Sexuelle Verwirrung

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Momo
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Re: Sexuelle Verwirrung

Beitrag von Momo »

Wayfaring_Stranger15 hat geschrieben: 18 Jan 2023 09:07Und wisst ihr, ich bin auch schonmal auf Freunde getroffen, die mich dann gefragt haben, ob ich denn überhaupt auf Frauen stehe. Zu Anfang war das noch völlig klar für mich und alles andere kam gar nicht in Frage. Aber mit der Zeit...
[...]
Und da frag ich mich; bin ich wirklich bisexuell, oder ist das nur so eine "Erkundungs-" und "Probierphase", weil mir halt jegliche Erfahrung fehlt?
Und was, wenn es beides wäre? Wäre es schlimm, wenn du dich ausprobierst und dadurch dann auch die eine oder andere Erkenntnis in Richtung "Das ist nicht das, was ich will." sammelst?
Hattet ihr sowas auch schonmal? Geht es jemandem genauso? Und wie seid ihr damit umgegangen, oder wie würdet ihr es tun?
Meine sexuelle Orientierung und Sexualität an sich waren mir irgendwie immer schon ein Rätsel.
Da sich das hauptsächlich in einem Mangel an Interesse äußerte und ich andere Probleme hatte, habe ich mich damit auch lange nur sehr am Rande beschäftigt.
Bis ich mich irgendwann mal eingelesen habe, um die vielen verschiedenen Bezeichnungen zu verstehen.
Dabei bin ich auf "demisexuell" gestoßen. Das war das erste Wort, womit ich mich teilweise identifizieren konnte.
Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass ich das Thema damit abgehakt hätte...
War auch nicht so. Ich hatte dabei noch vorausgesetzt, dass ich hetero bin und die "Richtung" noch nicht hinterfragt. Bis ich mich dann mit meinen Gefühlen für eine agender Person auseinandersetzen musste, die das widerlegt haben.
Da hab ich noch mal neu gesucht, bewertet und sortiert, ohne zu einer abschließenden Antwort gekommen zu sein.
Das war alles rein innerlich. Ich habe weder in die eine noch in die andere Richtung sexuelle Erfahrungen gemacht, bisher habe ich noch nicht mal jemanden geküsst.
Was mit ein Grund ist, dass ich das Rätsel noch nicht als gelöst ansehe.

Ich bin da bei katebe;
katebe hat geschrieben: 18 Jan 2023 13:50Du musst heute nicht wissen, was du bist, und selbst wenn du es weißt, kann sich das immer noch ändern. Du kannst das „Labeln“ auch ganz sein lassen.
Ich fühle mich gerade mit "queer" recht wohl. Weil es zum einen klarmacht, dass ich nicht ins heteronormative Bild passe, zum anderen aber mir sehr viel Freiheit lässt, weitere Erkenntnisse zu sammeln. Wenn ich etwas "bin", dann kann es sehr schwierig sein, Wünsche und Erfahrungen, die nicht dazu passen, wahrzunehmen und einzuordnen.
Wayfaring_Stranger15 hat geschrieben: 18 Jan 2023 09:58Mein größter Wunsch ist es schon auch, später mal eine eigene Familie zu haben. Und mein Wunschbild davon ist, mit einer lieben Frau verheiratet zu sein und tolle Kinder zu haben. Das spricht ja jetzt auch nicht gerade dafür, tief im Innern doch homosexuell zu sein. Also von daher kann ich mich schon sehr mit der Gruppe der heterosexuellen Menschen identifizieren, aktuell deutlich mehr als mit den anderen.
Sagt dir "compulsory heterosexuality" etwas?
Es kann durchaus passieren, dass der Wunsch "Ich will Vater werden und eine eigene Familie gründen" von vorherrschenden Idealvorstellungen vereinnahmt wird und dann eben undeutlichen, oder sozial weniger anerkannten Aspekten heteronormativen Vorstellungen übergestülpt werden.
Ich [...] ich hab langsam das Gefühl, meine Familie wird hier etwas verteufelt. Ja, ich hatte eine schlimme Kindheit und dabei auch eine schwierige Familie, keine Frage, aber trotzdem steh ich noch meinem Vater und meinen Brüdern sehr nahe, trotz des Terrors, den ich vielleicht auch wegen denen erlebt habe.
Das hört sich widersprüchlich an.
Es ist schön, dass du zu deiner Familie mittlerweile ein gutes Verhältnis hast. Trotzdem hatten sie in Bezug auf dieses Thema einen negativen Einfluss auf dich.
Das ist zwar emotional schwer unter einen Hut zu kriegen (meiner Erfahrung nach), aber Eltern können ihre Kinder lieben, ihr Bestes geben und dabei Fehler machen, ihnen schaden oder emptionale Verletzungen zufügen, die sie als Narben mit in ihr eigenes Leben tragen.

Dein Verlust tut mir sehr Leid. Ich weiß, wie hart die Trauer um ein so enges Familienmitglied sein kann.
Ich hoffe, ihr konntet euch da gegenseitig Halt geben und gemeinsam trauern. Und dass du in deiner Gemeinde Mitgefühl und Unterstützung erfahren hast.

