Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

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ERSTER BEITRAG DES THEMAS
Reborn

Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Reborn »

Hallo Leute,

es heißt ja immer ein Junge will von Beruf das werden was sein Vater war. Mein Vater war Drogendealer. Er hat Drogen an Soldaten der US Army verkauft und das Geld in Heroin investiert zum Eigenverbrauch. Das ging so lange bis er gefasst wurde und als Bewährungsauflage eine Therapie machen musste bei der er meine Mutter kennen lernte - die Heroin gedealt hatte. Und als ihm dann klar wurde, dass ihn mit 62 Jahren - mehr als 30 Jahre später - die Spätfolgen seiner Sucht töten würden, da bat er mich zu sich. Ich hatte ihn seit 9 Jahren nicht gesehen und noch nie hatte er auch nur ein einziges mal seine Vergangenheit mir gegenüber thematisiert, wusste aber, dass ich von anderen davon gehört hatte: Er sagte - und ich spürte dass es ihm wichtig ist: "Mein Sohn, ich weiß ich bekomme jetzt die Quittung für das Leben das ich geführt habe - und das ist Scheiße. Aber das war mein Leben, mein Weg. Und es ist gut, dass es war wie es war. Es hat Spaß gemacht. Ich bereue garnichts."

Nun könnte man meinen: Klar, dass reborn ein AB ist, er ist ja auch bei totalen Freaks aufgewachsen. Die Sache ist aber, dass ich durch meine Eltern anders bin als andere - auf eine wie ich finde sehr gute Art und Weise. Ich hinterfrage Dinge die andere nicht hinterfragen. Ich erkenne Scheinheiligkeit sofort. Ich verstehe warum diese Welt auf eine sehr perfide Art ungerecht ist - und ich leide darunter, dass andere das abstreiten und sagen ich würde mich nicht selber lieben nur weil ich die Wahrheit sage. Dabei liebt sich gerade jemand selbst der die Wahrheit sieht und seinen Weg trotzdem geht. Das schlimmste ist aber, dass mich einfach niemand versteht - weil alle diese Perspektive die ich kenne nicht kennen, das was ich sah nie gesehen haben. Man lebt in einer Welt in der man nicht zurecht kommt.

Einmal ging ich sehr depressiv in einem Park spazieren und sah auf einer Bank zwei Typen sitzen mit einer Gitarre. Es waren Aussteiger, Verstoßene, Süchtige - mit ihren Bierflaschen auf einer Parkbank. Ich sagte: "Spiel mir mal was vor!" Und der mit der Gitarre sah mich an und sagte: "Gut...setz dich!"
Ich habe 3 Stunden bei diesen Typen verbracht und fühlte mich unendlich wohl. Endlich wie zu Hause. Endlich konnte ich mal vernünftig mit jemandem reden. Wir erzählten uns was wir so erlebt hatten. Der eine war seit Jahrzehnten Alkoholiker. Der andere 25 Jahre Heroin-Abhängig. Ich sagte: "Scheiße, die Welt ist ungerecht." und ich dachte jetzt kommt gleich wieder ein dämlicher Vortrag über Selbstliebe. Doch stattdessen sagten die beiden Typen: "Klar ist sie ungerecht!" und ich fügte hinzu: "Und das schlimmste ist..." Der eine unterbrach mich: "...dass es keiner versteht!" sagte er. Ich war baff: "Woher wusstest du was ich sagen wollte?" fragte ich. "Na weil es so ist!" sagte er... "Du hast Dinge gesehen die andere nicht gesehen haben! Du hinterfragst die Dinge. Du verstehst warum die Welt auf eine sehr perfide Art ungerecht ist - und du leidest darunter, dass andere das abstreiten". "Genau!" sagte ich verduzt... "Und ich dachte immer ich sei nur negativ eingestellt". Die beiden Typen lachten: "Nein Mann... Du bist nicht negativ eingestellt. Kinder die in Afrika an Aids verrecken für die Scheiße die die da oben [er zeigte auf gutbürgerliche Häuser auf einem Berg] sich so in die Wohnung stellen - das ist die Realität. Und es ist scheiße ungerecht. Und jeder weiß das. Aber es ist einfach sich selber zu belügen und diese Aspekte des Lebens einfach auszublenden. Wir können das nicht. Deshalb finden wir uns in deren Welt nicht zurecht."

