Wenn du und ich …
„Du“, wie genial! Ich las den Eröffnungsbeitrag des 43. Schreibwettbewerbs. Irgendwie konnte ich es gar nicht fassen. Aber es war tatsächlich so. Da stand es ja:
So, was lange währt, wird auch irgendwann mal fertig.
Thema des nächsten Schreibwettbewerbs ist "Du".
Das Thema konnte passender nicht sein, nach der letzten Woche. Auf einmal warst du mir da wieder so gegenwärtig. Also mal ehrlich: Es ist ja auch irgendwie irre, oder? Da schreib ich Jahre hier, Jahre! Man kennt sich. Ist doch logisch! Klar, es sind viele da, die man nicht kennt. Das leuchtet ein und ist auch gut so. Man stelle sich vor, man würde hier Leuten, die man aus dem Alltag kennt, über den Weg laufen: Nachbarn, Menschen aus dem Arbeitsumfeld, Kollegen oder gar Vorgesetzte? – Brrrrr. Bei dem Gedanken schaudert es einen schon… Dich nicht? Aber es passierte nie. Wäre ja auch ein Zufall. Also schreibt man hier, tauscht sich aus, trifft sich.
Treffen: Vorstellung mit Nicknamen, Namen. Was unternehmen. Es dämmert. Ich schaue nochmal. Ich schaue ein drittes Mal. Ich bin sicher. Das bist doch du! „Hallo, wir kennen uns doch. Weißt du noch?“ „Ja, ich dachte auch gerade.“ „Wie lange schreibst du hier schon?“ „Was, auch schon so lange?“
Als wir uns das erste Mal über den Weg liefen, war ich noch jung. Du auch. Wir kamen sofort ins Gespräch. Eine Stunde werden wir sicher geplaudert haben und am Ende haben wir Adressen ausgetauscht. Es war die Ära vor Handy oder Internet. Es gab keine sozialen Netzwerke.
Wir schrieben uns auf Papier: Briefe.
Schreiben, DAS konntest du. Es gefiel mir, wie du deine Briefe formuliertest. Du nahmst mir sogar eine Kassette mit deiner Lieblingsmusik auf. Ich wartete auf Post von dir, freute mich, wenn deine Briefe eintrudelten. Wir schrieben ein halbes Jahr recht regelmäßig. Dann war da diese Party, zu der ich dich einlud. Ich freute mich, dich wiederzusehen. Doch ab diesem Punkt lief alles schief. Es passierte …
…nichts. Die schönen Erwartungen: Alle enttäuscht. Der Kontakt zwischen uns brach bald ab.
Einige Monate vor dem Wiedersehen fand ich deine Briefe in einer Schublade, las ein wenig darin und entsorgte sie schließlich. Längst Abgeschlossenes kann weg.
Letzte Woche dachte ich:
Hätten wir uns an dem Wochenende damals weniger wie ABs verhalten, wir wären vielleicht keine geblieben. Wir waren doch jung!
Letzte Woche stocherte ich wieder im Morast des „was-wäre-heute-wenn-wir-damals…“
Diese Gedanken ließen mich nicht los. Dabei ist eines vollkommen klar: Es wäre früher anders gewesen, aber aus uns wäre nichts geworden. Wir hätten einen anderen Startpunkt gehabt, aber einen besseren? Wäre hier die Maxime gewesen: Besser früher ein nicht optimal passender Start, als später DER Treffer oder am Ende gar kein Start ins Beziehungsleben?
Also: Angelangt am Kernpunkt vieler Diskussionen in den Foren: Einfach machen oder warten, bis es passt? Einfach! - Wenn es denn so einfach wäre. Allein die Gelegenheit schenkt uns noch nicht die Fähigkeit, es zu tun. Am Ende findest du jemand passendes, aber du bist nicht handlungsfähig.
Was aus unserem Leben geworden wäre, wenn du und ich...? Keiner kann das sagen. Du nicht. Ich auch nicht. Zusammengepasst hätten wir nicht. Allein in diesem Punkt* waren wir uns beim Wiedersehen einig: Du und ich.
(* Eine weitere Übereinstimmung soll hier nicht verheimlicht werden: Wir vermuteten beide im Laufe unseres Lebens, dass vielleicht der andere ein AB gewesen sein könnte. Du, da lagen wir gar nicht mal so daneben.)