Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

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TheRealDeal
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Re: Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

Beitrag von TheRealDeal »

HappyEnding hat geschrieben: 21 Okt 2017 16:00
TheRealDeal hat geschrieben: 20 Okt 2017 15:01 Ich schäme mich auch nicht dafür, ich habe ja schließlich niemanden umgebracht, oder hilflose Menschen bestohlen...

Außerdem glaube ich nicht, dass ich andernfalls ein besserer Mensch wäre. Eher im Gegenteil...
Ebenfalls wahr. Vor allem gut relativiert ;)
Ich weiß natürlich, dass das absolut nichts ist, wofür sich irgendjemand schämen muss/sollte. Und trotzdem tut man es...ich. Wieso eigentlich? Ich denke, dass hat damit zu tun, dass einem von allerlei Seiten her mitgeteilt wird, was "normal" ist und was nicht. Und das ja nicht ein Mal und gut, sondern irgendwie mehr oder weniger unterschwellig permanent und von klein auf. Sich dessen bewusst zu werden und dem zu widersetzen, sich davon zu befreien, ist nicht die leichteste Übung. Aber wohl eine notwendige und mich hat das Gespräch mit meiner Freundin, glaube ich, ein gutes Stück von dieser Scham weggebracht. Und irgendwann bin ich sie hoffentlich ganz los und geh damit so entspannt um wie Du :)
Und? War dein Geständnis so schlimm, wie du es dir vorher vorgestellt hast? Insbesondere die Reaktion darauf?

Um das aber klar zu stellen: Meine Aussage sollte keine Relativierung sein. "Nur" ein Vergleich, wie ich persönlich das sehe, bzw. einordne. Alles, woran Menschen leiden, gilt es ernst zu nehmen. Wenn du beispielsweise Angst davor hättest, von einem Löwen verspeist zu werden, dann ist diese/deine Angst real, ganz gleich, wie unwahrscheinlich das sein mag.

Ich möchte aber Anregungen geben und schildern, wie aus gewissen Situationen und Mustern heraus gekommen bin. Was mir grundsätzlich dabei hilft ist, dass meine Eltern wirklich "einen guten Job gemacht haben". Denn ich habe von mir immer schon viel gehalten. Ich hatte eher Probleme einen, ja meinen Platz auf dieser Welt zu finden.
Angst verhindert nicht den Tod, aber sie verhindert das Leben.
Bergkristall

Re: Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

Beitrag von Bergkristall »

Freut mich auch, dass du die Erfahrung jetzt auch gemacht hast.

Und du hast es auch wunderbar hier dargestellt und geteilt finde ich.

Das Tolle an der Sache ist ja meist wirklich nicht nur, dass der Mensch dem man sich anvertraut einen positiv annimmt sondern eben auch diese Art von Feedback.

Die Info: so sehe ich dich.
Was in der Regel weit positiver als das eigene Selbstbild ist oder Dinge zeigt, die man nie gesehen oder bedacht hat.
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Arsonist
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Re: Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

Beitrag von Arsonist »

Ich finde das mit dem "darüber reden" extrem schwierig. Würde es gerne zwei engen Freunden anvertrauen aber damit würde ich auch zugeben dass ich sie über Jahre hinweg belogen habe. Hab mir öfter mal Frauengeschichten ausgedacht um für sie als normal darzustehen. Was die Familie betrifft geht die sowas nichts an. Mit denen rede ich ohnehin nicht viel über mein Leben.
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HappyEnding
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Re: Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

Beitrag von HappyEnding »

TheRealDeal hat geschrieben: 21 Okt 2017 16:26
HappyEnding hat geschrieben: 21 Okt 2017 16:00
TheRealDeal hat geschrieben: 20 Okt 2017 15:01 Ich schäme mich auch nicht dafür, ich habe ja schließlich niemanden umgebracht, oder hilflose Menschen bestohlen...

