Eine erfundene Geschichte

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ERSTER BEITRAG DES THEMAS
alessa1234

Eine erfundene Geschichte

Beitrag von alessa1234 »

"Schon wieder nichts geworden," dachte sie. Sie saß wie üblich allein auf ihrem Sofa in ihrer schicken, aber chaotischen 3-Zimmer-Wohnung und dachte darüber nach, was sie wohl dieses Mal wieder falsch gemacht hatte.
Eigentlich hatte alles ja ganz gut angefangen. Sie war wieder in ihre alte Heimatstadt gezogen, hatte es geschafft, ihn anzurufen und ihn davon zu überzeugen, sich mit ihr zu treffen.
"Beim ersten Date küßt man sich nicht," dachte sie, "dann denkt er gleich, du willst mit ihm ins Bett."
Das war etwas, was sie unbedingt vermeiden wollte. Mit ihm ins Bett gehen. Zumindest tat sie so. In ihrem Inneren nagte etwas an ihren Gedanken. Sie versuchte, es auszublenden, aber es gelang ihr nicht. Die Tatsache, dass er sie nach all der Zeit noch immer wollte, machte sie fast rasend, und sie wollte dieses Gefühl endlich auskosten, es genießen und ihren Drang befriedigen.
Schon damals, als sie das erste Mal mit ihm zusammen kam, war es nicht dazu gekommen, sie hatte ihn abserviert, weil sie es bisher mit jedem Mann so gehalten hatte. Dies war leichter für sie, da sie große Angst davor hatte, verlassen zu werden, also war sie es, die zuerst ging.
Immer.
Diesmal wollte sie es anders machen, sie war ja jetzt nach fast 10 Jahren viel reifer und der Situation bestimmt besser gewachsen.
Dass er zu diesem Zeitpunkt noch mit einer anderen Frau zusammen war, interessierte sie im Grunde nicht. Sie wußte, dass er zu ihr zurückkommen würde, sie mußte nur Geduld haben.
Und tatsächlich weihte sie mit ihm ihren schönen neuen Teppich ein, sie ließ es aber nicht bis zum Äußersten kommen, dann hätte sie in ihren Augen die Kontrolle verloren und somit ihre Autonomie ihm gegenüber. Das war das Letzte, was sie wollte: sich in einem anderen verlieren und in ihm aufgehen, das wäre für sie gleichbedeutend gewesen mit einer Aufgabe ihres Selbst.
Er hatte die Situation nicht ausgenutzt, hatte sie in Ruhe gelassen und war gegangen. Sie hatte sich nach der Sache schlecht gefühlt, hatte innerlich gefroren und wußte wohl selbst nicht genau, warum.
Die andere Frau hatte wohl etwas gespürt, denn sie nahm sich einen anderen Liebhaber und setzte ihren alten vor die Tür...

