Bergfan hat geschrieben:Inwiefern siehst Du einen Widerspruch?
Inwiefern siehst du, dass ich einen Widerspruch sähe? Ehrlich: das kann ich gerad nicht nachvollziehen. Im von dir zitierten Beitrag stelle ich eine Frage und spiele verschiedene Antwortoptionen durch. Dann kommt der kleine wissenschaftliche Exkurs samt meiner Interpretation und anschließend das Richtig/Verkehrtdrehen (je nach Standpunkt).
Zu deiner Argumentation (unter dem Vorbehalt, dass ich sie möglicherweise gar nicht versteh, weil mir deine Voraussetzung, mein "Widerspruch", nicht erkenntlich ist):
Bergfan hat geschrieben:Ich sehe Verliebtheit zum Großteil mit sexueller Attraktivität (des Mannes) in Zusammenhang. Genau so wie die Forschungsergebnisse von dir zitiert werden.
Sorry: nein. Nirgendwo ist da die Rede von Verliebtheit und sexueller Attraktivität. Bestenfalls insofern, als beides natürlich auch eine Form sozialer Interaktion ist. Aber über einen Zusammenhang zwischen Verliebtheit, sexueller Attraktivität und Geschlecht wird da nichts gesagt (und war auch nicht Fragestellung).
Bergfan hat geschrieben:Nur eine Minderheit der Männer strahlen aber auf die Frau diese Attraktivität von vornherein aus.
Das ist deine Behauptung. Kann sein, kann nicht sein. Nehmen wir an, es ist so (was normal wäre und nicht geschlechtsspezifisch ist: mich interessiert jedenfalls auch nur ein geringer Teil der Frauenwelt)
Bergfan hat geschrieben:Demnach ist sie gezwungen sich umzuorientieren und mehr Dinge/Eigenschaften als "attraktiv" wahrzunehmen.
Wieso das? Soweit du dich auf die Studie beziehst: Da wird nur gesagt, dass Frauen schneller sind, soziale Interaktion - in diesem Sinne auch sexuelles Interesse, das ihnen entgegengebracht wird - zu bemerken. Das wird wohl kaum zur "Umorientierung" führen.
- Unabhängig davon - und da verlassen wir das, was die Studie abdeckt: Du meinst, wenn eine Frau bei Männern zu selten ein Prickeln verspürt, dann guckt sie halt auf andere Faktoren? Mag ja sein, aber warum sollte es dann trotzdem prickeln? Das Prickeln wird ja immerhin durch den Mix der gesamten Erscheinung ausgelöst; und zwar der Erscheinung des Mannes, die die Frau (die ja auch nicht "die" Frau, sondern eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Frauen mit unterschiedlichen Perspektiven, ist) erlebt. Mag ja sein, dass sie irgendwann feststellt: Ich habe mich bisher immer zu sehr auf Äußere konzentriert, aber im Grunde finde ich nettes Benehmen auch so schon sehr sexy. Oder beliebige andere Perepktivwechsel. - Nur was sollte uns das sagen? Dass Menschen unterschiedliche Konstellationen als sexy erleben? Dass Menschen aus Erfahrung ihr Verhalten ändern? Das ist Alltagswissen.
Bergfan hat geschrieben:Als krasses Gegenbeispiel dienen Gesellschaften, in denen Menschen sich ihren Partner gar nicht selbst aussuchen können. Ich denke kaum, dass diese Ehen glücklich sein könnten, wenn nicht beide Partner sich "arrangieren". Vermutlich geschieht dies dadurch, dass unbewusst positive Seiten am Partner gesucht und gefunden werden. Ich möchte wette, dass dort kaum weniger Menschen sagen würden, dass sie ihren Ehemann/ihre Ehefrau lieben, als bei uns.
Ich sehe nicht, inwiefern das ein Gegenbeispiel oder ein Gegenpol ist. Es ist einfach eine andere Konstellation. Grundsätzlich würde ich wie du von den beschriebenen Mechanismen ausgehen. Dabei sollte man bedenken, dass diese Menschen in einer anderen kulturellen Umgebung aufwachsen und von daher von Anfang an eine andere Vorstellung von Glück und sicher auch ein anderes Konzept von partnerschaftlicher Liebe mitbringen. Nichtsdestotrotz gibt (und gab - hierzulande ist es ja auch nicht so ewig her) es fraglos auch in diesen Kulturen Menschen, die romantische Liebe empfinden und leben. (Aus den Königshäusern, wo ja oft auch aus Machtinteressen der Nachwuchs verkuppelt wurde, ist bekannt, dass Mätressen und Liebhaber an der Tagesordnung waren; ein offenes Geheimnis und durchaus auch zwischen den sich nicht liebenden Partnern toleriert, sofern man sich an gewisse Konventionen hielt, die das äußere Bild der Ehe nicht gefährdeten. Öfter natürlich bei Männern als bei Frauen; Emanzipation war und ist in solchen Kulturen meist noch nicht ganz so weit. Es soll aber auch entsprechende Matriarchate geben/gegeben haben. Es ist ja bekannt, dass solche Kuppelheiraten oftmals an den eigentliche romantischen Gefühlen der Ehegatten vorbeigingen. Dann musste der Geliebte eben aus Staatsräson im Hintergrund bleiiben. Bei bürgerlichen Ehen war das schon etwas aufgeweicht: Liebesehen, wie auch Kuppelehen; da ist auch nicht soviel über nebeneheliche Verhältnisse bekannt, aber die Geschichtssschreibung ist da ohnehin lückenhaft und eher auf die oberen Schichten konzentriert.)