Inwieweit dein Glaube und das Zugehörigkeitsgefühl in deiner Gemeinde dich in deiner Selbstfindung beeinflussen, wäre es sicherlich auch wert, noch mal zu erforschen.
Ich bin überzeugt, dass das tiefer geht und komplexer ist, als dir bewusst ist bzw. sein kann.
TheAbyss hat geschrieben: 20 Jan 2023 08:35Ich weiß nicht ob das genau hier rein passt, aber bezüglich der sexuellen Orientierung hat mich mal eine Arbeitskollegin darauf hingewiesen, dass ich wegen meinem Erscheinungsbild eher Männer anziehe als Frauen. Ich könnte doch umswitchen auf Männen, weil ich für Frauen absolut uninteressant bin.
Als würde sich deine sexuelle Orientierung danach richten, wer dich attraktiv findet anstatt zu bezeichnen, wen du attraktiv findest...
Das hört sich sehr danach an, als hätte deine Kollegin tief in die Klischeekiste gegriffen und gleichzeitig von ihrem fehlenden Interesse auf alle anderen Frauen verallgemeinert. Was absurd und ziemlich arrogant ist.
Ich hoffe, du kannst es für dich einsortieren unter "Sie hat keine Ahnung, wovon sie redet."
TheAbyss hat geschrieben: 20 Jan 2023 15:41Mir gefallen nur Frauen in allen Belangen, also bin ich hetero. Mit Männern kann ich mir nichts vorstellen.
Was hättest du denn dann davon, etwas mit einem Mann anzufangen?
Egil hat geschrieben: 19 Jan 2023 18:32Beim Analverkehr (den wohl nur wenige Frauen mögen und der deshalb in heterosexuellen Beziehungen weniger eine Rolle spielen dürfte) ist die Gefahr verletzter Schleimhäute und dadurch der Übertragung von HIV deutlich höher.
Weder sind alle Menschen mit gleichgeschlechtlichem Partner Männer, noch ist Analverkehr in dem Fall die einzige Möglichkeit, Sex zu haben.
Queere Sexualität mit Analverkehr gleichzusetzen und damit auch gleich noch zu tabuisieren, ist eindimensional und problematisch.
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Re: Sexuelle Verwirrung

Beitrag von Egil »

Momo hat geschrieben: 23 Jan 2023 02:26
Egil hat geschrieben: 19 Jan 2023 18:32Beim Analverkehr (den wohl nur wenige Frauen mögen und der deshalb in heterosexuellen Beziehungen weniger eine Rolle spielen dürfte) ist die Gefahr verletzter Schleimhäute und dadurch der Übertragung von HIV deutlich höher.
Weder sind alle Menschen mit gleichgeschlechtlichem Partner Männer, noch ist Analverkehr in dem Fall die einzige Möglichkeit, Sex zu haben.
Queere Sexualität mit Analverkehr gleichzusetzen und damit auch gleich noch zu tabuisieren, ist eindimensional und problematisch.
Ja, und wahrscheinlich auch noch diskriminierend :roll: Aber Abyss und WS15 sind Männer, deshalb spielen lesbische Beziehungen hier in diesem Zusammenhang keine Rolle, sondern nur "fröhliche". Damit hast du hier schon mal die Hälfte aller queeren Sexualität eliminiert.
Ich tabuisiere nichts. Ich weise auf Realitäten hin, auf echte Gefahren. Das aus sozialpolitischer Verblendung heraus zu tabuisieren, um mal deine Wortwahl zu verwenden, ist in meinen Augen eindimensional und problematisch.
Moderation: Absolute Beginner Treff Das Thema scheint bei dir gewisse Aggressionen auszulösen, denn dein Tonfall ist eindeutig konfrontativer als der deiner Gesprächspartner. Du scheinst vor allen Dingen nicht gegen sie zu argumentieren, und das was sie tatsächlich gesagt haben, sondern gegen Leute aus Youtube-Videos, und deren Aussagen.

Ich will niemandem einen Maulkorb verpassen wenns nicht sein muss. Erinnere dich bitte einfach daran, dass dies hier Wayfaring_Strangers Thread ist, in dem er über seine persönlichen Probleme spricht.
Aus Respekt vor ihm, sollte das HIER nicht in eine Grundsatzdiskussion über ein Thema ausarten, die - wie wir alle wissen - nicht auf zivilisierte Weise geführt werden kann.
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Re: Sexuelle Verwirrung

Beitrag von Egil »

Ich denke, ich muss da etwas klarstellen: Es ist mir völlig egal, ob WS15 nach Frauen oder nach Männern sucht. Das ist vollkommen seine Sache. Es sollte nur, wenn er schon diesbezüglich um Rat fragt, auch erlaubt sein, auf eventuell damit verbundene Gefahren hinzuweisen. Momos Antwort darauf hat mich in der Tat getriggert, und ich habe mich zu einem falschen Ton hinreißen lassen. Ich bitte daher um Entschuldigung - für die Form, nicht für den Inhalt.
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Re: Sexuelle Verwirrung

Beitrag von Wayfaring_Stranger15 »

Na alles gut Egil :) Also wenn mich das schon fertig machen würde, dürfte ich nicht Sozialarbeiter werden :D
Das ganze Thema Geschlechtsverkehr spielt für mich insoweit sowieso erstmal keine Rolle, solange ich eh noch keine Beziehung habe, egal mit welchem Geschlecht. Ich war mir auch schon vorher der Gefahr von Geschlechtskrankheiten bewusst, aber hab mich nie wirklich drum geschert. Würd ich mein Leben lang nur hier sitzen und Geschlechtsverkehr tunlichst vermeiden, weil es ja Geschlechtskrankheiten gibt, dann wäre mein Leben A. langweilig und B. würd ich mich mental kaputt machen, mit der ständigen Angst vor diesem kleinen Perzentil Risiko.
Momo hat geschrieben: 23 Jan 2023 02:26 Meine sexuelle Orientierung und Sexualität an sich waren mir irgendwie immer schon ein Rätsel.
Da sich das hauptsächlich in einem Mangel an Interesse äußerte und ich andere Probleme hatte, habe ich mich damit auch lange nur sehr am Rande beschäftigt.
Bis ich mich irgendwann mal eingelesen habe, um die vielen verschiedenen Bezeichnungen zu verstehen.
Dabei bin ich auf "demisexuell" gestoßen. Das war das erste Wort, womit ich mich teilweise identifizieren konnte.
Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass ich das Thema damit abgehakt hätte...
War auch nicht so. Ich hatte dabei noch vorausgesetzt, dass ich hetero bin und die "Richtung" noch nicht hinterfragt. Bis ich mich dann mit meinen Gefühlen für eine agender Person auseinandersetzen musste, die das widerlegt haben.
Da hab ich noch mal neu gesucht, bewertet und sortiert, ohne zu einer abschließenden Antwort gekommen zu sein.
Das war alles rein innerlich. Ich habe weder in die eine noch in die andere Richtung sexuelle Erfahrungen gemacht, bisher habe ich noch nicht mal jemanden geküsst.
Was mit ein Grund ist, dass ich das Rätsel noch nicht als gelöst ansehe.

