Zum Thema:
Ich finde grundsätzlich die Auffassung gut, keine Beziehung um ihrer selbst willen eingehen zu wollen. Ein drastisches herunterschrauben der eigenen Ansprüche um mit jemandem eine Beziehung einzugehen kam für mich nie in Frage.
Dennoch sollte man dabei folgendes nicht aus den Augen lassen:
Der Partnermarkt ist ein Markt! Sofern man nicht unter unter extremen Ängsten, extrem niedrigen Selbstbewusstsein oder Bindungsproblemen leidet (also psychisch gesehen ein "Normalo"/eine "Normala" ist) ist es sehr einfach sich unter Wert zu verkaufen und eine Beziehung einzugehen.
Entsprechende Gelegenheiten finden sich dann ständig. Angenommen ich wäre Single, so könnte ich jederzeit von einem Tag auf den anderen eine Partnerin aus der "Resterampe" (bewusst drastisch formuliert) finden. Damit meine ich eine Dame, die auf dem Partnermarkt das andere Ende der Nahrungskette markiert. Sagen wir eine Dame mit:
- starkem Übergewicht (klassische Tannenbaumfigur)
- stark asymmetrischem Gesicht
- ungepflegten Äußerem
- niedrigem Bildungsstand
- schlechtem Sozialverhalten
- schlechter gesundheitlicher Allgemeinverfassung
- geringen oder gar keinem eigenen Einkommen
- ...
Je näher die Dame in meine Sphäre vordringt, also je näher ihr Wert auf dem Partnermarkt dem meinem ähnelt, desto mehr müsste ich mich ins Zeug legen um sie für mich zu gewinnen.
Besonders schwierig und unwahrscheinlich wäre es schließlich eine Dame für mich zu begeistern, die rein objektiv Betrachtet 1-2 Ligen über mir spielt. Sagen wir also:
- absolutes Modelgesicht
- 90-60-90 Figur
- sportlich aktiv
- körperlich und psychisch "gesund"
- akademische Laufbahn inkl. Promotion oder gar Habilitation (hier lässt sich sogar streiten ob das den Wert auf dem Partnermarkt bei einer Frau noch erhöhen würde)
- hohem Einkommen und finanziell völlig unabhängig in Bezug auf ihre Lebensplanung
- extrem gebildet (s.o.)
- top Sozialverhalten
- ...
Natürlich wäre es auch möglich eine solche Dame für mich zu gewinnen, sofern man möglich als "nicht unmöglich" versteht. Aber die Wahrscheinlichkeit eine solche Dame für eine Beziehung mit mir zu gewinnen wäre weitaus geringer, als dies bei einer Dame der zuerst aufgeführten Kategorie der Fall ist.
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Nach alledem finde ich es verständlich, wenn Mann/Frau nur bereit ist eine Beziehung mit einer Person einzugehen, welche in etwa in der eigenen Liga oder darüber spielt.
Wer eine Beziehung um ihrer selbst willen führt, also im Grunde jede sich ihm/ihr bietende Gelegenheit zur Beziehung wahrnehmen würde, der muss sich imho schon fragen lassen warum er das augenscheinlich derart nötig hat: niedriges Selbstwertgefühl/Selbstbewusstsein, panische Angst vorm Alleine sein etc. ....
Ein Mensch ist niemals mehr wert nur weil er eine Beziehung führt. Ich halte es für wichtig, dass man den eigenen Selbstwert nicht über den eigenen Beziehungsstatus definiert. Spätestens in einer Beziehung wird das mit einiger Wahrscheinlichkeit - in Phasen in denen es mal nicht so rund läuft - zu starken Verlustängsten, klammern, Kontrollzwang und ähnlichem führen.
Vor diesem Hintergrund halte ich es für besonders paradox, wenn sich mir als Mensch über meinen Beziehungsstatus definiere (und sei es auch nur ein kleines bisschen), zeitgleich aber bereit bin meine Ansprüche stark herunterzuschrauben und letztlich praktisch jeden potenziellen Partner mit Kusshand in das eigene Leben zu lassen.
Es gibt natürlich auch das andere Extrem:
Wenn ich selbst auf dem Partnermarkt eine 1-3 bin aber jede potenzielle Beziehung mit dem Vorwand ablehne: "unter einer 9.0 geht gar nichts"..., dann darf mich natürlich nicht beschweren, wenn sich das Verständnis Anderer zumindest in Grenzen hält, wenn ich ihnen mein Leid hinsichtlich meiner Beziehungslosigkeit klage. Rechenschaft für meine Vorlieben muss ich aber auch dann nicht ablegen. Nur auf Verständnis sollte ich dann nicht mehr hoffen. Das Recht habe ich dann verwirkt.
Ganz persönlich sollte ich mich in diesem Fall aber Fragen: sind meine Ansprüche wirklich derartig hoch, oder ist das im Grunde nur ein Schutzbehauptung um die eigene Inaktivität und mangelnde Erfolgsquote vor dem eigenen Ich zu rechtfertigen?
Außerdem gebe ich noch folgendes zu denken: nicht alles was man sich in der Theorie als "besonders wichtig" oder als "absolutes NO GO" in Bezug auf eine mögliche Beziehung ausmalt stellt sich dann auch in der Praxis als genauso heraus. Zu HC+AB Zeiten war für mich der Musikgeschmack einer möglichen Partnerin durchaus nicht unwichtig. Heute weiß ich: es gibt kaum etwas Unwichtigeres und ich kann kaum noch nachvollziehen überhaupt mal so gedacht zu haben. Andersherum wäre es heute für mich in der Kennenlern-Phase durchaus essentiell herauszufinden ob meine Partnerin gerne kuschelt und ob sie gerne (so wie ich...) eng umschlungen einschläft oder eine Bauschläferin ist und ungerne kuschelt. Beide Fälle habe ich schon erlebt und auch dadurch eigene Vorlieben weiter manifestiert oder erst entdeckt. Darüber habe ich mir früher überhaupt keine Gedanken gemacht.
Wenn ich also meine Ansprüche derartig hoch ansetze und dementsprechend überhaupt keine oder gar keine Erfahrungen sammle, dann kann ich nicht sicher sein ob meine theoretischen Erwägungen sich in der Praxis als ebenso wichtig herausstellen wie ich es glaube. Grau ist alle Theorie. Aber auch hier gilt: Rechenschaft bin ich deshalb niemandem schuldig. Schließlich trage ich als betroffener das Risiko meiner Auffassungen und (mangelnden) Handlungen und keine unbeteiligten Dritten.
Euch allen ein schönes Wochenende