Strange Lady hat geschrieben: ↑23 Dez 2020 22:38
Da muss ich dir Recht geben. t385 redet Bullshit.[...]
Ich habe ihn anders verstanden, und finde nicht dass er "Bullshit" redet. Aber vielleicht auch, weil ich weiß, dass er davor noch ne andere Baustelle hatte, die er angegangen ist? Aber ich kann verstehen, dass es hier ziemlich viele triggert. Auf der anderen Seite aber eben: Depression ist halt eben nicht gleich Depression- das vergessen viele.
Die Medizin kennt bei den Depressionen die unterschiedlichsten Formen; Ursachen und Stärken/ Ausprägungen. Mal kommen sie ganz alleine vor, mal in Kombination oder gar Abhängig/ in Folge anderer psychischer Krankheiten. Mal treten sie nur einmal im Leben auf, und dann widerum chronisch. Mal ist es neurophysiologisch bedingt, mal sind es Schicksalsschläge.
Wer sich seiner Depressionen schon länger bewusst ist, mag vielleicht in der Lage sein es irgendwann zu akzeptieren und damit zu leben. Dann gibt es die, denen es krankheitsbedingt nicht bewusst ist. Und dann gibt es die, die irgendwann sagen, ich will Herr sein über meine Leben und werden aktiv.
Jeder Jeck ist anders.
Ich habe vor mehr als 15 Jahren die Diagnose Dysthymia bekommen. Vieles ähnelte bei mir wie beim User Seb-X: Protestantisches Elternhaus; mit sich selbst beschäftigte Eltern; Notendruck. Die Note 4 war verpönt, was dazu führte dass ich immer mehr Zeit zum Lernen aufbrachte, aber natürlich so nix brachte. Ich entwickelte die gleichen Gedankengänge wie Seb-X: "alles muss perfekt sein, und wenn es nicht sehr gut oder gut war, dann habe ich einfach nicht genug und gut genug gemacht; alle anderen bekommen ja auch was tolles bzw. Recht- das steht mir auch zu". Alles was ich machte, war 150%- waren die Ergebnisse nicht so, wie ich das wünschte, war ich am Boden zerstört.
Das Abi war ne Katastrophe, Aufwind gab es aber im Zivildienst. Ich entschied mich gegen ein Studium, machte ne Ausbildung- und landete wieder in diesen Teufelskreislauf. Irgendwann war ich so depressiv, das ich vor lauter Verzweiflung meinen Hausarzt berichtete, und er mich zuerst zum Psychiater, dieser dann zum Psychoterapeuten brachte. Zwei Jahre 1x Woche zum Therapeuten, Gesprächs- und Gruppentherapie.
In der Zeit habe ich lernen müssen, dass es neben meiner Biografie auch meine eigenen Gedankengänge sind, die dazu beitragen mich depressiv zu fühlen. Und wenn man sich dessen bewusst ist- dann kann man irgendwann sagen: "Stop".
Jeder Jeck ist anders.
Generell spreche ich nicht darüber- nicht weil ich mich dafür schäme, sondern weil ich befürchte mich wieder in diese Negativspirale der selbstverstärkenden Gedanken zu begeben. Auch ich will und wollte nicht mehr depressiv sein-ein Grund warum ich vor 9 Jahren das Forum hier verließ, weil ich mich in der Negativspirale gefangen sah.
Ich hatte also einen ähnlichen Entschluss gefasst wie t385- ich fasse daher t385s Aussage daher anders auf.
Ich bin jetzt stabiler, weil ich lernen musste zu akzeptieren dass ich nur Durchschnitt bin. Auch weil ich lernen konnte, dass ich sehr vieles selber in der Hand habe und beeinflussen kann. Hätte ich den Entschluss nicht gefasst-ich hätte nicht erfolgreich studiert, hätte nicht die kleinen Erfolge gehabt. Im Gegenteil- vermutlich wäre ich längst tot. Aber auch hier musste ich mir psychotherapeutische Beratung holen, wurde mir durch eine Psychologin der Kopf gewaschen.
Überwunden habe ich meine Dysthymia bis heute nicht. Ich bin ebenso gut darin es zu verstecken- draußen sieht es mir keiner an. Außenstehende bekommt nicht mit, wie ich immer noch häufig morgens im Bett liege und grübel, statt aufzustehen. Und generell vormittags eher im Stimmungstief bin, als abends. Mißerfolge reißen mich immer noch herunter, und ich brauche viel Kraft mich wieder da herauszubuddeln.
Jeder Jeck ist eben anders.