OK, ich habe mich lange herausgehalten, aber ich melde mich trotzdem mal zu Wort, da ich selber Erfahrung mit Überbehütung, einer leicht sozialphobischen Mutter und Mobbing habe:
Als ich knapp ein Jahr alt war, ist meine Mutter mit mir in ein Studentenwohnheim gezogen, in dem sich unglücklicherweise eine extrem laute Heimdisco befand und meine Mutter hatte sich zusammen mit einer anderen jungen Mutter dafür eingesetzt, daß die Lautstärke etwas gedrosselt wurde.
Das führte jedoch dazu, daß beide in dem Wohnheim gemobbt wurden und die andere Mutter mit ihrem Kind schließlich ausgezogen ist, da das Studentenwerk
"für ihr Leben nicht garantieren konnte!" (O-Ton!)
Darunter Klingelstreiche(Sturmklingeln); Droh- und Kettenbriefe; anonyme und obszöne Anrufe; und ein "Familienvater" hat einmal Schneebälle mit Steinen darin an mein Kinderzimmerfenster geschmissen...
Kurz gesagt: Es war eine reichlich feindselige Umgebung und ich hab dieses Mobbing als Kollateralschaden auch mit abgekriegt, weshalb ich heute noch bei jedem Türklingeln eine Panikattacke bekomme.
Deswegen hatte meine Mutter auch Angst rauszugehen oder mich mal alleine auf dem Spielplatz gleich hinter dem Haus spielen zu lassen.
Auch Fahrrad fahren durfte ich nur mit Helm, Protektoren und speziellen Sicherheitsgriffen!
Ganz besonders schlimm war aber die Zeit nach Tschernobyl, denn wegen dem "Fallout" durfte ich monatelang nicht nach draußen und statt normaler Milch durfte ich nur eklige Trockenmilch trinken.
Praktisch war ich 95% meiner Freizeit alleine bzw. nicht mit anderen Kindern zusammen und mußte deshalb zwangsläufig lernen mich selbst zu beschäftigen.
Ich weiß nicht ob es allen klar ist, aber es ist z.B. verflixt schwer eine Partie Schach mangels Mitspieler gegen sich selber zu spielen und noch viel, viel langweiliger...
Bevor ich eingeschult wurde war ich regelrecht euphorisch und freute mich auf die Schule:
Endlich andere Kinder kennenlernen, Freunde finden, neue Sachen lernen, etc.
Tja, besser wurde es trotzdem nicht:
Ich wurde wegen meiner (hellen) Hautfarbe gehänselt, besonders die Pausen entwickelten sich zu einem Überlebenskampf und von den Lehrerinnen wurde ich getadelt, weil ich bereits vor der Schule und besser als alle anderen Schüler lesen und schreiben konnte und damit "ihre Klasse (Sprich: "Ihr Lehrkonzept") durcheinanderbrachte".
Zweimal haben sogar Lehrer/innen abgegebene Arbeiten von mir verschwinden lassen und behauptet ich hätte sie nicht abgegeben...
Aber für das, was ich am schlimmsten fand, zitiere ich mich mal aus einem anderen Thread selbst:
Shinji hat geschrieben:Seit meiner Schulzeit scheine ich für niemanden zu existieren.
In der Grundschule war ich häufiger krank und manchmal mehrere Wochen abwesend.
Die täglichen Hänseleien und der Überlebenskampf auf dem Schulhof waren noch nicht das schlimmste.
Viel schlimmer war für mich etwas, was sich jedes mal wiederholt hat, wenn ich nach so einer längeren Abwesenheit wieder in die Schule kam:
Der Klassenlehrer hatte mit den Schülern alle Bänke neu angeordnet!
Einmal waren es Reihen, einmal war die Bänke in U-Form aufgestellt und ein anderes Mal in "Arbeitsgruppen".
Aber niemals, NIEMALS war daran gedacht worden, daß ich auch noch zu der Klasse gehörte und einen Platz brauchte.
(Mir ging es tatsächlich so wie der "Geisterschülerin" Sayo Aisaka aus Negima. nur ohne das Happy End und das mir kein Platz freigehalten wurde.)
Und jedesmal stand ich dann zu Schulbeginn dumm in der Klasse herum und wußte nicht wohin oder wurde von meinen Mitschülern angemacht, wenn ich mich "irgendwo" hingesetzt hatte.