Außerdem glaube ich nicht, dass ich andernfalls ein besserer Mensch wäre. Eher im Gegenteil...
Ebenfalls wahr. Vor allem gut relativiert ;)
Ich weiß natürlich, dass das absolut nichts ist, wofür sich irgendjemand schämen muss/sollte. Und trotzdem tut man es...ich. Wieso eigentlich? Ich denke, dass hat damit zu tun, dass einem von allerlei Seiten her mitgeteilt wird, was "normal" ist und was nicht. Und das ja nicht ein Mal und gut, sondern irgendwie mehr oder weniger unterschwellig permanent und von klein auf. Sich dessen bewusst zu werden und dem zu widersetzen, sich davon zu befreien, ist nicht die leichteste Übung. Aber wohl eine notwendige und mich hat das Gespräch mit meiner Freundin, glaube ich, ein gutes Stück von dieser Scham weggebracht. Und irgendwann bin ich sie hoffentlich ganz los und geh damit so entspannt um wie Du :)
Und? War dein Geständnis so schlimm, wie du es dir vorher vorgestellt hast? Insbesondere die Reaktion darauf?

Um das aber klar zu stellen: Meine Aussage sollte keine Relativierung sein. "Nur" ein Vergleich, wie ich persönlich das sehe, bzw. einordne. Alles, woran Menschen leiden, gilt es ernst zu nehmen. Wenn du beispielsweise Angst davor hättest, von einem Löwen verspeist zu werden, dann ist diese/deine Angst real, ganz gleich, wie unwahrscheinlich das sein mag.

Ich möchte aber Anregungen geben und schildern, wie aus gewissen Situationen und Mustern heraus gekommen bin. Was mir grundsätzlich dabei hilft ist, dass meine Eltern wirklich "einen guten Job gemacht haben". Denn ich habe von mir immer schon viel gehalten. Ich hatte eher Probleme einen, ja meinen Platz auf dieser Welt zu finden.
Nein, das Geständnis war natürlich nicht so schlimm, aber auch absolut nicht leicht. Und die Reaktion war so, wie man sie sich für's erste Outing nicht besser hätte wünschen können. Hab ich ein Stück weiter oben im "Nachtrag" etwas ausführlicher geschildert.

Ich weiß, dass Du nicht relativieren im Sinne von "etw. kleinreden" wolltest. Aber dieses Einordnen in eine Vergleichsreihe hat "es" in einen realistischeren Bezug gerückt, der einem beim Drehen im eigenen Gedankenkarussel gern mal abhanden kommt. So hab ich es zumindest interpretiert. Das macht eine Angst, die man hat, in diesem meinem Fall die vor einer negativen Reaktion, nicht kleiner und weniger real, aber es kann ein Anstoß zur Überwindung der Angst sein.
(Hättest Du in Deinem Beispiel statt des Löwen eine Spinne an meiner Schlafzimmerdecke vorgestern Nacht erwähnt, wärst Du mir unheimlich ;) )

Das haben meine Eltern auch und trotzdem hat sich so ein kleiner fieser Selbstzweifel in mir eingenistet. Und hast Du Deinen Platz in der Welt inzwischen gefunden? Ich suche noch.
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Re: Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

Beitrag von TheRealDeal »

HappyEnding hat geschrieben: 21 Okt 2017 16:00
(Hättest Du in Deinem Beispiel statt des Löwen eine Spinne an meiner Schlafzimmerdecke vorgestern Nacht erwähnt, wärst Du mir unheimlich ;) )

Das haben meine Eltern auch und trotzdem hat sich so ein kleiner fieser Selbstzweifel in mir eingenistet. Und hast Du Deinen Platz in der Welt inzwischen gefunden? Ich suche noch.
Das mit der Spinne habe ich absichtlich nicht erwähnt. Ist mir aber eingefallen. Unheimlich möchte ich niemandem werden... ;)

Teilweise. Ich weiß aber zumindest, warum ich geboren wurde. Das ist auch etwas wert... :D
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HappyEnding
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Re: Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

Beitrag von HappyEnding »

