Wollte ich da wirklich rein? Weil es ja so einen Spaß macht? Geschenke brauchte ich ja keine. Und nach überteuerten Zwiebelringen und gepanschtem Glühwein gelüstete es mich auch nicht. Traurig blickte ich mich um. Und entdeckte am Ende der Gasse etwas am Boden. Kinder hatten da einen kleinen Flohmarkt eröffnet. Wohl um Platz zu schaffen im Kinderzimmer. Schließlich würde bald Nachschub an Spielen, Teddybären, naja, eher Spielekonsolen und anderem modernen Beschäftigungsmaterial kommen.
Dahinter war Aldi. Also los.
Im Vorbeigehen fiel mein Blick auf einen ziemlich hässlichen und zerrupft wirkenden Plastikweihnachtsbaum. Mit Augen und roter Zipfelmütze. Er hatte bestimmt mal fröhlich ausgesehen, aber wie er da so auf dem Pflaster stand, war es, wie in einen Spiegel zu schauen. Traurig schauten wir uns an. "Er kann sprechen, tanzen und singen!" ertönte eine Kinderstimme neben mir. Ich schaute erstaunt. Der Junge nahm den Baum, öffnete ein Fach am Fuß und mein Blick fiel auf Batterien. Als er einen Schalter betätigte, machte der Baum einen "Hüftschwung" mit den nicht vorhandenen Hüften und rief blechern "Hohoho".
Was für ein Mist, dachte ich, griff aber schon zu meinem Portemonnaie, denn die zerrupfte Hässlichkeit rührte mich an.
So ging ich dann mit dem Baum unter dem Arm zu Aldi, in die gewohnte Fertigmenüabteilung und suchte mir etwas Passendes für die Feiertage aus. Den mexikanischen Feuertopf aus der Dose würde ich mit den Frankfurtern aus dem Glas aufpeppen. Viel mehr Auswahl bot der Laden vor den Feiertagen schon fast nicht mehr, die Leute hatten sich auf die bevorstehenden Hungerjahre (3 verkaufsfreie Tage) bereits gut vorbereitet.
An Heiligabend saß ich in meinem Fernsehsessel, dem einzigen Sitzmöbel in meinem spartanisch eingerichteten Wohnzimmer. Besuch kam ja nie. Beim zappen durch die Programme überall der gleiche Mist. So wusste ich bald nicht, ob das sauer Aufstoßen vom Feuertopf (den ich mit Chiliflocken noch verfeinert hatte) oder vom schlechten Programm kam. Überall nur heiapopeia-merrychristmas- und happyfamily-Schwachsinn. Ich schaute den Baum an, der neben mir auf dem Tisch stand und schaltete den Fernseher aus. Heiapopeia ging weiter. Aus der Nachbarwohnung drangen Gelächter und Kinderstimmen, Absatzschuhe klapperten über den Parkettboden und Stühle wurden herum geschoben.
Ich schaltete den Baum ein und er machte genau 2 Hüftschwünge und sagte "Hoh". Das wars.
Ich betätigte den Schalter mehrmals, bis mir der Gedanke kam, die Batterien könnten leer sein. Ich entnahm sie und ging damit zum Schränkchen im Flur, durchforstete alle Schubladen und fand keine neuen Batterien. Fuck.
Nicht mal der Baum redet noch mit mir an Weihnachten!
Eine einsame Träne wollte sich den Weg über meine Wange bahnen. Ich hörte durch die Wand die Türklingel der Nachbarn. Noch mehr Besuch war angerückt und es folgte ein großes Helau, nachdem die Tür geöffnet worden war. Ich drehte mich zum Wohnzimmer um, ging dann aber doch in die Küche. Schaute in den Kühlschrank. Weitestgehend Leere. Passt. Auf der Arbeitsfläche daneben noch 2 Dosen Feuertopf. Darauf hatte ich keine Lust. Immer noch die Batterien in der Hand tigerte ich auf und ab. Vielleicht hatte ja der Kiosk an der Ecke noch auf. Die haben doch fast alles. Vielleicht auch Batterien.
Aber als ich da ankam, fand ich nur ein Schild vor: "Wir wünschen all unseren Kunden ein frohes Weihnachtsfest im Kreise ihrer Lieben. Wir sind nach den Feiertagen wieder für Sie da.".
Hätte ich mir denken können. Langsam schlurfte ich zurück zu meiner Wohnung.
Ich hatte den Schlüssel schon im Schloss meiner Tür stecken, als mir eine Schnapsidee kam. Vielleicht hatten die Nachbarn ja Batterien für mich. War wohl Gehirnvereisung, weil ich ohne Mütze losgegangen war, ich klingelte bei Nachbars und ehe ich es mir noch anders überlegen konnte, wurde die Türe aufgerissen und ein kleines Mädchen mit Strickkleid, weißen Strumpfhosen und Pippi Langstrumpf-Zöpfen starrte mich erwartungsvoll an. Eine Frauenstimme erklang aus dem Wohnzimmer und die Kleine antwortete pflichtschuldig in dieselbe Richtung: "Nicht der Weihnachtsmann!" und lief einfach davon. Ich blieb allein in der offenen Tür stehen. Für einen Moment wusste ich gar nicht, was tun?
Dann kam auch schon die Frau Mama um die Ecke und schaute mich erstaunt an. "Ja bitte?"
Sie erkannte mich offenbar nicht, ich sie aber auch nicht... sie musste wohl zu Besuch sein. So gut kannten sich die Leute hier im Haus nicht, naja, ICH kannte sie nicht. Sie rief nach einem "Helmut!" und ich stand immer noch wie angewurzelt. Helmut kam und hatte rote Bäckchen. Offenbar ertrug er die Feiertage nur mit einigen Promille. Aber hey, den erkannte ich. Wir hatten uns gestern beim Schneeschippen kurz gegrüßt. Ich fand auch endlich meine Stimme wieder und hob die Hand mit den Batterien.
Er zog mich in den Flur und fing an in seinem Flurschränkchen alle Schubladen rauszuziehen. Er förderte sogar einige Batterien zutage, aber leider nicht die passenden.
Währenddessen konnte ich einen Blick in die warm erleuchtete Wohnstube werfen. Ich blickte auf eine große Festtagstafel mit weißem Tischtuch und Adventskranz mit brennenden Kerzen, soeben wurde die Weihnachtsgans auf den Tisch gestellt, die Familie eilte zu Tisch, mit erwartungsfrohen Gesichtern. Im Hintergrund tönte besinnliche Weihnachtsmusik und der Baum... wow... da stand eine sicher 2m große und ausladende Edeltanne, wunderschön geschmückt, ganz anders Kategorie als Karstadt. Und darunter große und kleine Pakete und Päckchen. Und wie es duftete... ich wurde ganz hungrig.
Helmut drehte sich wieder zu mir um. Mit einem bedauernden Lächeln zuckte er mit den Schultern und entschuldigte sich. Da war es wohl an mir, mich umzudrehen... und zu gehen. "Trotzdem danke" murmelte ich und drehte mich zur Tür. "Frohes Fest" rief er mir zu, kurz darauf schloss sich die Tür hinter mir. Ich stand im Treppenhaus und mit einem "Pling" erlosch das Licht.
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