Früher, als sie Anfang 20 war, hatte sie sich noch vorgenommen: wenn die Jahrtausendwende kommt, bist Du verheiratet, hast ein Haus, einen Mann und ein Kind.
So richtig vorstellen konnte sie sich das damals nicht, aber da alle ihre Freundinnen davon träumten, tat sie es auch. Alles andere wäre nicht normal gewesen, dachte sie damals.
Später dann dachte sie an ihre Karriere, um ihr in ihren Augen trauriges Privatleben zu übertünchen. Sie schaffte Einiges in dieser Zeit und fand in ihrem Beruf viel Anerkennung.
Etwas fehlte ihr immer, und sie hatte gehofft, es bei ihm zu finden. Aber da lag sie wieder einmal falsch, und sie hatte im Grunde ihres Herzens immer gewußt, dass auch er ihr nicht geben konnte, was sie suchte.
Sie ließ sich treiben, ging mit ihm zu Hochzeiten und Geburtstagen, stellte ihn ihrer Familie vor und gab ihn überall als ihren Freund aus. Auch auf der Arbeit konnte sie vermelden, dass sie endlich den Mann fürs Leben gefunden hatte.
Abends saß sie wie immer allein auf dem Sofa, weil sie es nicht ertragen konnte, ihn bei sich zu haben. Er holte sie immer vor der Tür ab, auf dem Rückweg hielt er ihr die Autotür auf, fragte aber nie, ob er sie in die Wohnung begleiten dürfte, sondern stieg in sein großes Auto und fuhr davon.
Ihre Mutter hatte sich schon immer gefragt, warum er nie bei ihr übernachtete, laut gefragt hat sie aber nie, als ob sie die Wahrheit nicht wissen wollte
Als sie es nicht mehr aushielt, wollte sie nicht per sms oder Telefon "schlussmachen", das gehörte sich nicht. Sie fragte sich, warum er nicht schon längst von allein gegangen war, schließlich hatte sie ihn gut 2 Jahre hingehalten, ohne dass er das bekam, was er eigentlich wollte und sie ihm nicht geben konnte.
Irgendwann merkte sie, dass er nicht in der Lage dazu war, sie zu verlassen, weil er selbst bisher immer verlassen worden war und nie auf den Gedanken gekommen wäre, dass er einmal jemanden verlassen könnte.
Er war immer loyal gewesen ihr gegenüber und hatte alles getan, was sie von ihm verlangt hatte. In wichtigen Dingen hatte er nie eine eigene Meinung, sondern richtete sich immer nach ihren Wünschen, auch in Bezug auf Sexualität. Sie wollte keine, und er akzeptierte es. Er war immer höflich, und streiten konnte sie auch nicht mit ihm, weil er immer nachgab.
Wieso war ihr das nicht früher aufgefallen? Wieso störte sie das so sehr? Schließlich hatte es eine Zeit gegeben, in der sie Kinder mit ihm haben wollte. Sicher, sie hätte einen Teil von sich für ihn aufgeben müssen, dachte sie, aber dazu wäre sie bereit gewesen.
Wieso ging er ihr so auf die Nerven?
Also machte sie wieder schluß. Sie ging in ihre Lieblingskneipe, bestellte ihn dorthin, kippte einen Caipi, um das Herzklopfen zu unterdrücken und schwor sich, dass, wenn er blöd reagierte, sie sofort aufstehen und das Lokal verlassen würde. Sie bezahlte ihren Drink, bevor er auftauchte, spürte ihr Herz bis in den Hals schlagen, sagte ihm, was sie sagen wollte, er reagierte blöd und sie verließ das Lokal. Er wirkte nicht schockiert, aber resigniert, als sie ging, so, als hätte er es schon erwartet.
Als erstes erzählte sie es ihrer Mutter. Richtig betroffen war diese nicht, sah aber wohl ihre zukünftigen Enkelkinder den Bach runtergehen.
Kollegen und Freunde reagierten ruhig und gefaßt, sie zeigten sogar eine gewisse Anteilnahme.
"Egal," dachte sie, "irgendwann werde ich Kinder haben."
Aber die Uhr tickt unaufhörlich weiter.
Sie fragt sich mittlerweile, ob sie überhaupt je in der Lage sein wird, mit einem Mann zusammen zu leben, schließlich lebt sie schon seit 15 Jahren allein.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Sie arbeitet jetzt sehr viel, etwa 50-60 Stunden in der Woche. Aber das Sofa neben ihr bleibt leer.

ERSTER BEITRAG DES THEMAS
alessa1234

Beitrag von alessa1234 »

Ihr dürft ruhig mal eure Meinung schreiben zu meinem literarischen Ergruss. :shy:
BAT66

Beitrag von BAT66 »

gut geschrieben, scheint auch der Lebensgeschichte von dem einen oder anderen ab zu gleichen. Fehlt bloss noch das Happyend...
alessa1234

Beitrag von alessa1234 »

Ja, wohl wahr... :traurig2: