Er nimmt Flüssigkeit so gut wie ausschließlich in alkoholischer Form zu sich. Ein einziges Mal hab ich ihn Kaffee trinken sehen, ein einziges Mal Sprite. Sonst ausschließlich Bier, Radler und gelegentlich Wein. Am Anfang dachte ich mir nicht viel dabei, da er nie betrunken wirkte und auch vor dem Fahren nichts trinkt. Nachdem ich mich mal bisschen informiert hab weiß ich, dass er ein typischer "Spiegeltrinker" ist, also konstant einen bestimmen Alkoholspiegel aufrecht erhalten muss. Zwar trinkt er vorm Fahren nichts, allerdings lässt er dem Suff wegen auch öfter das Auto stehn. Dann bleibt er entweder daheim oder ruft sich ein Taxi, damit er nicht auf Alk verzichten muss. Wenn er nicht gerade fahren muss trinkt er schon morgens, direkt nach dem Aufstehen. Ansonsten gehts halt gleich los, nachdem er seine Einkäufe etc. erledigt hat.
Es gab flüchtige Momente, in denen er sein Alkoholproblem eingestand und meinte, das sei alles nicht gut für ihn. Meistens aber ist das Gegenteil der Fall. Dann meint er Sachen wie, Alk könne nicht schlecht sein, schließlich würde er seit Jahrtausenden konsumiert. Hätte auch überhaupt nicht viel Kalorien, stimmt gar nicht. Es sei mit Sicherheit gesünder als mein Schokoriegel, den ich alle Paar Tage esse. Er könne jederzeit damit aufhören, machts aber nicht, weils ihm halt Spaß macht. Und weil er damit nur den ganzen Kumpels und Kollegen recht geben würde, die sagen trink nicht so viel. Klar! Er ist krank, entweder er merkts nicht oder er wills nicht wahr haben.
Jetzt war er wegen starker Schulterschmerzen krank geschrieben. Laut Beipackzettel darf das Schmerzmittel nicht mit Alkohol eingenommen werden. Und was macht er? Spült es stark überdosiert mit Bier runter! Sein Arzt weiß nichts von seinem Problem, „weils ihn einen Scheißdreck angeht“. Ich machte mir Sorgen. Aber zum Glück hatte ich mich vorher über Alkoholismus informiert und wusste, dass gute Worte nichts bringen. Also ließ ich es sein. Er weiß was ich von seiner Sucht halte. Aber ich habe nicht mit ihm darüber diskutiert. Ruhig meine Meinung gesagt und dass ich es gut sein lasse, er muss wissen was er macht.
Letztens meinte er wieder, er könne jederzeit aufhören, was ich bestritt. Ich sagte, es ist ok. Ist halt ne Sucht, mir sei klar dass er momentan nicht anders kann, bei mir sei es mit meiner Bulimie damals nicht anders gewesen. Am selben Abend hatten wir böse gestritten. Aus einem vollkommen nichtigen Grund. Er meinte, ich sei ein „negativer Mensch“, da ich kleine Totenköpfe auf meinem Shirt hätte. Ich meinte nur, hast ja selber einen auf der Jacke und noch dazu ein Totenkopf-Tattoo auf dem Arm! Also was willst du? Daraufhin fiel ihm immer was neues zu kritisieren an mir ein. Ich sagte ihm dann, weißt du was, wenn ich morgen heim fahre, komm ich nicht mehr wieder. Die Nacht verbrachte er mit ner Flasche Wein im Sessel vorm TV. Sonst schläft er immerhin brav ohne zu trinken.
Am nächsten Morgen macht er mir Frühstück, Tee, bringt mir ne Decke. Alles war wieder gut. Ich werde mich auch auf keine Diskussionen mehr einlassen.
Aber es tut weh wenn ich ihn den ganzen Tag saufen sehe. Ich meine, ich muss es akzeptieren oder halt meine Koffer packen. Mittlerweile weiß ich auch wie er tickt. Sagt jemand was, fühlt er sich extrem angegriffen und sauft extra. Außerdem hält er generell (in verschiedenen Bereichen) nicht viel von professioneller Hilfe. Dass er versucht aufzuhören, halte ich zwar für sehr unwahrscheinlich. Wenn er es jedoch versuchen sollte, bin ich fast sicher, würde er sich nie Unterstützung holen und lieber daheim an Entzugserscheinungen verrecken. Daher sage ich auch nichts weiter, ich kenne ihn.
Ich weiß, alle werden mir raten ihn zu verlassen. Aber noch bin ich nicht so weit. Würde er mich schlagen oder mies behandeln, ich wäre schneller weg als er gucken kann. Außer diesem einen Streit gab es aber nie ein böses Wort. Es macht mich nur oft traurig, wenn ich sehe wie er seine Gesundheit aufs Spiel setzt.