Ich bin da bei katebe;
katebe hat geschrieben: 18 Jan 2023 13:50Du musst heute nicht wissen, was du bist, und selbst wenn du es weißt, kann sich das immer noch ändern. Du kannst das „Labeln“ auch ganz sein lassen.
Ich fühle mich gerade mit "queer" recht wohl. Weil es zum einen klarmacht, dass ich nicht ins heteronormative Bild passe, zum anderen aber mir sehr viel Freiheit lässt, weitere Erkenntnisse zu sammeln. Wenn ich etwas "bin", dann kann es sehr schwierig sein, Wünsche und Erfahrungen, die nicht dazu passen, wahrzunehmen und einzuordnen.
Danke erstmal dafür, dass du ganz offen deine Erfahrungen hier mit uns teilst :)
Sicher, das ganze Leben ist ein Fluss, immer in Bewegung. Meine Sexualität kann sich auch anhand meiner Erfahrungen, sofern ich denn mal endlich welche mache, ändern und so weiter. Meine Überzeugung, dass man halt nur eine bestimmte Sexualität hat und die sein Leben lang, ist ein bisschen vielleicht auch durch meine Sozialisation geprägt, auch z. T. aus dem Internet. Ich hatte vorher schonmal erwähnt, in einer Diskussion in einem andern Forum gesagt bekommen zu haben, die Sexualität ist genetisch in uns verankert und kann nicht verändert werden, es gibt entweder den Status homosexuell, bisexuell oder heterosexuell. Das fand ich halt eine sehr eingeschränkte Sichtweise, die die soziologischen Realitäten völlig außer Acht lässt, aber dass das trotzdem ein starres Modell ist, dem man sich unterordnen muss im Laufe seines Lebens, ist irgendwie trotzdem noch etwas bei mir hängen geblieben.
Außerdem, vielleicht werden mir hier einige ja zustimmen, aber es kann auch "cool" sein, einer Minderheit anzugehören. Ich fühl mich gern mal rebellisch, ja, auch nach meiner Pubertät. ^^ Und ich vermute, es gibt einige, die genauso sind und sagen "Ich habe Sexualität XY oder Geschlecht XY", weil sie "rebellisch" sein wollen, einer Minderheit angehören wollen, weil Mainstream out ist - So ist zumindest meine Vermutung. Damit will ich auch keinen in seiner Sexualität oder Identität diffamieren. Wie schon gesagt, tick ich ja ein Stück weit selber so, und ich sehe selber, dass das problematisch sein kann, denn, wie ich finde, könnte das die Leute, die tatsächlich queer sind und damit leben müssen, entwerten, weil es auf einmal in ist, zu denen zu gehören, egal, ob man auch so fühlt oder nicht.
Momo hat geschrieben: 23 Jan 2023 02:26 Sagt dir "compulsory heterosexuality" etwas?
Es kann durchaus passieren, dass der Wunsch "Ich will Vater werden und eine eigene Familie gründen" von vorherrschenden Idealvorstellungen vereinnahmt wird und dann eben undeutlichen, oder sozial weniger anerkannten Aspekten heteronormativen Vorstellungen übergestülpt werden.
Den Begriff kenn ich so nicht. Aber ja, im Grunde genommen ist das auch eine Vermutung, die ich schon angestellt habe, dass mir das heteronormative Familienkonstrukt so aufoktroyiert wurde durch meine Sozialisation. (uff, so viele Fremdwörter :D) Aber selbst gemäß dem Fall, dass das einzig und allein meiner Sozialisation entsprungen ist, obwohl ich ganz andere Vorlieben hab, stört es mich nicht. Auch wenn es dem "Mainstream" entspricht, mit einer Frau verheiratet zu sein und Kinder zu haben, ich will das ja auch. Und ich habe im Laufe meines Lebens auch andere Familienmodelle kennen gelernt, aber mein Gefühl sagt mir ganz klar "Nein, ich will das nicht, ich will nur das (die klassische Familie mit Frau und Kindern)".
Momo hat geschrieben: 23 Jan 2023 02:26 Das hört sich widersprüchlich an.
Es ist schön, dass du zu deiner Familie mittlerweile ein gutes Verhältnis hast. Trotzdem hatten sie in Bezug auf dieses Thema einen negativen Einfluss auf dich.
Das ist zwar emotional schwer unter einen Hut zu kriegen (meiner Erfahrung nach), aber Eltern können ihre Kinder lieben, ihr Bestes geben und dabei Fehler machen, ihnen schaden oder emptionale Verletzungen zufügen, die sie als Narben mit in ihr eigenes Leben tragen.
Du sagst es ja schon.
Ich bin meiner Familie nicht mehr böse wegen der Fehler, die sie mir gegenüber begangen haben. Ich will auch gar nicht in Abrede stellen, selbst auch Fehler gemacht zu haben gegenüber meiner Familie. Das ist menschlich. Und ich bin daran ja auch gewachsen. Weißt du, von meinen Brüdern wurde ich jahrelang gemobbt, von meinen Mitschülern in der Schule wurde ich gemobbt und sozial ausgegrenzt (und das bezog sich nicht nur auf die einzelne Klasse, sondern auf wirklich die gesamte Schule, mit solchen auch in Stufen über wie unter mir), in der Berufsausbildung wurde ich von den Mitarbeitern und dem Chef pausenlos schikaniert, im ersten Vorpraktikum wurde ich diffamiert. Kurzum; mein ganzes Leben war Mist.
Aber wer wär ich denn, da nachtragend zu sein gegenüber der ganzen Welt? Zum einen bin ich als Subjekt selbst in diese Situationen involviert, eine objektive Betrachtungsweise all dieser Geschehnisse ist mir gar nicht möglich. Und natürlich ist es ein Einfaches, mich einfach als ein Opfer allen weltlichen Geschehens zu zeichnen, aber so schwarz und weiß ist die Welt nicht. Ich bin auch kein Anhänger der Theorie "Mobbing-Opfer sind meist selbst Schuld, weil sie sich zur Zielscheibe machen" (kein Witz, die Theorie über das Phänomen Mobbing gibt es in der Wissenschaft wirklich), ich bin strikt dagegen. Trotzdem findet immer alles in Wechselwirkungen statt - und ich will nochmal betonen, ich will und kann mich nicht davon frei reden, hier und da auch mal Fehler begangen zu haben, die die Situation wohl eher nur noch verschlechtert als verbessert haben.
Und ich bin stolz darauf, wer ich heute bin. All diese harten Lektionen, all diese Kämpfe, durch die ich gehen musste, haben mich stärker gemacht. Wäre mir das alles nicht widerfahren, würde ich heute wahrscheinlich kein Sozialarbeiter sein bzw. noch werden. Hättest du mir vor zehn Jahren mal gesagt, dass ich irgendwann Sozialarbeiter werden will, hätt ich dir wahrscheinlich den Vogel gezeigt. Und trotzdem bin ich stolz und zufrieden damit, diesen Weg heute zu gehen, ich könnte mir auch nichts Besseres vorstellen. Macht das mein Leben deshalb problemlos und perfekt? Keinesfalls. Ich bin ja immer noch ein einsamer Mensch, und gerade im privaten Bereich gibt es große Probleme und tiefe Abgründe. Aber ich bereue nicht mehr, zu sein, wer ich geworden bin - oder gemacht wurde.
Momo hat geschrieben: 23 Jan 2023 02:26 Dein Verlust tut mir sehr Leid. Ich weiß, wie hart die Trauer um ein so enges Familienmitglied sein kann.
Ich hoffe, ihr konntet euch da gegenseitig Halt geben und gemeinsam trauern. Und dass du in deiner Gemeinde Mitgefühl und Unterstützung erfahren hast.

