Wie sind Amazon-Bewertungen zu bewerten?

[BartS]

Hallo, der folgende Beitrag stammt von mir, ist aber schon gut 2 Jahre alt und hatte ihn damals in einem anderen Forum gepostet. Keine Ahnung, warum ich in den letzten Tagen häufiger an den Beitrag denken musste.

Also ich fand Amazon auch immer wegen seiner Kundenrezensionen ganz gut. Wenn ich den Titel eines Buches kannte, aber nicht so genau wusste, ob es etwas für mich sein könnte, dann hab ich in die Rezensionen reingeschaut und einiges an Informationen rausziehen können. Dabei war nicht immer entscheidend, ob derjenige dem Werk 3, 4 oder 5 Sterne gab, wichtig ist auch das drumherum.

Nun ist mir aber immer mehr aufgefallen, dass die Kundenrezensionen bei sagen wir mal "kontroverseren" Büchern oft recht seltsam war. Ich will es jetzt gar nicht am neuen Sarrazin-Buch festmachen, bei dessen Ansichten man so oder so geteilter Meinung sein kann. Ich würde das eher an ein Machwerk zeigen wollen, welches recht eindeutig eine schlechte Qualität in Inhalt und Form besitzt. "Freispruch - für CO2!: Wie ein Molekül die Phantasien von Experten gleichschaltet" von Wolfgang Thüne ist ein Buch, welches die These vertritt, dass das CO2 gar nicht zum Treibhauseffekt beitragen kann. Dort werden (wissenschaftlich nachgewiesen) falsche Begründungen geliefert. So weit, so gut, über das Buch finden sich insgesamt 13 Kundenrezensionen, 8 davon geben dem Buch 5(!) Sterne. Nur 3 dagegen geben 1 oder 2 Sterne. Auffällig ist auch, dass die hochbewerteten Urteile zu einem großen Teil zugestimmt werden (z.B. 186 von 234 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich, die die Überschrift hatte: Dr. Thüne hat vollkommen recht!).

Das lässt mich jetzt doch am Bewertungssystem von Amazon zweifeln. Ich höre auch mittlerweile Geschichten, dass jemand eine schlechte Kritik zu einem Buch reingestellt hat und diese am nächsten Tag nicht mehr vorhanden war. Wird da Druck auf Amazon aufgebaut? Oder wird das von Amazon selbst gesteuert? Was habt ihr da für Erfahrungen gemacht?

[orchideen]

also ich fand schlechte Bewertungen dort immer sehr zu treffend, wobei manchmal auch übertrieben waren. Ich acht nie drauf wieviele dem zustimmen. Zudem punkt kann ich nichts sagen. Bewertungen lese ich aber bei den Bücher seltener, da sie meist sehr subjektiv sind. Also ob ein Roman gut ist entscheide ich selber egal ob er verrissen oder umjubelt wird. Die Bewertungen nutze ich bei anderen Dingen, wie Handyhalterungen oder Abdeckungen von motorrädern, da ich ja die Qualität vorher nicht wirklich sehen kann.
Ich habe nie bemerkt das negative Bewertungen verschwunden sind, nur das sie manchmal nicht alle auf der ersten seite stehen, sondern nur in miniformat am rand oder man sie seperat aufrufen muss.

[e-schredder]

Ich finde Bücher mit wenigen mittelmäßigen und vielen extrem guten und schlechten Bewertungen interessant. Sie sind polarisierend und sprechen oft unangenehme Wahrheiten aus. Darunter finden sich sehr schlechte, aber auch manchmal sehr gute Bücher.

Ich habe mal bei einem Buch gesehen, wo die Hälfte der guten Bewertungen sehr stereotyp formuliert waren und die andere Hälfte persönlich. Da war sofort klar, dass da im Hintergrund ein "Propagandist" am Werk war. Ich empfehle daher bei Bewertungen auf individuelle Formulierungen zu achten. Die lassen sich nur mit viel Aufwand von einer kleinen Gruppe fälschen.

Dementsprechend halte ich nichts von Bewertungen von Bewertungen ("N Kunden fanden diese Bewertung hilfreich."), denn die können auch von einem Klickbot stammen.

[Joe_Sixpack]

Wie alles was im Internet steht: Mit Vorsicht zu genießen.

