Mirabellenmädchen hat geschrieben:Wie kommst du zu deinen Motiven? Also bist du gezielt auf irgendwelchen Bahnsteigen unterwegs? Präferierst du einen bestimmten Typus Bahn? Ich kenne mich null mit den Dingern aus - wie man vielleicht merkt
Ich bin ja noch Fotografie-Anfängerin und finde es ohnehin immer faszinierend, wenn Leute schon länger fotografieren und sich dann auf bewegliche Objekte spezialisieren. So wie du das schilderst, erfordert es ja auch eine Wahnsinnsgeduld; du musst warten, bis das Licht stimmt, das Motiv unverstellt ist etc.
Zunächst mal kennt man entweder gute Fotostellen mit entsprechendem Verkehr, oder man sucht sie sich. Das richtige Licht bestimmt sich normalerweise aus der Blickrichtung und somit aus der Uhrzeit, zu der man da ist; warten muß man nur, wenn die sogenannte "planmäßige Wolke" die Sonne verdeckt.
Verstelltes oder unverstelltes Motiv ist auch von der Fotostelle abhängig. Wenn man Glück hat, gibt's nichts, was einem das Motiv zustellen kann. Unschön sind weiter vorn als das Zielobjekt ins Bild fahrende Züge (bevorzugtes Haßobjekt: ICE 1), besonders wenn man sie nicht lange genug im voraus sieht und sie plötzlich da sind. Bei einem Fotografenauflauf an einer sehr bekannten Fotostelle anläßlich einer Sonderfahrt wird es irgendwann schwierig, sich nicht gegenseitig im Bild zu stehen. Am schwierigsten sind Fahrzeugausstellungen, z. B. damals das Dampflokfest in Osnabrück. Da steht man als eisenbahn- und fototechnisch Fachkundiger im idealen Fotowinkel und wartet mehrere Minuten, bis die Komplettlaien, die a) unbedingt ihre Nasen an den Loks plattdrücken müssen und b) nicht mitbekommen, daß sie jemandem im Bild stehen, weg sind.
Meine Lieblingsfotostelle an der Niederelbestrecke ist leider mit einer Lärmschutzwand zugebaut worden, ich habe aber Ersatz ein Stück weiter westlich gefunden. Vorteil ist eine noch längere Vorwarnzeit aus Richtung Westen, und man kann Güterzüge mit etwas Geschick vollständig aufs Bild bekommen. Nachteil sind neben einer unschöneren Umgebung die S-Bahnen, die vor mir pro Richtung alle zehn, in der Rush Hour alle fünf Minuten verkehren, noch dazu so, daß ich die S-Bahnen selbst nicht aufnehmen kann. Die Stelle ist wegen des Streckenverlaufs in West-Ost-Richtung auch sehr lange nutzbar. Neben den stündlichen Metronomen von und nach Cuxhaven (ab frühem Nachmittag schwieriger, die Lok läuft auf der Ostseite) gibt es jede Menge Güterverkehr, hauptsächlich Containerzüge etlicher Unternehmen von/nach Waltershof und Altenwerder, ansonsten die schweren Erzzüge zwischen Hansaport und Salzgitter-Beddingstedt, Kohlenzüge von/nach Hansaport (neuerdings fahren die VPS ihren Kohlenzug bei Tageslicht), seltener sieht man Chemiezüge von/nach Stadersand bzw. Bützfleth (Container- und Kesselwagen, meist hinter unterforderten 152ern, seltener eine 295 oder Gravita, die dann nur ab/bis Harburg oder Maschen läuft; immer DB Cargo, also eher uninteressant), und mit Glück kommt ein Autozug von/nach Cuxhaven (immer Privatbahnen).
