Ich schließe mich hier sehr gerne der Empfehlung an: raus damit!
Ein Outing ist befreiend. Natürlich nicht beliebig, sondern in einem angemessenen Rahmen bei Personen denen man vertraut. Es ist aber nunmal fürs Selbstwertgefühl unglaublich wichtig, sich nicht verstecken zu müssen. Nicht umsonst ist das Outing bei fast allen homosexuellen Personen ein wichtiger Schritt im Leben zu mehr Erfüllung, Selbstbewusstsein und ein nötiger erster Schritt zur Selbstakzeptanz.
Mangelnde Erfahrung ist nichts wofür man sich schämen muss. Auch wenn wir Scham empfinden. Brené Brown sagt über Scham: "The less you talk about it, the more you got it. Shame needs three things to grow exponentially in our lives: secrecy, silence, and judgment."
Ich kann den (englischsprachigen) TED-Talk allerwärmsten empfehlen!
https://www.ted.com/talks/brene_brown_l ... g_to_shame
Wir ABs können da glaube ich noch viel lernen. Offener Umgang bricht sowohl mit Geheimniskrämerei als auch mit Silence. Und das Judgement ist auch viel weniger als man befürchtet.
Meine persönlichen Erfahrungen:
+ Ich habe mich bei meinem besten Freund das erste Mal geoutet. Ich habe es in Gesprächen immer mehr offengelegt. Ich hatte es einfach, denn er kennt mich schon lange, weiß also ohnehin, dass bei mir nicht wirklich was gelaufen ist. Aber die Offenheit anstelle der nicht-greifbaren Geheimniskrämerei hat ihm die Möglichkeit gegeben empathisch damit umzugehen.
+ Der schwierigste Part war für mich den Begriff "Jungfrau" in dem Mund zu nehmen und ihn auf mich anzuwenden. Es klang dramatisch, es hat Gewissheit gegeben und keine Interpretationsspielraum mehr zugelassen. Alle Karten offen auf den Tisch.
+ Eine Freundin von mir, mit der ich eigentlich nicht (mehr) so nahe bin, war da wesentlich aktiver und hat mich immer wieder darauf angesprochen und mich gefragt, was denn nun mit meinen Frauenerfahrungen los ist. Da war ich dann ehrlich. Es hat auch geholfen, dass sie ihr eigenes belastendes Gepäck hat und wir uns so zB über Psychotherapie unterhalten konnten, die wir beide in Anspruch genommen haben.
+ Einem anderen Freund habe ich zwar nicht offen gesagt, dass ich ein AB bin, aber ich bin inzwischen viel offener, und gebe zu, dass ich Probleme damit habe Frauen anzusprechen, Beziehungen aufzubauen, dass es mir an Erfahrung fehlt, etc.
+ Bei feucht-fröhlichen Abenden, wo in der Runde dann gerne mal über die eigenen Erfolge, Misserfolge und Abenteuer geredet wird, halte ich mich immer nobel zurück.
+ Bei Spielen wie "Ich hab noch nie" spiele ich nicht mehr mit, seitdem ich einmal ziemlich eingefahren bin. Es war ziemlich deutlich, dass ich bei so gut wie nichts Erfahrung hatte und wurde nachher sogar drauf angesprochen. Die Rückmeldung war nicht neagtiv "Du hast nicht viele Erfahrungen mit Frauen, oder? Naja, kommt noch..." aber es war doch sehr embarrassing.
+ In meiner Familie habe ich das Thema Beziehung & Freundin erfolgreich tabuisiert.
+ Bei Verwandten gebe ich mich wortkarg. Das wird dann als "Der Gentleman genießt und schweigt" interpretiert.
Ich muss sagen, dass es mir in den ersten Kategorie wesentlich besser fühle, als ganzer Mensch. Wertgeschätzt und ohne Sich-Verstecken. In der letzten Kategorie bin ich damit beschäftigt mein Geheimnis zu hüten, aufzupassen was ich sage, mich zu verstecken, mich zu verstellen. Und das nagt.
Die größte Herausforderung wird sein meiner großen Jugendliebe nachträglich meine Liebe zu gestehen. Es ist damals daran gescheitert, dass ich nicht aktiv geworden bin, obwohl wir Stunden miteinander verbracht haben, uns nahe waren, und mir Kollegen schon gesagt haben, dass sie auf mich steht. Ich habe mir vorgenommen mit ihr drüber zu reden, weil ich glaube, dass ich noch immer nicht (ca. 8 Jahre) darüber hinweg bin. Ich hoffe ich bring es übers Herz und es hilft mir, damit abzuschließen. Wird aber wohl noch warten müssen, bis ich irgendwann wieder im Lande bin.
Offenheit kann heilen. Ohne gehts glaub ich nicht.
Das waren meine Gedanken zu dieser sehr wichtigen Thematik.