Ich habe schon an ihrer Existenz gezweifelt. Doch nun weiß ich, es gibt sie wirklich.
Wenn die Erwachsenen sagten: „Da, eine Sternschnuppe!“ und ich rief: „Wo?“, kam es mir vor, als wollten sie mich, das Kind, verschaukeln wie mit dem Osterhasen oder dem Weihnachtsmann. Wenn ich hinsah, war sie nämlich immer schon weg. Als Jugendlicher liebte ich den Sternenhimmel, aber irgendwie war es wie mit den Mädchen: Es gab nie ein Erfolgserlebnis. Wolken, Nebel, Straßenlaternen, Unaufmerksamkeit und fehlendes Glück verhinderten über Jahre, dass ich etwas mit eigenen Augen sah, über das andere völlig selbstverständlich erzählten. Klar gab es Gelegenheiten. Aber waren die Lichtscheine im Augenwinkel nun Sternschnuppen oder bloß Einbildungen oder zufällige Reflexe auf meinen Brillengläsern?
Nie konnte ich mir sicher sein, dass ich eine gesehen hatte. Perseiden, Leoniden, Geminiden? Alle Fehlanzeige. Ich fing scherzhaft an zu glauben, es gebe sie gar nicht. Jedenfalls nicht für mich...
Bis gestern. Ich lag im Bett, sah gedankenverloren von meiner Abendlektüre durchs Fenster auf in den klaren Nordhimmel – ein seltenes Bild Anfang November –, als ein goldfarbener Strich mitten hindurch huschte. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber ich war mir völlig sicher, nicht fantasiert zu haben. Ich starrte auf den Punkt, wo der Strich erschienen war, bis mir bewusst wurde, dass ich eine Sternschnuppe gesehen hatte. Dann fing ich an, mich zu freuen.
Übrigens sind Sternschnuppen Meteore, die einen Durchmesser von nur 1 bis 10 mm haben und nicht einmal 2 g wiegen (keine Ahnung, wie man das gemessen hat). Die meisten verglühen als Meteoroiden in der Erdatmosphäre. Die Leoniden erreichen ihr Aktivitätsmaximum angeblich Mitte November. Vor Jahrhunderten waren sie sogar der aktivste der bekannten Meteorströme. Durch den Einfluss eines Kometen kann es alle 33/34 Jahre zu einem sog. Meteorsturm kommen, bei dem pro Stunde mehrere tausend Sternschnuppen niedergehen. 1799 wurde Alexander von Humboldt in Venezuela Zeuge dieses Ereignisses: „Kein Teil des Himmels war nicht mit ständig aufleuchtenden Meteoren erfüllt.“ (Link)
Solltest du als Naturforscher ein derartiges Ereignis einmal in Zweisamkeit erleben, ist es allerdings ratsam, dieses Hintergrundwissen für dich zu behalten, denn sonst endet das gemeinsame Sternenhimmelgucken womöglich so.