Wenn sich das im Bewußtsein erst einmal festsetzt, daß man außer für die "Bullies" für andere nicht existiert und später auch von Frauen keinerlei Beachtung bekommt, dann ist das tatsächlich nicht durch solche hohle Phrasen wie "das Glück erzwingen" oder "seines Glückes Schmied" zu ändern.
Und dann kam das Gymnasium/Gesamtschule...
Dort kam ich in eine schon als extrem gewaltbereit bekannte Klasse, deren ehemalige Klassenlehrerin sich entnervt zu einem Sabbatjahr nach Australien abgesetzt hatte...
Von der ersten Minute an wurde ich gehänselt; geschlagen; getreten; ein Schüler schlug mir eine Cola-Flasche über den Kopf und ein Mädchen hat mich an einem kalten Herbsttag so mit Wasser durchnäßt, daß ich mir eine schwere Infektion geholt habe.
Und auch besonders verletzend fand ich die Verarsche von einigen Mädchen, die mir weismachen wollten, daß sich ein anderes Mädchen "uuuunsterblich" in mich verliebt hätte und ich deshalb einen dieser
"Willst du mit mir gehen? ja/nein(kein vielleicht!)"-Zettel ankreuzen sollte, aber die sich nur über meine Reaktion darauf amüsieren wollten.
(Merksatz: Niemand interessiert sich für dich und keine wird sich je in dich verlieben und wenn doch, dann nur um deine Gefühle zu verletzen!)
Das ganze war auch nicht auf meine Klasse beschränkt, nein, alle Klassen des Jahrgangs und selbst einige der höheren Stufen machten mit.
Ich hatte praktisch nirgendwo auch nur eine ruhige Minute.
Aufgrund der ausgedehnten Gruppendynamik würde ich es sogar eher
Ijime als Mobbing nennen.
Der Klassenlehrer, dem ich mich einmal unter Tränen anvertraut hatte, machte es noch schlimmer, als er das in einer Freistunde die Mobber bat, mich doch bittööööö in Ruhe zu lassen und der Rektor wollte gegen
"Gewalt an der Schule nichts machen".
"Damit muß man leben!" (O-Ton!)
Danach war ich ziemlich fertig und stand kurz vor dem Suizid und meine einzige Lösung bestand darin, mich jahrelang abzuschotten. (Stichwort:
Hikikomori)
Als dann 2007 mein Großvater starb und kurz danach meine Großmutter und meine Mutter mit Krebs ins Krankenhaus kamen, hatte ich keine andere Wahl als mich meinen Ängsten zu stellen.
Busfahren war z.B. zuerst nur möglich, in dem ich mir ein A.T.-Feld visualisiert habe...
http://www.geosektor.de/index.php?m=e&s ... =A.T._Feld
http://www.nervarchives.com/glossary.atfield.php
Seit dem habe ich jedoch enorme Fortschritte gemacht:
Ich habe viel mit positiver Verstärkung gearbeitet, habe angefangen mich ehrenamtlich zu engagieren, bin zu Veranstaltungen gegangen, etc.
Denn wenn sich etwas verändern soll, dann muß man auch den Willen dazu haben, dies selber zu beginnen, auch wenn man seine Ängste zunächst ertragen muß.
Tatsache ist allerdings, daß sich die indirekten Auswirkungen des Mobbings heute noch negativ auf mein Leben auswirken.
Und damit meine ich jetzt nicht nur persönliche Ängste oder Verhaltensweisen.
Und hier mein Fazit:
Gegen Mobbing muß man vorgehen, aber eigene Kinder nur wegen der vagen Möglichkeit ähnlicher Erfahrungen von allem fernzuhalten, finde ich ziemlich schrecklich.
Deshalb sollte jeder mit sozialer Phobie daran arbeiten, sonst passiert so etwas:
Pascal hat geschrieben:Ich erfuhr auch, dass sie mit ihrem Sohn gerne in eine Krabbelgruppe gehen würde, aber ihre Soziale Phobie es nicht zulassen würde.
Trotzdem kann Mobbing weitreichende Auswirkungen bis in die Gegenwart haben, dazu muß man nicht in der Vergangenheit leben!
Allerdings muß irgendwo auch der Wille bestehen, an den eigenen Ängsten etwas zu ändern, wenn man seine Lebensqualität verbessern will.