manche Extravertierten vor Freude regelrecht schreien und anderen um den Hals fallen. (Mich irritiert es sogar ein bisschen, wenn ich das mitbekomme (oder noch schlimmer: wenn mir jemand um den Hals fällt), weil es mir so fremd ist und ich das nicht nachempfinden kann.)
Vielleicht könnte sie das, aber ich sehe nicht, dass sie es möchte, und ich glaube auch nicht, dass ich dieses Risiko eingehen will. Sie ist wer sie ist, und sie braucht jemanden, der sie so akzeptiert wie sie ist.
Von welchen Eigenschaften/Verhaltensweisen sprechen wir gerade? Ich dachte nämlich konkret an die Unzuverlässigkeit und die Lügen, die ja - soweit ich es korrekt verstanden habe - nur in ihrer Angst, andere zu verletzen, begründet liegen. Und diese Angst, andere zu verletzen, würde sie mit Sicherheit gerne loswerden wollen. Da könnte man also wirklich ansetzen und versuchen, ihr zu helfen, die soziale Welt realistischer zu sehen. Wenn sie z. B. bei einer Einladung schon weiß, dass sie nicht will, aber sie dann fälschlicherweise denkt, es wäre besser "mal sehen, ob ich Zeit habe, ich hab derzeit sehr viel Arbeit" zu sagen und letztlich entweder abzusagen oder vorzutäuschen, dass sie vor lauter Arbeit den Termin vergessen hat, da könnte man ja versuchen, ihr zu erklären, dass ihr Verhalten letztlich verletzender bzw. schlimmer ist, weil sich die anderen dann z. B. falls sie weder absagt noch kommt, Sorgen machen könnten, ob sie einen Unfall hatte. Sie müsste also lernen, dass "nein sagen" nichts Schlimmes ist, sondern dass die Leute sich freuen, wenn sie wissen, was jemand wirklich will und was jemand wirklich nicht will, weil sie einander dann wirklich echte Freuden bereiten können.
Wie kommst du eigentlich auf "Risiko eingehen"? Denn du hast ja selbst geschrieben, dass euer Kontakt vielleicht während der Weltreise abbrechen könnte. Also ob euer Kontakt dann im Schlimmstfall vorher schon abbricht, ist doch eigentlich egal, oder? So wüsstest du wenigstens, dass du es versucht hast und dein Bestmöglichstes gegeben hast.