Pierre hat geschrieben: ↑10 Jan 2018 01:51
Ich reihe mich mal ein in die Reihe der Grundlagenfragen habenden:
ganz früher hatte man etwas zuhause das sich "Stereo-Anlage" nannte.
Das war eigentlich einfach: ein Plattenspieler, ein Cassetten-Player, Radioempfänger, eventuell open-reel tape, eventuell kleiner Mixer, ein bischen Verstärker und zwei Lautsprecher.
Verstärker gab es auch gern „ein bißchen mehr“. Wer etwas auf sich hielt, fuhr alles über einen NAD 3020.
Überhaupt gab es im HiFi-Komponenten-Bereich zwei Paradigmen und damit zwei Usertypen.
Der eine war der Markenfetischist. Für den mußte alles vom selben Hersteller kommen – und zwar auch der Plattenspieler und die Boxen. Er war nicht glücklich, wenn nicht die DM 2.500,— teure Komponentenanlage aussah wie das, was Schneider im Neckermann-Katalog großspurig „Power Pack“ nannte. Nicht selten hob er „seine“ Marke über alle anderen. Besonders häufig anzutreffen bei Kenwood und Pioneer.
Der andere war der Wählerische. Dem war es egal, wie die Anlage aussah, Hauptsache, die Features und vor allem der Klang stimmten. Da hing am NAD-Verstärker ein Thorens-Plattenspieler, ein Nakamichi-Kassettendeck, und die Boxen waren Eigenbauten nach Anleitung aus einer HiFi-Zeitschrift.
Pierre hat geschrieben: ↑10 Jan 2018 01:51
In der Disco sah das auch nicht anders aus, nur war da der Mixer obligatorisch und die Lautsprecher kräftiger.
Die seligen Zeiten, als in Discos noch ein paar mehr Klangquellen genutzt werden konnten. Heute hat man entweder zwei direktgetriebene Plattendreher (am liebsten Technics SL-1210) oder einen Doppel-CD-Player mit entsprechendem DJ-Controller oder einen Laptop. Früher™ war es nicht unüblich, neben zwei Turntables
und zwei CD-Playern auch noch mindestens ein Kassettendeck zu haben. Könnte ja sein, daß jemand mit einem coolen Bootleg oder gar einem eigenen Demotape ankam. So wurde 1987 übrigens Acid populär.
Pierre hat geschrieben: ↑10 Jan 2018 01:51
Und für Stage war es nur ein bischen komplizierter, mit XLR verkabelt und ein paar zusätzliche Features. Da isses dann auch mal passiert dass der Mixer-Mensch mir gesagt hat: 'setz dich da mal hin, ich muss was checken' - und weg war er ne Frau aufreißen. Es hat dann gleich gepfiffen, aber vorne lief eh Punk, hat also niemand gestört, bis ich rausgekriegt hab was wo hingehört.
Im Livebereich war und ist es um einiges anders, zumindest jenseits des Underground-Punk-Spektrums. Klangquellen im FoH-Zelt sind eher die Ausnahme als die Regel. Dafür hast du einen Mixer mit nicht unter 16 Eingängen, und 16 sind schon Kneipengröße – bei richtigen Bühnen hast du von 24 Kanälen aufwärts und nicht selten sogar programmierbare Digitalmixer. Dann gibt’s auch noch einiges an Outboard, den einen oder anderen Kompressor etwa, Multieffekte, Terzband-EQ im Masterweg, vielleicht gar Speaker Management.
Bei richtig großen Konzerten hast du manchmal Mischpulte, die kaum kleiner sind als die in professionellen Tonstudios.
Pierre hat geschrieben: ↑10 Jan 2018 01:51
Ja, und dann gab es noch die Audiophilen, die hochspezialisierte Ansprüche an wassergekühlte Röhrenverstärker, vergoldete Lautsprecherkabel und dergleichen mehr hatten - alles sehr elaboriert, aber von eigentlich fraglichem Sinngehalt, wenn man dann nicht auch das Haus passend um die Anlage herumbaut.
Die gibt es weiterhin. Es ist aber weiterhin weit vom Mainstream entfernt. Wer stellt sich heute einen Plattenspieler hin, bei dem Teller, Motor und Tonarm auf voneinander separaten Chassis stehen? Heute kauft man für 50 € einen Dreher, der über USB automatisch fix und fertige MP3s mit 128 kb/s CBR ausgibt, damit man die alten Platten endlich wegwerfen kann.
Pierre hat geschrieben: ↑10 Jan 2018 01:51
Inzwischen ist alles völlig anders.
