Meine Geschichte

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faceof
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Meine Geschichte

Beitrag von faceof »

ich bin neu hier im Forum und möchte ein wenig über meine Situation schreiben und was mich beschäftigt.
Ich hoffe der Text ist nicht zu lang, eigentlich sollte es was kurzes werden aber irgendwie schrieb es sich von selbst und wurde ein ziemlicher Seelenstriptease. Vielleicht könnt ihr mir ja einen Rat geben.

Ich bin 40 und AB, Eigentlich habe ich kaum soziale Kontakte und tue mich extrem schwer daran überhaupt auf andere Menschen im Privaten zuzugehen.

Dabei bin ich z.b. beruflich durchaus erfolgreich. Ich habe eine kleine Firma , habe ein paar Angestellte auch finanziell stehe ich nicht schlecht da.

Vielleicht ist das der Punkt an dem ich ein wenig ausholen sollte. Ich lebe auf dem Land, sehr ländlich und bin schwul. Etwas zu dem ich auch erst seit kurzem stehe. Da liegt auch ein großer Teil meiner Probleme begraben

Meine Kindheit war jetzt nicht wirklich großartig, meine Mutter starb als ich 12 war und mein Vater war mit der Situation eigentlich komplett überfordert. Ich wurde weitesgehens mir selbst überlassen die täglichen Kontakte, obwohl im gleichen Haus, waren spärlich. Es war jetzt in diesem Alter nicht ungewöhnlich für mich meinen Vater von Freitag bis Sonntag vielleicht 1-2h insgesamt zu sehen. Oft ging es dann dabei um mein Übergewicht "So Dicke wie dich wird nie jemand mögen" oder um meine nachlassenden schulischen Leistungen. Die restliche Zeit war ich auf mich allein gestellt. Das war die Zeit in der ich auch zunehmend vereinsamt bin. Ich hatte immer das Gefühl nicht so zu sein wie ich eigentlich sein sollte. Dann war ich Schwul was niemand wissen durfte also hielt ich die Leute auf Abstand und scheute zunehmend Kontakte.

Nach meiner Ausbildung war bei mir kurzfristig der Wunsch da wegzuziehen. Zu dieser Zeit ging des dem Familienbetrieb nicht gut, der Arbeitsmarkt war schlecht, das Wohnhaus war in Gefahr, mein Vater stand bereits kurz vor der Rente. Als guter Sohn der gefallen wollte blieb ich, übernahm die Firma und drehte (in enger Zusammenarbeit mit meinem Vater) das Ruder herum. Wir haben uns über viele jahre gut verstanden und waren ein eingespieltes Team.
Die Arbeit war dann meine Ausrede "Warum hast du den noch keine Freundin", ich arbeitete viel, sehr viel und war praktisch mit der Firma verheiratet. Aber ein Leben hatte ich nicht. Praktisch keine sozialen Kontakte, keine Freunde, kein ausgehen nichts. So ging das viele Jahre. Dann wurde mein Vater krank und schließlich recht plötzlich zum völlig unselbstständigen Pflegefall mit starken kognitiven Einschränkungen. Die Rollen haben sich verdreht. Ich habe ihn Lange Zeit neben der Arbeit gepflegt und in diesem Teil meines Lebens praktisch keinerlei Freizeit und Freiheit mehr gehabt. Erst als ich körperlich und seelisch komplett am Ende war habe ich ihn in ein Pflegeheim gegeben wo er vor ein paar Monaten verstorben ist.

Bereits vorher habe ich mit einer Psychotherapie (Online per Videokonferenz) angefangen und hatte großes Glück mit meiner Therapeutin. Auf das was ich in dieser Hinsicht mittlerweile erreicht habe bin ich durchaus stolz. Ein Beispiel ich hatte nach dem Umzug meines Vaters ins Heim den Wunsch Sport zu treiben und abzunehmen (ich bin/war immernoch stark übergewichtig). Ich konnte nichtmal in Fittnesstudio gehen um mich dort beraten zu lassen. Bereits am Eingang bekam ich Panikattaken weil mich eine neue Situation (und Menschen) so dermaßen überfordert haben.

Das sind Sachen die liegen hinter mir, mittlerweile gehe ich seit mehreren Monaten mehrfach wöchentlich zum Sport, habe stark abgenommen (aber es fehlen immer viele Kilo bis zum Normalgewicht). Ich habe innerlich wie äußerlich einen recht großen Wandel durchgemacht. Ich habe mich geoutet (was sehr gut verlief) aber auf Menschen zuzugehen fällt mir immer noch schwer. So richtige soziale Kontakte, Freundschaften gelingen mir nur schwer. Ich glaube ich habe es wirklich verlernt wie das alles genau funktioniert. Mein Selbstwertgefühl das früher eigentlich gar nicht vorhanden war ist ein kleines Pflänzchen.

Seit ein paar Wochen ist das AB-Dasein das was mir zu schaffen macht. Während ich früher praktisch alles verdrängt (und im warsten Sinne des Wortes in mich hineingefressen) habe. Ich habe mich bei Dating-Plattformen angemeldet und tatsächlich haben mich ein paar Leute angeschrieben. Anstatt mich zu freuen löste das bei mir ein große innere Krise aus. Gerade auf schwulen Datingseiten ist der Fokus noch viel mehr auf Sex ausgelegt. Da kommt anstatt ein Hallo eher ein Dickpic und die Frage auf was man steht. Meine absolute Unerfahrenheit ist das was mich hier praktisch sofort in Panik versetzt. Ich weiß ja gar nicht wirklich was ich mag. Ich mag mich körperlich zwar verbessert haben aber ich bin immer noch dick, hadere mit meinem aussehen, voller komplexe und Ängste.

Hauptsächlich die Angst abgelehnt zu werden. In vieler Hinsicht fühle ich aktuell nicht wie ein 40jähriger der voll im Leben steht sondern wie ein überforderter 15 jähriger der sich selbst erst kennenlernt.

Mittlerweile überlege ich echt mein erstes mal mit professioneller Hilfe hinter mich zu bringen. Auch das ist total angstbehaftet bei mir. Ich merke wie ich mich selbst unter Druck setze.

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lucasg
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Re: Meine Geschichte

Beitrag von lucasg »

Herzlich willkommen faceof,

Danke für deine Offenheit.
Deine Ängste, Zurückweichen kann ich nachempfinden. Gut, dass du beim Sport als auch beim Outting erfolgreich warst.
Da merkt man, du hast in dieser Hinsicht mehr geschafft als die letzte Jahre und mot Hilfe deiner Therapeutin wirst du auch noch viel erreichen.
Dir wünsche ich viel Spaß beim Austausch
towards a better future
Seb-X
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Ich bin ...: verdammt bissig.

Re: Meine Geschichte

Beitrag von Seb-X »

Herzlich willkommen :hut:
"Im innersten Gehäuse des Humanismus, als dessen eigene Seele, tobt gefangen der Wüterich, der als Faschist die Welt zum Gefängnis macht."
(aus "Schwabenstreiche", Theodor W. Adorno, Minima Moralia)