Ich fühlte mich so verdammt verstanden.

Und daher frage ich mich auch: Vielleicht bräuchte ich nur eine Frau mit einem ähnlichen Hintergrund wie ich die meine Perspektive verstehen würde. Aber diese Frauen sind verdammt selten und noch härter zu finden.

Könnte es für andersartige Menschen eine Lösung sein ähnlich denkende Menschen zu suchen - etwa in einer Subkultur...für mich z.B. Rockerszene oder ähnliches? Hatte jemand hier schonmal die Idee und es vielleicht versucht?

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Reborn

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Reborn »

Mir fällt noch was ein: Bei diesem Gespräch mit meinem Vater fragte ich ihn auch ob er vor meiner Mutter schon Frauen gehabt hätte. Er meinte: "Ja schon, aber das waren alles Junky Weiber". Nach meiner Mutter lernte er nie wieder eine Frau kennen obwohl er es versuchte und auf zahlreiche Dates ging. Diese Frauen waren aus einer anderen Welt. Eine Welt zu der er keine Verbindung hatte. Er fand auch sonst in keinster Weise Verbindung zur "normalen Welt". Ging nie einem normalen Job mit geregelten Arbeitszeiten nach. Er hatte auch nie Freunde aus dem normalen bürgerlichen Bereich. Es war nicht seine Welt. Seine Welt waren nach seinen eigenen Angaben verrauchte Rockerclubs, Hells Angels, Zuhälter und Nutten. Diese Welt hatte er hinter sich gelassen und danach lebte er den Rest seines Lebens für sich allein ohne Verbindung zur Welt.

Was ich damit meine ist: Er hatte durchaus Erfolg bei Frauen - aber nur innerhalb seiner Subkultur. Und das ist auch ein Grund warum ich manchmal denke: Vielleicht bin ich nur einfach nicht unter meinesgleichen. Vielleicht ist das das Problem.
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TheRealDeal
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Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von TheRealDeal »

Ich finde es geht im Leben darum, sich auf seinem Weg zu befinden. Und wenn das heißt, mit Drogen zu dealen, dann ist das so. Wahrheiten gibt es viele, ich würde eher sagen, dass es darum geht, die Realität anzuerkennen. Das, was ich als real empfinde. Das bedeutet natürlich auch, dass man irgendwann erkennen wird, dass die Welt ungerecht ist. Sehr sogar. Die Frage ist halt, ob mich diese Erkenntnis belastet, oder nicht. Ob ich meine Hilflosigkeit verkrafte, wenn ich erkenne, dass mein Beitrag für eine bessere Welt nicht so groß ist, wie er sein könnte, bzw. wie ich ihn gerne hätte. Aber ich bin nicht perfekt und sehe mich auf meinem Weg. Und damit habe ich meinen Frieden gemacht. Und dafür brauche ich die Selbstliebe. Sich auf seinen Weg zu befinden hat nichts mit Wohlstand, Gesundheit, oder einem Weg zu tun, auf dem sich möglichst wenig Steine befinden. Und das persönliche Glück lässt sich eben auch finden, wenn man wenig hat. Weil man das Wenige dann eher zu schätzen weiß.
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blauäugig

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von blauäugig »

Reborn hat geschrieben:Und daher frage ich mich auch: Vielleicht bräuchte ich nur eine Frau mit einem ähnlichen Hintergrund wie ich die meine Perspektive verstehen würde. Aber diese Frauen sind verdammt selten und noch härter zu finden.