Vor ein paar Jahren auf einem Konzert hab ich versucht zu verstehen was da auf dem Mixer-Platz eigentlich steht. Ich bin schon im Ansatz gescheitert. Der Mensch der es bediente hat genüßlich seine Joints genuckelt und sah damit aus wie ein
Navigator der Gilde in Dune. Und das, was er bedient (oder besser gesagt, womit er symbiotisch verschmolzen war), war sowieso völlig beyond (Avid Venue?).
Die sind also gänzlich in anderen Welten angelangt.
Professionelle Mixersysteme wie
Avid Venue werden gern bei großen, aufwendigen Konzerten eingesetzt, wenn derartig viele Signale von der Bühne kommen, daß ein klassisches Analogmischpult, das das alles aufnehmen kann, die Ausmaße einer gigantischen, fest installierten SSL- oder Neve-Studiokonsole haben müßte.
Statt also 96 Kanalfader nebeneinander zu haben, hat man weniger Fader – aber Motorfader – auf wesentlich kürzerer Strecke, die man jeweils verschiedenen Kanälen zuordnen kann.
Zugegeben, über solche Größen haben wir noch nie gespielt, auch deshalb, weil es von mir nur einen Mikroweg und einen Stereo-Submix von der Maschinerie gibt.
Pierre hat geschrieben: ↑10 Jan 2018 01:51
Und alles andere scheint jetzt entweder Heimkino zu sein, oder die eingebauten Lautsprecher im Tablet. Nicht wirklich befriedigend.
Kurzum - ich blick nicht mehr durch.
Was hat denn der "Normalmensch" jetzt zuhause?
Der „Normalmensch“ macht entweder alles, was nicht Fernsehen ist, mit dem Laptop, oder er hat eine kleine Kompaktanlage für unter 300 €, die kaum mehr kann als UKW, CD und MP3 (frag’ nicht nach FLAC oder Ogg/Vorbis) und keinerlei Ein-, geschweige denn aufnahmefähige Ausgänge hat. Selbst die 5.1-Systeme mit ihren kaum mehr als faustgroßen Satelliten, die Bose als erster, aber mitnichten als einziger baute, scheinen fast wieder passé zu sein; an ihre Stelle tritt die platzsparende, ungleich einfacher zu verkabelnde Soundbar, die kaum weniger plärrig klingt als die im Flachbildschirm-Fernseher eingebauten Lautsprecher – und auch das nur, weil sie nicht nach hinten gerichtet ist. Für Musik hat man einen smarten Lautsprecher (oder besser noch einen pro Raum) und die Musik überhaupt nicht mehr lokal, sondern auf Spotify.
Zum Glück bin ich kein „Normalmensch“.
Herzstück meiner Anlage im Wohnzimmer ist ein A/V-Receiver, der zum Kaufzeitpunkt gerade frisch ausgelaufen war, aber das Nachfolgemodell hatte drastisch viel weniger analoge Eingänge. Für den Plattenspieler (Pro-Ject) brauche ich aber schon einen separaten Vorverstärker. Dazu gibt es einen Blu-Ray-Player, ein MD-Deck (ja, wirklich), Vorbereitung für den Anschluß eines Tapedeck (schon vorhanden, aber nur Einzeldecks, weil besser), einen DVD-/Festplattenrecorder, den Fernseher, zwei Stereoboxen – und von meinem immer laufenden Eigenbau-Nettop eine zusätzliche optische Audioleitung, um auf dem Wege z. B. meine Musiksammlung abzuspielen.
Auf dem Kleinrechner läuft außerdem ein UPnP/DLNA-Server, der hauptsächlich als Videozuspieler für den Fernseher dient, und ein Logitech Media Server, auf den zwei Squeezebox Radios und eine variierende Anzahl an Software-Clients (Squeezelite, SqueezePlay) zugreifen. Letzteres System ist gerade jetzt recht attraktiv für Heimserver- und NAS-Betreiber, weil diejenigen, die die Squeezeboxen nur als Internetradios genutzt haben, jetzt auf Sonos oder Alexa umsteigen.
Gestreamt wird höchstens Internetradio. Spotify & Co. kommen mir nicht ins Haus. Dafür habe ich meine weit über 200 GB große Musiksammlung, überwiegend in einer besseren Qualität als jeder Streamingdienst.
← Das da sind keine Klaviertasten. Es sind Synthesizertasten. Doch, da gibt es Unterschiede.
Ich kann es euch erklären. Ich kann es aber nicht für euch verstehen. Das müßt ihr schon selbst tun.
INTJ nach Myers-Briggs