Ganz früh morgens kann man diesen ganzen Verkehr plus die wenigen Züge von/nach Unterelbe Seehaven plus den übrigen Hafenverkehr von/nach Hohe Schaar und Hamburg-Süd plus ganz selten eine Fuhre von/nach der Peute vom westlichsten Bahnsteig in Harburg aus mitnehmen, da ist das Licht aber nicht lange gut. Dieselbe Fotostelle geht dann ab Nachmittag wieder für fast alle anderen Gleise, also außer den Metronomen Hamburg–Cuxhaven und den aus Gleis 5 verkehrenden Zügen (Luftkissenbilder) den gesamten Reisezugverkehr der Achsen nach Bremen und Hannover – Metronom (immer mit der Lok nach Süden), IC (die meisten Wendezüge haben hier auch die Lok am Südende oder fahren im Sandwich), ICE (eher uninteressant), der mit von MRCE geliehenen Loks gefahrenen IRE von/nach Berlin über Uelzen, der immer sehr populäre Hamburg-Köln-Expreß, die zu bestimmten Zeiten im Jahr an Wochenenden verkehrenden Gesellschaftssonderzüge und früher auch noch mehr Nachtzüge; die aus der Schweiz kommenden abendlichen ECs sind sogar schon um die Sommersonnenwende zu spät für gutes Licht, obwohl die Sonne aus der richtigen Richtung kommen sollte – und der östlich an Harburg vorbeifahrende Güterverkehr, zumeist Intermodalzüge von/nach Billwerder-Moorfleet und der ganze Skandinavienverkehr, leider sehr DB-lastig, seltener sieht man Hectorrail. Das heißt, die Güterzüge kann man zumeist nur abends in Richtung Norden machen, weil bei den südwärts fahrenden Zügen zwei Bahnsteige dazwischen sind. Wer die machen und auf den Reisezugverkehr verzichten will, geht auf den östlichsten Bahnsteig.
Sehr schwierig, aber lange nutzbar und für Fernreisezüge populär ist der Abschnitt der Verbindungsbahn zwischen Dammtor und Sternschanze. Da fahren die S-Bahnen hinten und in einem Abstand zum Standort, daß man sie auch mitnehmen kann, gerade jetzt, wo Werbezüge grassieren. Außerdem laufen hier die Züge sämtlicher Fernverkehrsachsen zusammen, dazwischen gibt's die Doppelstock-REs von/nach Kiel und Flensburg und ein paar als RegionalBahnen eingesetzte neue FLIRTs von der Nordbahn. Die Züge Richtung Dammtor kommen sehr nah am Fotografen vorbei, also in einem ziemlich unschönen Winkel, weshalb sich diese Stelle am ehesten nachmittags lohnt, aber die Altbauten im Hintergrund geben eine nette Kulisse ab. Und auf der Verbindungsbahn ist die Höchstgeschwindigkeit auf nur 60 km/h eingeschränkt, man muß sich also nicht herumplagen mit extrem kurzen Belichtungszeiten und/oder Mitziehen.
Ich hoffe, die nächsten zwei Wochenenden ist das Wetter brauchbar. Dann sind nämlich Dampfsonderzüge angesagt.
Wenn ich irgendwo auf Reisen bin, nutze ich längere Aufenthalte auf großen Bahnhöfen – manchmal absichtlich so gewählte – für Fotosafaris. Das ist dann schon deshalb ergiebig, weil dort mitunter gerade im Regionalverkehr ganz anderes Rollmaterial unterwegs ist als in Hamburg. Letztes Jahr habe ich bei Gluthitze gut drei Stunden in Karlsruhe mit Fotografieren verbracht. Gefühlt alle Naselang kamen französische TGV-POS vorbei. Im Regionalverkehr gab's neben älteren Doppelstockwagen die für die Gegend typischen Großen Gelben Wagen™ der Karlsruher AVG, die auch als Straßenbahnen verkehren. Außerdem sah ich zu meiner Überraschung Talente im nichtelektrifizierten Regionalverkehr. Vom Licht her ist Karlsruhe nicht ganz einfach, liegt aber teilweise im Bogen, weshalb man da flexibel sein kann. Ich konnte da auch – wie vorher in Mannheim – Schweizer Eurocitys (hinter deutschen Loks, aber trotzdem) bei Tageslicht erwischen.
Auch wenn ich in Berlin bin, besonders bei mehrtägigen Besuchen, sind Fototouren angesagt. Jannowitzbrücke mit den Trias Towers ist natürlich der Klassiker seit Anfang der 90er und eine der wenigen guten Stellen an der Stadtbahn und hat lange gutes Licht, vor allem muß man da keine Schlagschatten befürchten, weil zwischen Fotograf und Motiv nur die Spree ist, also keine Vegetation. Motivjäger nehmen auch gern mal die Brücken der Stadtbahn mit, etwa an der Friedrichstraße. Das heißt, die Verbindungsbahn ist ein bißchen uninteressanter geworden, seit fast der ganze Fernverkehr durch den Nord-Süd-Tunnel fährt, aber die ICs von/nach Amsterdam, die Diesel-ICEs von/nach Kopenhagen (die nicht in den Tunnel dürfen) und der Berlin-Warszawa-Expreß fahren als letzte Fernzüge noch auf der Stadtbahn, die ansonsten einiges an Regionalverkehr zu bieten hat (Dostos mit 182ern, Stadler KISS der ODEG, Bombardier Talent 2). Lichtenberg mit den neuerdings dort wartenden Talent 2 und dem schon ewig dort stehenden, nicht betriebsfähigen VT 18.16, den ich schon gar nicht mehr mitnehme, ist auch nicht uninteressant, aber verkehrsarm, solange die Verbindung zum Ostkreuz noch Baustelle ist. Man kann auch versuchen, Güterzüge auf dem Außenring zu machen. Den nördlichen Innenring habe ich noch nicht sehr eingehend getestet, einfach ist er aber nicht.
