Cavia hat geschrieben: ↑22 Aug 2022 15:39
Bekommt man ernsthaft ein Kind, weil andere Menschen es von einem erwarten?? Ich hoffe nicht.
Ich habe nie sozialen Druck verspürt.
Expliziten sozialen Druck verspüre ich zwar auch nicht, da es niemanden (außer ggf. meinem Partner) gibt, der mir sagt, ich müsse unbedingt Kinder bekommen. Aber gesamtgesellschaftlich gibt es doch eine ganze Menge subtilen Druck, wenn man sich das mal bewusst macht:
- Wer keine Kinder möchte, wird als "abnormal" angesehen, siehe ja z.B. auch hier im Thread - es wurde mir empfohlen, das mit einem Therapeuten abzuklären. Niemand empfiehlt einer Frau mit Kinderwunsch eine Therapie oder fragt eine Schwangere, ob sie sich das auch wirklich gut überlegt hat... dabei ist die Entscheidung für ein Kind weitaus gewichtiger und folgenreicher als die dagegen. Ich finde es sowieso ziemlich absurd, dass einfach jeder ein Kind bekommen und es nach Gutdünken erziehen kann und es dafür keinerlei Qualifikationen braucht, während man für jede andere verantwortungsvolle Tätigkeit mit Kindern jahrelange Ausbildungen, Abschlüsse und Führungszeugnisse benötigt.
- Wenn man in Gesprächen erwähnt, dass man keine Kinder will, muss man sich oft erklären oder rechtfertigen oder es heißt "das ändert sich noch", "wenn du erst 25/30/35" bist, dann...", "ach Quatsch, du wirst ganz viele kleine [Name des Partners] bekommen" oder man wird einfach mit großen Augen angeschaut - alles schon erlebt, zum Großteil aber auch von Frauen, weniger von Männern.
- Als kinderlose Frau beim Arzt eine Sterilisation zu bekommen, ist fast unmöglich - man würde es bereuen und könne die Konsequenzen nicht beurteilen. Der Zugang zum einzigen 100% sicheren Verhütungsmittel wird Frauen dadurch verwehrt. Auch hier wieder: Die Konsequenzen der Entscheidung für ein Kind werden dagegen nicht hinterfragt. Damit hat man dann als Frau einfach klarzukommen, und wer im Muttersein nicht die Erfüllung findet, der ist ein schlechter Mensch. Es wird ausgeblendet, wie viele unglückliche Familien es gibt, wie viel von der Familienarbeit an der Frau hängenbleibt und wie viele Familien an dem Stress zerbrechen. Als Mutter darüber zu sprechen, dass man diese Entscheidung bereut, ist extrem tabuisiert - es gibt zwar inzwischen dazu einiges an Berichten/Blogs online, aber wegen der Anfeindungen oft anonym.
- Schwangerschaftsabbrüche sind stigmatisiert und tabuisiert, und die Kosten für Verhütungsmittel werden in den meisten Fällen nicht durch Krankenkassen übernommen
Deswegen finde ich es toll, dass Männer wie NeC oder uhu sich bewusst sind, dass Schwangerschaft und Geburt massive Eingriffe in den weiblichen Körper sind und nicht davon ausgehen, dass Frau wie selbstverständlich ihren Körper dafür zur Verfügung stellt. Ich glaube, viele Männer befassen sich wenig mit den Risiken und Folgen einer Schwangerschaft und stellen sich das wie einen besseren Spaziergang vor. Mein früherer Partner, der selber Kinder wollte, war vollkommen schockiert, als er mit Mitte 30 (!) zufällig erfahren hat, dass nach einer Geburt erstmal für ein paar Wochen bis Monate kein Sex möglich ist - da dachte ich mir auch, gut dass wir jetzt drüber sprechen und nicht wenn es ggf. zu spät ist.