Peter hat geschrieben: ↑15 Aug 2020 07:40
Was man hier im Thema für Beiträge zu lesen bekommt, das ist schon erschreckend.
Stimmt:
Peter hat geschrieben: ↑15 Aug 2020 07:40
Gerade wenn die Frau sich nicht anmerken lässt, dass sie den Sex eigentlich nicht will, hat der Mann tatsächlich wenig bis keine Möglichkeit, dass zu erkennen. Da hilft in einigen der beschriebenen Fälle nicht einmal der Rat, immer mal wieder nachzufragen, ob sie das wirklich will. Da die Gefahr groß ist, dass sie sich auch dann nicht traut, dies zu sagen.
Peter, meinst Du echt, dass die Problematik "nichts mit Politik oder Emanzipation" zu tun hat?
Gerade der letzte zitierte Absatz ist doch absoluter gesellschaftlicher Zündstoff: Wenn das im Artikel angeschnittene Problem nur einigermaßen verbreitet ist, dann haben sehr häufig Männer Sex mit Frauen, obwohl diese das nicht wollen. Nach dem schwedischen Strafrecht und der Meinung vieler – nicht nur schwedischer – Feministinnen erfüllt das den Tatbestand der Vergewaltigung (
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitge ... rurteilung). Nach deutschem Recht ist das (noch?) nicht der Fall; dies legt fest, dass der dem Sex entgegenstehende Wille nicht einfach nur vorhanden zu sein braucht, sondern darüber hinaus auch "erkennbar" sein muss, damit man von Vergewaltigung sprechen kann (§ 177 Abs. 6 Strafgesetzbuch;
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__177.html).
Zumindest in Deutschland wäre man als männlicher Teilnehmer in einer der oben geschilderten Situationen also vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt. Würde man(n) allerdings beschuldigt, zwar gewaltlos, aber ohne dass diese das wollte, mit einer Frau geschlafen zu haben, so wären die gesellschaftlichen Folgen für einen Mann trotzdem noch schlimm genug.
Zur Vermeidung von ungewolltem Sex als Mann darauf zu bestehen, dass die Frau "Ja" sagt, am besten vor jedem nächsten Schritt, wie es in Schweden gedacht ist und auch von vielen Feministinnen anderer Länder gefordert wird, hilft einem dabei leider auch nicht weiter; dafür wäre es nämlich nötig, "dass Frauen sich über ihre Bedürfnisse klar werden". Denn leider gilt wohl: "Viele Frauen können nicht genau sagen, was ihnen beim Sex gefällt", so heißt es im Artikel, der am Anfang dieses Strangs verlinkt wurde. Und selbst wenn eine Frau weiß, dass sie etwas nicht will, nützt dies dem Mann nicht unbedingt, denn sogar hier könnte es sein, dass sie sich "nicht traut, dies zu sagen", wie Peter oben schrieb. Wie es scheint, haben wir also inzwischen die gesellschaftliche Situation, dass es nicht mehr (nur) darum geht, dass Frauen aufgrund vermeintlicher Erwartungen anderer Angst haben, nicht nein sagen zu dürfen, sondern darum, dass sie aufgrund vermeintlicher Erwartungen anderer Angst haben, ja sagen zu müssen.
Ein Mann kann also auch bei bester Absicht und rücksichtsvollem Handeln nie ausschließen, mit gemeinsamem Sex etwas zumindest gesellschaftlich Geächtetes oder – in Schweden – sogar Strafwürdiges zu tun.
Hier sehe ich in der Tat ein großes politisches Problem. Natürlich gibt es Vergewaltiger und rücksichtslose Kerle, und das ist Mist. Aber ist den Frauen klar, welchen Druck sie mit ihrem Verhalten auf normale, rücksichtsvolle Männer ausüben? Die im Artikel erwähnten Männer machten ja nicht gerade den Eindruck, besonders unsympathisch oder gar gefährlich zu sein – auch im Nachhinein nicht. Mir jedenfalls drückt der Gedanke, wegen von der anderen Seite verweigerter Kommunikation etwas gesellschaftlich Geächtetes getan zu haben, ohne dass ich das wissen konnte, gewaltig auf die Libido.
Bevor ich hier als ignoranter Mann klassifiziert oder gar gesperrt werde: Ich kenne das Problem, sich sexuell nicht selbstbewusst zu verhalten, aus eigener Erfahrung. Als bisexueller Mann hatte ich schon Sex mit Männern und Frauen. Mit einem Mann hatte ich Sex, obwohl ich ihn ziemlich unattraktiv fand – er war nicht hässlich, aber einfach nicht mein Typ. Dummerweise war er recht angetan von mir und meinem Körper. So hatten wir also Sex – und zwar ziemlich guten: Der Mann war ein liebevoller, rücksichtsvoller Liebhaber, dem es vor allem um meine Lust ging, weniger um seine. Dummerweise fand ich seine körperliche Nähe wirklich unangenehm, vor allem seine innigen Küsse mit viel Zunge, die ich nur mit Widerwillen über mich ergehen ließ. Mit einem anderen, mir gefallenden Mann wäre das toller Sex gewesen; falsch war also nicht, was der Mann mit mir machte, sondern falsch war der Mann selbst. Da er aber auch vorher schon so nett zu mir gewesen war und weil ihm offensichtlich so viel an mir lag, wollte ich ihn einfach nicht enttäuschen, dann hätte er mir leid getan. So habe ich mich breitschlagen lassen und ihm etwas vorgespielt. Und trotzdem ist auch das nur die halbe Wahrheit: Zu der damaligen Zeit war ich einfach so dauergeil, dass ich mich nicht nur aus der geschilderten fragwürdigen Rücksichtnahme auf den Sex eingelassen hatte, sondern zu einem nicht geringen Teil auch deshalb, weil ich mir dachte, dass Sex mit einem für mich ekligen Typen immer noch besser wäre als gar kein Sex.
Ihr seht, ich bin nicht unerfahren in dieser Sache. Und trotzdem ärgert mich der oben verlinkte Artikel, denn der hat so einen anklagend-selbstmitleidigen Ton. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, so einen Artikel zu schreiben oder mich als Interviewpartner dafür zur Verfügung zu stellen. Durch mein besagtes Sexerlebnis bin ich nicht traumatisiert worden und habe mein Leben danach normal weitergelebt. Und ich hatte später auch Sex mit Menschen, die ich wirklich begehrte. Weder damals noch all die Jahre später habe ich gedacht, dass mein Verhalten nicht mir, sondern meiner Erziehung oder "der Gesellschaft" zuzuschreiben gewesen wäre. Außerdem fühle ich mich als Mann in eine Zwickmühle gebracht: Wie soll ich denn lernen können, auf jemanden einzugehen, wenn man mir nichts sagt, sobald ich etwas falsch mache?
Sorry für den extrem langen Post, das war eigentlich nicht so geplant ...