Was die psychologischen Effekte & Trotzreaktionen angeht, hast Du sicher recht - allerdings ist eine Debatte, in der nur moderate Forderungen gestellt werden, auch eine ziemlich verschnarchte Debatte. Dass es zu einer bestimmten politischen Agenda halt Realo- und Fundi-Positionen gibt, um mal dieses etwas altmodische Vokabular zu bemühen, ist doch eigentlich recht normal, so funktioniert Politik, man weiß das auch & kann es entsprechend einordnen.Talbot hat geschrieben: ↑22 Okt 2017 00:50 Sehe ich ganz genau so.
Ich glaube mit diesem übers Ziel hinausschießen tuen sich solche Kampagnen niemals etwas gutes.
Sieht man doch bei den meisten Kampagnen egal in welchem Bereich.
Extreme Forderungen führen nunmal dazu, dass Menschen sich deutlich stärker angegriffen fühlen und daher eher negativ reagieren und direkt auf Durchzug stellen/zum Angriff übergehen und das nicht nur im Bezug auf die extremen Forderungen, sondern alle Forderungen.
Ich persönlich finde zum Beispiel jede Kampagne, die gegen sexuelle Belästigung kämpft erstmal positiv und würde so eine Kampagne auch durchaus unterstützen, wenn da nicht immer irgendwelche Extrem-Feministinnen wären, die solche Kampagnen verwässern wollen, indem sie direkt mal irgendwelche extremen und deutlich über das Thema hinausgehenden Forderungen stellen und diese dann teilweise noch mit der typischen Fanatiker-Vehemenz präsentieren und verteidigen.
Man muss sich doch nur mal die Liste im Eingangspost angucken. Pornos (egal welcher Art) und Prostituierte passen zwar thematisch grob ins Thema dieser Liste, aber ich frage mich, ob es wirklich nötig ist, diese Punkte, die nur bedingt etwas mit sexueller Belästigung zu tun haben, auf einer solchen Liste neben Punkten wie Vergewaltigung etc zu führen.
Ich weiß, dass Pornos und Prostitution etwas sind, wogegen (Hardcore)-Feministinnen kämpfen, aber in meinen Augen haben sie nichts auf einer solchen Liste zu suchen. Und genau sowas führt dann letztendlich dazu, dass Männer solche Kampagnen nicht ernst nehmen oder sogar anfangen dagegen "anzukämpfen".
Sieht man doch auch bei anderen Kampagnen.
Ich wette es gäbe weniger Männer, die beim Wort "Feminismus" direkt an irgendwelche Hardcore-Feministinnen denken würden und Männer dem Thema sogar im Allgemeinen deutlich aufgeschlossener wären, wenn man sich nicht mit solchen Extrem-Forderungen wie geschlechtsneutralen Ampelmännchen beschäftigen würde, sondern sich eher zunächst mal um die größeren und relevanteren Probleme kümmern würde.
Ähnlich sieht es doch beim Thema Vegetarismus/Veganismus aus.
Ich wette viele Leute würden dem Thema offener gegenüber stehen, wenn nicht bei solchen Kampagnen oft direkt die große Moralkeule geschwungen/ Fleischesser grundsätzlich runtergemacht werden würden und wenn statt der Forderung "Veganismus als einzige Lösung" eventuell einfach mal klein angefangen würde mit dem Vorschlag mal hier und da eine vegetarische Mahlzeit einzubauen.
Fakt ist nunmal, dass Extreme selten funktionieren und kleine Fortschritte oftmals deutlich langwieriger sind.
Aus meiner Sicht sind das Problem beim third wave feminism, Netzfeminismus etc. überhaupt nicht die Fundi-Positionen (wozu ich zB sowas wie "Prostitutionsverbot" rechnen würde, also eben so handfeste Sachen), sondern eher die Tatsache, dass es oftmals eine Debatte unter Privilegierten ist - das hat halt manchmal schon was von Argumentieren "aus dem Elfenbeinturm", insbesondere wenn es dann um so Klein-Klein geht wie die genannten Ampelmännchen. Oft geht es halt nur noch um symbolische Repräsentation, die verändert werden soll, um darüber auch die Wahrnehmungsmuster zu verändern - an sich ist das ja nicht falsch, hängt ja beides zusammen, aber viele Leute haben eben ganz andere Probleme, vor allem wenn man nicht nur auf die westliche Welt guckt. - Es gibt derzeit von feministischer Seite (zumindest gefühlt ...) mehr kontroverse Forderungen zu symbolischer Repräsentation als zur konkreten Veränderung von Lebensverhältnissen, und so gesehen ist es halt eine "Luxus-Debatte". Die entsprechenden Codes zu kennen, wird dann auch zu einem Distinktionsmerkmal, mit dem man sich in bestimmten Kreisen ausweisen muss. Das ist so eine neue Form von Klassismus, die derzeit zu beobachten ist, und daraus resultiert m.E. auch der Eindruck von "Weltfremdheit" (wobei ich diesen Vorwurf auch oft etwas naja finde, weil: Da muss man sich auch erstmal einig sein, wie die Welt nun beschaffen ist, und so eine Einigkeit wird es auch nie geben ...) und das weckt natürlich Trotz bei breiten Bevölkerungsschichten. Und in so einem Kontext wird dann auch die Liste gelesen, die hier verlinkt war - was an sich schade ist, weil, wie schon geschrieben: Rein inhaltlich finde ich die meisten dieser Forderungen gut.
Und was wohlmeinende Kampagnen angeht: Denke, die meisten sind für die Katz, oder anders gesagt: Der Zeitgeist (schönes Wort!) ändert sich nicht aufgrund von Kampagnen.