In den Niederlanden habe ich auch schon so manch einen Fotoeinsatz hinter mir. In den Nullern war ich mehrmals in Utrecht auf einem Bahnsteig, von dem aus ein Großteil des Vorfeldes bei gutem Licht einsehbar ist. Ich kann mich noch an die kuriosen Intercitys erinnern, die mit Dubbeldekkers verlängert worden waren. Außerdem regierte damals noch der Standaard Stoptrein aus den 60ern, den man heute kaum mehr sieht.
Amsterdam Centraal ist reizvoll, aber nicht mehr ganz einfach, seit es so zugebaut wurde; der Fernverkehr ganz im Nordosten, darunter Thalys und die Züge nach Brüssel, läßt sich immer noch passabel machen, aber für die zu Intercitys geadelten Dubbeldekkers muß man sich eine andere Fotostelle suchen (sollte ich mal nächstes Jahr). Ansonsten sieht man zwei Sprintergenerationen (da gibt's sogar noch die zweiteiligen Citypendels) und die doppelstöckigen IRM im Intercityverkehr (die ich nächstes Jahr jagen werde; niederländische und gemietete belgische TRAXX habe ich jetzt genügend, die muß ich nicht weiter verfolgen). Vielleicht sollte ich nächstes Jahr mal sehen, ob ich irgendwie von der "richtigen" Seite aus an die südöstlich vom Bahnhof stehenden, aus Kanada zurückgeholten Wagen des schweizerisch-niederländischen TEE-Triebzugs komme, die immer noch darauf warten, daß mindestens ein neuer Triebkopf gebaut wird.
Amersfoort habe ich auch immer geliebt, nicht nur das, was da fährt, sondern vor allem das, was auf der der Sonne abgewandten Seite des Bahnhofs (also in gutem Licht) abgestellt steht.
Was ich generell gern habe, ist, wenn ich möglichst viel von einer Stelle aus erwischen kann. In größeren Bahnhöfen sind leider häufige Bahnsteigwechsel angesagt. Am schlimmsten sind Kopfbahnhöfe. Stuttgart Hbf und Frankfurt Hbf haben richtig interessanten Verkehr, sicherlich auch München Hbf, wo ich noch nicht war, und auch Hamburg-Altona hat einiges zu bieten. Aber man bekommt nur wenig von einem bestimmten Bahnsteig aus, und man muß für einen Bahnsteigwechsel ganz zurück zum Querbahnsteig, so daß man für einen Bahnsteigwechsel allein fünf, sechs Minuten einplanen kann. Aber auch die Bahnsteigwechselei in Durchgangsbahnhöfen wie Bochum Hbf oder Hannover Hbf oder auch Amsterdam Centraal kann nerven. Da lobe ich mir Bahnhöfe, bei denen einer der äußersten Bahnsteige so verlängert ist, daß man einige Gleise mehr im Blick hat, und die trotzdem nicht mit zahllosen Oberleitungsmasten mit jeweils nur einem Ausleger vollgestellt sind. Aber Quertragwerke sind ja leider aus der Mode gekommen.
Stichwort vollgestellt: Ich habe letzte Woche anläßlich der Sommersonnenwende eine extreme Spätfototour bei mir in der Gegend gemacht. Ich sollte mir dafür aber eine bessere Stelle suchen (sofern es eine an der Strecke gibt, und zwar noch östlich von Hausbruch), denn neben diversen Signalen und Oberleitungsmasten wachsen sage und schreibe zwölf Vorsignalbaken so aus dem Schotter, daß das Fotografieren ziemlich erschwert wird.
← Das da sind keine Klaviertasten. Es sind Synthesizertasten. Doch, da gibt es Unterschiede.
Ich kann es euch erklären. Ich kann es aber nicht für euch verstehen. Das müßt ihr schon selbst tun.
INTJ nach Myers-Briggs