Sozialphobie

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Wenona

Re: Sozialphobie

Beitrag von Wenona »

Captain Unsichtbar hat geschrieben: Aus diesen Gründen besuche ich zb weder Kinos noch Cafés etc. Noch schlimmer sind Imbissstände... Ich weiss schlicht und einfach nicht wie man sich dort verhält. Dieses Unwissen in meinem Alter für die einfachsten Alltagsdinge löst dann Scham aus an here it goes... :sadman:
Aah, das kenne ich! Mir geht es z.B. so an Gemüseständen auf Wochenmärkten. Wie man die Mengenangaben angibt, und wonach man sich mit der Bezahlung richtet, und wer was einpackt usw. :? :hallo: Deshalb geh ich da nie hin.
Oder in Bars weiß ich nicht, wie man die Drinks richtig ausspricht, oder in Restaurants einige Gerichte. Da zeige ich dann drauf, auf der Karte, das wird zum Glück akzeptiert. Wenns keine Karte gibt, bin ich allerdings aufgeschmissen. Ich kenne die angesagten' Drinks nicht, die man 'gängigerweise bestellt.
In Kinos ist es einfach. Du sagst der Kassiererin was de gucken willst, die sagt dir, was du bezahlen sollst. Vorher fragt sie dich, wo du sitzen willst, da sagste einfach Mitte. Dann reichst du das Geld rüber, kriegst die Karte, bzw. inzwischen den Bon(g?), und den zeigst du dann am Einlass vor. Drinnen suchst du eurer Kino (Zahl) und eure Plätze (Nummeriert und nach Buchstaben), setzt dich hin, und guckst geradeaus. :D

Beim neuen McD. weiß ich absolut nicht, wie man bestellt. Das geht da inzwischen irgendwie über diese Terminals. :? Ich stand völlig hilflos mitten im Raum, und bin irgendwann wieder raus. Das war schon sehr frustrierend.
Reinhard
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Re: Sozialphobie

Beitrag von Reinhard »

Wenona hat geschrieben: Beim neuen McD. weiß ich absolut nicht, wie man bestellt. Das geht da inzwischen irgendwie über diese Terminals. :? Ich stand völlig hilflos mitten im Raum, und bin irgendwann wieder raus. Das war schon sehr frustrierend.
Solange an den Touchscreens rumfummeln, bis es das Gewünschte anzeigt. Das erfordert ja sogar noch weniger Interaktion mit Menschen als sonst im Fastfood-Fresstempel ...

Ich zahl lieber mit Bargeld. Dass hinterher am Kontoauszug auftaucht, wo ich überall gewesen bin ist mir ein Gräuel. Deswegen nehme ich den Schalter, der funktioniert mehr oder weniger wie gewohnt. :hierlang:
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Re: Sozialphobie

Beitrag von Reinhard »

Saraj hat geschrieben:
TheRealDeal hat geschrieben:Verstehe ich das richtig? Das, was andere Menschen senden, wird von von einem Sozialphobiker anders empfangen, als es gesendet wurde"?
Naja, ich würde nicht sagen gänzlich "anders". Es ist eher so, dass bestimmte Mimiken, Gestiken, Worte, was auch immer, schnell überinterpretiert werden, und zwar in Richtung Ablehnung. Ich neige dazu zu denken, dass mich 98 Prozent der Leute aus meinem Alltag sehr unsympathisch finden. Dabei sind es wahrscheinlich nur 50. Das hab ich jeweils so hingenommen, es ist nicht sonderlich schlimm, sondern Normalität. Aber es kam schon gehäuft vor, dass eine Person, von der ich dachte "Hachja, xy mag mich halt nicht, Chemie stimmt wohl nicht, kann passieren", plötzlich um die Ecke kam und sagte: "Du bist mir total sympathisch, wollen wir mal was unternehmen?" :shock: :lol:
Du liegst immer noch ziemlich falsch bei der Einschätzung, wieviel Leute dich sehr unsympathisch finden. 50%??? :surprise: :shock: :shock:

Das ist um eine ganze Größenordnung falsch. Der Wert liegt wohl eher bei <3%. Viel wahrscheinlicher ist doch, wenn überhaupt, dass sie dich für merkwürdig, schüchtern oder einsilbig halten. Aber das ist noch entfernt von "unsympathisch" und doppelt von "sehr". :daumen:

Menschen sind nicht gar so beschränkt, dass sie als einziges eine unsympathisch-sympathisch-Skala kennen.
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Wenona

Re: Sozialphobie

Beitrag von Wenona »