Könnte es für andersartige Menschen eine Lösung sein ähnlich denkende Menschen zu suchen - etwa in einer Subkultur...für mich z.B. Rockerszene oder ähnliches? Hatte jemand hier schonmal die Idee und es vielleicht versucht?
Die gute Nachricht ist, dass es auch Frauen ohne deinen speziellen Hintergrund gibt, die genug Emphatie besitzen, um sich, bei Interesse, in deine Perspektive hineinzuversetzen. Die wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in der Jungen Union finden, aber ich würde daraus umgekehrt auch kein Argument für Subkulturen oder andere Milieus machen.

Ich habe in Subkulturen zwischenmenschlich exakt den gleichen Mist erlebt wie außerhalb von diesen. Im Wesentlichen sind das Zusammenhänge, die sich (selbst im dezidiert politischen Bereich) lediglich über eng gesteckte Äußerlichkeiten, Interessen und Glaubenssätze definieren, sich abschotten und Abweichungen gegenüber sehr intolerant sind. Mit einer Wesensverwandtschaft hat das zwangsläufig nichts zu tun und diese Ausschließlichkeiten beschneiden auch immens die eigene Persönlichkeit und deren Entwicklung.
Nichtsdestotrotz habe ich in diesen Zusammenhängen, auf Basis ähnlicher Interessen, (einfacher als üblich) Freunde gefunden. Einige (eher wenige) dieser Freundschaften haben bis heute, mittlerweile ohne subkulturellen Bezug, überdauert und ich möchte sie nicht missen.

Subkultur bzw. das Aufgehen in dieser halte ich also nicht für DIE Lösung. Das "Milieu" in dem sich dein Vater bewegt hat, ist ja nochmals exklusiver, darum vielleicht auch unmittelbar ehrlicher, aber die diesem zugrundeliegenden "geschäftsmäßigen" Abhängigkeiten und deren Gewaltförmigkeit wünsche ich niemandem. Da steht bei abweichendem Verhalten oder Szeneausstieg deutlich mehr auf dem Spiel als "nur" der Verlust von Freundschaften.

Das spricht jetzt alles überhaupt nicht gegen das Aufsuchen subkultureller Orte und Zusammenhänge, um Menschen zu finden, die dir ähnlich sind und unter denen du dich wohl (oder zumindest wohler als andernorts) fühlst. Wenn jedoch Freundschaft mit Anforderungen oder Abhängigkeiten verbunden ist, wäre ich auf der Hut.
Nonkonformist

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Nonkonformist »

Ich habe meinen platz gefunden im Trickfilmbereich, unter anderen künstler aus den entertainment-industrie,
wo ich mich wohl fühlte und wo es auch zu mir passenden frauen gab, die zumindseten in meinen friend-zone
gelandet sind, aber im kriminellen bereich würde ich mich nicht bewegen wollen.

Ich halte es persönlich für schlauer um sich die menschen zu suchen die so zu einem passen, als sich zu
verbiegen um menschen wobei man sich unwohl fühlt an zu gleichen. Das was nicht passt wird passend
gemacht
ist für mich persönlich einen art gewaltsakt. Hier im forum gehöre ich damit anscheinend zu
einen minderheit
Happy Future

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Happy Future »

blauäugig hat geschrieben: Ich habe in Subkulturen zwischenmenschlich exakt den gleichen Mist erlebt wie außerhalb von diesen. Im Wesentlichen sind das Zusammenhänge, die sich (selbst im dezidiert politischen Bereich) lediglich über eng gesteckte Äußerlichkeiten, Interessen und Glaubenssätze definieren, sich abschotten und Abweichungen gegenüber sehr intolerant sind. Mit einer Wesensverwandtschaft hat das zwangsläufig nichts zu tun und diese Ausschließlichkeiten beschneiden auch immens die eigene Persönlichkeit und deren Entwicklung.
Nichtsdestotrotz habe ich in diesen Zusammenhängen, auf Basis ähnlicher Interessen, (einfacher als üblich) Freunde gefunden. Einige (eher wenige) dieser Freundschaften haben bis heute, mittlerweile ohne subkulturellen Bezug, überdauert und ich möchte sie nicht missen.
Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Auch dort fühlte ich mich nicht zugehörig, weil ich weiter über den Tellerrand geschaut habe, als die anderen. Und das erntete wiederum Unverständnis.