[soukous]

Hallo BartS,

hast du noch nie davon gehört, dass nicht alle Menschen die wissenschaftlichen Kenntnisse haben, um überprüfen zu können, ob ein populärwissenschaftliches Buch den Anforderungen seines Faches entspricht, z.B. weil sie nie etwas in der Richtung studiert haben? In dem Fall greifen bei den Leuten eben andere Kriterien: Rhetorische Überzeugungsfähigkeit des Autors, Übereinstimmung der These des Buches mit den eigenen politischen Überzeugungen ("Die doofen Grünen, endlich bekommen die einen auf die Mütze."), frühere positive Besprechungen in anderen Medien, eigene Glücksgefühle bei der Buchlektüre etc.

Dass Amazon negative Kritiken löscht, habe ich schon von mehreren Seiten gehört und erst in den letzten Tagen gesehen, wie bei einem Buch, das einmal mit fünf und einmal mit einem Stern bewertet wurde, die negative Bewertung verschwunden ist. (Wenn mehrere positive Bewertungen existieren, wird Amazon die eine oder andere negative Bewertung stehen lassen können, denke ich.)

Was ich ganz sicher weiß - weil eine Bekannte von mir das macht: Die Buchverlage setzen professionelle Schreiberlinge ein, die positive Rezensionen verfassen und bei amazon einstellen. Diese Leute haben teilweise Marketing-Erfahrung und wissen natürlich, dass weniger die fachliche Richtigkeit eines Buches als vielmehr die Emotionen, die geweckt und befriedigt werden, den Verkaufserfolg eines Buches ausmachen. Sie formulieren deshalb dementsprechend.
Mir sind schon etliche, sehr gut geschriebene Besprechungen bei Ratgeberbüchern aufgefallen, bei denen es am Schluss immer hieß: "Ich habe mit dem Buch meine Probleme überwunden und benötige es daher nicht mehr. Ein Freund von mir leidet unter den gleichen Symptomen. Ich werde es ihm schenken. Ich denke, er kann es gebrauchen."

[calcetto]

Die Posts zum Thema AKWs habe ich ins Thema Energiewende verschoben, da sie nicht zur eigentlichen Fragestellung passen.

[Dobi]

Amazon Bewertungen... verkaufe da öfters etwas und meine letzte Bewertung (also Bewertung, die mir jemand darauf verpasst hat) ist von 2008. Es bewertet kaum noch jemand, ich wette, wenn ich mir mal den Spass gönne und Mist rausschicke kann ich direkt eine negative kassieren.

Wie überall im Leben - mach was gut und niemand sagt was oder bemerkt was, mach mal was schlecht und sofort kriegste einen drauf.

[Skadi]

Ich lese sie mr immer noch durch, obwohl ich eigentlich inzwischen nichts mehr darauf gebe.

Bei Büchern ist es sowieso immer schwierig. Bei Romanen hängt die Bewertung ja sehr vom eigenen Geschmack ab, Bücher von Rosamunde Pichelsteiner bekämen bei niemals eine gute Bewertung, obwohl sie ja außerordentlich beliebt zu sein scheinen. Bei Sachbüchern ist es eben auch immer die Frage, ob derjenige, der bewertet, überhaupt etwas von der Materie versteht, was sich zwar aus manchen, aber nicht aus allen Rezensionen herauslesen lässt.

Beim Kauf von technischen Geräten habe ich immer sehr genau auf die Rezensionen und Bewertungen geschaut und musste dabei feststellen, dass auch diese keineswegs immer der Wahrheit entsprechen. Mein Autoradio bespielsweise wurde mit 5 oder zumindest 4,5 Sternen bewertet, auch die Rezensionen waren durchweg positiv. Dabei ist das Ding bedienungstechnisch teilweise ein Krüppel (aufgrund der unglücklichen Anordnung der Bedienknöpfe landet man beim Fahren häufiger mal auf dem falschen Knopf), leidet an empfangstechnischer Inkontinenz (es kann seine Sender nicht halten) und erbricht sich seit einiger Zeit auch noch in Selbstbeweihräucherung, was es nicht angeblich alles kann, und was besonders beim Fahren extrem nervt, weil es ständig wie wild vor sich hinblinkt, anstatt mir die Uhrzeit und den Raiosender o.ä. anzuzeigen.

Am gravierendsten ist mir die Diskrepanz zwischen Rezension und Realistät allerdings bei einem Epiliergerät aufgefallen, dass ich mir vor längerer Zeit gekauft habe. Im Nachhinein betrachtet strotzten die Rezensionen nur so vor Unwahrheiten (wie z.B. "völlig schmerzlos - auch für Anfänger bestens geeignet", "wochenlang glatte Beine" und anderer haarsträubender Unsinn - alles Quatsch, was ich damals noch nicht ahnte, da ich nie zuvor so ein Gerät besessen hatte.). Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass ein Großteil der dortigen Rezensionen von der entsprechenden Firma gesponsert oder gleich selbst eingestellt wurden, um die Verkaufszahlen zu erhöhen. Meine Schwester hat dasselbe Gerät und gleichartige negative Erfahrungen gemacht wie ich, das nur so nebenbei.