TheRealDeal hat geschrieben:
Wenona hat geschrieben:
Hoppala hat geschrieben: Beispiel: "Ich habe Angst vor dir" ist eine andere Aussage als: "Du machst mir Angst".
Habe ich bereits getestet, oft. Und festgestellt, es spielt keine Rolle, wie man etwas sagt. Am Ende kommt es immer nur auf den Inhalt an. Und wie jemand zum anderen steht. Also auf die gegenseitige Haltung beider.
Der Inhalt der beiden Sätze ist aber nicht der gleiche...
Doch, es geht um die Angst vor dem anderen. Egal wie ich es ihm sage, seine Reaktion liegt ganz bei ihm.
Wenn er mir freundlich zugewandt ist, kann man ergänzend sich immer noch darüber unterhalten, durch wen oder was diese Angst eigentlich ausgelöst wird, und was der andere für den Angstmenschen tun kann und so weiter.
Wenn mir jemand sagt, dass er Angst vor mir hat, egal, ob er die erste oder zweite Variante benutzt, frage ich mich als allererstes, was ich falsch gemacht habe, oder mache. Wenn ich dann rational feststelle, dass ich mich halbwegs normal verhalten habe, komme ich erst mal zu dem Schluss, dass derjenige anscheinend etwas überempfindlich ist, oder dass ggf. ein Missverständnis vorliegt und /oder er mich einfach falsch einschätzt. (Oder ich stelle fest, dass er vielleicht sogar recht hat, das ist dann aber von mir gewollt, und kam bisher eher selten in meinem Leben vor. :mrgreen: )
Wenn ich nicht will, dass derjenige vor mir Angst hat, bin ich ihm nicht bös über seine evtl. unglücklich gewählte Ausdrucksweise, sondern versuche herauszufinden, was los ist, und wie man die gemeinsame Situation verbessern kann.
TheRealDeal hat geschrieben: Wenn es für dich maßgeblich ist, wie jemand zu dir steht, und es auf eure Haltung ankommt,
Es ist nicht "für mich" maßgeblich, sondern es IST maßgeblich. Die innere Haltung entscheidet letztendlich über ALLES.
TheRealDeal hat geschrieben: dann frage ich dich: Wie willst du diese in einem Forum denn abgleichen?
Stimmt, das ist schwierig. Grundsätzlich sollte jeder den anderen Usern gegenüber erst mal freundlich zugewandt sein. Und wenn einem irgendein Satz sauer aufstößt, diesen bei der betreffenden Person hinterfragen, solange, bis man es verstanden hat.
Jemanden aber gleich als herablassend zu betiteln ist da aber schon ziemlich gemein.
TheRealDeal hat geschrieben: Diese (deine) Haltung kann nur zu Missverständnissen führen.
Was mache ich falsch?
Nenn mal ein konkretes Beispiel.
TheRealDeal hat geschrieben: Der Ton macht die Musik, das kommt noch dazu.
Eben nicht.
Klar sollte man möglichst immer nen freundlichen Tonfall pflegen, aber wenn mich jemand inhaltlich durch die Blume mit honigsüßem Stimmchen beleidigt, ist das genauso kränkend, als wenn er es im barschen Ton und direkt sagt.
Wenn ich als Coach jemanden z.B. sachlich kritisiere, dann liegt es nicht an mir, wie derjenige es aufnimmt. Sondern es liegt an dessen Haltung der Sache (und mir) gegenüber. Es kommt drauf an, ob die Kritik konstruktiv ist, oder nicht, also ob danach noch was hilfreiches vom Kritiker kommt, oder ob er mich einfach nur mal eben demütigen wollte.
TheRealDeal hat geschrieben: Ich spreche von mir und über mich aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen. Auch, wenn ich das nicht explizit erwähne. Wenn ich eine Meinung äußere, sage ich das dazu. Ebenso, wenn ich etwas gehört/gelesen haben sollte, meine Aussage also nicht meiner persönlichen Erfahrung entspricht. Natürlich machen andere Menschen auch andere Erfahrungen.
Die "ich-Form" zu benutzen, ist zwar therapeutisch sehr hilfreich, um zu mehr Selbsterkenntnis etc. zu gelangen, - in einem (konstruktiven) Streitgespräch ist es aber oft nichts weiter, als eine Schutzmaßnahme, hinter der man sich versteckt. Man kann den anderen (indirekt) angreifen, ist aber selbst nicht angreifbar.
TheRealDeal hat geschrieben: Ich bin der unbedingten Meinung, dass wir uns zur besseren Verständigung möglichst klar und wertfrei äußern sollten. Und die Meinung der anderen Menschen hier im Forum akzeptieren und achten sollten. Ich zumindest muss weder alles verstehen, noch nachvollziehen können, wie jemand zu seiner Meinung gekommen ist. Was ich aber aufgrund meiner Inneren Haltung und Überzeugung tun muss ist, andere Menschen so zu lassen, wie sie sind. Wie auch ich gerne so gelassen werden will, wie ich bin.
Das zum Beispiel. Warum schreibst du das? Klar, du schreibst es in der ich-Form (wie sonst meistens auch), bleibst in der Deckung. Aber warum um Himmels Willen schreibst du das in diesem Kontext? Und an mich gerichtet. Ich meine, du sagst ja damit trotzdem etwas aus. Und deine Aussage ist unmissverständlich. Klar, sie ist "zwischen den Zeilen", und "indirekt". Aber sie steht klar und deutlich da. Für jedermann lesbar. Aber dir kann keiner was, denn du schreibst ja "nur über dich".

Spielt es für dich denn eine Rolle, wie ich meine Reaktion darauf formuliere? ;) :
1. Ich finde das feige.
2. Meiner Meinung nach ist das feige.
3. Ich habe schon oft Leute erlebt, die das so handhaben, und die meisten von denen waren feige.
4. Wäre es dir möglich, dich zu einer direkteren/ offeneren/ mutigeren Ausdrucksweise durchzuringen?
5. Ich habe mich früher hinter Formulierungen wie xyz versteckt.

Und um weiteren Missverständnissen vorzubeugen: Ich finde die Formulierungsform mit >> ich/ mich/ mir/ meiner Meinung nach/ meiner Erfahrung nach << überhaupt nicht verkehrt, ganz im Gegenteil. Nur inflationär oder als Schutzschild eingesetzt finde ich es unangebracht.
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Captain Unsichtbar
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Re: Sozialphobie

Beitrag von Captain Unsichtbar »

Wenona hat geschrieben:Aah, das kenne ich! Mir geht es z.B. so an Gemüseständen auf Wochenmärkten. Wie man die Mengenangaben angibt, und wonach man sich mit der Bezahlung richtet, und wer was einpackt usw.  :?  :hallo: Deshalb geh ich da nie hin.
Oder in Bars weiß ich nicht, wie man die Drinks richtig ausspricht, oder in Restaurants einige Gerichte. Da zeige ich dann drauf, auf der Karte, das wird zum Glück akzeptiert. Wenns keine Karte gibt, bin ich allerdings aufgeschmissen. Ich kenne die angesagten' Drinks nicht, die man 'gängigerweise bestellt.
In Kinos ist es einfach. Du sagst der Kassiererin was de gucken willst, die sagt dir, was du bezahlen sollst. Vorher fragt sie dich, wo du sitzen willst, da sagste einfach Mitte. Dann reichst du das Geld rüber, kriegst die Karte, bzw. inzwischen den Bon(g?), und den zeigst du dann am Einlass vor. Drinnen suchst du eurer Kino (Zahl) und eure Plätze (Nummeriert und nach Buchstaben), setzt dich hin, und guckst geradeaus.  :D