Bin in mehreren Subkulturen unterwegs, ohne mich irgendwo richtig zugehörig zu fühlen - ich bin zu individuell dafür.
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Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Berglöwe »

Wenn es in deiner Subkultur kaum Partner vom passenden Geschlecht gibt, ist man auch angearscht. Daher kann es per se nicht immer die Lösung sein.

Ansonsten geht es mir wie Happy Future:
Ich fühle mich auch nirgendwo zugehörig, da zuviele gleichberechtigte und teilweise konträre Neigungen in mir vereine, denen ich auch allen mehr oder weniger nachgehe ohne das eine überwiegt. Ich habe nicht die eine Sache im Leben, der ich mich verschrieben habe. Dafür schaue ich auch zu gerne mal (in Abständen) über den Tellerrand und probiere was neues.
Happy Future

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Happy Future »

Alexas hat geschrieben:Wenn es in deiner Subkultur kaum Partner vom passenden Geschlecht gibt, ist man auch angearscht. Daher kann es per se nicht immer die Lösung sein.

Ansonsten geht es mir wie Happy Future:
Ich fühle mich auch nirgendwo zugehörig, da zuviele gleichberechtigte und teilweise konträre Neigungen in mir vereine, denen ich auch allen mehr oder weniger nachgehe ohne das eine überwiegt. Ich habe nicht die eine Sache im Leben, der ich mich verschrieben habe. Dafür schaue ich auch zu gerne mal (in Abständen) über den Tellerrand und probiere was neues.
Individualismus richtig zu leben, ist zwar äußerst spannend und ich denke, man wird dadurch auch ein durchaus interessanter Mensch und kommt zu faszinierenden Erkenntnissen. Jedoch macht er auch einsam, weil es für andere schwierig ist, ihre eigenen Grenzen zu überwinden und das zu verstehen. Man weicht halt von jeder Norm ab, die Gruppen halt so innehaben.
Morningstar

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Morningstar »

Kann mich da teilweise in der Beschribung widerfinden, auch ich gehöre eher nicht zur Mainstreamkultur da ich weder Konsum noch Karriere orientiert lebe. Für mich sind intellektuelle Dinge sehr wichtig, nachdenken über die Welt, den Dingen auf den Grund gehen lernen zu verstehen warum die Welt so ist wie sie ist und was man wie verändern könnte.
Ist da aber auch sehr schwierig eine passende Subkultut zu finden ohne sich dabei selbst irgendwie erheblich einzuschränken. Ich denke aber das es letztendlich dennoch wichtig ist authentisch zu sich selbst zu stehen. Anderen und ihren Bedürfnissen entgegen kommen ja, sich total anpassen und verbiegen nein, niemals.

Leute wie wir haben es vielleicht sehr viel schwerer passende Menschen zu finden unmöglich ist das aber nicht. Ich will mich dabei dann auch gar nicht auf eine spezifische Subkultur beschränken. Gegensätze können sich ja durchaus anziehen, wieso soll es nicht mit jemandem klappen wo in einigen Dingen ein anderes Weltbild hat ?
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Captain Unsichtbar
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Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Captain Unsichtbar »

Ich bin jetzt gerade einigermassen überrascht. :surprise:
Korrigiere mich, aber hast du nicht in deinen letzten Threads noch ein Loblied auf das Singledasein gesungen, und aufgezählt welche Gründe alle eine Beziehung zur Hölle auf Erden machen und dass du gar keine Partnerin möchtest?
Sollte das alles womöglich nur eine Abwehrreaktion gewesen sein, nach dem Motto was ich nicht bekomme, will ich nicht?  :gruebel:
So habe ich das zumindest früher oft gemacht, als ich während meiner Schulzeit so nirgends wirklich hingehört habe.
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Giebenrath
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Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Giebenrath »

@Reborn
Ich bin überrascht, dass über deine Verwendung der Begriffe Subkultur und Ausstieg.