Inwieweit dein Glaube und das Zugehörigkeitsgefühl in deiner Gemeinde dich in deiner Selbstfindung beeinflussen, wäre es sicherlich auch wert, noch mal zu erforschen.
Ich bin überzeugt, dass das tiefer geht und komplexer ist, als dir bewusst ist bzw. sein kann.
Danke für dein Mitgefühl :) und juhu, ich bin ein Gegenstand wissenschaftlicher Erforschung :lol: (nur Spaß, weiß schon, wie du das meintest ;) )
Ja, ich nehme auch an, dass die Wertevorstellungen von kirchlichen Gemeindemitgliedern auch meinen Lebensweg mitbestimmt haben, bzw. es noch tun, und die christliche Lehre an sich hat auf jeden Fall meinen Lebensweg mit definiert und bestimmt. Ich sprach ja auch schon vorher mal davon, dass ich z. B. mein Wertebild und meinen Moralkompass auch für meine Arbeit an einem christlichen Wertebild orientiere.
Und meine heteronormative Sozialisation steht halt heute im Konflikt mit einigen meiner phasenweise homosexuellen Tendenzen. Da spielt alles mit eine Rolle, sicherlich auch die Kirche (übrigens, falls jemand jetzt an irgendwelche Klischees denkt; es ist nicht die katholische :D).
Was mich wie beeinflusst, ist aber glaub ich gar nicht so wichtig. Sondern, wie viele und du auch schon gesagt haben; ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Würd ich ja auch gerne, aber mir fällt es halt schwer, eine Freundin zu finden, wo ich ja schon gesagt habe "Das ist mein erster Schritt, wie ich mich ausprobieren will". Dass ich mich so dazu zwinge, dass ausgerechnet dies mein erster Schritt ist, soll auch so ein bisschen mein persönlicher Schutzmechanismus sein, damit ich herausfinden kann, was ich am Ende wirklich will. Ist etwas schwer zu erklären... :D
Und Bordelle und der Verkehr mit Damen, die ihren Unterhalt mit dem Liebesgeschäft verdienen, kommen für mich nicht in Frage. Das find ich einfach unmoralisch. Für mich stellt der Geschlechtsverkehr eine Art "Höhepunkt einer Beziehung" dar, man verdient es sich durch eine gute, feste, liebevolle Beziehung. Und diese ganzen Empfindungen, die dazu gehören, kann man sich mit keinem Geld der Welt kaufen.
Aber wie schon gesagt, eine Freundin zu finden dafür fällt mir halt im Moment unglaublich schwer... :sadman:
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Re: Sexuelle Verwirrung

Beitrag von Momo »

Wayfaring_Stranger15 hat geschrieben: 23 Jan 2023 14:05Sicher, das ganze Leben ist ein Fluss, immer in Bewegung. Meine Sexualität kann sich auch anhand meiner Erfahrungen, sofern ich denn mal endlich welche mache, ändern und so weiter. Meine Überzeugung, dass man halt nur eine bestimmte Sexualität hat und die sein Leben lang, ist ein bisschen vielleicht auch durch meine Sozialisation geprägt, auch z. T. aus dem Internet. Ich hatte vorher schonmal erwähnt, in einer Diskussion in einem andern Forum gesagt bekommen zu haben, die Sexualität ist genetisch in uns verankert und kann nicht verändert werden, es gibt entweder den Status homosexuell, bisexuell oder heterosexuell. Das fand ich halt eine sehr eingeschränkte Sichtweise, die die soziologischen Realitäten völlig außer Acht lässt, aber dass das trotzdem ein starres Modell ist, dem man sich unterordnen muss im Laufe seines Lebens, ist irgendwie trotzdem noch etwas bei mir hängen geblieben.
Ich verstehe es auch eher als etwas grundsätzlich beständiges, das man aber eben unterschiedlich auslebt und versteht, abhängig davon, welche Erfahrungen man macht/gemacht hat, in welchem Lebensabschnitt man sich befindet, welche Wünsche man hat, welche Prägungen man hat/überwunden hat...
Das Sexualität fluide ist, verstehe ich eher so, dass die Schubladen "homosexuell", "bisexuell" und "heterosexuell" viel zu wenig sind, und es meist deutlich komplexer ist. Da fehlt ja schon "asexuell."
Außerdem, vielleicht werden mir hier einige ja zustimmen, aber es kann auch "cool" sein, einer Minderheit anzugehören. Ich fühl mich gern mal rebellisch, ja, auch nach meiner Pubertät. ^^ Und ich vermute, es gibt einige, die genauso sind und sagen "Ich habe Sexualität XY oder Geschlecht XY", weil sie "rebellisch" sein wollen, einer Minderheit angehören wollen, weil Mainstream out ist - So ist zumindest meine Vermutung. Damit will ich auch keinen in seiner Sexualität oder Identität diffamieren. Wie schon gesagt, tick ich ja ein Stück weit selber so, und ich sehe selber, dass das problematisch sein kann, denn, wie ich finde, könnte das die Leute, die tatsächlich queer sind und damit leben müssen, entwerten, weil es auf einmal in ist, zu denen zu gehören, egal, ob man auch so fühlt oder nicht.
Hm, das kann ich mir über die Jugend- und Ausprobierphase hinaus nicht wirklich vorstellen.
Ich finde aber auch nicht, dass das queere Menschen entwertet. Was wird da deiner Meinung nach entwertet?
Aber wer wär ich denn, da nachtragend zu sein gegenüber der ganzen Welt?
Ein ganz normaler Mensch mit seelischen Wunden, der irgendwie versucht, seinen Erfahrungen einen Sinn zu geben und in sein Weltbild einzufügen.
Versteh mich nicht falsch, es ist gut, dass du nicht verbittert bist, aber das wäre leider auch eine völlig nachvollziehbare Reaktion.
Abgesehen davon ist es etwas anderes, der ganzen Welt böse zu sein, als den Menschen, die einen verletzt haben, die Verantwortung dafür zuzumuten.
Weißt du, von meinen Brüdern wurde ich jahrelang gemobbt, von meinen Mitschülern in der Schule wurde ich gemobbt und sozial ausgegrenzt (und das bezog sich nicht nur auf die einzelne Klasse, sondern auf wirklich die gesamte Schule, mit solchen auch in Stufen über wie unter mir), in der Berufsausbildung wurde ich von den Mitarbeitern und dem Chef pausenlos schikaniert, im ersten Vorpraktikum wurde ich diffamiert. Kurzum; mein ganzes Leben war Mist.
[...]
Und ich bin stolz darauf, wer ich heute bin. All diese harten Lektionen, all diese Kämpfe, durch die ich gehen musste, haben mich stärker gemacht. Wäre mir das alles nicht widerfahren, würde ich heute wahrscheinlich kein Sozialarbeiter sein bzw. noch werden. [...] Und trotzdem bin ich stolz und zufrieden damit, diesen Weg heute zu gehen, ich könnte mir auch nichts Besseres vorstellen. Macht das mein Leben deshalb problemlos und perfekt? Keinesfalls. Ich bin ja immer noch ein einsamer Mensch, und gerade im privaten Bereich gibt es große Probleme und tiefe Abgründe.
Da hast du schon einiges erreicht und scheinst das auch für dich in positive Bahnen gelenkt zu haben.
Es hört sich für mich gleichzeitig auch so an, als hättest du rational entschieden, zu verzeihen und die Vergangenheit dich nicht weiter beeinträchtigen zu lassen, ohne die emotionalen und seelischen Auswirkungen anzuerkennen und zu verarbeiten.
Was du beschreibst wird dich bis tief in dein Selbstbild geprägt haben und meiner Erfahrung nach ist es schwierig, damit weiterzukommen, ohne noch mal die Wunden anzuschauen, für sich selbst anzuerkennen, dass es nicht in Ordnung war, was dir passiert ist, um die unbeschwerte Kindheit und Jugend zu trauern, die du nicht hattest, die Verantwortung den Personen zu geben (und wenn auch nur gedanklich für dich), die dir geschadet haben, und dir selbst zu verzeihen, dass du nicht "besser" damit umgehen konntest (um dieses emotionale Verarbeiten beispielhaft zu illustrieren...).
Mag sein, dass ich damit völlig daneben liege, aber das war für mich etwas, das mich deutlich weiter gebracht hat, darum wollte ich dich zumindest darauf hinweisen.
Sondern, wie viele und du auch schon gesagt haben; ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Würd ich ja auch gerne, aber mir fällt es halt schwer, eine Freundin zu finden, wo ich ja schon gesagt habe "Das ist mein erster Schritt, wie ich mich ausprobieren will". Dass ich mich so dazu zwinge, dass ausgerechnet dies mein erster Schritt ist, soll auch so ein bisschen mein persönlicher Schutzmechanismus sein, damit ich herausfinden kann, was ich am Ende wirklich will. Ist etwas schwer zu erklären... :D
Weil du eine "klassische" Familie willst und nicht der Typ für unverbindliche, kurze Beziehungen/Geschichten bist, sodass du lieber erst mal versuchen willst, diesen großen Wunsch zu verwirklichen?
Für mich stellt der Geschlechtsverkehr eine Art "Höhepunkt einer Beziehung" dar, man verdient es sich durch eine gute, feste, liebevolle Beziehung.
Das klingt nach einer Antwort auf die Frage, ob du dich einfach ausprobieren kannst.
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Re: Sexuelle Verwirrung

