@BartS: Kannst du dir für dich vorstellen, dass du zu einem Hausarzt oder gleich zu einem Therapeuten gehst und einfach sagst: Ich bin mit meinem Latein am Ende, ich brauche Hilfe! Und dann vertraust, dass du passende Hilfe erfährst? Wenn ja - wäre es dir da egal, ob du dich einem Mann oder einer Frau anvertraust?
Wem vertraust du dich bisher bei persönlichen (!), nicht beruflichen Problemen an?
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Meine Erfahrung zum Thema Therapie - vielleicht zähle ich bei dir auch zu den "Unverantwortlichen":
In jüngeren Jahren, da gab es das inzwischen gar nicht mehr so neue Psychotherapeutengesetz noch nicht, wonach man auch ohne Überweisung vom Hausarzt sich an einen Therapeuten wenden kann, hatte ich das Gefühl, ich drehe mich im Kreis, ich brauche Hilfe. Da habe ich meine Hausärztin darauf angesprochen. Das war eine DDR-Ärztin, es war in den Wendewirren, sooo allgemein anerkannt waren da Psychotherapien noch nicht (schien mir jedenfalls so). Sie schaute mich mit großen Augen an und meinte: Sie und Psychotherapie? Da kenne ich aber ganz andere, die das dringend nötig hätten. - Ich wurde kleinlaut - es passte in mein Lebensmuster: Du funktionierst doch bestens, hast dein Leben im Griff (was man so sah) - Hilfe, Aufmerksamkeit, Fürsorge ist für andere da. Du kannst sehen, wie du selbst klarkommst.
Ein paar Jahre später pfiff ich (gefühlt) psychisch auf dem letzten Loch. Da konnte ich mich inzwischen direkt an die Therapeutin wenden. Ich habe ihr die Geschichte mit der Hausärztin erzählt und gleich gemeint: Wie krank muss ich sein, damit auch mir Hilfe zusteht, wenn ich sie - gefühlt - dringend brauche? Muss ich erst einen Selbstmordversuch vortäuschen oder gar antäuschen? Sie hat sich ein wenig mit mir unterhalten und dann sinngemäß gemeint: Ihre bisherige Biografie reicht an Stoff für mindestens drei Therapien.
(Ähm, wollte ich es so genau wissen?
) Sie zahlen regelmäßig in die Krankenkasse ein, also steht Ihnen ganz selbstverständlich Hilfe zu.
Obwohl ich es nicht unbedingt brauchte, bin ich wieder zu meiner Hausärztin(es war dieselbe, halt nur einige Jahre später) und habe sie um eine Überweisung zur Psychotherapeutin gebeten. Ich habe sie problemlos bekommen. (
)
Und dann hat die Therapeutin diese 5 fünf Vorgesprächs-Termine für mich genutzt. Und nach 4 Monaten bekam ich einen regulären Therapieplatz, weil eine Patientin beruflich ins Ausland musste und der Platz frei wurde.
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Nach vielen Jahren war ich ein zweites Mal in Kurztherapie. Da merkte ich selbst, wie eine Erschöpfungswelle über mich hereinzubrechen drohte.Obwohl ich meist nach außen hin weiterhin gut funktioniere. Da bin ich - inzwischen an einem anderen Ort - zum Hausarzt und habe dasselbe gesagt: Ich brauche Hilfe, wen können Sie mir empfehlen? Ich bekam Empfehlungen, habe mich gemeldet. Das war eine Ärztin für Psychosomatik und Psychotherapie. Sie war vom längeren Antragsverfahren befreit. Ich bekam SOFORT einen Platz für eine Kurztherapie.
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Ich hatte kein Vitamin B, habe niemanden bestochen ...
Was ich aber wohl hatte: Die innere Einstellung, die nach außen strahlte: Ich brauche Hilfe, und ich bin auch gewillt, sie anzunehmen.
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Will damit sagen: Der Gedanke:" Sooo schlimm bin ich doch nicht dran, andere brauchen die Hilfe mehr, es ist unverantwortlich, noch schlimmeren "Fällen" den Platz wegzunehmen." könnte Teil des Problems sein, sich nicht als hilfsbedürftig einordnen zu wollen. Es sich nicht wert zu sein, Hilfe zu brauchen und annehmen zu wollen. Es könnte auch mit ... mhm ... Eitelkeit zu tun haben. Andere sind hilfsbedürftig, ich doch aber nicht. Gegen mich hat sich nur die ganze Welt verschworen.
Ich glaube, dass Therapeuten sehr gut erkennen, ob jemand bereit ist, Hilfe annehmen zu wollen, ob er wirklich für sich selbst Veränderung wünscht. Da öffnen sich manchmal Türen, von denen man bisher gar nichts wusste.
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Aber, vielleicht ist das wieder Wasser auf deine Mühlen: Mir hat auch eine Therapeutin gesagt (das war eher in einem fachübergreifenden Gespräch), dass sie durchaus die Gefahr sieht, dass Psychotherapie missbraucht wird von Menschen, die einsam sind einfach mal jemanden zum Reden brauchen. Die aber nicht willens sind, die Therapie dafür zu nutzen, Handwerkszeug dafür in die Hand zu nehmen, ihren Handlungsspielraum zu erweitern, um sich in RL Menschen zu suchen, mit denen sie vertrauensvoll reden können.