Melli hat geschrieben: ↑15 Jul 2019 22:38
Ich hatte schonmal erwähnt, daß ich in D sogar sehr regelmäßig Matrilokalität beobachten konnte. Also Fälle, in denen die Frau zuhause bei den Eltern wohnen blieb, der Mann dann zu denen zog.
[...]
Ich denke, es ist für die Frau angenehmer als Patrilokalität, wo sie die ganze Zeit mit Leuten verbringen muß, die ihr zunächst Fremde waren. Wie das dann so alles weitergeht, naja... das steckt man eh nicht drin.
Hat in meiner Familie mütterlicherseits Tradition. Mindestens seit meiner Ur-Urgroßmutter (weiter zurück gehen die mir überlieferten Erzählungen nicht) ist immer die Tochter bei den Eltern geblieben, nach der Heirat zog der Mann dazu und es lebten 3 Generationen unter einem Dach. Weder meine Oma noch meine Mutter ist jemals tatsächlich bei den Eltern ausgezogen, lediglich die Umstände nach 1945 (Annexion der deutschen Ostgebiete) bewirkte, daß meine Mutter in den 60er Jahren illegal aus dem inzwischen polnischen Oberschlesien flüchtete und vorübergehend zwei Jahre alleine in Berlin (West) lebte. Dann konnte ihre Mutter, meine Oma, legal ausreisen und zog in Berlin wieder zu ihrer Tochter in die gemeinsame Wohnung. Inzwischen hatte meine Mutter meinen Vater kennengelernt, und alle drei zogen zunächst in Berlin zusammen. Etwa 1 Jahr später zogen alle drei (bzw. 4; meine Mutter war inzwischen mit mir schwanger) nach Süddeutschland in die Heimat meines Vaters, aber immer mitsamt ihrer Mutter.
Wohlgemerkt waren das immer nur normale Wohnungen (3 Zimmer), keine großen Häuser mit viel Platz. Ich habe bis ich 14 Jahre alt war noch mit meiner Oma ein Schlafzimmer geteilt, danach zogen wir in eine 4-Zimmer-Wohnung um. Ein echtes Kinderzimmer hatte ich als Kind gar nicht. Hausaufgaben wurden zusammen mit meiner Oma am Küchentisch erledigt, gespielt habe ich im Wohnzimmer oder eben draußen im Garten. Und das war sehr schön, ich habe überhaupt nichts vermißt.
Meine Mutter erzählte mir mal, dass die zwei Jahre, die sie alleine ohne ihre Mutter in Berlin lebte (da war sie 26 Jahre alt) die schlimmste Zeit ihres Lebens war und sie in dieser Zeit laufend überlegte, trotz strafrechtlicher Konsequenzen (Republikflucht) wieder nach Polen zurückzugehen, um ihrer Mutter wieder nahe zu sein. Aber wahrscheinlich wäre sie dann ins Gefängnis gekommen. Meine Oma musste sehr viel Aufwand betreiben, um ihr das (telefonisch) auszureden.
Ob ich diese Mutterbezogenheit nun in den Genen habe, oder es einfach nur daher kommt, dass ich als Kind - genauso wie die Generationen zuvor - einfach gar nicht anders kannte und es somit anerzogen und nicht angeboren ist, weiß ich natürlich auch nicht. Wahrscheinlich eher letzteres.