Beitrag von Wayfaring_Stranger15 »

Kurz vorab; sorry, dass ich in letzter Zeit so selten online bin und auf keinen anderen Thread reagiere als meinen eigenen. Das ist kein Egoismus oder böse Absicht, aber ich bin gerade von der Uni her voll in der Prüfungsphase und mein Leben ist gerade over the top stressig. Deswegen habe ich in letzter Zeit kaum Zeit gefunden, mich hier einzuloggen und Beiträge zu schreiben. Hab aber auch ohne Login noch regelmäßig reingesehen und mir Threads angesehen, also ich bin noch da.
Morgen ist meine letzte Prüfung für dieses Semester. Dann hab ich erstmal wieder Ruhe bis April :good:

Achso, und sorry auch noch für den ellenlangen Post davor. Ich versuch mich wirklich zu zügeln :lol:
Momo hat geschrieben: 01 Feb 2023 04:23 Hm, das kann ich mir über die Jugend- und Ausprobierphase hinaus nicht wirklich vorstellen.
Ich finde aber auch nicht, dass das queere Menschen entwertet. Was wird da deiner Meinung nach entwertet?
Weil ich finde, dass Sexualität kein Trend ist oder sein sollte. Es ist eine sexuelle Präferenz, die man eben hat, und nicht eine Gruppe, damit du dich mit dem Etikett "Ich bin eine Minderheit" brüsten kannst. Man reduziert die ganze Sexualität und Identität aber eben auf dieses eine Etikett, und das finde ich nicht gut. (Zumindest bei meinem o. g. Beispiel)
Momo hat geschrieben: 01 Feb 2023 04:23 Da hast du schon einiges erreicht und scheinst das auch für dich in positive Bahnen gelenkt zu haben.
Es hört sich für mich gleichzeitig auch so an, als hättest du rational entschieden, zu verzeihen und die Vergangenheit dich nicht weiter beeinträchtigen zu lassen, ohne die emotionalen und seelischen Auswirkungen anzuerkennen und zu verarbeiten.
Was du beschreibst wird dich bis tief in dein Selbstbild geprägt haben und meiner Erfahrung nach ist es schwierig, damit weiterzukommen, ohne noch mal die Wunden anzuschauen, für sich selbst anzuerkennen, dass es nicht in Ordnung war, was dir passiert ist, um die unbeschwerte Kindheit und Jugend zu trauern, die du nicht hattest, die Verantwortung den Personen zu geben (und wenn auch nur gedanklich für dich), die dir geschadet haben, und dir selbst zu verzeihen, dass du nicht "besser" damit umgehen konntest (um dieses emotionale Verarbeiten beispielhaft zu illustrieren...).
Mag sein, dass ich damit völlig daneben liege, aber das war für mich etwas, das mich deutlich weiter gebracht hat, darum wollte ich dich zumindest darauf hinweisen.
Da ist auch tatsächlich ein bisschen was dran.
Weißt du, eine Lektion, die ich letztes Jahr erst verstanden habe ist, dass viele Sozialarbeiter mir sagen, dass sich vor allem in diesem Beruf Privatleben und Arbeit stark miteinander vermischen. Das verstehe ich. Und das lasse ich auch willentlich zu. An meinem Privatleben gibt es nämlich nicht mehr viel Erstrebenswertes oder etwas, zu dem ich gern zurückkehre und Zeit mit verbringe. Im Klartext; mein Weg zur Sozialen Arbeit ist auch ein Weg des Selbst aufgebens.
Ja, es hat seine emotionalen und seelischen Auswirkungen, die nachhaltig mein Selbstbild geprägt haben. Familiär, schulisch, in der Ausbildung, eigentlich egal, wohin man blickt. Aber ich kann das ja nicht rückgängig oder ungeschehen machen. Ich leugne gar nicht, dass mein Leben die ersten 26 Jahre (2021 fing mein Studium an und das seh ich so als die "Wendung zum Besseren") kompletter Mist war und auch meine Umwelt maßgeblich daran Schuld trägt. Aber was soll es jetzt noch bringen, alle in meinem Umfeld deshalb zu verurteilen? Ich leide doch auch so schon unter meiner Einsamkeit. Da wäre es nicht hilfreich, jetzt auch noch mit dem Finger auf alle meine Peiniger zu zeigen und zu sagen, wie schlimm sie zu mir waren. "Let bygones be bygones", wie der Engländer sagt - Einfach mal gut sein lassen. Es ist passiert, und ich kann daran jetzt nichts ändern.
Es gibt genau eine Person, an die ich denken kann, die mich damals in der Schule gemobbt hat, mit dem ich heute befreundet bin. Wir denken heute gern zusammen an die gemeinsame Schulzeit zurück und machen uns auch hier und da über Situationen lustig, an die wir uns noch erinnern können. Aber vor allem im Bezug zwischen dem, was wir zueinander erlebt haben - eben das Mobbing - da reden wir entweder gar nicht drüber, und wenn wir darüber reden, zeigt er immer Reue. Find ich auch gut und nett, aber Reue ist keine Basis, auf der eine Freundschaft erhalten werden kann. Freunde sollten sich auf Augenhöhe begegnen, und nicht der eine in Lebensschuld des Andern stehen - das ist für keinen förderlich.

Ich kann nur mit den Narben, die mich zeichnen, weiter aufrecht durch die Welt gehen. Heilen werden die nicht, dafür reichen die viel zu tief. Aber wie schon gesagt, ich kann es auch nicht ändern - und das ist auch gar nicht wichtig. Aber ich kann meinem Umfeld heute ein Beispiel sein, mit diesen Narben, und die andern davor schützen, den selben Schaden zu erleiden und in das gleiche Loch zu fallen.