[HenryLee]

Ich suche mir zumeist eine längere ***** und eine * Bewertung und achte darauf dass in den Bewertungen sowohl auf den Inhalt als auch auf Form/Sprache etc. eingegangen wird. Meistens ist es ja auch so dass aus den gleichen Gründen sowohl extrem gute wie auch auch schlechte Bewertungen gegeben werden, man polarisiert halt gern.
Da ich allerdings inzwischen fast nur noch eBooks kaufe (und pBooks fast nur noch in Buchhandlungen) lasse ich mir halt eben schnell eine Leseprobe schicken und kann mir meine eigene Meinung bilden.

[BartS]

Hallo soukous,

hast du noch nie davon gehört, dass nicht alle Menschen die wissenschaftlichen Kenntnisse haben, um überprüfen zu können, ob ein populärwissenschaftliches Buch den Anforderungen seines Faches entspricht, z.B. weil sie nie etwas in der Richtung studiert haben? In dem Fall greifen bei den Leuten eben andere Kriterien: Rhetorische Überzeugungsfähigkeit des Autors, Übereinstimmung der These des Buches mit den eigenen politischen Überzeugungen ("Die doofen Grünen, endlich bekommen die einen auf die Mütze."), frühere positive Besprechungen in anderen Medien, eigene Glücksgefühle bei der Buchlektüre etc.

Doch, davon habe ich gehört und leuchtet mir ein. Es zeigt aber auch gleichzeitig die Schwächen eines solchen Bewertungssystem auf, wenn man rein nach den Zahlen geht. Die Bewertungen zu lesen finde ich bei Amazon viel hilfreicher, weil ich dann auch besser verstehen kann, warum jemand 5 statt nur einem Stern vergeben hat.

Was ich ganz sicher weiß - weil eine Bekannte von mir das macht: Die Buchverlage setzen professionelle Schreiberlinge ein, die positive Rezensionen verfassen und bei amazon einstellen. Diese Leute haben teilweise Marketing-Erfahrung und wissen natürlich, dass weniger die fachliche Richtigkeit eines Buches als vielmehr die Emotionen, die geweckt und befriedigt werden, den Verkaufserfolg eines Buches ausmachen. Sie formulieren deshalb dementsprechend.
Mir sind schon etliche, sehr gut geschriebene Besprechungen bei Ratgeberbüchern aufgefallen, bei denen es am Schluss immer hieß: "Ich habe mit dem Buch meine Probleme überwunden und benötige es daher nicht mehr. Ein Freund von mir leidet unter den gleichen Symptomen. Ich werde es ihm schenken. Ich denke, er kann es gebrauchen."

Ja, kann man sich zumindest gut vorstellen. Für Verlage sind gute Bewertungen auf so einem Portal verkaufssteigernd. Das Geld, was man für die Verschönerung solcher Statistiken usw. reinsteckt, dürfte sich bezahlt machen. Traurig, aber wohl Realität. Nicht ohne Grund (und auch weil ich beruflich im weitesten Sinne mit Statistik zu tun habe), sehe ich den Glauben an solche Bewertungstools sehr kritisch.

[BartS]

Hallo orchideen, danke für Deine Antwort. Ich sehe insbesondere folgende Aussage von Dir als recht interessant an:

Bewertungen lese ich aber bei den Bücher seltener, da sie meist sehr subjektiv sind. Also ob ein Roman gut ist entscheide ich selber egal ob er verrissen oder umjubelt wird.

Die Parallele zum eingeführten Reputationstool ist ja eigentlich nicht zu übersehen. Statt Bücher werden Postings bewertet. Und hinzu kommt ein User-Ranking der aufsummierten Punkte. Gerade das hast Du an anderer Stelle befürwortet. Das es sich hier auch um subjektive Bewertungen handelt, hat dort scheinbar keine wesentliche Rolle gespielt.

Gruss
BartS

[Onionhead89]

Ich lese eigentlich fast nie Rezensionen bei amazon, weil ich ohnehin von den Dingen, die ich haben/kaufen will, überzeugt bin; andernfalls würde ich die Sachen eher im Real Life beziehen. Die sind manchmal sehr unseriös geschrieben.