Beim neuen McD. weiß ich absolut nicht, wie man bestellt. Das geht da inzwischen irgendwie über diese Terminals.  :? Ich stand völlig hilflos mitten im Raum, und bin irgendwann wieder raus. Das war schon sehr frustrierend.
Das mit den Bars kommt mir auch sehr vertraut vor, weshalb ich jedes Mal meide mit anderen irgendwo hin zu gehen, mittlerweile ist sogar so schlimm, dass ich schon Reissaus nehme wenn der Satz "etwas Trinken gehen" auftaucht. Ich weiss nicht mal was die meisten Menschen darunter verstehen.
Das Problem ist bei mir beginnt das beim Kino schon bei der Kasse. Ich habe ein riesen Problem damit etwas "erklären" zu müssen, was ich noch nie zu vor gemacht habe. Dann gehe ich das tausendmal im Kopf durch während ich Anstehe (oder sogar schon auf dem Weg), bis ich so kirre bin, dass ich zitternd und stotternd vor der Kasse stehe und so undeutlich brabble, dass ich erst Recht alles zweimal gefragt werde... :roll:
Ja dieses leidige Problem mit Automaten und Selfcheckouts, danke für die Warnung  :mrgreen:
Reinhard hat geschrieben:Solange an den Touchscreens rumfummeln, bis es das Gewünschte anzeigt. Das erfordert ja sogar noch weniger Interaktion mit Menschen als sonst im Fastfood-Fresstempel ...
Das ist leider absolut keine Bedingung für soziale Phobie. Es reicht völlig, wenn dir dabei Menschen zu sehen. Möglichst noch unter Zeitdruck.

Noch schlimmer sind diese Terminals in Service-Shops oder Paketabholung wo du dir so ein Ticket rauslassen musst und deine Abholnummer o.ä. eingeben sollst (natürlich möglich 20stellig während hinten schon 10 gestresste Kunden warten). Im Grunde ja alles kein Ding, solange man keine üble soziale Phobie hat, welche das Blut durch den Kopf rauschen lässt und jegliches Denken inkl. Lese- und Sprechvermögen abstellt. :sadman:

Geht es nur mir so oder kennen noch andere Sozialphobiker hier dieses Problem, dass ihr immer das Gefühl habt, für alles nur Sekundenbruchteile Zeit zu haben ohne Aufzufallen? Und dann sehe ich "Normale" Menschen in aller Ruhe ihre Dinge erledigen...
"And sometimes I get nervous
When I see an open door
Close your eyes, clear your heart
Cut the cord"
– The Killers
Wenona

Re: Sozialphobie

Beitrag von Wenona »

Reinhard hat geschrieben: Solange an den Touchscreens rumfummeln, bis es das Gewünschte anzeigt. Das erfordert ja sogar noch weniger Interaktion mit Menschen als sonst im Fastfood-Fresstempel ...
Ich habe vor Computern genausoviel Angst, wie vor Menschen. :?
Zumal man dort ja von hinten von allen beobachtet wird.
Reinhard hat geschrieben: Ich zahl lieber mit Bargeld. Dass hinterher am Kontoauszug auftaucht, wo ich überall gewesen bin ist mir ein Gräuel. Deswegen nehme ich den Schalter, der funktioniert mehr oder weniger wie gewohnt. :hierlang:
Da gab es offenbar keinen. Die Leute haben alle (im Halbkreis stehend) nur auf ihr Essen gewartet, welches dann über den Tresen gereicht wurde. :?
Saraj hat geschrieben:
TheRealDeal hat geschrieben: Verstehe ich das richtig? Das, was andere Menschen senden, wird von von einem Sozialphobiker anders empfangen, als es gesendet wurde"?
Naja, ich würde nicht sagen gänzlich "anders". Es ist eher so, dass bestimmte Mimiken, Gestiken, Worte, was auch immer, schnell überinterpretiert werden, und zwar in Richtung Ablehnung. Ich neige dazu zu denken, dass mich 98 Prozent der Leute aus meinem Alltag sehr unsympathisch finden. Dabei sind es wahrscheinlich nur 50. Das hab ich jeweils so hingenommen, es ist nicht sonderlich schlimm, sondern Normalität. Aber es kam schon gehäuft vor, dass eine Person, von der ich dachte "Hachja, xy mag mich halt nicht, Chemie stimmt wohl nicht, kann passieren", plötzlich um die Ecke kam und sagte: "Du bist mir total sympathisch, wollen wir mal was unternehmen?" :shock: :lol:
Oooder man neigt dazu, eben das zu glauben, was einem andere einreden wollen: dass man überempfindlich ist. Dass mit der eigenen Wahrnehmung etwas nicht stimmt.
Wenn man sensorisch richtig liegt, der andere es aber nicht zugeben will (entweder aus Gehässigkeit, oder aus Selbstschutz, oder weil die eigene Selbstwahrnehmung desjenigen nicht stimmig ist), muss man nicht gleich klein beigeben, und demütig sagen "ich bin ein Idiot (=überempfindlich)".
Kief

Re: Sozialphobie

Beitrag von Kief »

Wenona hat geschrieben:
Hoppala hat geschrieben:Beispiel: "Ich habe Angst vor dir" ist eine andere Aussage als: "Du machst mir Angst".
Habe ich bereits getestet, oft. Und festgestellt, es spielt keine Rolle, wie man etwas sagt. Am Ende kommt es immer nur auf den Inhalt an. Und wie jemand zum anderen steht. Also auf die gegenseitige Haltung beider.
Ich frage mich, wie Du das ausgetestet hast, und zu dieser Schlussfolgerung gekommen bist ...
wenn es um Nuancen geht, dann sehe ich bei beiden Aussagen einen erheblichen Unterschied, wie man etwas sagt.
Inklusive der Haltung, wie man zueinander steht.