Das ist nämlich alles, was mir noch geblieben ist.
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Re: Sexuelle Verwirrung

Beitrag von Momo »

Wayfaring_Stranger15 hat geschrieben: 01 Feb 2023 11:34Weil ich finde, dass Sexualität kein Trend ist oder sein sollte. Es ist eine sexuelle Präferenz, die man eben hat, und nicht eine Gruppe, damit du dich mit dem Etikett "Ich bin eine Minderheit" brüsten kannst. Man reduziert die ganze Sexualität und Identität aber eben auf dieses eine Etikett, und das finde ich nicht gut. (Zumindest bei meinem o. g. Beispiel)
Hm... Ich seh da irgendwie immer noch keinen Schaden, aber ich kann es mir ja wie gesagt auch nicht wirklich vorstellen, dass Leute das machen.
Weißt du, eine Lektion, die ich letztes Jahr erst verstanden habe ist, dass viele Sozialarbeiter mir sagen, dass sich vor allem in diesem Beruf Privatleben und Arbeit stark miteinander vermischen. Das verstehe ich. Und das lasse ich auch willentlich zu. An meinem Privatleben gibt es nämlich nicht mehr viel Erstrebenswertes oder etwas, zu dem ich gern zurückkehre und Zeit mit verbringe. Im Klartext; mein Weg zur Sozialen Arbeit ist auch ein Weg des Selbst aufgebens.
Das hört sich ungesund und nicht nachhaltig/langfristig machbar an.
Ja, es hat seine emotionalen und seelischen Auswirkungen, die nachhaltig mein Selbstbild geprägt haben. Familiär, schulisch, in der Ausbildung, eigentlich egal, wohin man blickt. Aber ich kann das ja nicht rückgängig oder ungeschehen machen.
Nein, ungeschehen oder rückgängig machen kannst du es nicht.
Aber du kannst dein Selbstbild ändern, deine Sichtweisen und Verhaltensweisen, die daraus resultieren.
Auch bei tiefgreifenden, alten Prägungen ist das möglich. Wenn auch langwierig.
Ich leugne gar nicht, dass mein Leben die ersten 26 Jahre (2021 fing mein Studium an und das seh ich so als die "Wendung zum Besseren") kompletter Mist war und auch meine Umwelt maßgeblich daran Schuld trägt. Aber was soll es jetzt noch bringen, alle in meinem Umfeld deshalb zu verurteilen? Ich leide doch auch so schon unter meiner Einsamkeit. Da wäre es nicht hilfreich, jetzt auch noch mit dem Finger auf alle meine Peiniger zu zeigen und zu sagen, wie schlimm sie zu mir waren.
Es geht ja nicht darum, sie zu verurteilen, sondern darum, für dich selbst einzustehen. Zu kommunizieren, wie sie dich verletzt haben, von ihnen gehört zu werden, dass sie idealerweise Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen, deine Realität anerkennen und versuchen, es wiedergutzumachen.
Im schlimmsten Fall stößt du auf taube Ohren, aber immerhin hast du dich selbst dabei nicht auch noch im Stich gelassen.
Ich meine, wenn deine Mitmenschen dich verletzen und es entweder nicht merken, oder immer wieder damit durchkommen, wie wahrscheinlich ist es, dass sie ihr Verhalten ändern, vor allem im zweiten Fall? Dass sie dir gut tun?
Ist es das wirklich wert, mit Menschen Zeit zu verbringen, denen du noch nicht mal sagen kannst, dass sie dich verletzt haben? Wenn du dich so selbst verleugnest...
Für mich zumindest fühlt es sich oft noch einsamer an, wenn ich nicht gesehen werde, als wenn ich alleine bin.
"Let bygones be bygones", wie der Engländer sagt - Einfach mal gut sein lassen.
Aber so wie es sich anhört, ist es nicht gut.
Ich kann nur mit den Narben, die mich zeichnen, weiter aufrecht durch die Welt gehen. Heilen werden die nicht, dafür reichen die viel zu tief. Aber wie schon gesagt, ich kann es auch nicht ändern - und das ist auch gar nicht wichtig. Aber ich kann meinem Umfeld heute ein Beispiel sein, mit diesen Narben, und die andern davor schützen, den selben Schaden zu erleiden und in das gleiche Loch zu fallen.

Das ist nämlich alles, was mir noch geblieben ist.
Oh, das klingt so viel hoffnungsloser als der Anfangspost. Wo ist das hin? Du wolltest dich selbst kennenlernen, hast das Ziel genannt, eine Familie zu gründen.
Um mal im Bild zu bleiben; Ist es das nicht wert, deine Wunden zu versorgen, um sie heilen zu lassen, sodass nur noch Narben zurückbleiben?

Was bedeutet es für dich, jemandem zu verzeihen? Wie sieht das aus, abseits von der Entscheidung dazu?
I want to be a mystery, yet be known
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Re: Sexuelle Verwirrung

Beitrag von Wayfaring_Stranger15 »

