I.
II.Blindheit
Du gehst auf Menschen zu,
machst dir ein Bild,
glaubst sie zu kennen,
meinst es wäre alles,
doch siehst nur einen Teil
von Ihnen.
Investiere mehr Zeit,
lerne das Sehen,
schärfe deinen Verstand,
feile an der Güte,
und halte die Irrtümer fern
von dir.
III.Mein Leben, ein Irrtum der Natur?
Wenn ich auf mein bisheriges Leben blicke, dann stellt sich die folgende Frage:
Mein Leben, ein Irrtum der Natur?
Nach meiner Geburt wurde ich von liebevollen Eltern gehegt und durch zahlreiche schwere und minderschwere Krankheiten gebracht. Ich war gut in der Schule und hatte auch viele Freunde, ein ganz normales Kind halt. Doch dann passierte es, ich kam in die Pubertät und von dort an lief alles wider der Natur. Während meine Freunde begannen sich mehr und mehr für die Mädchen zu interessieren, schien bei mir das Interesse nicht ausgeprägt zu sein. Ich hatte kein Bedürfnis danach auf andere Menschen anziehend und interessant zu wirken, auch wenn ich wie jeder andere Junge das volle Programm der Pubertät mit Pickeln, Stimmungsschwankungen und Stimmbruch durchgemacht habe. Und so kam es, dass ich mit 18 Jahren zwar geistig und intellektuell gereift war, aber nichts von Liebe verstand.
Mein Leben, ein Irrtum der Natur?
Mein Leben hatte gerade erst richtig angefangen, doch ich wusste schon damals, dass es ein schweres und einsames Leben sein würde. So vergingen die Jahre, ich machte eine Ausbildung, fand einen Job und eine eigene Wohnung, doch keine Liebe. Ich habe tiefe Täler der Hoffnungslosigkeit, Frustration und Depression durchschritten, aber auch riesige Ebenen der Gleichgültigkeit und Gefühlsleere. Ich habe gelernt mich damit zu arrangieren, immer im Glauben ein einsames Leben führen zu müssen. Selbst mit 30 Jahren war meine Wohnung noch ein Ort der Einsamkeit, aber das wusste ich ja bereits mit 18 Jahren.
Mein Leben, ein Irrtum der Natur!
Nun bin ich ein Jahr älter und liege in meinem Bett, einem der einsamsten Orte in meinem Leben, zu mindestens bisher. Aber heute ist etwas anders. Ich spüre eine angenehme Wärme, einen ruhigen und stetigen Luftzug, das sanfte Geräusch gleichmäßiger Atemzüge und ein tiefes Gefühl der Nähe und Geborgenheit, denn die Atemzüge sind nicht die meinen. Ich kann es kaum glauben und weiß auch nicht wie es geschehen ist, aber die Einsamkeit, Frustration und Hoffnungslosigkeit sind verflogen und auch die Gefühlsleere ist fort. Aber das schönste ist, es ist kein Traum, es ist die Wirklichkeit.
Mein Leben, anscheinend doch kein Irrtum der Natur!
IV.XY
Ich denke, ich war acht oder neun Jahre alt und wollte doch so gerne auf dem Pausenhof mitreden. Die Achtziger Jahre hatten begonnen. Es gab drei Fernsehprogramme, auch am Montagabend. Dienstags gab es in der Schule zwei Fraktionen: Die ZDF-Hitparaden-Gucker, die völlig losgelösten Major Toms auf der einen, die Westernfans, die Bonanza-Anhänger auf der anderen Seite. Wer zum Teufel ist Hoss Cartwright? Was ist denn Hoss überhaupt für ein Name? Hatten meine Klassenkameraden den Namen etwa falsch aufgeschnappt? Ich kannte nur den Namen Horst – Horst Cartwright klang für mich logischer. Die Mädchen fanden Little Joe süß. Achja, ich zählte übrigens zur dritten Gruppe, zu jener, deren Mitglieder unter der Woche um halb acht im Bett zu liegen hatten. D.h. Gruppe ist übertrieben, denn einer allein macht noch keine Gruppe.
Freitag war mein Tag, doch das wusste niemand. Aktenzeichen XY Zimmermann – das war mein Thema. Möglichst still schlich ich aus meinem Zimmer, legte mich in halsbrecherischer Manier und ohne Seilabsicherung auf die Stufen des Treppenhauses, konnte ich so doch durch die Zwischenräume einen Blick auf den Bildschirm im Wohnzimmer erhaschen und gleichzeitig schnell den Rückzug antreten, sollten meine Eltern den Weg in die Küche suchen. Ich habe es trotzdem nicht kapiert.
Also fragte ich Kim. Kim war das klügste Mädchen der Klasse, das hübscheste noch dazu mit ihrem kurzen, blonden, gelockten Haar, den blauen Augen und den farblich dazu passenden Oberteilen und Haarspangen. Eines Tages würde ich sie heiraten, das stand fest. Aber nicht heute. Heute gab es Wichtigeres zu bereden. Also begann ich und hoffte auf Ihr Verständnis und auf Ihre Erklärung für meinen Irrtum.
„Ich verstehe das nicht“, begann ich, „da filmen sie schon, wie die Bank ausgeraubt wird oder wie das ältere Ehepaar überfallen wurde. Warum nehmen sie denn die Täter nicht gleich fest und suchen stattdessen über das Fernsehen nach ihnen. Das ist doch nicht sinnvoll."
„Tja“, meinte Kim, „so ist das eben. Das ist so im Fernsehen.“
Ich weiß nicht, was aus Kim geworden ist. Aber ich vermisse sie. Sie fehlt mir. Das ist wenigstens kein Irrtum.
V.Irrte ich mich?
Was war da los?
Hat's was gebracht?
Menschen sind wirr,
kann man nix machen.
Ich werde mich wieder irren!
Und das ist auch gut.
VI.irrtum
leb ich mein leben
werd ich irr
im Kopf da irren ge-
danken wir gott
lob dem irrtum
da läuft was
falsch oder richtig schlecht
zu sagen oder wär schwei-
gen osten oder gen westen
besser als der zu-
stand jetzt nicht was von irrtum
da als überschrift im fo-
rum mit cola oder doch lieba
tequila?
Irrtum – Eine Betrachtung
Wusstest du, dass in Irrtum das Wort Mut steckt? Dreh den Irrtum rum, das bringt dir Mut. Welche Relevanz hat dies? Keine! Doch es ist ein interessantes Detail, das nicht unter den Tisch fallen sollte, wenn wir den Begriff des Irrtums betrachten.
Irrtum. Ein Wort mit doppeltem Konsonanten und deshalb kurzem Vokal. Du brauchst genauso kurz, dieses Wort zu sprechen, wie einen Irrtum zu begehen. Du gehst wissentlich in die falsche Richtung. Du wählst den Irrtum. Nicht möglich? Oh doch! Drum mein Rat: Halte inne! Schlafe eine Nacht, ehe du entscheidest.
Du forderst Spontaneität? Du denkst, das ei darin sei fehl am Platz? Halte inne, öffne dein Wörterbuch und werde dieses Irrtums gewahr.