Beim Thema Subkultur und Ausstieg steht in der Regel die Rebellion gegen die Eltern und die Flucht aus dem angestammten Milieu im Vordergrund. Meistens wird das auch als Jugendkultur verstanden. Dass die Subkultur häufig auch im Erwachsenenalter fortgesetzt wird, steht dem natürlich nicht entgegen.
Deine Überlegung geht jedoch in die gegenteilige Richtung - nämlich die Nachfolge des Vaters.

Zudem gebe ich zu bedenken, dass Reborn ausschließlich kriminelle Subkulturen nannte. (Es gibt ja tausend Subkulturen von Pun
Bei der Rocker-, Türsteher-, Drogen- und Rotlichtmilieu handelt es sich objektiv um kriminelle Subkulturen. Ich kenne diese Szenen zumindest als außenstehender Beobachter und warne vor einer Romantisierung. Diese Szenen sind durch Gewalt geprägt und ich meine die Gewalt innerhalb der Szene. Sie ist allgegenwärtig. Es ist richtig, dass durch die ständige Bedrohungslage bestimmte Tugenden wie Treue und Aufrichtigkeit besonders in den Vordergrund rücken und Solidarität und Heroismus eher gepflegt werden als in der Mainstream-Gesellschaft, aber das ist nur eine Seite der Medaille.
Reborn hat geschrieben:Und daher frage ich mich auch: Vielleicht bräuchte ich nur eine Frau mit einem ähnlichen Hintergrund wie ich die meine Perspektive verstehen würde. Aber diese Frauen sind verdammt selten und noch härter zu finden.
Die stehen doch an der Straße und warten nur auf dich. :sadman:

Bevor du den Gedanken weiterverfolgst, solltest du dich mal mit dem Thema Co-Abhängigkeit beschäftigten. Co-Abhängigkeit kann vielleicht auch Aspekte der Beziehung zu deinem Vater erklären.
Du solltest vielleicht überlegen, inwiefern unbewusste Übertragung in dieser Situation wirken könnte. Erinnerst du dich beim Kontakt mit Szeneangehörigen unbewusst an deinen Vater und spielst die gleiche Rolle wie in der Vater-Sohn-Beziehung?

Ansonsten warne ich natürlich ausdrücklich vor Ferndiagnosen durch Laien wie mich. :pfeif:
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Automobilist

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Automobilist »

Ich hielte es eher für eine interessante Frage, was denn geschähe, wenn eine derartige " Subkultur " durch Nichtexsistenz glänzte. Obgleich - die Antwort darauf meine ich zu kennen.
Morningstar

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Morningstar »

Automobilist hat geschrieben:Ich hielte es eher für eine interessante Frage, was denn geschähe, wenn eine derartige " Subkultur " durch Nichtexsistenz glänzte. Obgleich - die Antwort darauf meine ich zu kennen.
Ich frage mich ob es denn nicht möglich wäre eine solche Subkultur welche nicht existiert zu begründen ? Schließ sind ja alle Subkulturen einmal auf die eine oder andere Weise entstanden.
Blau
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Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Blau »

Reborn hat geschrieben: Könnte es für andersartige Menschen eine Lösung sein ähnlich denkende Menschen zu suchen - etwa in einer Subkultur...für mich z.B. Rockerszene oder ähnliches? Hatte jemand hier schonmal die Idee und es vielleicht versucht?
Natürlich, man versucht doch immer Menschen zu finden mit denen man "auf einer Wellenlänge" ist. Ich habe mich beispielsweise schon im Kindergarten für Umweltschutz interessiert und bin schier daran verzweifelt wie die Menschheit die Erde zerstört. In der Schule habe ich dann in der Umweltgruppe endlich gleichgesinnte gefunden, es sind tolle Freundschaften entstanden. Wir waren auf unserem versnobten Gymnasium "die Ökos", die bei Wind und Wetter mit dem Rad in die Schule kamen, eher gebrauchte und haltbare Sachen als den neuesten Hit hatten, die wochenends auf Ant-Atom-Demos gegangen sind und sich fast alle vegetarisch ernährt haben, obwohl die Eltern das zum Großteil nicht taten. Wir haben viele Nachmittage und Abende diskutiert und geplant wie man auf Umweltprobleme und Lösungsmöglichkeiten aufmerksam machen kann. Die Verständigung war, so wie in deinem Beispiel mit den Obdachlosen, einfach, weil wir eben von unseren Werten und Interessen starke Übereinstimmungen hatten.

