Ich habe mir gerade einen Artikel gesucht, um nochmal einen Eindruck von dem Begriff Introvertiertheit zu bekommen. Aus meiner Sicht werden mit dem Begriff zu leicht zwei Ebenen miteinander vermischt. Die Zuschreibung als Charaktereigenschaft wird leider zu leicht mit einer Annahme für bestimmte Verhaltensmuster verbunden. Es wird dann schnell von dem Einen auf das Andere geschlossen und umgekehrt. Wenn jedes Ruhig in der Ecke sitzt und ein Buch liest, sei es entsprechend introvertiert und wenn jedes introvertiert ist, wird erwartet, dass es mit einem Buch in der Ecke sitzt.
Die Verkettung von Charaktereigenschaft und Verhaltensmustern ist allerdings - aus meiner Perspektive - ein Fehlschluss. Sie verkennt wie es zu der "Zuschreibung" von Charaktereigenschaften gekommen ist und wie diese ganzen psychologischen Tests entstanden sind. Auch wenn Du schreibst, dass Du Introvertiertheit als "einen" AB-Grund betrachtest und ich interpretiere, dass Du damit meinst als einer vor vielen, so würde ich hier den Zusammenhang schwächer formulieren. Es geht um Wahrscheinlichkeit nicht um Ursachen und "Grund" klingt für mich eher nach einer Vorstellung als Ursache, statt Korrelation.
Je weiter sich der Charakter eines Menschen auf der Linie zwischen Extraversion und Introversion in Richtung Introversion bewegt, so erhöht sich seine Wahrscheinlichkeit für Verhaltensmuster, in welchen der jeweilige Mensch mit weniger Menschen interagiert. Entsprechend erhöht diese Ausrichtung auch die Wahrscheinlichkeit ein AB zu sein, weil je weniger Kontakt ich mit Menschen habe, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich einen Menschen treffe, welcher für mich als Partner in Frage kommt und umgekehrt. Es ist allerdings nur eine Wahrscheinlichkeit und kein Grund, schließlich sind viele Menschen mit der Charaktereigenschaft introvertiert trotzdem in Beziehungen.
Wenn ich mir die Beschreibung zu den anderen vier Dimensionen - neben Extraversion <-> Introversion - anschaue, würde ich hier bei den Dimensionen Offenheit, Verträglichkeit und Neurotizismus eine sehr viel stärkere Korrelation erwarten, als ich sie bei Extraversion erwarten würde.
Wenn es darum geht ein "psychologisches (Standard)Profil" zu erstellen, welche für ABs als "normal" angenommen werden könnte, würde ich empfehlen alle fünf Dimensionen vom "Big-Five-Modell" zu verwenden und nicht sich auf die scheinbar naheliegendste zu beschränken. Vielleicht ist AB sein nur so etwas wie ein "negativer" Lottogewinn und es ist wie beim Spiel "Reise nach Jerusalem", es bleibt immer jemand übrig, weil die Spielregeln so sind und nicht weil jemand so ist wie er ist. Ich kann Strategien einüben, um länger im Spiel zu bleiben, dann wird ein anderes meine Stelle "übernehmen". Solange ich das "Spiel" bzw. seine Regeln nicht ändere, ist es müßig darüber zu spekulieren "Warum ich?".Neben der Extraversion umfasst das Big-Five-Modell weitere folgende vier Persönlichkeitsfaktoren:Quelle: barmer.de
- Offenheit für Erfahrungen: Wie einfallsreich und neugierig ist jemand? Wie gern mag sie oder er Abwechslung?
- Gewissenhaftigkeit: Wie zielstrebig, genau und pflichtbewusst ist jemand?
- Verträglichkeit: Wie rücksichtsvoll, kooperativ und empathisch ist jemand?
- Neurotizismus: Wie emotional labil und verletzlich ist jemand?
Es ist wie bei dem Witz mit den beiden Wanderern und dem Bären.