Ich erlebe, dass der Inhalt entweder dann relevant ist, wenn man auf die Nuancen GAR nicht achtet (oder es nicht hinbekommt),
oder wenn man alles andere ausgewogen hinbekommt.
Wenn man etwas Bestimmtes nicht hinbekommt (wie die Nuance in dem Beispiel), und das so hinnimmt, dann ist dies ein individuelles Limit.
Dann ist man auf dieser Ebene blind/ungeschickt.


CU, Kief
Reinhard
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Re: Sozialphobie

Beitrag von Reinhard »

Captain Unsichtbar hat geschrieben:
Mit müden Augen hat geschrieben:Wobei "Umgang" schon die blosse Präsenz von anderen Leuten sein kann, z.B. Passanten auf der Straße!
Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass das bei vielen zum Kern der klassischen sozialen Phobie zählt. Wobei man ja mittlerweile alles mögliche darunter zählt. Zumindest wenn man den Leuten so zuhört. Für mich war es jedenfalls immer das grösste Problem mich "richtig" zu verhalten unter anderen Menschen. Je mehr ich mich an einem Ort oder in einer Gruppe heimisch und sicher fühle, desto weniger habe ich Probleme. Sobald ich aber irgendwo hin muss, wo ich absolut keine Ahnung von den Gepflogenheiten habe, ändert sich das schlagartig.
Also unter ganz fremden Leuten habe ich noch eher weniger Probleme. Da sieht "Duck und wech" wie eine gute Strategie aus. Schwierig sind Leute, die ich kennen müsste, aber das überhaupt nicht tue. Beispielsweise Kollegen aus einer anderen Abteilung, oder Nachbarn ein paar Häuser weiter, oder sowas. Die sich an meinen Namen erinnern (wie sie das nur immer hinkriegen?), aber ich mich nicht an ihren ... Bild

Ziemlich neuer xkcd-Link :hierlang: :D

Bei Leuten, die mich einigermaßen kennen, macht es mir auch nichts aus. Wenn ich mich mal daneben benehmen sollte, dann vertraue darauf, dass sie wissen, dass ich nicht immer so bin. Schwierig ist halt der Übergang von "ganz fremd" zu "vertraut", dazwischen ist dieser merkwürdige Canyon von "bekannt" ...
Captain Unsichtbar hat geschrieben: Aus diesen Gründen besuche ich zb weder Kinos noch Cafés etc. Noch schlimmer sind Imbissstände... Ich weiss schlicht und einfach nicht wie man sich dort verhält. Dieses Unwissen in meinem Alter für die einfachsten Alltagsdinge löst dann Scham aus an here it goes... :sadman:
Das kenne ich, wobei bei mir die Ursachen-Gemengelage wohl ein bisschen mehr in die Richtung ging, dass mir die Angebote nicht zustehen würden. :hammer:

Was bei mir geholfen hat: eine kaputtgegangene Kaffeemaschine ... dann habe ich mir mal unterwegs in einer Bäckerei am Weg zur Arbeit meinen Morgenkaffee geholt und dann ist mittlerweile eine Gewohnheit draus geworden, dass ich da hingehe. Die Erfahrung an dem einen Ort hilft dann auch woanders! Und was auch geholfen hat, war mal weiter weg gehen zum Essen, was vielleicht spezifisch für mich passt, denn wenn ich weiter weg bin, dann steht mir als Ortsfremden ja auch zu, einen Imbiss aufzusuchen. Also etwa so: wer sonst außer Leute von außerhalb sollte sie denn mehr benötigen?

Orte, wo ich hingehen möchte, sind das aber immer noch nicht ...
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Reinhard
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Re: Sozialphobie

Beitrag von Reinhard »

Captain Unsichtbar hat geschrieben:
Reinhard hat geschrieben:Solange an den Touchscreens rumfummeln, bis es das Gewünschte anzeigt. Das erfordert ja sogar noch weniger Interaktion mit Menschen als sonst im Fastfood-Fresstempel ...
Das ist leider absolut keine Bedingung für soziale Phobie. Es reicht völlig, wenn dir dabei Menschen zu sehen. Möglichst noch unter Zeitdruck.
Verstehe ich. Auch wenn ich vielleicht kein klassischer Sozialphobiker bin. (Eher so vermeidende Persönlichkeitsstörung, aber was weiß ich, ich bin auch kein Psychodiagnostiker.)

Als ich das erste Mal so ein Ding gesehen habe, war glücklicherweise zu einer eher ruhigen Zeit, wo so ziemlich keiner zugeschaut hat. War dann zwar eher Zufall ... aber trotzdem als Tipp: man kann sich aussuchen, ob man in einer ruhigen Phase oder einer Stoßzeit hingeht. :vielglueck:
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Wenona

eigenes Tempo

Beitrag von Wenona »

Captain Unsichtbar hat geschrieben: Das mit den Bars kommt mir auch sehr vertraut vor, weshalb ich jedes Mal meide mit anderen irgendwo hin zu gehen, mittlerweile ist sogar so schlimm, dass ich schon Reissaus nehme wenn der Satz "etwas Trinken gehen" auftaucht. Ich weiss nicht mal was die meisten Menschen darunter verstehen.
:lach: :good:
Captain Unsichtbar hat geschrieben: Das Problem ist bei mir beginnt das beim Kino schon bei der Kasse. Ich habe ein riesen Problem damit etwas "erklären" zu müssen, was ich noch nie zu vor gemacht habe.
Ich habe mir (irgendwann mit 15J. schon) angewöhnt, das recht deutlich zu machen, wenn ich keinen Plan von nix habe. Also durch Mimik, Gestik und Gesprochenes.
Aber ich glaube, das ist so ein Mann/Frau-Ding. Bei Frauen wirkt Ahnungslosigkeit meist niedlich, man hat Verständnis usw.. Bei Männern wirkt es wahrscheinlich eher hölzern, und löst wohl eher Mitleid aus.
Nichts desto trotz, versuch es. ;) :daumen: Vielleicht klappt es ja (wenigstens manchmal), und andere finden das süß, oder erbarmungswürdig oder sympathisch, oder was auch immer.
Also, ich meine damit - warum nicht dazu stehen, dass man keine Ahnung hat? Ist doch kein Verbrechen. Und die allermeisten Menschen sind absolut hilfsbereit, und freuen sich, wenn sie helfen dürfen. Also ich meine das jetzt bezogen auf dein Beispiel mit "etwas trinken gehen" oder Kinokasse. Da sollte es klappen.
Heute war ich z.B. beim HNO. Die freundliche Schwester hat mir die Karte wiedergegeben, und meinte, ich solle "da hinten" Platz nehmen. Ich bin durch ein Labyrinth von Gängen und Wartebereichen gewandert, vorbei an vielen Türen mit unterschiedlichen, für mich meist unverständlichen Beschriftungen. Am Ende des letzten Ganges angekommen, stand ich wie die Kuh vorm Schaf (oder wie sagt man?), also etwas deppert in der Gegend rum, da kam sie mir (zufällig) hinterher, sprach mich an (weil sie nochmal die Karte wegen irgendwas brauchte), und meinte "da .. Stühle .. hinsetzen", gnädig im Mundwinkel grinsend auf den Wartebereich zeigend, und ich setzte mich erleichtert.
Ganz wichtig ist also, dass du über dich selbst (oder die Situation, in der du dich befindest) lachen kannst. Humor frisst Angst. :zaehneputzen:

Wenn jemand auf Ahnungslosigkeit abwertend reagiert, macht derjenige damit nur eine Aussage über sich selbst, das sollte dir dabei immer bewusst sein. Also selbst über solche fiesen Zeitgenossen kannst du (lernen zu) lachen.
Captain Unsichtbar hat geschrieben: Noch schlimmer sind diese Terminals in Service-Shops oder Paketabholung wo du dir so ein Ticket rauslassen musst und deine Abholnummer o.ä. eingeben sollst (natürlich möglich 20stellig während hinten schon 10 gestresste Kunden warten).
Uh, danke für die Warnung. :mrgreen:
Captain Unsichtbar hat geschrieben: Geht es nur mir so oder kennen noch andere Sozialphobiker hier dieses Problem, dass ihr immer das Gefühl habt, für alles nur Sekundenbruchteile Zeit zu haben ohne Aufzufallen? Und dann sehe ich "Normale" Menschen in aller Ruhe ihre Dinge erledigen...
Ja, aber inzwischen stehe ich dem meistens schon gelassener gegenüber.
Ein gutes Beispiel und Übungsfeld ist die Supermarktkasse.
Es ist dein gutes Recht, dir Zeit zu lassen. Mit dem Einpacken, mit dem Bezahlen, etc. . Und du musst weder einer Kassiererin noch einer Arzthelferin oder einem Arzt, noch einer Kinodame in den Arsch kriechen. Bleibe freundlich und neutral, und bestimme selbst dein Tempo.
Es heißt ja oft, dass man als Sozialphobiker vergisst, seinen eigenen Bedürfnissen nachzukommen. Sein eigenes Tempo selbst zu bestimmen, gehört dazu. ;)
Viele Einkaufende sehen sich genötigt, übelste Verrenkungen anzustellen, um 1. über den viel zu großen Einkaufswagen hinwegzulangen, um an die darin befindlichen Waren auch in der gegenüberliegenden Ecke noch heranzukommen, und 2. die Waren so früh wie möglich und so dichtliegend wie möglich auf das viel zu kurze Förderband zu legen. Und dabei rücken sie 3. dem gerade Bezahlenden viel zu dicht auf die Pelle.
Ich mache das alles nicht mehr. Und natürlich spüre ich die genervten oder fragenden Blicke im Rücken. - Na und? Haben sie umsonst.
Ich lege alles in meinem Tempo aufs Förderband, zu einem Zeitpunkt, den ich bestimme, in einem Abstand (Lücke- na und?!), den ich festlege, und schiebe mir den Einaufswagen so zurecht, wie es mir passt. Wenn die Kassiererin den Wagen demonstrativ hinten rum zu sich heranzieht, ziehe ich ihn demonstrativ wieder weg.
Natürlich muss man nicht gleich provozieren, übertrieben langsam machen, o.ä. - aber man sollte sich auch auf gar keinen Fall von anderen antreiben lassen, noch nicht mal vom eigenen Chef.
Wenona

Re: Sozialphobie

Beitrag von Wenona »

Kief hat geschrieben:
Wenona hat geschrieben:
Hoppala hat geschrieben: Beispiel: "Ich habe Angst vor dir" ist eine andere Aussage als: "Du machst mir Angst".
Habe ich bereits getestet, oft. Und festgestellt, es spielt keine Rolle, wie man etwas sagt. Am Ende kommt es immer nur auf den Inhalt an. Und wie jemand zum anderen steht. Also auf die gegenseitige Haltung beider.
Ich frage mich, wie Du das ausgetestet hast, und zu dieser Schlussfolgerung gekommen bist ...
Im Leben, Kief, im Leben. ;)
Kief hat geschrieben: wenn es um Nuancen geht, dann sehe ich bei beiden Aussagen einen erheblichen Unterschied, wie man etwas sagt.
Inklusive der Haltung, wie man zueinander steht.
Ich erlebe, dass der Inhalt entweder dann relevant ist, wenn man auf die Nuancen GAR nicht achtet (oder es nicht hinbekommt),
oder wenn man alles andere ausgewogen hinbekommt.
Wenn man etwas Bestimmtes nicht hinbekommt (wie die Nuance in dem Beispiel), und das so hinnimmt, dann ist dies ein individuelles Limit.
Dann ist man auf dieser Ebene blind/ungeschickt.
Okay, ich habe das jetzt viermal gelesen, und bekomme eine vage Ahnung, worauf du hinauswillst.
Auf 'Gewalt in der Kommunikation'?
Dafür ist das Beispiel ungeeignet, denn da findet keine Gewalt statt.
Nuancen, also kleine Füllwörter können tatsächlich sehr gravierende Auswirkungen haben, sowohl bewusst, als auch unbewusst eingesetzt, und wenn man das ganze dann als "Ton(fall)" bezeichnet, dann stimmt das schon. Also dass es viel ausmacht.
Wie z.B. Reizwörter wie "immer", "nie", "typisch", "nur", "andauernd" etc. oder ein 'offenes Ende', am besten noch mit nem fiesen Smiley hintendran. Aber das ist was anderes, wie das oben genannte Beispiel.
Es kommt halt auch auf die Position der Gesprächspartner an, ob symmetrisch oder a-symetrisch etc. Und ob z.B. bekannt ist, dass derjenige ein "Angstpatient" ist, und man generell etwas rücksichtsvoller mit ihm umgehen muss, oder ob bekannt ist, dass z.B. der andere generell auf Menschen einen eher furchteinflößenden Eindruck macht, durch Erscheinungsbild, Stimme oder Verhalten, oder ob bekannt ist, dass derjenige, der vordergründig 'Angst' hat öfter mal ganz gerne anderen unangebrachte Vorwürfe macht ... etc. .
All diese Kontexte spielen auch eine Rolle. Je weniger gut man sich gegen seitig kennt (oder glaubt, sich zu kennen), desto großmütiger sollte man mit der Bewertung des Gesagten umgehen. Und auch wenn man sich gegenseitig ganz gut kennt, kommt man manchmal ganz überraschend zu völlig neuen Erkenntnissen über den anderen.
(Mann, ich schweife heute aber aus. :shock: )
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Re: Sozialphobie