Im fortgeschrittenen Erwachsenenalter wird es natürlich schwieriger, da definiert man sich normalerwese nicht mehr über eine Subkultur, man hat dafür verschiedene Kreise (wie auch schon andere hier geschrieben haben). Beispielsweise die anderen Eltern aus dem Kindergarten, die Kumpels vom Lauftreff, die Kollegen mit denen man zusammen Mittag essen geht und vielleicht noch die Jugendfreunde von früher. Man kann es sich einfach nicht leisten ausschließlich in einer Subkutur zu verharren wenn man erwachsen wird weil man zu viele verschiedene Rollen spielen muss, etwa Partner/in, Mama/Papa, Arbeitskollege/in, Sportskollege/in, Vereinskamerad/in, Nachbar/in...
Automobilist

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Automobilist »

@ Morningstar : Was ich damit meinte, ist, daß es zwar gewiß sehr zahlreiche " Subkulturen " gibt - es aber auch dadurch keinesfalls gewährleistet ist, daß für jedes Individuum die Passende unter denselben zu finden sein müsse. So, wie eben auch nicht jeder Topf seinen Deckel hat. Oder ganz simpel : Was, wenn man sich nirgendwo mehr zugehörig fühlt ?
Goldstück

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Goldstück »

DATE! :shylove: :shylove: :shylove:
Ich kann jedes deiner Worte nachfühlen und sehe es exakt so. Die Welt ist zum Kotzen grausam und ungerecht. Wer das negiert ist dumm oder verlogen. Und der Schmerz darüber bringt mich manchmal um den Verstand. Ich habe mich nie so wohl gefühlt wie in Subkulturen, da sind überdurchschnittlich viele verletzte und außergewöhnliche Menschen. In meinem Fall war es (Death) Metal. Mit den Normalen kann ich zwar gut klarkommen, aber auf Dauer ödet mich ihre Simplizität an. Ich habe mit ihnen wenig gemeinsam. Ich kann jeden Alkoholiker und Junkie besser verstehen als jemanden, der tatsächlich glücklich über sein kleines Leben ist. Auch wenn ich letztere natürlich unendlich beneide, da ich es nie können werde.
Fühl dich ganz fest umarmt. Du bist nicht allein.
Morningstar

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Morningstar »

Goldstück hat geschrieben:DATE! :shylove: :shylove: :shylove:
Ich kann jedes deiner Worte nachfühlen und sehe es exakt so. Die Welt ist zum Kotzen grausam und ungerecht. Wer das negiert ist dumm oder verlogen. Und der Schmerz darüber bringt mich manchmal um den Verstand. Ich habe mich nie so wohl gefühlt wie in Subkulturen, da sind überdurchschnittlich viele verletzte und außergewöhnliche Menschen. In meinem Fall war es (Death) Metal. Mit den Normalen kann ich zwar gut klarkommen, aber auf Dauer ödet mich ihre Simplizität an. Ich habe mit ihnen wenig gemeinsam. Ich kann jeden Alkoholiker und Junkie besser verstehen als jemanden, der tatsächlich glücklich über sein kleines Leben ist. Auch wenn ich letztere natürlich unendlich beneide, da ich es nie können werde.
Fühl dich ganz fest umarmt. Du bist nicht allein.
Oh, kenne ich von mir selbst. Wenn ich so meinen kleinen Freundes/Bekanntenkreis anschaue, Ex-Junkies, Nerds, Gescheiterte Hacker, Aussteiger, Utopisten usw.