Bergfan hat geschrieben:M.E. wird in unserer Gesellschaft einfach durch Einflüsse von außen, vor allem der Medien, der Anpassungsprozess der eigenen Ansprüche an die Realitäten und die eigenen Partnermöglichkeiten zunehmend erschwert. Die Unzufriedenheit wächst.
Wird der Anpassungprozess erschwert? Oder verändert er sich nur, wie das immer schon gesah, wenngleich vielleicht nicht immer so schnell? Ich denke auch, dass "Unzufriedenheit" wächst; ich würde es anders nennen, weil ich dabei vor allem an psychische Leiden denke, die wegen schwindender Ruhe-/Frei- und Sozialzeit entstehen. Hat also mit Partnerdingen in meiner Sicht eher weniger zu tun. Der zunehmenden Flexibilität und den angeblichen Ansprüchen, die ja scheinbar die "Anpassung" erschweren, steht ja auch ein zunehmendes Maß individueller Freiheit gegenüber, mit diesen Gegebenheiten umzugehen. Heute ist halt auch viel mehr möglich, aus was man sich seinen Weg basteln kann (oder muss, je nach Perpektive). Statt mit 20 zum ersten Mal in die Kiste und mit 75 zum letzten Mal gemeinsam in die Kiste, gibt es heute öfter mal "Lebensabschnittspartner". Ist die Option, nach 5, 10 oder 20 Jahren bei Unzufriedenheit - aus welchen Gründen auch immer, warum nicht entschwundener Liebe - den Partner zu verlassen und ein anderes Leben einzuschlagen, eventuell einen neuen Partner zu finden, nun wirklich leichter oder schwerer als die Aussicht, noch 30 Jahre mit jemand zusammenzuleben, den man eigentlich schon nicht mehr riechen kann? Denn auch Nicht-Liebesehe gibt eine Gewähr, dass man sich schätzen lernt. Hier wie dort gibt es glückliche Menschen, hier wie dort unglückliche. Nicht zuletzt gibt es auch hier viele Paare, die in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen zusammenziehen/heiraten; "Eine Wohnung ist doch billiger. Dann können wir uns auch ein zweites Kind leisten" Und dann stellen sie fest oder auch nicht, dass ihre Liebe das aushält, daran wächst oder dass sie es unter einem Dach nicht aushalten. Oder auch: dass es mit einer Fernbeziehung klappt (auch nichts Neues: Seeleute kennen das gar nicht anders.) Nebenbei: Früher haben Menschen in der Regel auch kürzer gelebt. Wer mit 20 heiratete, zog seine Kinder auf, wurde mit 40 Großeltern und dann war auch bald als das Alter und der Tod in Sicht. Mehr als zehn, 15 Jahre echter Ehe - Kinderaufzuchtsphase - waren nie vonnöten. Insofern ist der heutige Trennungsrhythmus gar nicht so ungewöhnlich; zumindest ist der Mythos des "früher blieb man sich ewig treu, komme was wolle" eine Fehleinschätzung: ewig waren eben in der Regel nur maximal 20, 25 Jahre, und 10 davon konnte man sich auch unter einem dach ohne Schaden gegenseitig aus dem Weg gehen.
Was die Beziehungsanbahnung angeht: Einen liebenden Partner zu finden, ist bis zu einem gewissen Maß natürlich Glücksspiel. Dann hat man aber - nach einer Karenzzeit - auch eine gewisse Gewähr, dass man sich eine Zeitlang gut versteht und vielleicht Dinge wie Familiengründung, Hausbau etc. in Angriff nehmen kann. - Einen Partner für eine ökonomisch (oder sonstwie nicht-liebend) motivierte Partnerschaft zu finden, ist natürlich auch Glücksspiel, aber man hat erst mal "härtere" Kriterien zur Hand: Im Extremfall: Ich Geld, du Hausfrau+Mutti. Aber ob daraus eine zufriedene oder gar liebende Partnerschaft wird: das ist dann ebenso Glücksspiel. Welche Strategie da auf lange Sicht die bessere ist? Ich denke, da sind wir wieder bei der Kulturfrage: Wer von klein auf ein bestimmtes Verhaltensspektrum kennengelernt hat, wird damit auch besser zurechtkommen. In der Regel. Ausnahmen bestätigen diese bekanntlich.
Letztendlich denke ich, dass dieser ganze Lebenskomplex Anbahnung/Sex/Partnerschaft so tief im Menschen angelegt ist, dass das im Großen und Ganzen unter egal welchen Gesellschaftsverhältnissen überwiegend zufriedenstellend funktioniert bzw. anpassungsfähig ist. Sollten wir das eines Tages in größerem Maßstab nicht mehr hinbekommen, sollten wir hoffen, dass die Sache mit der künstlichen Befruchtung zuverlässig funktioniert, sonst geht es abwärts mit der Menschheit (ein paar Milliarden weniger - auf natürlichem Wege, bitte - wären aber auch nicht dramatisch).
cc72 hat geschrieben:WIR haben schon Telefon. Und Internet. IHR nicht?
Und deswegen könnt ihr nicht mehr nach Diktat verreisen??