Arsonist hat geschrieben: 22 Okt 2017 10:13 Ich finde das mit dem "darüber reden" extrem schwierig. Würde es gerne zwei engen Freunden anvertrauen aber damit würde ich auch zugeben dass ich sie über Jahre hinweg belogen habe. Hab mir öfter mal Frauengeschichten ausgedacht um für sie als normal darzustehen. Was die Familie betrifft geht die sowas nichts an. Mit denen rede ich ohnehin nicht viel über mein Leben.
Also, ich habe es ja erst einer Person erzählt und bin deshalb wohl nicht gleich prädestiniert, in dieser Hinsicht gute Ratschläge zu erteilen, aber ich hatte ebenfalls gelogen, mit schlechtem Gefühl zwar, aber eben gelogen und dieses "was wird sie von mir denken, wenn sie die Wahrheit kennt?" spukte seit der Lüge in meinem Kopf herum. Und dann spielte das so gut wie keine Rolle, wurde mir so überhaupt nicht übel genommen. Es gab eher Verständnis, weil es eine Notlüge war, aus einer Angst und Scham geboren, aber ohne böse Absicht. Unnötig wäre sie gewesen, aber hinterher ist man immer schlauer, ne?! ;)
Es ist natürlich Deine eigene Entscheidung, ich kann Dir nur sagen, dass es mir unheimlich gut getan hat, mich auszusprechen. Sicher bleibt ein Risiko, aber da beginnt dann eben Vertrauen. Und echte und enge Freunde werden Dein Vertrauen zu schätzen wissen. Ich wünsch Dir Mut und alles Gute :)
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Sinnsucher

Re: Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

Beitrag von Sinnsucher »

Ich schließe mich hier sehr gerne der Empfehlung an: raus damit! :D

Ein Outing ist befreiend. Natürlich nicht beliebig, sondern in einem angemessenen Rahmen bei Personen denen man vertraut. Es ist aber nunmal fürs Selbstwertgefühl unglaublich wichtig, sich nicht verstecken zu müssen. Nicht umsonst ist das Outing bei fast allen homosexuellen Personen ein wichtiger Schritt im Leben zu mehr Erfüllung, Selbstbewusstsein und ein nötiger erster Schritt zur Selbstakzeptanz.

Mangelnde Erfahrung ist nichts wofür man sich schämen muss. Auch wenn wir Scham empfinden. Brené Brown sagt über Scham: "The less you talk about it, the more you got it. Shame needs three things to grow exponentially in our lives: secrecy, silence, and judgment."

Ich kann den (englischsprachigen) TED-Talk allerwärmsten empfehlen!
https://www.ted.com/talks/brene_brown_l ... g_to_shame

Wir ABs können da glaube ich noch viel lernen. Offener Umgang bricht sowohl mit Geheimniskrämerei als auch mit Silence. Und das Judgement ist auch viel weniger als man befürchtet.

Meine persönlichen Erfahrungen:
+ Ich habe mich bei meinem besten Freund das erste Mal geoutet. Ich habe es in Gesprächen immer mehr offengelegt. Ich hatte es einfach, denn er kennt mich schon lange, weiß also ohnehin, dass bei mir nicht wirklich was gelaufen ist. Aber die Offenheit anstelle der nicht-greifbaren Geheimniskrämerei hat ihm die Möglichkeit gegeben empathisch damit umzugehen.
+ Der schwierigste Part war für mich den Begriff "Jungfrau" in dem Mund zu nehmen und ihn auf mich anzuwenden. Es klang dramatisch, es hat Gewissheit gegeben und keine Interpretationsspielraum mehr zugelassen. Alle Karten offen auf den Tisch.
+ Eine Freundin von mir, mit der ich eigentlich nicht (mehr) so nahe bin, war da wesentlich aktiver und hat mich immer wieder darauf angesprochen und mich gefragt, was denn nun mit meinen Frauenerfahrungen los ist. Da war ich dann ehrlich. Es hat auch geholfen, dass sie ihr eigenes belastendes Gepäck hat und wir uns so zB über Psychotherapie unterhalten konnten, die wir beide in Anspruch genommen haben.
+ Einem anderen Freund habe ich zwar nicht offen gesagt, dass ich ein AB bin, aber ich bin inzwischen viel offener, und gebe zu, dass ich Probleme damit habe Frauen anzusprechen, Beziehungen aufzubauen, dass es mir an Erfahrung fehlt, etc.