Momo hat geschrieben: 08 Feb 2023 03:21 Es geht ja nicht darum, sie zu verurteilen, sondern darum, für dich selbst einzustehen. Zu kommunizieren, wie sie dich verletzt haben, von ihnen gehört zu werden, dass sie idealerweise Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen, deine Realität anerkennen und versuchen, es wiedergutzumachen.
Im schlimmsten Fall stößt du auf taube Ohren, aber immerhin hast du dich selbst dabei nicht auch noch im Stich gelassen.
Ich meine, wenn deine Mitmenschen dich verletzen und es entweder nicht merken, oder immer wieder damit durchkommen, wie wahrscheinlich ist es, dass sie ihr Verhalten ändern, vor allem im zweiten Fall? Dass sie dir gut tun?
Ist es das wirklich wert, mit Menschen Zeit zu verbringen, denen du noch nicht mal sagen kannst, dass sie dich verletzt haben? Wenn du dich so selbst verleugnest...
Für mich zumindest fühlt es sich oft noch einsamer an, wenn ich nicht gesehen werde, als wenn ich alleine bin.
Natürlich, das finde ich auch schlimmer. Und habe ich darüber hinaus auch schon selbst erlebt, in Gruppen gesessen zu haben, und die ganze Zeit nur still den anderen beim reden zugehört und zugeschaut habe. Das waren mitunter die schrecklichsten Abende.
Und vielleicht haben wir zuletzt auch einfach ein bisschen aneinander vorbeigeredet. Heute kann ich nämlich für mich und meine Prinzipien einstehen (glaub ich jedenfalls ^^). Und wie schon gesagt, "mich nicht selbst noch im Stich lassen" - wer bin ich denn überhaupt noch? Was definiert mich denn heute noch?
Ich sage den Leuten, wenn mich was stört. Wenn sie das dann stört, dass ich das sage, weil sie das gar nicht so meinten, dann ärgert mich das aber auch. Und dann bin ich auch schonmal bereit, ihnen zu verzeihen, wenn sie sich gar nicht dafür entschuldigt haben. Oder vielleicht verzeih ich ihnen nicht einmal, sondern gehe in die Selbstreflexion und denke; war es vielleicht mein Fehler? War ich zu engstirnig?
Momo hat geschrieben: 08 Feb 2023 03:21 Oh, das klingt so viel hoffnungsloser als der Anfangspost. Wo ist das hin? Du wolltest dich selbst kennenlernen, hast das Ziel genannt, eine Familie zu gründen.
Um mal im Bild zu bleiben; Ist es das nicht wert, deine Wunden zu versorgen, um sie heilen zu lassen, sodass nur noch Narben zurückbleiben?

Was bedeutet es für dich, jemandem zu verzeihen? Wie sieht das aus, abseits von der Entscheidung dazu?
Ich denke, um vom Bild weiter zu sprechen, seelische Narben verhalten sich anders als körperliche. Seelische erinnern dich für immer daran, dass da mal was war. Und jedes Mal daran erinnert zu werden tut weh. Nicht nur die ersten Male, frisch nach der Operation.

Die Ziele, mich selbst kennen zu lernen und eine Familie zu gründen, habe ich auch immer noch. Ich möchte sie auch gerne weiter verfolgen, selbst jetzt noch. Aber wenn man immer alles probiert hat, was man an Ratschlägen bekommen hat, und nichts geholfen hat - was kann ich dann noch tun, um was daran zu ändern? Glück kann ich nicht erzwingen. Dieses Mal muss ich einen Kampf kämpfen, den ich nicht gewinnen kann. Also wie aussichtsreich ist das noch?
Versteh mich nicht falsch, ich bin froh über jede deiner Antworten und über jede Antwort von jedem hier - aber ich hatte auch schon im Anfangspost nicht wirklich viel von der Hoffnung, die du jetzt vermisst.
Na klar, ich habe noch diese Ziele - aber eben keine Mittel mehr, sie zu erreichen. Da kann man doch nur frustrieren :sadman:
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Re: Sexuelle Verwirrung

Beitrag von Momo »

Wayfaring_Stranger15 hat geschrieben: 10 Feb 2023 23:16Und wie schon gesagt, "mich nicht selbst noch im Stich lassen" - wer bin ich denn überhaupt noch? Was definiert mich denn heute noch?
Das kann ich dir leider auch nicht sagen.
Aber in jedem Fall hast du es verdient, ernst und wichtig genommen zu werden, und dass deine Grenzen eingehalten werden. Auch von dir selbst.
Wenn sie das dann stört, dass ich das sage, weil sie das gar nicht so meinten, dann ärgert mich das aber auch. Und dann bin ich auch schonmal bereit, ihnen zu verzeihen, wenn sie sich gar nicht dafür entschuldigt haben. Oder vielleicht verzeih ich ihnen nicht einmal, sondern gehe in die Selbstreflexion und denke; war es vielleicht mein Fehler? War ich zu engstirnig?
Warum ist es in Ordnung, deine Perspektive über Bord zu werfen/zu ignorieren, sobald jemand eine andere hat? Warum hat die andere Person automatisch recht?
Nur, weil jemand deine Sichtweise nicht anerkennt bzw. versteht, ist sie ja nicht falsch.
Ich denke, um vom Bild weiter zu sprechen, seelische Narben verhalten sich anders als körperliche. Seelische erinnern dich für immer daran, dass da mal was war. Und jedes Mal daran erinnert zu werden tut weh. Nicht nur die ersten Male, frisch nach der Operation.
Soweit ich es verstehe und auch meiner Erfahrung nach, ist es so, dass dieser Schmerz bedeutet, dass die Erfahrung noch nicht verarbeitet ist. Die Wunde ist noch nicht so weit verheilt, dass man überhaupt von einer Narbe sprechen kann.
Auch seelische Narben können soweit verblassen, dass sie irgendwann nicht mehr denselben Schmerz hervorrufen, wenn man nur an sie denkt.
Aber wenn man immer alles probiert hat, was man an Ratschlägen bekommen hat, und nichts geholfen hat - was kann ich dann noch tun, um was daran zu ändern? Glück kann ich nicht erzwingen. Dieses Mal muss ich einen Kampf kämpfen, den ich nicht gewinnen kann. Also wie aussichtsreich ist das noch?
Hier bist du jetzt auf einer zu abstrakten Ebene, als dass ich dazu viel sagen könnte.
Hast du schon mal eine Therapie gemacht oder das in Erwägung gezogen?
Ich könnte mir vorstellen, dass du dadurch noch mal ganz andere Ansatzpunkte finden und weiterkommen würdest.
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