Beitrag von Tyralis Fiena »

Tintenmalerin hat geschrieben:
Mich würden eure Erfahrungen mit dem Thema interessieren.
Also was kann man gegen eine Sozialphobie machen? Was hilft?
Was traut ihr euch noch gerade so zu?
Viel kann ich dazu nicht beitragen. Ich wurde zwar dreimal dahingehend diagnostiziert, aber wirklich identifizieren kann ich mich damit nicht. Zwar meide ich auch bewusst ein paar Situationen, aber das tue ich schon plausiblen Gründen oder aus Prinzip. Mir kam manchmal schon der Gedanke, das es vielleicht inzwischen inflationär genutzt wird. Keine Ahnung, ob es so ist.

Eine Situation, die mir zum Beispiel fälschlich als Ausdruck einer Sozialphobie ausgelegt wurde:
Vor Jahren war ich mal im Rahmen einer stationären Therapie freiwillig einweisen lassen. Zwischen den Therapien hatte ich alleine einen Stadtbummel unternommen und unter anderem sollte ich auch Expositionsübungen machen. Als ich wieder auf dem Rückweg zur Klinik war, begegnete ich ziemlich angetrunkenen Menschen, der durch den kurzen Blickkontakt obendrein mir gegenüber ein aggressives Verhalten zeigte. Sprich seine Gestik und Mimik war auf Konfrontation aus und irgendwas stieß er auch verbal aus - ich hab vergessen, was es war. Jedenfalls war meine Reaktion darauf, nicht darauf einzugehen, sondern "trocken" und kommentarlos weiterzugehen.
Im Anschluss berichtete ich das Erlebte der entsprechenden Therapeutin während der Sitzung. Die wiederum versuchte mir glaubhaft zu machen, dass ich mir das nur eingebildet hätte. Man nahm mir auch nicht ab, dass es mit Sicherheit eine Schlägerei gegeben hätte, wenn ich irgendwie darauf eingegangen wäre. Darüber, wie sie damit umging, hegte ich keinen Groll, weil es mich nicht beeinflusste. Es war halt eine klassische Fehleinschätzung ihrerseits.

Erstaunlicherweise wurde dabei auch ignoriert, dass ich um meine sozialen Defizite weiß und ebenso weiß, dass ich partiell in konkreten Relationen wirklich wertlos bin. Dadurch kann wohl schon eine Angst resultieren. Aber im dem Sinne wäre eine Angstbehandlung keine Ursachenbehandlung gewesen.
Captain Unsichtbar hat geschrieben: Das wiederum klingt für mich jetzt mehr nach der Diskussion Introversion-Extraversion. Introversion kommt zwar Situationsbedingt oft zusammen mit einer sozialen Angststörung, ist aber nicht das Gleiche. Bei dieser Art Angst geht es ja nicht ums Senden, sondern um die Aussenwirkung. Man kann also sagen, es handelt sich dabei eher um eine Empfangsstörung.
Ich glaube so werde ich das in Zukunft einfach meinen Mitmenschen erklären: "Hi, es tut mir leid, ich habe ein Empfangsstörung." :lach:
Empfangsstörung ist, wenn es denn als Kriterium stimmt, wirklich so Punkt, wobei ich mich unterscheide. Bei mir ist es diametral, dass heißt, ich habe eher eine Sendestörung. Bei fast allen, dir mir begegnen, löse ich nichts aus, was aber noch normal ist. Beim sehr kleinen "Rest" zeigen sich ambivalente Reaktionen. Für sich genommen wäre das nicht schlecht. Im Grunde brauche ich keine Angst zu haben, dass ich in den ungewollten Aufmerksamkeitsfokus gelangen könnte. Das passiert faktisch selten. Darüber, was andere über mich denken könnten, denke ich auch nicht wirklich oft nach. Wohl auch aus dem Wissen heraus, das fast alles davon nur eigene Hirngespinste wären.
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Re: Sozialphobie

Beitrag von Mit müden Augen »

Tyralis Fiena hat geschrieben:Viel kann ich dazu nicht beitragen. Ich wurde zwar dreimal dahingehend diagnostiziert, aber wirklich identifizieren kann ich mich damit nicht. Zwar meide ich auch bewusst ein paar Situationen, aber das tue ich schon plausiblen Gründen oder aus Prinzip.
Ohne dich zu kennen, allgemeine Aussage: Manche Leute sind sehr gut darin (u.U unbewusst!!) Ausreden zu erfinden um Situationen zu meiden weil diese ihnen in Wirklichkeit Angst machen. Ich kenne das von mir, noch aus der langen Zeit wo ich nicht wusste dass es Sozialphobie überhaupt gibt und ich mich für "komisch" usw hielt.
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Re: Sozialphobie

Beitrag von TheRealDeal »

Wenona hat geschrieben:
TheRealDeal hat geschrieben: Spielt es für dich denn eine Rolle, wie ich meine Reaktion darauf formuliere? ;) :
1. Ich finde das feige.
2. Meiner Meinung nach ist das feige.
3. Ich habe schon oft Leute erlebt, die das so handhaben, und die meisten von denen waren feige.
4. Wäre es dir möglich, dich zu einer direkteren/ offeneren/ mutigeren Ausdrucksweise durchzuringen?
5. Ich habe mich früher hinter Formulierungen wie xyz versteckt.

