Ja, von einer ursprünglichen Kränkung gehe ich auch aus. Oder gerade: weil ich davon ausgehe, habe ich meinen Ursprungsbeitrag in dem Thread verfasst.
Der Vorwurf mangelnder Empathie wird aufgestellt, weil sich jemand in einer Situation nicht emotional wahrgenommen oder ernstgenommen fühlt. Gekränkt. Und mit dieser Rechtfertigung wird dann eine emotionale Breitseite abgefeuert, aber das ist dann nicht eine nüchterne Analyse (sowas wie: nach Auswertung des Psychopathiefragebogens muss ich ihnen mitteilen ...), das ist dann ein Versuch der Gegenkränkung. Wenn man so will: Rache.
Aus der Sicht des Gekränkten verständlich. Es ist ein Gefühl, das man nach außen tragen muss und jeder erkennen soll, damit sich der Auslöser nicht wiederholt.
Aus der systemischen Sicht ist es nicht ganz so einfach, weil es eine Eskalation ist, wenn jeder mit einer noch größeren Kränkung antwortet. Und dem letzten, der dann nicht entsprechend nicht darauf antworten kann (z.b: weil der Vorwurf so groß geworden ist, dass er ihn nicht entkräften kann) sieht man dann den inneren Zustand auch nicht mehr an.
Der Vorwurf der Empathielosigkeit hat noch ein weiteres, gravierendes Problem: wenn er zutrifft, dann ist dem Empathielosen dies wahrscheinlich egal. Der Versuch, auf diese Weise emotionale Rache zu nehmen, scheitert dann, weil der sich dann ja gar nicht schlecht fühlen kann deswegen. Bei einem empathischen Wesen hingegen kann der Vorwurf durchaus zu einer Kränkung führen. Rache erfolgreich. Aber der Erfolgsfall ist dann genau, wenn er sachlich nicht richtig ist. Und davon, dass man jemand anderem sachlich unkorrekte Charakterisierungen an den Kopf wirft, warum soll sich der ursprünglich Gekränkte dann eigentlich besser fühlen?
Ist die ursprüngliche Kränkung dann eine Rechtfertigung für so eine Handlungsweise?