So weit, so richtig. Der Knackpunkt ist die Passage, die ich hervorgehoben habe. Bzw. als Voraussetzung dafür: Kann man überhaupt konkrete Personen dafür verantwortlich machen? Wenn man die nicht ausmachen kann, führt eine Suche nach Schuldigen ins Leere. Denn "die Allgemeinheit" bzw. eine anonyme Masse von tausenden, wenn nicht Millionen von Menschen lässt sich nicht haftbar machen.Two-Tone hat geschrieben: ↑17 Mai 2022 09:23Nein. Nach einem Schuldigen zu suchen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen, sofern man diese Person oder diese Sache überhaupt belangen kann ist seit Jahrhunderten und Jahrtausenden der Fall.Hathor hat geschrieben: ↑16 Mai 2022 10:01 Aber eine gewissermaßen strukturelle, in irgendeiner gesellschaftlichen Fehlentwicklung begründete Ursache oder "die Männer" oder auch nur "die Welt" und "das Schicksal" dafür verantwortlich zu machen, wäre mir nie in den Sinn gekommen, und das hielte ich auch heute noch für ausgemachten Schwachsinn. Ist das nicht nur die weichgespülte, sozialverträglichere Variante der Incel-Ideologie?
Welchen Beweis meinst du?
Menschen, mit denen ich mich nicht irgendwie persönlich verbunden fühle, schulden mir gar nichts. Gerade auf der emotionalen Ebene wüsste ich auch nicht, wie das gehen sollte. Denn dazu muss man sich gegenseitig erstmal kennen.
Ein soziales Umfeld, auf das man sich stützen kann, ist niemandem in den Schoß gelegt. Man wird zwar in das Umfeld seiner Familie und Nachbarschaft hineingeboren, aber diese Kontakte zu halten oder neue aufzubauen, ist spätestens ab dem Erwachsenenalter die Sache jedes Einzelnen - in dem Rahmen, wie er es wünscht.
Jein. Das sind Verteilungsprozesse auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, die sicher nicht ganz unproblematisch sind. Aber die ganz konkrete Kollegin mit ihrer Eigentumswohnung und ihrem dickeren Bankkonto ist nicht persönlich für deine Wohnqualität verantwortlich.Two-Tone hat geschrieben: ↑17 Mai 2022 09:23Eigentlich schon. Die Reichen (z.B. deine Kollegin) nehmen die Lebensgrundlage der Armen weg. Wohnraum wird zur Ware degradiert oder zu Spekulationsobjekten gemacht.
Beweis: Den Slogan "Wohnraum ist keine Ware!" suchen. Und in dich einwirken lassen, ohne jetzt zu antworten weil es sonst ins politische abdriftet.
Solche "Schuldzuschreibungen" sind erstens ziemlich verkürzte Darstellungen, und zweitens sind sie nicht eindeutig belegbar. Es gibt nämlich auch Menschen, die unter ähnlichen Umständen aufgewachsen sind und nicht zu ABs geworden sind. Insofern würde ich hier vielleicht von Einflüssen sprechen, die dazu beigetragen haben, dass jemand AB ist. Mehr aber nicht.Two-Tone hat geschrieben: ↑17 Mai 2022 12:33Zum Beispiel die Eltern hierzu ein Zitat aus den Ursachen des ABtums:
"Zu strenge oder zu überbehütende Erziehung im Elternhaus, speziell Überbehütung durch die Mutter -> Eigenes Ich / Selbstbewusstsein wurde nicht weit genug entwickelt."
Also sind ganz klar die Eltern schuld oder ein Elternteil, wenn jemand aufgrund von Überbehütung oder Verwöhnung kein großes Selbstbewusstsein entwickelt als Schlüssel zu einer Beziehungsfindung.
Weitere Schuldige können ebenfalls über "Ursachen des ABtums" extrahiert werden. Meistens ist man selbst schuld. Und oft wird auch hier im Forum gesagt, dass man selbst daran arbeiten muss, implizierend, dass der Schuldige bei sich selbst liegt, warum die Beziehungsfindung nicht funktioniert.
Und dann stellt sich die nächste Frage: Selbst wenn du einen eindeutigen Schuldigen benennen kannst: Was dann? Eine Bestrafung dieser Person(en) mag dir eine gewisse Genugtuung verschaffen. Aber dadurch wird weder deine soziale Entwicklung verbessert oder gar neu aufgerollt, noch verschafft dir das in irgendeiner Form eine Freundschaft oder gar Lebenspartnerschaft. Wozu dann also die Suche nach Schuldigen?