Und um weiteren Missverständnissen vorzubeugen: Ich finde die Formulierungsform mit >> ich/ mich/ mir/ meiner Meinung nach/ meiner Erfahrung nach << überhaupt nicht verkehrt, ganz im Gegenteil. Nur inflationär oder als Schutzschild eingesetzt finde ich es unangebracht.
Natürlich ist es mir möglich, mich mutiger auszudrücken. Ich werde es aber nicht tun. Denn das, was du für Feigheit hältst, ist Achtsamkeit. Ich kenne dich nicht, daher erlaube ich mir auch kein Urteil über dich. Was du schreibst, wirkt seltsam auf mich. Mehr nicht. Wenn ich differenzierter antworten sollte, müsste ich erstmal alle Beiträge von dir lesen. Aber so wichtig bist du mir nicht. Außerdem würde die eventuell zu erlangende Erkenntnis nur auf Vorurteilen beruhen bzw. auf Dingen, die nur einen Teil von dir widerspiegeln.
Angst verhindert nicht den Tod, aber sie verhindert das Leben.
Wenona

Re: Sozialphobie

Beitrag von Wenona »

Tyralis Fiena hat geschrieben: Eine Situation, die mir zum Beispiel fälschlich als Ausdruck einer Sozialphobie ausgelegt wurde:
Vor Jahren war ich mal im Rahmen einer stationären Therapie freiwillig einweisen lassen. Zwischen den Therapien hatte ich alleine einen Stadtbummel unternommen und unter anderem sollte ich auch Expositionsübungen machen. Als ich wieder auf dem Rückweg zur Klinik war, begegnete ich ziemlich angetrunkenen Menschen, der durch den kurzen Blickkontakt obendrein mir gegenüber ein aggressives Verhalten zeigte. Sprich seine Gestik und Mimik war auf Konfrontation aus und irgendwas stieß er auch verbal aus - ich hab vergessen, was es war. Jedenfalls war meine Reaktion darauf, nicht darauf einzugehen, sondern "trocken" und kommentarlos weiterzugehen.
Im Anschluss berichtete ich das Erlebte der entsprechenden Therapeutin während der Sitzung. Die wiederum versuchte mir glaubhaft zu machen, dass ich mir das nur eingebildet hätte. Man nahm mir auch nicht ab, dass es mit Sicherheit eine Schlägerei gegeben hätte, wenn ich irgendwie darauf eingegangen wäre. Darüber, wie sie damit umging, hegte ich keinen Groll, weil es mich nicht beeinflusste. Es war halt eine klassische Fehleinschätzung ihrerseits.
Mal wieder ein Fall von sowohl fachlicher als auch menschlicher absoluter Inkompetenz. :evil: Solche Geschichten machen mich echt wütend, und ich frage mich wirklich, woher besagte Psychologen eigentlich ihre Berufserlaubnis haben, und ob man ihnen diese nicht wieder wegnehmen kann.
Mit müden Augen hat geschrieben:
Tyralis Fiena hat geschrieben:Viel kann ich dazu nicht beitragen. Ich wurde zwar dreimal dahingehend diagnostiziert, aber wirklich identifizieren kann ich mich damit nicht. Zwar meide ich auch bewusst ein paar Situationen, aber das tue ich schon plausiblen Gründen oder aus Prinzip.
Ohne dich zu kennen, allgemeine Aussage: Manche Leute sind sehr gut darin (u.U unbewusst!!) Ausreden zu erfinden um Situationen zu meiden weil diese ihnen in Wirklichkeit Angst machen. Ich kenne das von mir, noch aus der langen Zeit wo ich nicht wusste dass es Sozialphobie überhaupt gibt und ich mich für "komisch" usw hielt.
Ich hab schon Geschichten gehört, dass Leute (auf mich normal Wirkende) dreimal völlig unterschiedliche, also entgegengesetzte Diagnosen bekommen haben von unterschiedlichen Psychiatern/Psychologen. Also ganz ehrlich, da verliert man irgendwann den Glauben.
Zuletzt geändert von Wenona am 02 Jun 2017 07:52, insgesamt 1-mal geändert.
Wenona

Re: Sozialphobie

Beitrag von Wenona »

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Re: Sozialphobie

Beitrag von TheRealDeal »

Reinhard hat geschrieben:
Saraj hat geschrieben:
TheRealDeal hat geschrieben:Verstehe ich das richtig? Das, was andere Menschen senden, wird von von einem Sozialphobiker anders empfangen, als es gesendet wurde"?
Naja, ich würde nicht sagen gänzlich "anders". Es ist eher so, dass bestimmte Mimiken, Gestiken, Worte, was auch immer, schnell überinterpretiert werden, und zwar in Richtung Ablehnung. Ich neige dazu zu denken, dass mich 98 Prozent der Leute aus meinem Alltag sehr unsympathisch finden. Dabei sind es wahrscheinlich nur 50. Das hab ich jeweils so hingenommen, es ist nicht sonderlich schlimm, sondern Normalität. Aber es kam schon gehäuft vor, dass eine Person, von der ich dachte "Hachja, xy mag mich halt nicht, Chemie stimmt wohl nicht, kann passieren", plötzlich um die Ecke kam und sagte: "Du bist mir total sympathisch, wollen wir mal was unternehmen?" :shock: :lol:
Du liegst immer noch ziemlich falsch bei der Einschätzung, wieviel Leute dich sehr unsympathisch finden. 50%??? :surprise: :shock: :shock:

