Morningstar hat geschrieben:Mauerblümchen hat geschrieben:
Ich gebe zu, mit einem jahrelangen Hartz-4-Empfänger oder ungelernten Helfer, der seit Jahren nur 8,50
die Stunde verdient, könnte ich mir nichts vorstellen. Aber das liegt eher daran, dass mir einfach gewisse
Charaktereigenschaften und ähnliche Zukunftsvorstellungen fehlen würden.
Wie kommst du darauf das Hartz4 Empfänger oder Niedrigverdiener generell einen schlechteren bzw
unpassenden Charakter haben ?
Wenn sie einen Charakter hätten, der von Werten wie Fleiss, Zielstrebigkeit, Leistungsbereitschaft,
Ausbildungsfähigkeit geprägt wäre, würden sie langfristig (!) weder von Hartz-4 noch von 8,50 €
die Stunde leben.
Über den zweiten und dritten Bildungsweg und die berufliche Fortbildung kann jeder hier in den Bereich
kommen, in dem Kinder, Fernreisen, Eigenheim und Auto mit Klimaanlage finanzierbar sind. Vielleicht
nicht alles auf einmal und sofort und auch Werte wie Sparsamkeit und Konzentration aufs Wesentliche
sollte da sein.
Niedrigverdiener sind bei einigen Frauen anscheinend durchschnittlich genauso gut angesehen wie 40
Jährige die noch daheim im Kinderzimmer wohnen und mit Playmobil spielen.
Ich habe beruflich immer mal mit einer Baufirma zu tun. Da sieht man die Pyramide überdeutlich. Vom
Chef mit Studium und 150.000 Euro im Jahr und Führungsqualitäten über die Gerüstbaumeister, Techniker
usw mit ~ 20 €/Stunde (50.000 €/Jahr), die Maurer (Schulabschluss und Lehre) usw mit 15 Euro (35 T€)
bis runter zu den Radladerfahrern ohne Abschluss für 8,50 (20 T€/Jahr). Die Abstufung merkt man wenn
man mit ihnen redet und die riecht (Deomangel und Alk-Fahne) man sogar.
Das ein 40jähriger beruflich nur zum Spielen mit Playmobil taugt hat ein Vorspiel und Ursachen, von denen
der Großteil seinen aktuellen Charakter geprägt hat und aus dem man berechtigte Prognosen für die Zukunft
stellen kann ... und vor denen nimmt ein potenzieller Partner besser reissaus.
Sieh es mal andersrum: Welcher Mann möchte schon eine Frau als Partner haben, die bis in die Hauptschule
abgestiegen ist und dann nach Lehre und 3 Jahren im Beruf als Friseurin beschlossen hat, dass shoppen und
RTL2 sehen so anstrengend ist, dass mehr ihr einfach nicht zugemutet werden kann? Welche Perspektive
bringt so jemand in eine Partnerschaft ein? Partnerschaft bedeutet doch auch immer sich zusammen was
aufbauen wollen .. und sei es nur eine schöne saubere Mietwohnung. Ich kenne Leute (m wie w) die es
nicht mal hinbekommen ihre Küche zu putzen obwohl sie von Hartz-4 leben, kerngesund sind und reichlich
Zeit dazu haben.
Disclaimer: Wenn all dem nachvollziehbare Ursachen wie Unfälle, Erkrankungen usw. zu Grunde liegen, sieht
alles natürlich völlig anders aus. Auch Alleinerziehende und Menschen mit ungenügenden Sprachkenntnissen
oder mit ausländischen Qualifikationen, die hier nicht anerkannt werden, haben Probleme für die sie nichts
können.
Und das in Zeiten wo ich auch schon Profs an der UNI kennen gelernt habe die weniger als 1000 im Monat
verdienen und daher beim Amt aufstocken müssen.
Das finde ich bei Profs, die pro Stunde bezahlt werden und nur wenige Stunden arbeiten, völlig normal. Dann
soll der Herr entweder mehr an der Uni arbeiten oder sich einen Zweitjob besorgen. Zeit hat er ja genug.
Übrigens: vor 40-50 Jahren war auch ein kleiner Fabrikarbeiter noch in der Lage eine Familie mit Häuschen zu
finanzieren und musste sich kaum sorgen machen Arbeitslos zu werden, heute heists für den mit Hartz4 aufstocken
weils sonst ab in die Obdachlosigkeit oder den Hunger ginge und das trotz Arbeit.
Wenn ich sehe, was heute der normale qualifizierte Fabrikarbeiter verdient und wie er sozial abgesichert ist, kann
ich deine Sicht absolut nicht nachvollziehen. Ein Facharbeiter in der Metall- oder Chemieindustrie leistet sich heute
eher ein Häuschen wie damals .. wenn er es nicht gleich erbt.
In Zahlen: Das Grundgehalt in EG7 (Mechatroniker um die 40) liegt in BaWü nach dem aktuellen Tarifvertrag der
IGMetall bei 3.050 Euro. Dazu kommen Überstunden, Weihnachts- und Urlaubsgelt, Nacht- und Feiertagszuschläge
und Zuschläge für besondere Kenntnisse (z.B. Carbonverarbeitung), Prämien usw. .. macht im Jahr mindestens
50.000 Euro brutto. 65 T€ sind weit realistischer, besonders wenn er im Schichtdient am Band arbeitet.
Denk auch mal dran, dass der Fabrikarbeiter vor 50 Jahren noch Samstags gearbeitet hat und auf min. 48 Stunden
pro Woche kam. Und das bei 2 Wochen Urlaub weniger als heute!
Sollte heute ein Facharbeiter arbeitslos werden, gibt es Sozialpläne, Kurzarbeitergeld, Frühverrentung, Auffanggesell-
schaften, Qualifikationsmaßnahmen und Abfindungen, von denen man 1965 nur träumen konnte!
Aber ok, übernehmt schön weiter die Ideolgie der herrschenden Klasse, alle Niedrigverdiener sind arm weil sie Charakterlich
oder sonstwie ungenügend sind und somit selbst Schuld an ihrem Schicksal.
Ich habe noch keinen (langfristig!) von Hartz-4 lebenden Menschen getroffen, bei dem es nicht so gewesen ist. Und ich war
jahrelang beruflich in der Betreung dieses Klientels tätig. (Ausnahmen siehe Disclaimer oben)
Als gutes Beispiel denke ich immer an eine Bekannte, die mit gutem Abschluss Kunst und Anglistik studiert hatte um
danach 3 Jahre un- oder unterbezahlte Praktikas zu machen. Sie musste aufstocken um auf den Hartz-4-Satz zu kommen.
Am Ende hatte sie die Faxen dick und hat sich für 18 € die Stunde bei Aldi an die Kasse gesetzt. Macht bei 28 Stunden/
Woche und 300 € Prämie mit 10 Überstunden im Monat 2.500 Euro brutto. Sowas sollte jeder erreichen können.