Dieser Abschnitt stammt aus dem Buch „Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien“ des Kommunikationsforschers Paul Watzlawick.Paul Watzlawick hat geschrieben:Unter den während des Krieges in England stationierten amerikanischen Soldaten war die Ansicht weit verbreitet, die englischen Mädchen seien sexuell überaus leicht zugänglich. Merkwürdigerweise behaupteten die Mädchen ihrerseits, die amerikanischen Soldaten seien übertrieben stürmisch. Eine Untersuchung, an der u.a. Margaret Mead teilnahm, führte zu einer interessanten Lösung dieses Widerspruchs. Es stellte sich heraus, daß das Paarungsverhalten (courtship pattern) – vom Kennenlernen der Partner bis zum Geschlechtsverkehr – in England wie in Amerika ungefähr dreißig verschiedene Verhaltensformen durchläuft, daß aber die Reihenfolge dieser Verhaltensformen in den beiden Kulturbereichen verschieden ist. Während z.B. das Küssen in Amerika relativ früh kommt, etwa auf Stufe 5, tritt es im typischen Paarungsverhalten der Engländer relativ spät auf, etwa auf Stufe 25. Praktisch bedeutet dies, dass eine Engländerin, die von ihrem Soldaten geküsst wurde, sich nicht nur um einen Großteil des für sie intuitiv „richtigen“ Paarungsverhaltens (Stufe 5–24) betrogen fühlte, sondern zu entscheiden hatte, ob sie die Beziehung an diesem Punkt abbrechen oder sich dem Partner sexuell hingeben sollte. Entschied sie sich für die letztere Altemative, so fand sich der Amerikaner einem Verhalten gegenüber, das für ihn durchaus nicht in dieses Frühstadium der Beziehung passte und nur als schamlos zu bezeichnen war. Die Lösung eines solchen Beziehungskonflikts durch die beiden Partner selbst ist natürlich deswegen praktisch unmöglich, weil derartige kulturbedingte Verhaltensformen und -abläufe meist völlig außerbewußt sind. Ins Bewußtsein dringt nur das undeutliche Gefühl: der andere benimmt sich falsch.
Schon von Anfang an interessierte mich eher die in diesem Zitat erwähnte Untersuchung. Ich habe mir während meiner Zeit an der Uni mal die Zeit genommen Watzlawicks Buch nach entsprechenden Quellenangaben zu durchsuchen, konnte jedoch keine Hinweise auf die erwähnte Studie finden.
Warum poste ich das jetzt hier?
Nun, mir stellt sich die Frage, ob nicht vielleicht das gleiche Phänomen, was hier für das Paarungsverhalten der Amerikaner mit den Engländerinnen beschrieben wird, in ähnlicher Form für den ein oder anderen AB die Ursache seiner/ihrer Beziehungslosigkeit ist.
Man kann sicherlich davon ausgehen, dass Amerikaner und Engländer nicht die einzigen sind, deren Verhalten verschiedene Stadien durchläuft. Sicherlich wird es in anderen Kulturkreisen die gleichen, oder andere/ähnliche Stufen ebenfalls geben. (Möglicherweise beschränkt es sich nicht nur auf den Kulturkreis, sondern es gibt evtl. sogar regionale oder soziale Abweichungen.)
Und eventuell ist es ja so, dass einzelne AB für sich individuell, eine von Ihrem jeweiligen sozialen Umfeld abweichende Reihenfolge „festgelegt“* haben, so dass es dann eben bei einer Beziehungsanbahnung zu dem Problem kommt, dass man zum entsprechenden Zeitpunkt nicht den „richtigen“ Schritt macht – also nicht der, der vom Gegenüber an dieser Stelle erwartet wird. Das resultiert dann in einem entsprechenden Scheitern.
(* den Begriff „festgelegt“ ist hier nicht wirklich passend, da es ja – dem Text nach – offenbar eine komplett unbewusste Geschichte ist. Mir fiel nur kein besseres Verb ein)
Also mal abgesehen von einigen eher offensichtlichen Fällen – was denkt ihr? Wäre das denkbar? Und wenn ja, was hätte dies für Konsequenzen? Immerhin handelt es sich um unbewusste Vorgänge.