Das ist um eine ganze Größenordnung falsch. Der Wert liegt wohl eher bei <3%. Viel wahrscheinlicher ist doch, wenn überhaupt, dass sie dich für merkwürdig, schüchtern oder einsilbig halten. Aber das ist noch entfernt von "unsympathisch" und doppelt von "sehr". :daumen:

Menschen sind nicht gar so beschränkt, dass sie als einziges eine unsympathisch-sympathisch-Skala kennen.
Auf die 98% wollte ich ja nochmal zurückkommen. Ich (in meinem jugendlichen Leichtsinn ;)) würde dir empfehlen 50 Menschen zu treffen. Dann greife ich dein Denkmuster nicht an und einer ist dann darunter, der dich sympathisch findet und mit dem du gute Zeiten erleben wirst. Da du aber bereits mit mit den 50% "liebäugelst", halte ich auch diese für deutlich zu hoch denn in meiner Wahrnehmung bist du: Eine Frau mit Herz und Humor. Dazu klug und gebildet. Höflich und gut erzogen. Offen und fair. Bescheiden und genügsam. Nicht boshaft und du tust auch niemandem etwas zu Leide. Dazu mit deinem Körper zufrieden. Und das Wichtigste: Du bist authentisch. Und deshalb gehst du auch nicht im "Einheitsbrei" unter. Außerdem sind Menschen Herdentiere und wollen daher gerne andere Menschen sympathisch finden und auf sie zugehen.
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Re: Sozialphobie

Beitrag von Saraj »

TheRealDeal hat geschrieben: Und deshalb gehst du auch nicht im "Einheitsbrei" unter.
Einheitsbrei sehe ich da draußen so erstmal gar nicht. Und wenn es sich doch um welchen handeln sollte, gehe ich gerne mal darin unter. ;)
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Re: eigenes Tempo

Beitrag von Captain Unsichtbar »

Wenona hat geschrieben:Also, ich meine damit - warum nicht dazu stehen, dass man keine Ahnung hat? Ist doch kein Verbrechen. Und die allermeisten Menschen sind absolut hilfsbereit, und freuen sich, wenn sie helfen dürfen. Also ich meine das jetzt bezogen auf dein Beispiel mit "etwas trinken gehen" oder Kinokasse. Da sollte es klappen.
Ja ich weiss, eigentlich total dumm, nicht wahr? Ich frage mich gerade ernsthaft, weshalb man es als Mensch mit dieser Störung so schlimm findet, etwas nicht zu wissen, passiert doch "normalen" Menschen andauernd.
Also das meine ich jetzt ernst, ist absolut nicht sarkastisch zu verstehen!
Wenona hat geschrieben:Es heißt ja oft, dass man als Sozialphobiker vergisst, seinen eigenen Bedürfnissen nachzukommen. Sein eigenes Tempo selbst zu bestimmen, gehört dazu.  ;)
Viele Einkaufende sehen sich genötigt, übelste Verrenkungen anzustellen, um 1. über den viel zu großen Einkaufswagen hinwegzulangen, um an die darin befindlichen Waren auch in der gegenüberliegenden Ecke noch heranzukommen, und 2. die Waren so früh wie möglich und so dichtliegend wie möglich auf das viel zu kurze Förderband zu legen. Und dabei rücken sie 3. dem gerade Bezahlenden viel zu dicht auf die Pelle.
Ich mache das alles nicht mehr. Und natürlich spüre ich die genervten oder fragenden Blicke im Rücken. - Na und? Haben sie umsonst.
Ich lege alles in meinem Tempo aufs Förderband, zu einem Zeitpunkt, den ich bestimme, in einem Abstand (Lücke- na und?!), den ich festlege, und schiebe mir den Einaufswagen so zurecht, wie es mir passt. Wenn die Kassiererin den Wagen demonstrativ hinten rum zu sich heranzieht, ziehe ich ihn demonstrativ wieder weg.
Natürlich muss man nicht gleich provozieren, übertrieben langsam machen, o.ä. - aber man sollte sich auch auf gar keinen Fall von anderen antreiben lassen, noch nicht mal vom eigenen Chef.
Danke für den Punkt, das versuche ich mir echt zu Herzen zu nehmen!
Auch wenn es schwierig wird, ich verspüre leider auch immer den Drang, mich für alles Erklären zu müssen, was ich wie mache. Keine Ahnung ob das direkt zur sozialen Phobie gehört, auf jeden Fall mache ich immer die extreme Hirnakrobatik bloss um eine glaubhafte Erklärung dafür zu haben, weshalb ich etwas so komisch mache - es könnte ja jemand fragen - passiert natürlich so gut wie nie. :roll:
"And sometimes I get nervous
When I see an open door
Close your eyes, clear your heart
Cut the cord"
– The Killers
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Re: Sozialphobie

Beitrag von TheRealDeal »

Saraj hat geschrieben:
TheRealDeal hat geschrieben: Und deshalb gehst du auch nicht im "Einheitsbrei" unter.
Einheitsbrei sehe ich da draußen so erstmal gar nicht. Und wenn es sich doch um welchen handeln sollte, gehe ich gerne mal darin unter. ;)
In deiner (Selbst-)Wahrnehmung vielleicht. In meiner (Fremd-)Wahrnehmung nicht. Für mich bist du in aller positivster Weise speziell. Man(n) mag vielleicht nicht darauf stehen, sein Problem, aber das Spezielle, das Besondere fällt Menschen (ohne größere Wahrnehmungsstörungen) auf. Ich habe eine Schwäche für das Besondere. Vermutlich, weil ich es in gewisser Weise auch bin. Und das bereichert mein Leben. Du magst dich als weißes Schaf in einer Herde von weißen Schafen sehen. Ich sehe dich als weißes Schaf in einer Herde von schwarzen Schafen (nicht wertend gemeint). Und danke, mir geht es gut, mich braucht niemand zum Psychiater zu schicken... ;)
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