Sense8 hat geschrieben: ↑21 Nov 2021 17:57
Ich finde nur die dargestellte Intensität und die Wichtigkeit, die manchen Aspekten beigemessen wird etwas übertrieben. Mir selber ist nicht ganz klar inwiefern Betrunkensein essentiell wichtig für das Heranreifen eines Jugendlichen ist. Natürlich geht es um Spaß haben, Kontakte knüpfen, das andere Geschlecht kennen lernen..etc. und das ist ja auch wichtig.
Aber das hört doch nicht einfach mit 18 aufeinmal auf. Feiern und Partymachen geht doch gut und gerne auch noch in den 20gern. Oder welche Aspekte meinst du jetzt genau, die man nur in einem kurzen beschränkten Zeitfenster kennen lernen kann?
Tania hatte ja bereits einen Link gepostet, wonach landesweit die Psychologen Alarm schlagen, weil unfassbar viele Kinder und Jugendliche mittlerweile psychische Krankheiten entwickelt haben.
Dabei geht es nicht "nur" um ausgefallene Partys, sondern um alles, was die Jugend erst zur "Jugend" macht: sich ausprobieren, Neues erleben, sich selbst finden, soziales Verhalten weiterentwickeln, Pläne für die Zukunft schmieden, Dates haben, erste Liebe.
Stattdessen: Bis auf die Sommermonate Zuhause rumhängen und auf den Bildschirm starren, am besten noch rund um die Uhr mit den Eltern zusammen, die im Homeoffice sitzen. Sturmfrei und Freunde zum Videoabend oder zum Feiern einladen? Manche Jugendliche haben nie erlebt, was das überhaupt bedeutet. Onlinegaming- und Socialmedia-Sucht nimmt überhand, während die Leute gleichzeitig verlernen, wie man überhaupt in "echt" neue Menschen kennenlernt und "socialized".
Gespräche aus meinem Umfeld bestätigen das, die Jugendlichen und auch Studenten befinden sich in einem gemischten Dauerzustand aus Wut, Verzweiflung, Depression, Langeweile und Frust.
Da ist so viel, das sich nicht mehr nachholen lässt, einfach weil es für viele Dinge nur ein bestimmtes Zeitfenster gibt. Der Sohn einer Bekannten schreibt bald seine letzten Bachelorprüfungen und hat die Uni nur für wenige Tage von Innen gesehen und kaum neue Freunde gefunden, hängt stattdessen immer noch ausschließlich mit den alten Buddys aus Schulzeiten ab, denen es genauso geht. Der ist sowas von gefrustet, weil sein Studentenleben komplett ausgefallen ist. Unnötig zu erwähnen, dass er Dauersingle ist. O-Ton: "Auf Tinder kann ich nix reißen und da ich außerhalb meines Sandkastenfreundeskreises kaum jemanden kenne, lerne ich auch nicht "einfach so" neue Mädels kennen. Außerdem habe ich das Gefühl, total verlernt zu haben wie man überhaupt jemand Neues kennenlernt".
Und ja, gerade wenn es um das Erlernen von "Balzverhalten" geht, sind all die Partys, die man als Jugendlicher erlebt, eine extrem wichtige Spielwiese um sich auszuprobieren und um zu lernen, wie man Signale interpretiert/sendet, wie man flirtet, etc.
Schlagt mich nun gerne, aber ich sehe hier im AB-Forum überproportional viele Menschen vertreten, die mit Partys noch nie viel anfangen konnten und teilweise sogar generell soziale Events meiden. Andersherum kenne ich kaum jemanden persönlich, der früher (wie auch heute hin und wieder noch) gerne auf Feiern und Partys unterwegs war und gleichzeitig keinen Plan hat wie man Frauen kennenlernt. Die Korrelation ist definitiv vorhanden, über die Kausalität kann man nun gerne streiten.