+ Bei feucht-fröhlichen Abenden, wo in der Runde dann gerne mal über die eigenen Erfolge, Misserfolge und Abenteuer geredet wird, halte ich mich immer nobel zurück.
+ Bei Spielen wie "Ich hab noch nie" spiele ich nicht mehr mit, seitdem ich einmal ziemlich eingefahren bin. Es war ziemlich deutlich, dass ich bei so gut wie nichts Erfahrung hatte und wurde nachher sogar drauf angesprochen. Die Rückmeldung war nicht neagtiv "Du hast nicht viele Erfahrungen mit Frauen, oder? Naja, kommt noch..." aber es war doch sehr embarrassing.
+ In meiner Familie habe ich das Thema Beziehung & Freundin erfolgreich tabuisiert.
+ Bei Verwandten gebe ich mich wortkarg. Das wird dann als "Der Gentleman genießt und schweigt" interpretiert.

Ich muss sagen, dass es mir in den ersten Kategorie wesentlich besser fühle, als ganzer Mensch. Wertgeschätzt und ohne Sich-Verstecken. In der letzten Kategorie bin ich damit beschäftigt mein Geheimnis zu hüten, aufzupassen was ich sage, mich zu verstecken, mich zu verstellen. Und das nagt.

Die größte Herausforderung wird sein meiner großen Jugendliebe nachträglich meine Liebe zu gestehen. Es ist damals daran gescheitert, dass ich nicht aktiv geworden bin, obwohl wir Stunden miteinander verbracht haben, uns nahe waren, und mir Kollegen schon gesagt haben, dass sie auf mich steht. Ich habe mir vorgenommen mit ihr drüber zu reden, weil ich glaube, dass ich noch immer nicht (ca. 8 Jahre) darüber hinweg bin. Ich hoffe ich bring es übers Herz und es hilft mir, damit abzuschließen. Wird aber wohl noch warten müssen, bis ich irgendwann wieder im Lande bin.

Offenheit kann heilen. Ohne gehts glaub ich nicht.

Das waren meine Gedanken zu dieser sehr wichtigen Thematik. :)
Wild West Zorro
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Re: Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

Beitrag von Wild West Zorro »

Ich habe das ganz lange verheimlicht.. Hat öfter mal zu merkwürdigen Ausflüchten geführt.. aber als meine erste Beziehung beendet war, habe ich das allen meinen guten Freunden erzählt (5 Stück waren es)..

Keiner hat auch nur ein schlechtes Wort darüber verloren. Da war ich im nachhinein echt froh dass ich es erzählt habe, es hat alle 4 Freundschaften richtig aufgewertet in Bezug auf Offenheit, Ehrlichkeit, Direktheit.. Geheimniskrämerei ist gegenüber seinen Freunden doch im Grunde unnötig.
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HappyEnding
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Re: Die Sache mit dem "Darüber-Reden"

Beitrag von HappyEnding »

Vielen Dank, lieber Sinnsucher, für Deinen klugen Beitrag!
Sinnsucher hat geschrieben: 01 Nov 2017 21:33Offenheit kann heilen. Ohne gehts glaub ich nicht.
Was für ein wahrer Satz!
Sinnsucher hat geschrieben: 01 Nov 2017 21:33 Die größte Herausforderung wird sein meiner großen Jugendliebe nachträglich meine Liebe zu gestehen. Es ist damals daran gescheitert, dass ich nicht aktiv geworden bin, obwohl wir Stunden miteinander verbracht haben, uns nahe waren, und mir Kollegen schon gesagt haben, dass sie auf mich steht. Ich habe mir vorgenommen mit ihr drüber zu reden, weil ich glaube, dass ich noch immer nicht (ca. 8 Jahre) darüber hinweg bin. Ich hoffe ich bring es übers Herz und es hilft mir, damit abzuschließen. Wird aber wohl noch warten müssen, bis ich irgendwann wieder im Lande bin.
Ich drücke Dir dafür ganz fest die Daumen!! Ich weiß, wenn man sich zu etwas entschlossen hat, möchte man es am besten sofort erledigen, aber es hetzt Dich keiner und der richtige Zeitpunkt wird kommen.
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