Ferienhaus hat geschrieben: ↑29 Okt 2018 18:03
Hallo zusammen.
Ich kenne dieses Forum nun seit ein paar Monaten, habe in dieser Zeit sehr viele Beitragsstränge durchgelesen und bin, wie ihr sehen könnt, seit 2 Monaten selbst aktiver Beitragsschreiber.
Eine kurze Selbstbeschreibung: Ich bin Mitte 20, am Beginn meines Studiums, hatte mehrere Jahre teilweise schwere Depression (mit langem Klinikaufenthalt und allem Drum und Dran inklusive mehreren Medikamenten). Ich bin absoluter HC-AB. Ich studiere weit weg von meinem ehemaligen Heimatort und habe an meinem neuen Wohnort keinerlei soziale Kontakte. Mein Aussehen würde ich als durchschnittlich beschreiben (wenn auch nicht der Größte).
Nun habe ich, durch die intensive Beschäftigung hier, einiges an Erkenntnissen über das AB-Dasein, den Partnermarkt, usw. bekommen, auch im Bezug auf mich. Diese wären u. A. :
- Der wichtigste Bereich, bei dem immer noch viele Menschen einen Partner kennenlernen, ist wohl durch den Freundes- und Bekanntenkreis. Einen solchen habe ich an meinem neuen Wohnort nicht und selbst an meinem alten Wohnort so gut wie gar nicht. Da ich keinerlei Freundes- und Bekanntenkreis habe, dürfte ich sowieso schon sehr "strange" wirken (Die Situation ohne Freundeskreis zieht sich bei mir eigentlich seit der Pubertät so, ich habe also auch hier kaum mehr Erfahrung).
- Viele Freundes- und Bekanntenkreise sind, wenn Leute in ihren 30ern sind (und sowieso dann fast alle verpartnert sind) und oftmals mit Beruf, Familie und Kindern voll eingedeckt sind, sehr stark verkrustet oder es wird eh nur noch was mit anderen Paaren gemacht. Dann wird es noch sehr viel schwieriger, den Bekanntenkreis zu erweitern. Auch für mich tickt eine Art "Uhr", wenn ich es die nächsten Jahre nicht schaffe, ins Partnerschaftsspielchen hereinzukommen, wird es noch extrem viel schwerer für mich.
- Ich hatte wie gesagt eine sehr schwere psychische Erkrankung, welche die letzten Jahre teilweise mein ganzes eben bestimmt hat. Egal wie man es dreht und wendet, eine solche Biographie wirkt wohl extrem abschreckend auf viele potenzielle Partner. Mein Lebenslauf wurde dadurch auch beeinträchtigt und das lässt sich daher nicht verschweigen, auch wenn ich so viel Sozialkompetenz hätte, beim ersten Date nicht meine ganze Leidensgeschichte vorzutragen und damit "mega-creepy" zu wirken.
- Ich hatte dadurch auch kaum "Erlebnisse" von denen ich berichten kann oder irgendetwas, was mich "interessant" erscheinen lässt. Nix mit Auslandsjahren, wilde Parties, Studienerlebnisse usw, ich war nichtmal in 'nem Cafe oder mal im Kino. Ich kann eigentlich nur in sarkastischer Weise einen Psychiatrieaufenthalt beschreiben.
Und Interesse am Studienfach (im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich) und Politik.
- Speziell in meiner Generation, also bei anderen Leuten in ihren Zwanzigern, scheint mir die normale Beziehungsanbahnung "Kennenlernen - Sex - Verlieben" zu sein. Man geht locker-flockig durchs Leben, trifft eine interessante Person, schläft ein paar mal miteinander und wenn es dann passt, ist man halt "zusammen". Wenn nicht, hatte man immerhin ein schönes Techtelmechtel. Schon klar, dass das in gewisser Weise normal ist in den 20ern. Für mich allerdings sehr problematisch, da mir sowas viel zu schnell gehen würde und ich mir beim ersten Mal eher Zeit lassen möchte. Mein Gott, ich bin nicht mal Küssen oder Händchenhalten gewohnt...
- Tinder oder Singlebörsen sind wegen extrem vieler Nachrichten, die Frauen da bekommen und deren brutalem Auswahlverfahren sowie enormes Augenmerk auf "Extrem gutes Aussehen" wohl "vermintes Gebiet" für männliche Singles oder zumindestens extrem schwer. Soll
nicht misogyn wirken, aber für junge Frauen, welche kurzen Spaß suchen wohl ganz gut geeignet, für den männlichen HC-AB verstärkt sich da noch der Frust.
- Dinge wie Partys oder "Mal ein Bierchen trinken gehen" is nich', da ich wegen Dauermedikation seit Jahren keinen Alkohol trinken darf und sich das erstmal auch nicht ändern wird.
Insgesamt hat mir die Summe all dieser Erkenntnisse die letzten Monate ziemlich den Boden unter den Füßen weggezogen und mir, wenn ich ehrlich bin, sogar meine einigermaßen gute beherrschte Depression scheinbar wieder verstärkt. Ich persönlich fühle mich dann auch immer sehr dumm und inkompetent, weil mir viele Dinge einfach unklar waren:
"Echt? Aber das weiß man doch eigentlich, dass ab den 30ern die Freundeskreise total verkrustet sind."
Ich wusste sowas nicht. Hatte mit Freundeskreisen oder dem "normalen Leben" bisher wenig zu tun...
Als ich anfing, mich mit dem Thema zu beschäftigen, dachte ich mir: "Du bist zumindestens mal aus deiner sehr ländlichen Heimat herausgekommen. Einfach wird es nicht eine Partnerin zu finden, aber ich denke, es könnte klappen. Versuch trotzdem an der Uni dich zu engagieren bei verschiedenen Sachen, mehr Hobbys machen, mehr unter Leute kommen und das Studium erfolgreich machen, dann hast auch du eine Chance, dass bei dir Topf und Deckel zusammenkommen."
Ich bin durch das die letzten Wochen in ein ziemliches Loch gefallen und mein Optimismus, der vorher so einigermaßen noch existiert hat, ist ziemlich brutal weg. Ich habe sogar das Gefühl, wenn ich hier nicht so viel gelesene hätte und mir meinen naiven Optimismus beibehalten hätte, hätte ich mir Zuversicht und vielleicht eine bessere Ausstrahlung und würde momentan sehr viel leichter durchs Leben gehen. Das Glück des Narren, ihr wisst schon.
Das Ganze soll übrigens kein Vorwurf an das Forum oder irgendwelche Mitglieder sein, eher im Gegenteil. Mein Gesamteindruck hier im Forum ist, dass es sich hier um ein relativ angenehmes "Plätzchen Internet" handelt, in dem viele intelligente Beiträge von hohem Niveau stehen.
Es ist eher die brutale Faktenlage, welche auch das Forum nicht ändern kann.
Kommentare, Anregungen, Anmerkungen... Ich überlasse euch das Feld.
Mit einer letzten Bitte: Es mag blöd klingen, aber mein persönlicher Zustand ist zur Zeit nicht der Beste. Ich bitte daher um eine Portion Sensibilität. Das ist alles.