Irgendwie komme ich mit Menschen die sehr kompliziert und abseits des Mainstreams sind sehr viel besser zurecht. Zum einen da ich recht tolerant bin und niemanden für die Andersartigkeit verurteile, zum anderen aber auch da ich ja selbst sehe das ich von den Mainstream Leuten mit meiner Lebenseinstellung nie so ganz ernst genommen worden bin. Ich finde das Menschen mit schwieriger Vergangenheit oft bereit sind einen so zu aktzeptieren wie man ist, man ist da nicht diesem Erwartungsdruck, nicht diese Ansprüchen ausgeliefert irgendwie auf diese oder jene Weise funktionieren zu müssen. Man kann so sein wie man ist und für die anderen ist es ok.
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Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von NBUC »

Ich glaube die meisten "normalen" Leute sind eben nicht nur Teil einer (oder mehrerer) Subkulturen sondern irgendwo auch des Mainstreams und erwarten enstprechendes auch von einem Partner, selbst wenn sie zu einem Teil auch Teil derselben Subkultur sind.
In dem Sinen ist es sicher hilfreich um überhaupt in Kontakt zu kommen, aber bei weitem noch kein großer Schritt.
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Alle gesellschaftlichen Betrachtungen enthalten zwangsläufig Verallgemeinerungen und werden daher Ausnahmen und Einzelfälle enthalten, denen sie nicht gerecht werden können.

wenn ich nicht antworten sollte heißt das nicht, dass du Recht hast, sondern ich kein Internet!
Peter

Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Peter »

Giebenrath hat geschrieben: Ich bin überrascht, dass über deine Verwendung der Begriffe Subkultur und Ausstieg.

Beim Thema Subkultur und Ausstieg steht in der Regel die Rebellion gegen die Eltern und die Flucht aus dem angestammten Milieu im Vordergrund. Meistens wird das auch als Jugendkultur verstanden. Dass die Subkultur häufig auch im Erwachsenenalter fortgesetzt wird, steht dem natürlich nicht entgegen.
Subkultur gehörte für mich in der Jugend und in der Zeit zwischen biologisch erwachsen sein und sich mental auch wirklich erwachsen fühlen zur Identitätsfindung und Abgrenzung.

Subkulturen sind aber häufig in sich spießig. Die Abgrenzung ist eher Eingrenzung. Elitäre Attitüden kommen hinzu. Die Außen- und Innendarstellung wird zur Uniform.
Von daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen ihre Subkultur irgendwann hinter sich lassen um weiter an Größe zu gewinnen. Wie eine Schlange, die sich häutet.
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Re: Anders sein - Ist eine Subkultur die Lösung?

Beitrag von Giebenrath »

Peter hat geschrieben:Subkulturen sind aber häufig in sich spießig. Die Abgrenzung ist eher Eingrenzung. Elitäre Attitüden kommen hinzu. Die Außen- und Innendarstellung wird zur Uniform.
Das ist auch mein größtes Problem mit der Subkultur. Ganz wichtig im internen Diskurs ist natürlich die Unterschied der wahren Fans und der bloßen Mitläufer. Das trifft sowohl auf Subkulturen, die sich um eine bestimmte Musikrichtung drehen, als auch für die Fangemeinden von Bundesligavereinen. Individualismus ist dort auch nicht gefragt.
Mit Fanszenen (egal ob Musik oder Sport) konnte ich nie etwas anfangen.

Ein weiteres Manko ist, dass Subkulturen meistens nur in den Ballungsräumen zahlenmäßig stark ausgeprägt sind.

Das Problem der geografischen Zerstreuung wird meistens durch die Zusammenkunft auf Festivals und Events gelöst. Dadurch entsteht mitunter ein besonders intensiver Kontakt über 2 oder 3 Tage am Stück, sodass die Illusion entsteht tiefsinnige Gespräche oder echte Feiern seien nur innerhalb der Szene möglich. Natürlich haben alle Teilnehmer vorausgesetzt, dass sie den anderen eben nicht am Montag im Büro oder in der Straßenbahn wiedertreffen; sie konnten sich vor allem deswegen öffnen, weil sie gar nicht an Konsequenzen denken mussten. Die Alltagstauglichkeit der Szene wird im Erwachsenenalter in der Regel nicht mehr überprüft.
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