Auch halte ich nichts davon, nochmal danach zu fragen, ob die Rezensionen hilfreich waren; eine polemische Kundenrezension mit viel Plattitüden bei einem Sachbuch wird von jemandem auch als "hilfreich" angesehen, wenn er dieselbe plumpe Weltanschauung hat.

Amazon-Bewertungen sind zudem längst nicht bei allen Artikeln ernst zu nehmen, sondern dienen vor allem der Belustigung. Siehe auch: CNC-Fräsmaschine

[NBUC]

Ich lese eigentlich nur die Begründungen für schlechte Ergebnisse durch und überlege mir, ob das stimmen könnte und ob mich das betreffen würde.

[Shadow]

Amazon-Bewertungen sind zudem längst nicht bei allen Artikeln ernst zu nehmen, sondern dienen vor allem der Belustigung. Siehe auch: CNC-Fräsmaschine

wer mal schnell 52.000 € übrig hat....

[calcetto]

Ich lese eigentlich nur die Begründungen für schlechte Ergebnisse durch und überlege mir, ob das stimmen könnte und ob mich das betreffen würde.

[Reyn]

Ich lese eigentlich nur die Begründungen für schlechte Ergebnisse durch und überlege mir, ob das stimmen könnte und ob mich das betreffen würde.

Mache ich genauso.

[Mobienne]

Ich lese eigentlich nur die Begründungen für schlechte Ergebnisse durch und überlege mir, ob das stimmen könnte und ob mich das betreffen würde.

Mache ich genauso.

Mach ich auch so. Letztens wollte ich z.b. ein TV-Gerät recherchieren. Dieses hatte eine 1-Stern-Bewertung und der Käufer bemängelte, dass der Anschluss/das Bild/die Qualität bei Anschluss der Play-Station so schlecht sei. Interessierte mich nicht, weil ich keine Playstation habe. Alle anderen Bewertungen waren 4 oder 5 Sterne - insofern fiel also die Bewertung für das Gerät für mich sicher positiv aus - obwohl ich nur die 1-Stern-Bewertung gelesen hatte.

[Forever No]

Mich interessieren dabei grundsätzlich nur die eher technischen Aussagen.
Ich lese wenn vorhanden zunächst die mit einem Stern, dann die mit zwei - bei den Aussagen bewerte ich dann, ob sie inhaltlich für mich relevant sind bzw. sein könnten.
Alle anderen zumeist eher nicht.

[Le Chiffre Zéro]

Wie auf viele andere Dinge gibt auch hier wieder xkcd die Antwort.

5 Sterne: nur eine Bewertung
4,5 Sterne: Spitze
4 Sterne: in Ordnung
Weniger als 4 Sterne: Schrott

[Moon]

Nun ist mir aber immer mehr aufgefallen, dass die Kundenrezensionen bei sagen wir mal "kontroverseren" Büchern oft recht seltsam war. Ich will es jetzt gar nicht am neuen Sarrazin-Buch festmachen, bei dessen Ansichten man so oder so geteilter Meinung sein kann. Ich würde das eher an ein Machwerk zeigen wollen, welches recht eindeutig eine schlechte Qualität in Inhalt und Form besitzt. "Freispruch - für CO2!: Wie ein Molekül die Phantasien von Experten gleichschaltet" von Wolfgang Thüne ist ein Buch, welches die These vertritt, dass das CO2 gar nicht zum Treibhauseffekt beitragen kann. Dort werden (wissenschaftlich nachgewiesen) falsche Begründungen geliefert. So weit, so gut, über das Buch finden sich insgesamt 13 Kundenrezensionen, 8 davon geben dem Buch 5(!) Sterne. Nur 3 dagegen geben 1 oder 2 Sterne. Auffällig ist auch, dass die hochbewerteten Urteile zu einem großen Teil zugestimmt werden (z.B. 186 von 234 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich, die die Überschrift hatte: Dr. Thüne hat vollkommen recht!).

Idealerweise sollte man ja ein Buch gelesen haben, bevor man eine Rezension darüber verfasst. Und wer kauft so ein Buch wie das von Dir als Beispiel herangezogene und liest es dann auch noch? Doch in aller Regel nur diejenigen, die den Klimawandel schon immer für eine Erfindung der Solarindustrie/der Grünen/der Klimaforscher oder wem auch immer gehalten haben. Und die finden ihre Meinung in so einem Buch dann halt bestätigt und sind meistens weder in der Lage noch Willens, die dort gebotenen Argumente kritisch zu hinterfragen. So kommen dann halt die positiven Rezensionen zustande.